Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Jahren vor der Industrie- und Handelskammer diese Initiative angekündigt. Wir haben nachgefragt, wie die Initiative umgesetzt werden soll. Daraufhin kriegten wir die Antwort, dass eine Arbeitsgruppe gegründet werde. Danach war Schweigen im Walde, nichts passierte. Zwei Jahre später kündigte der Ministerpräsident eben diese Initiative mit sehr viel Verve erneut an.

(Golibrzuch [GRÜNE]: Das war eine Falschmeldung!)

Nun ja, ich finde, das spricht für sich. Jedenfalls spricht es nicht dafür, dass diese Initiative nun zeitnah umgesetzt werden wird. Aber wir werden darauf achten. Ich fürchte jedenfalls, auch diesmal sind die Macherqualitäten des Ministerpräsidenten mal wieder eher vorgetäuscht.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie sind gar nicht vorhanden!)

Jedenfalls kann man eines schon einmal feststellen: Der Vorschlag des Ministerpräsidenten steht im Widerspruch zu dem, was die Fachministerin, Frau Trauernicht, mit den Gewerkschaften vereinbart hat. Die haben nämlich untereinander vereinbart, dass Sie das Projekt Kombilohn zunächst einmal in zwei ausgewählten Regionen ausprobieren wollen. Wir werden also zu beobachten haben, wie dieses Projekt weitergeht. Die Erfahrung zeigt aber eher, dass die Entscheidungen in der Staatskanzlei getroffen werden.

Für Ihre Verhältnisse - so muss ich ganz ehrlich sagen - fand ich die Aussagen, die Sie zum Thema Überstundenabbau getroffen haben, geradezu vorwitzig. Es ist wirklich schade, dass der Ministerpräsident nicht da ist. Denn mich würde interessieren, was der Ministerpräsident zu dieser Initiative sagt und wie der reale Verkehrswert für den Ministerpräsidenten ist. Ich vermute, dass die Staatskanzlei energisch versuchen wird, solche Pläne zu verhindern und sie zu torpedieren.

(Groth [SPD]: Das ist eine Falschin- terpretation!)

Bekanntlich werden die Entscheidungen nicht in der SPD-Fraktion getroffen, sondern in der Staatskanzlei.

(Beifall bei der CDU - Groth [SPD]: Jeder entscheidet seine Sachen!)

Da wir auf die Anwesenheit des Ministerpräsidenten nun aber leider verzichten müssen, werden wir

uns zunächst damit begnügen müssen, von Ihnen Antworten auf unsere Fragen zu erbitten. Ich würde wirklich gern wissen: Was genau meinen Sie denn mit Begrenzung, und ab welchem Niveau wollen Sie begrenzen? Dazu wären ein paar klare Aussagen sehr sinnvoll. Ich bin sicher, dass sich insbesondere auch die Gewerkschaften für diese Antworten interessieren würden. Nicht sicher bin ich mir aber, ob dieses Instrument so, wie Sie es in Ihrem Antrag vorschlagen, wobei Sie auch von einer gesetzlichen Initiative sprechen, überhaupt ein taugliches Instrument ist. Ich schlage vor, bei der Frage des Abbaus von Überstunden mit Anreizsystemen zu arbeiten. Warum wollen wir nicht die Unternehmen steuerlich und bei den Sozialversicherungsbeiträgen bevorteilen, die ihr Arbeitszeitvolumen auf viele Schultern verteilen, also mit sehr viel Teilzeit arbeiten,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und warum wollen wir nicht die höher belasten, die mit sehr vielen Überstunden arbeiten? Ich meine, dass solche Instrumente sehr viel mehr Flexibilität für die Unternehmen zuließen und auch wirkungsvoller wären. Einen solchen Vorschlag haben wir bereits in einem unserer Entschließungsanträge gemacht und mich würde interessieren, was Sie fachlich-sachlich zu unserem Vorschlag zu sagen haben.

Meine Damen und Herren, der SPD-Antrag spricht von der Erprobung neuer Wege. Angesichts der Arbeitslosenzahlen, die in Niedersachsen vorliegen, ist das sicherlich nötig. Aber ich finde, wir sollten uns auch einmal in Erinnerung rufen, dass es sehr gute und altbewährte Vorschläge gibt, die aber Unterstützung brauchen. In diesem Monat läuft das Teilzeitmodell der niedersächsischen Metallindustrie aus. Durch Arbeitsumverteilung konnten in diesem Bereich 246 befristete und 74 Dauerarbeitsplätze geschaffen werden. Trotz dieser Erfolge scheitert die Fortführung dieses Bausteins für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik offensichtlich daran, dass es weder Schröder noch Glogowski und auch nicht Gabriel gelungen ist, die versprochene Steuerbefreiung zu realisieren. Meine Damen und Herren, wenn ich mir das Versagen der Regierungen bei einem solch vergleichsweise kleinen Projekt vor Augen führe, dann bin ich hinsichtlich der flächendeckenden Umsetzung von Kombilohnmodellen in Niedersachsen nicht gerade optimistisch. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat der Kollege Plaue das Wort. Bitte schön!

(Lindhorst [CDU]: Die tun was, weil Stoiber kandidiert!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, die Debatte über den wichtigsten Rohstoff, den wir haben, nämlich die Bildung, die Erfahrung und die Qualifikation der Menschen in Niedersachsen, über die Frage der Beschaffung von Arbeitsplätzen und darüber, wie die wirtschaftliche Situation des Landes und Investitionen verbessert werden können, ist eine der Hauptgaben, denen sich dieses Parlament stellen sollte. Ich wäre dankbar, wenn wir uns in der Diskussion jedenfalls dort, wo wir sie nicht mit dem nötigen Wahlkampfdonner führen, zu dem wir alle aufgerufen sind, um für Stimmen zu werben, also dann, wenn wir auf die Sache eingehen, auf ein paar Fakten einigen könnten, damit die Ausgangslage bei allen gleich ist und wir es vielleicht schaffen, die konkreten Vorschläge zu betrachten, die die einzelnen Parteien haben, um Wirtschaftswachstum anzuregen, um Arbeitsplätze zu schaffen und um, wie es auch Frau Kollegin Pothmer gesagt hat, den älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben und für die große Probleme bestehen, wieder einen Job zu bekommen, zu helfen und einen Einstieg dort hinein zu geben, wo die Sinnwertigkeit des Lebens mit Sicherheit mehr geprägt wird als in der Arbeitslosigkeit.

(Zurufe von der CDU)

Wir sind uns vielleicht auch darüber einig, meine Damen und Herren, dass ein großer Teil - die Gewichtung mag jede Seite des Hohen Hauses selbst festlegen - des Problems, vor dem wir stehen, eine Folge von weltkonjunkturellen Entwicklungen ist, bei denen wir - bei allem Respekt vor den Möglichkeiten eines Bundeslandes oder eines Nationalstaates - relativ wenig tun können, es sei denn, dort einzusetzen, wo die Möglichkeiten, auch die finanziellen Möglichkeiten des Staates dies zulassen. Deshalb ist alles das, was wir machen, und sind alle Vorschläge, die wir machen, immer nur so gewichtig und so interessant wie die Fähigkeit, diese Vorschläge auch in Haushaltspolitik zu gießen. Das gilt sowohl für die Regierungsparteien und Regierungen als auch für die Oppositionspar

teien. Niemand kann sich eines solchen Anspruches verweigern.

Meine Damen und Herren, ich habe in den letzten Tagen und Wochen immer wieder gehört - insbesondere im publizistischen Bereich -, dass wir eine Rekordarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Fakten sprechen eine ganz andere Sprache.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir hatten zu den Hochzeiten der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Regierung Kohl in der Bundesrepublik Deutschland 4,85 Millionen Arbeitslose, die keinen Job gefunden haben. Das war Rekord - aber nicht das, was wir jetzt zu verzeichnen haben, wenngleich das leider immer noch zu hoch ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich meine, wir müssen sehr sorgfältig - -

(Zuruf von Möllring [SPD] - Herr Kollege, damit wir uns wenigstens über Zahlen nicht mehr streiten müssen, empfehle ich Ihnen einen Blick in die Ergebnisse der Bundesan- stalt für Arbeit. Das sind objektive Zahlen. Wenn Sie dann immer noch dazwischenrufen, dass das nicht stimmt, dann habe ich allerdings das Gefühl, Herr Kollege Möllring, dass PISA bei Ihnen auch ein sehr interessantes Objekt gefunden hätte. (Beifall bei der SPD)

Ich meine, meine Damen und Herren, es geht nicht so sehr darum, dass man jetzt hektisch reagiert. Wir wissen, dass man dann, wenn die weltkonjunkturellen Voraussetzungen einen bestimmenden Einfluss auf die Beschäftigungsentwicklung und auf das Wirtschaftswachstum haben, sehr aufpassen muss, ob man als Staat durch das Hineingeben von Geld - das man in der Regel ja nicht hat, sondern sich leihen muss - nicht einfach nur dazu beiträgt, Geld zu verbrennen, sondern man muss sehr sorgfältig prüfen, ob die Maßnahmen, die man ergreift, die man auch damit finanziert, so effektiv sind, dass wir denjenigen, die wirklich die größten Probleme am Arbeitsmarkt haben, dabei helfen.

(Lindhorst [CDU]: Das ist neu!)

- Das ist überhaupt nicht neu, Herr Kollege, sondern das ist die Politik von solider Haushaltswirtschaft. Ich habe das Gefühl, Herr Kollege, dass Sie

zwar Weltmeister im Zwischenrufen sind, aber dass Sie letzter Sieger in der Frage sind, wie man zum Beispiel Haushaltsanträge zu diesem Problem formulieren kann.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen und sollten zur Kenntnis nehmen, dass seit 1998 in diesem Lande wieder aktive Arbeitsmarktpolitik gemacht wird. Es hat 16 Jahre lang gedauert, bis die Politik begriffen hat, dass sich hier etwas tun muss. Da war ein Regierungswechsel erforderlich. Es ist gut so, dass dieser Regierungswechsel dazu geführt hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU - Frau Schliepack [CDU]: Das darf doch wohl nicht wahr sein!)

- Meine Damen und Herren, ich habe das Gefühl, die Herren und Damen Zwischenrufer scheinen vergessen zu haben, was in den letzten zwei Jahren passiert ist. Ich nenne beispielhaft das Bündnis für Arbeit, ein sozialdemokratisches großes Projekt, das auf den Weg gebracht worden ist, mit großen Erfolgen. Man redet miteinander und nicht nur übereinander. Ich halte es für wichtig, dass man so etwas organisiert, um aus den Schlagzeilen herauszukommen hin zu konkreten Projekten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit hat bisher über 330 000 Jugendlichen eine neue Perspektive eröffnet. Das Programm wird bis zum Ende des Jahres 2003 fortgeführt. Wir haben die wesentlichen Elemente dieses Programms in das Job-AQTIV-Gesetz übernommen, das zu Beginn dieses Jahres startet. Die Bundesregierung kümmert sich um den Arbeitsmarkt und sitzt die Probleme nicht aus. Ich halte das für einen vernünftigen Politikansatz.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Möllring [CDU])

Herr Kollege Möllring, von 1998 bis 2000 sind 54 Ausbildungsberufe neu formuliert und 18 neu geschaffen worden. Meine Damen und Herren, wenn Sie einmal mit Ausbilderinnen und Ausbildern reden, dann sagen sie: Wir haben zum Teil Ausbildungsordnungen, die so antiquiert sind, dass sie aus der Steinzeit stammen könnten. - Auch das war ein Ausbildungshemmnis. Diese Bundesregierung hat dieses Problem angepackt und hat es verändert. Ich halte das für einen guten Ansatz, der auch wirkt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf Sie auch daran erinnern, dass wir Lohnund Sozialdumping durch das Arbeitnehmerentsendegesetz nach dem Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ geändert haben. Das war ein wichtiger Beitrag dazu, dass die europäische Integration, die wir alle befürworten, nicht auf dem Rücken von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgetragen wird. Das ist ein voller Erfolg der Regierung Schröder, und es war ein Misserfolg der Regierung Kohl, sich dazu nicht geäußert zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur an die 630-DM-Jobs bzw. jetzt an die 315-Euro-Jobs erinnern, mit denen wir deutlich gemacht haben, dass wir als Politik die Flucht aus der Sozialversicherungspflicht heraus nicht mitmachen und neue Strukturen eingezogen haben. Ich erinnere an das Programm zum Abbau der Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten: In Kürze werden 50 000 Menschen dadurch einen neuen Job bekommen haben. Ich halte das für einen guten Beitrag zur Integration von behinderten Menschen in die Arbeitswelt und nicht nur für Gerede.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben die Scheinselbständigkeit neu geregelt, die Mittel für den aktiven Arbeitsmarkt um 5 Milliarden DM gesteigert, den Kündigungsschutz verbessert, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verbessert. An alle diese Projekte will ich nur erinnern. Nicht zuletzt möchte ich daran erinnern, meine Damen und Herren, dass wir etwas gemacht haben, was den Menschen, die von der Baukonjunktur betroffen sind, die immer in schwierigen Fahrwassern schwimmt, auf den Weg helfen soll: Wir haben das Schlechtwettergeld wieder eingeführt, das zum Wohle vieler Bauarbeiter greift und verhindert, dass Arbeitslosigkeit im Baubereich noch größere Umfänge annimmt, als es bei Ihnen der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die statistischen Vergleiche sind eindeutig. Wir brauchen uns auch nicht dahinter zu verstecken. Von 1998 bis zum Oktober 2001 hat es unter dieser Bundesregierung fast 900 000 neue sozialversicherungspflichtige Stellen gegeben. In Niedersachsen waren es immerhin fast 60 000. Meine Damen und Herren, das sind Fakten, auf die wir stolz sind, weil wir sie

auch zusammen mit den Unternehmen in unserem Land geschaffen haben. Wir tun nicht so, als ob wir als Politik das allein schaffen können. Aber wir sind stolz darauf, dass wir diese wirtschaftliche Entwicklung mit unserer Politik begleitet haben.

Schauen Sie sich auch einmal an, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sich die Arbeitslosenquote in Niedersachsen von 1998 bis 2001 entwickelt hat: von durchschnittlich 12,3 % auf unter 10 %. Ich sage nicht, dass ich damit zufrieden bin. Aber ich mache damit deutlich, dass eine aktive Arbeitsmarktpolitik geeignet ist, auch auf dem Arbeitsmarkt Reaktionen zu produzieren. Diese Politik werden wir fortsetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass das, was jetzt aus Richtung Süddeutschland gebracht wird nach der Melodie „Lasst uns doch mal darüber reden, ob man die Staatsverschuldung ausweiten kann“ - darüber haben wir gestern diskutiert -, „Lasst uns doch mal über das eine oder andere Projekt reden“ - was man in der Vergangenheit immer wieder vorgetragen hat, Stichwort weiterer Sozialabbau und Streichung von Arbeitnehmerrechten -, alles Projekte sind, die die CDU/CSU zusammen mit der FDP 16 Jahre lang probiert haben. Ihr Ergebnis waren 4,85 Millionen Arbeitslose. Sie sind gescheitert, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sage ich Ihnen: Die Täter von gestern können nicht die Sanitäter von morgen werden. So etwas kann nicht funktionieren, meine Damen und Herren.