Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Dr. Heinen-Kljajić, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur der Vollständigkeit halber vorwegschicken, dass auch wir die Einigung der Kultusministerkonferenz begrüßen, weil es richtig ist, dass das

Auswahlrecht der Hochschulen, aber auch der Studienbewerber gestärkt wird.

Wir können auch grundsätzlich der Auswahl des Modells 1, wie es im Antrag vorgeschlagen ist, zustimmen, werden aber bei der Umsetzung in ein Gesetz auf die Erfüllung der folgenden Kriterien achten: Es sollte den Hochschulen überlassen bleiben, in welchem Umfang sie vom neuen Auswahlverfahren Gebrauch machen. Die bisher bereits möglichen Auswahlverfahren sind von den Hochschulen – das wurde von Frau Dr. Andretta ja auch schon angesprochen – nicht voll ausgeschöpft worden. Von bundesweit 225 Fakultäten haben lediglich 31 die bereits jetzt bestehende gesetzliche Möglichkeit genutzt.

(Unruhe)

Frau Dr. Heinen-Kljajić, eine kleine Pause, bitte. Es ist sehr unruhig hier im Raum. Man kann die Rednerin schlecht verstehen. Ich bitte noch um ein wenig Geduld. Wir sind ja auch bald mit der Tagesordnung so weit.

Auf den Beschluss der Kultusministerkonferenz reagieren die meisten Hochschulen zurückhaltend. Sie sind froh, dass ihnen die ZVS die Arbeit abnimmt. In diesem Zusammenhang sollten auch die noch nicht abgeschlossenen Diskussionen mit den Hochschulen abgewartet werden, die vielleicht noch einmal die Frage aufwerfen könnten, ob eine Quote von 50 % wegen des zu erwartenden Anstiegs von Kosten und Bürokratie denn wirklich sinnvoll ist.

Auch sollten die Auswahlkriterien den Hochschulen überlassen bleiben. Es muss dabei allerdings gewährleistet bleiben, dass alle Bewerber grundsätzlich die gleichen Zugangschancen haben. Dies muss für ausländische Studierende ebenso gelten, wie für Quereinsteiger über den zweiten Bildungsweg. Die Auswahlverfahren – auch das ist wichtig – müssen dabei transparent ausgestaltet sein und regelmäßig evaluiert werden.

Der Anteil der Schulabgänger, der sich für ein Studium entscheidet, ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch immer sehr gering. Es kann daher nicht darum gehen, dass staatliche Hochschulen ungeeignete Kandidatinnen von der Aufnahme eines Hochschulstudiums abhalten,

um eine möglichst hohe Studienerfolgsquote erreichen zu können.

Einen besonders wichtigen Punkt möchte ich noch ansprechen: Die Hochschulen müssen zur Umsetzung des Verfahrens mit den nötigen Mitteln ausgestattet werden; denn hochschuleigene Auswahlverfahren verursachen erheblichen Mehraufwand und damit verbundene Kosten. Diese dürfen nicht auf die Bewerberinnen und Bewerber abgewälzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist nicht belegbar, dass Auswahlverfahren die Abbrecherquote senken und dadurch Kosten einsparen können, zumal die Studienabbrecher unter Verwaltungskostengesichtspunkten ohnehin lediglich als Kosten für die Exmatrikulation anfallen. Zur Senkung dieser Quote wäre es vielmehr sinnvoll, das Beratungsangebot an den Hochschulen auszubauen.

Wir schlagen eine Umwandlung der ZVS in eine Serviceeinrichtung für Hochschulen und Studierende vor. Sie könnte so als koordinierende Anlaufstelle Mehrfachbewerbungen verhindern. Außerdem sollte die ZVS für abgelehnte Bewerber eine festgelegte Quote an Studienplätzen vergeben können, damit diese eine weitere Chance bekommen.

Die Wettbewerbselemente können die Qualität der Lehre an der Hochschule verbessern. Es darf aber nicht darum gehen, dass sich Hochschulen ihre Studierenden aussuchen. Auch Studenten müssen sich ihre Hochschulen aussuchen können. Das heißt, parallel zur Einführung neuer Auswahlverfahren bedarf es daher auch mehr Transparenz über Leistung in der Lehre und einer Verbesserung der Informationen über das Studienangebot. Die Nachfrageposition der Studierenden muss gestärkt werden.

Dies sind die Kriterien, von denen wir erwarten, dass sie in die kommenden Beratungen eines entsprechenden Gesetzentwurfes Eingang finden. Sie werden für uns bei der Beurteilung des Gesetzentwurfs die Messlatte sein. Unter dieser Maßgabe stimmen wir dem Antrag zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Der letzte Redner ist Herr Professor Zielke!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das, was wir heute zur Hochschulzulassung beschließen wollen, ist für die Öffentlichkeit vielleicht nicht so spannend wie das Schulgesetz. Für den niedersächsischen Hochschulbereich ist das ein mindestens genauso wichtiger Meilenstein. Es ist nicht die Abschaffung, aber doch zumindest die entscheidende Abkehr von zentralbürokratischer Planwirtschaft im Bildungswesen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist die Hinwendung - nicht die Vollendung - zu echtem Wettbewerb und echter Autonomie der Hochschulen in einer Kernkompetenz. Die Kultusministerkonferenz hat zwei Varianten zur Neuordnung der Hochschulzulassung in ZVS-Fächern entwickelt. Wir sind für die weitergehende Variante. Das heißt: So viel Auswahl vor Ort wie möglich. Sie von der SPD-Fraktion sind hier für die zaghafte Variante: So viel ZVS erhalten wie es geht, so viel Planwirtschaft wie möglich. - Frau Dr. Andretta, liberale Prinzipien brauchen wir uns von Ihnen nun wirklich nicht erklären zu lassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU – Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Sie sollen nicht davon reden, sondern Sie sollen sie anwenden! Das ist der Punkt!)

Sie sagen, die Möglichkeit zur Auswahl der Studenten existiert schon längst, die hätten die Hochschulen ja schon nach dem jetzigen Hochschulrahmengesetz, und keine nutzte sie. Warum wohl? Der Präsident der Uni Hannover, Herr Schätzl, hat gesagt: Erst nachdem sich die ZVS bedient hat, können wir auswählen. Herr Litterst, Präsident der Technischen Universität Braunschweig, sagt: Wenn wir 20 % der Besten auswählen könnten, würden wir die Chance nutzen. Um 20 % der Niedrigstqualifizierten auszuwählen, sei der Aufwand zu hoch. Genau für dieses letzte Restviertel erlaubt das bestehende Hochschulrahmengesetz die Auswahl, mehr nicht. Das als sinnvolle Auswahl durch die Hochschulen zu verkaufen, war von Anfang an ein Etikettenschwindel und Vernebelungstaktik seitens der Mütter und Väter des Hochschulrahmengesetzes.

(Beifall bei der FDP)

Ich zitiere einen unverdächtigen Kronzeugen, nämlich Ex-Wissenschaftsminister Oppermann:

„Besonders profilierte Fachbereiche werden Auswahlgespräche mit den Bewerbern führen. Das ist zwar aufwendig, aber nach allen Erfahrungen die effektivste Methode, die am besten geeigneten Bewerber auszuwählen.“

(Jörg Bode [FDP]: Recht hat er!)

Dann wurde im Ausschuss behauptet, die Hochschulen könnten das gar nicht leisten. Das ist hier auch wieder als Argument angeführt worden. Gehen Sie doch mal nach Witten-Herdecke, nach Mannheim, nach Koblenz oder nach Hamburg! Dort klappt das mit der Auswahl. Also kann das nicht ganz richtig sein.

Im Übrigen, Frau Dr. Andretta: Die Studienberatung gegen die Auswahl auszuspielen, dass das eine nicht geleistet werden könnte, wenn das andere geleistet wurde, ist wirklich realitätsfern.

Außerdem wissen Sie doch genau, dass Ihre Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen, in RheinlandPfalz und Mecklenburg-Vorpommern in dieser Sache auf unserer Seite sind. Ich zitiere erneut meinen Kronzeugen. Herr Oppermann erklärte im letzten Dezember:

„Wenn die Kultusministerkonferenz meinem Votum folgt, können die Hochschulen in den ZVS-Fächern mindestens die Hälfte aller Bewerber nach eigenen Kriterien auswählen.“

Genau das will unser Antrag.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Noch einmal zurück zur Sache: Eine sorgfältige Passung zwischen Studienbewerbern und Studienangeboten ist deshalb so wichtig, weil es dann weniger Studienabbrecher und weniger nutzlose Vergeudung von Volksvermögen, aber auch - man muss auch die Einzelnen sehen - weniger tragische Einzelschicksale des Versagens geben wird. Deswegen stehen wir ohne Wenn und Aber hinter diesem Antrag.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung in Person von Herrn Minister Stratmann hat sich noch zu Wort gemeldet. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich bei Frau Heinen ganz herzlich für den, wie ich fand, sehr konstruktiven Beitrag bedanken.

Ich möchte aber auch meine Verwunderung zum Ausdruck bringen: Ich hätte gedacht, dass wir über dieses Thema nun wirklich nicht mehr diskutieren müssen. Seitens der Hochschulen werden sowohl der Kollege Oppermann dafür gelobt, dass er in den letzten Jahren eine Politik betrieben hat, die zu mehr Autonomie und zu mehr Wettbewerb an den Hochschulen geführt hat, als auch ich dafür, dass ich seine Politik fortsetzen will.

(Heiterkeit)

Insoweit, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, kann ich nur mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, lieber Kollege Thomas Oppermann, dass Sie in die Wirtschaftspolitik gewechselt sind. Sonst wäre manche Diskussion hier wahrscheinlich gar nicht notwendig und würden wir viel Zeit sparen.

Aber dennoch: Es bleibt die Absicht der neuen Landesregierung, dazu Beiträge zu leisten, dass erstens die Leistungsfähigkeit und zweitens der Wettbewerb zwischen den Hochschulen gesteigert werden. Leistungsfähige und wettbewerbsfähige Hochschulen und ebensolche Studenten, meine Damen und Herren, sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das lässt sich nicht voneinander trennen.

Der ehemalige Präsident der Stanford University, Professor Gerhard Casper - übrigens ein Deutscher; da kann man sich auch die Frage stellen, weshalb -, hat auf die Frage, was er, wenn er dies könnte, an den deutschen Universitäten zuallererst verändern würde, geantwortet:

„Den deutschen Universitäten das Recht geben, sich ihre Studentinnen und Studenten frei auszuwählen. Gute Studenten wollen an gute Universitäten, die daher gute Professoren haben müssen.“

Damit ist im Prinzip alles gesagt. Deshalb - das sage ich noch einmal - bin ich dem Kollegen Oppermann dafür dankbar, dass er vor allem mit dem Kollegen Frankenberg aus Baden-Württemberg in den letzten Monaten dafür gekämpft hat, dass sich dieses, wie auch ich finde, außerordentlich schwerfällige Gremium KMK nach vielen Diskussionsrunden endlich dazu durchgerungen hat, eine Entscheidung zum Auswahlrecht zu treffen.

Nun haben wir zwischen zwei Modellen auszuwählen. Da habe auch ich gedacht, nach all dem, was ich in den letzten Jahren beobachtet habe, sei es völlig selbstverständlich, dass wir in diesem Haus gar nicht mehr über die Frage des Modells streiten müssen, sondern dass es das Modell 1 sein muss; denn das Modell 1 gibt letztlich eine höhere Quote preis, nämlich 50 %, als das Modell 2. Nun hat sich offensichtlich bei der SPD-Fraktion hier in Niedersachsen eine andere Auffassung durchgesetzt, die leider wieder die Auffassung der 70erJahre ist. Ich nehme das hier zur Kenntnis. Wir werden uns darauf einstellen. Wir haben aber keine Probleme damit; denn wir haben eine Mehrheit in diesem Haus, die so passabel ist, dass wir unsere Politik im Bereich der Hochschulen werden durchsetzen können.

Meine Damen und Herren, ich möchte eines zum Schluss sagen - ich brauche gar nicht all das zu wiederholen, was hier schon erwähnt worden ist, weil wir alle ja auch gerne in die Mittagspause möchten -: Mit dem Modell 1 verknüpft sich bei uns auch die Erkenntnis, dass wir unseren Hochschulen in Niedersachsen zutrauen, mit diesem Modell verantwortlich umzugehen. Das scheint offensichtlich bei Ihnen nicht der Fall zu sein. Jede Hochschulleitung weiß heute - in Niedersachsen zumal -, dass es auch bei der Auswahl von Studentinnen und Studenten darum geht, sich die besten auszuwählen, weil die besten Studenten dafür Sorge tragen werden, dass auch die Hochschule insgesamt im Wettbewerb am besten bestehen wird. Deshalb habe ich überhaupt gar keine Sorgen, meine Damen und Herren, dass dann, wenn wir die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen haben werden - das werden wir so schnell wie möglich tun -, die Hochschulen dazu beitragen werden, dass

sich der Wettbewerb forciert, dass sich daraus resultierend die Qualität verbessert und dass wir in Niedersachsen auch künftig noch stärker sagen können: Wir haben hier einiges vorzuweisen. - Das ist so; damit brauchen wir gar nicht hintanzustehen. - Die Bayern und Baden-Württemberger werden dann vielleicht immer häufiger auf das niedersächsische Modell gucken - teils mit Neid und teils auch mit der Konsequenz, vielleicht selber bei sich etwas zu verändern. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Dr. Andretta möchte gerne noch reden. Sie hat noch 20 Sekunden.

(Unruhe bei der SPD)