Neben dem quantitativen Ausbau der Studienplätze brauchen wir allerdings ebenso dringend eine Qualitätsoffensive für die Lehre; denn unser Problem sind nicht nur zu wenige Studienplätze, sondern auch zu hohe Abbrecherquoten und zu lange Studierdauern. Das Überlastproblem mit der Folge unzureichender Betreuungsrelationen hat zu Stu
dienbedingungen geführt, an denen viele Studierende scheitern. Hinzu kommt, dass zusätzliche Lehrkapazitäten notwendig sind, um das System gestufter Studiengänge qualitätsorientiert einzuführen und so seine Ziele erst realisieren zu können.
Zusätzliche Mittel müssen daher auch dazu verwendet werden, eine in den vergangenen Jahren entstandene finanzielle Unterdeckung zu kompensieren. Neben dieser Unterdeckung an Lehrkapazitäten fehlt es aber auch an finanziellen Anreizen für Qualitätsverbesserungen in der Lehre. Die von Ihnen eingesetzten Studiengebühren, meine Damen und Herren von CDU und FDP, werden an dieser Situation nichts ändern. Ein Anreizsystem zur Schaffung besserer Lehr- und Lernbedingungen wären Studiengebühren nämlich nur dann, wenn es einen echten Wettbewerb um Studierende gäbe. Dieser Wettbewerb würde allerdings voraussetzen, dass das Angebot an Studienplätzen höher wäre als die Nachfrage durch Studierende. Genau das Gegenteil ist gegenwärtig der Fall. Bereits heute sind 58 % aller Studienplätze an den Universitäten und 89 % aller Fachhochschulplätze mit einem NC belegt. Solange also keine wirklichen Wettbewerbsbedingungen herrschen, macht es Sinn, eine Art Drittmitteltopf für bessere Lehre zu installieren. Genau hier setzt unser Fondsmodell an. In den Fonds sollen zukünftig alle Erlöse aus Veräußerungen von Landesvermögen fließen. Ausgeschüttet werden lediglich die Zinserträge. Aus den Mitteln des Fonds können Personal- und Sachmittel finanziert werden, und Anträge sollen ähnlich wie bei der DFG auf der Grundlage unabhängiger Fachbegutachtungen beschieden werden. Um zielgerichtet am Bedarf der Hochschulen ansetzen zu können, sollen die Hochschulen über die Landeshochschulkonferenz an der Ausgestaltung des Fonds beteiligt werden.
Meine Damen und Herren, da Bildung auch in Zukunft die zentrale Ressource unserer Volkswirtschaft sein wird, ist es auch im Sinne einer nachhaltigen Sanierung des Haushaltes sinnvoll, Veräußerungsgewinne nicht zu verzehren, sondern sie langfristig in einem Fonds anzulegen, dessen Zinserträge in Bildung fließen.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, wir fordern Sie mit diesem Antrag auf, sich endlich Ihrer hochschulpolitischen Verantwortung zu stellen. Wenn Sie Ihren Hochschulsparkurs nicht umgehend verlassen, werden die volkswirtschaftli
chen Schäden nicht mehr korrigierbar sein. Der Vorsitzende der LHK, Professor von Figura, hat heute gegenüber dpa darauf hingewiesen, dass gerade die begabtesten Studierenden auch die mobilsten sind. Deshalb folgen Sie unserer Idee einer nachhaltigen Bildungsfinanzierung und schaffen Sie Platz für mehr kluge Köpfe in Niedersachsen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Frau Dr. Heinen-Kljajić. Ich bitte noch einmal um Entschuldigung, dass ich Sie in der Rede unterbrochen hatte. Wir hatten hier eine falsche Redezeitangabe.
Ich rufe für die SPD-Fraktion auf Frau Dr. Andretta für neun Minuten Redezeit. Ich hoffe, dass das stimmt.
Hier steht übrigens, dass die CDU-Fraktion - Frau Siebert hat sich zu Wort gemeldet - null Minuten Redezeit hat. Also: Grüne neun Minuten, FDP fünf Minuten, SPD 13:30 Minuten und CDU neun Minuten. Damit steht das definitiv fest. - Frau Dr. Andretta, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Genau ein Jahr ist es her, dass die KMK in ihren Prognosen auf den bevorstehenden Ansturm auf die Hochschulen hinwies. Bereits zu Beginn des Jahres hat der Wissenschaftsrat die Bundesländer dringend aufgefordert, unverzüglich zu handeln und bis zu 30 % mehr Studienplätze zu schaffen. Anderenfalls seien schwerwiegende ökonomische Konsequenzen zu befürchten. Bayern und BadenWürttemberg haben reagiert und Sonderprogramme zur Schaffung von Studienplätzen aufgelegt. In Baden-Württemberg sollen bereits im nächsten Jahr 4 000 neue Plätze entstehen, 16 000 sollen es bis 2011 sein. Auch der Bund hat reagiert und ist bereit, den Ländern bei der Schaffung von zusätzlichen Studienplätzen zu helfen. 1 Milliarde Euro sind dafür in den nächsten Jahren vorgesehen. Und Niedersachsen? - Seit exakt einem Jahr
versuchen wir mit Anträgen und Anfragen, den Minister zum Jagen zu tragen, und fordern Sie, Herr Minister, auf, dem Landtag endlich ein Konzept zur Bewältigung der Überlast vorzulegen.
Vergeblich. Dabei ist gerade in Niedersachsen der Handlungsbedarf besonders groß. Frau Heinen hat es ausgeführt. Schon lange heißt es an unseren Hochschulen: Das Boot ist voll! - Bereits heute bietet Niedersachsen 15 000 Studienplätze weniger an, als junge Niedersachsen studieren. Jahr für Jahr werden Studienplätze vernichtet. Die 29 000 Studienplätze, die Frau Heinen nannte, waren die aus dem vergangenen Jahr. In diesem Jahr sind es - ich habe die Zahlen gerade erhalten - 1 703 Studienplätze weniger, also wieder Studienplätze vernichtet.
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung ist gerade dabei, eine ganze Generation um ihre Chancen zu bringen.
Aber es geht nicht nur um die Chancen der jungen Generation. Es geht auch um die Innovationskraft in Niedersachsen. Die Spatzen pfeifen es längst von allen Dächern: Will Deutschland als Wirtschaftsstandort weiterhin in der ersten Liga mitspielen, brauchen wir dringend mehr hoch qualifizierte Arbeitskräfte. - Jeder weiß es, jeder fordert es, vor Kurzem erst wieder der Bundespräsident. An rhetorischer Anrufung der Wissensgesellschaft mangelt es also nicht, an Erkenntnis auch nicht. Aber in politisches Handeln wird diese Erkenntnis nicht umgesetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz anders damals, in den 60er-Jahren, als schon einmal der Bildungsnotstand ausgerufen wurde. Manchmal kann man ja aus der Geschichte lernen. Blicken wir kurz zurück! Spektakuläre technologische Durchbrüche wie in der Raumfahrt oder Atomenergie warfen damals die Frage auf, ob genügend hoch qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um den technischen Fortschritt voranzutreiben. Es war Georg Picht, der damals diese Diskussion in das Schlagwort von der deutschen Bildungskatastrophe fasste. Die Politik handelte unverzüglich. Zahlreiche Maßnahmen zur Erhöhung der Zahl der Abiturienten und Studierenden wurden beschlossen, die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau wurde im Grundgesetz verankert,
und mithilfe des BAföG wurde auch Kindern aus ärmeren Familien ein Studium ermöglicht. Die Abiturienten- und Studienanfängerzahlen stiegen rasant. Schon bald zeigte sich, dass der Ausbau der Hochschulen mit der Nachfrage nicht Schritt halten konnte. Geburtenstarke Jahrgänge und eine gestiegene Bildungsbeteiligung führten zu einem wahren Ansturm auf die Universitäten.
Wie reagierte die Politik? - Anders als heute bestand ein großer gesellschaftspolitischer Konsens darüber, dass auch für die geburtenstarken Jahrgänge die Bildungschancen gesichert werden müssen. Jeder, der befähigt war, sollte studieren können. Um die Hochschulausgaben begrenzt zu halten, nahm man an, dass der Studentenberg angesichts der Geburtenrückgänge irgendwann von allein wieder schrumpfen würde. Heute wissen wir: Der Tunnelbau begann, und heute, fast 30 Jahre später, ist noch kein Licht in Sicht. 2 Millionen Studierende sitzen auf knapp 1 Million Studienplätzen.
Meine Damen und Herren, nun stehen die Hochschulen vor einem zweiten Studentenberg. Schon wieder verlassen geburtenstarke Jahrgänge die Schulen. Anders als damals wissen wir aber, dass es kein vorübergehender kurzfristiger Mehrbedarf an Studienplätzen sein wird. Die Hochschulen haben längst begriffen, wie ernst die Lage ist. Die Bundesregierung hat es begriffen. Leider hat diese Seite des Hauses
wenig begriffen. Als wir das Thema bereits vor einem Jahr auf die Tagesordnung setzten, sahen CDU und FDP keinen Handlungsbedarf. Ich zitiere Herrn Zielke aus dem Plenarprotokoll: „Verfrühter blinder Alarm und Aktionismus.“
Kurzerhand wurde die KMK-Prognose als unzuverlässig erklärt. Wie so oft hieß die Devise von CDU und FDP: Abwarten und aussitzen. - Und sollte es doch wider Erwarten eng werden, könne man immer noch etwas tun. Der Kollege Brockstedt wusste auch schon, was. Ich zitiere:
„Vorlesungs-, Seminar- und Übungsräume sowie Labore können deutlich effektiver genutzt werden. Wo steht denn geschrieben, dass Vorlesungen nicht vor 8 Uhr morgens stattfinden und dass sie auch nicht nach 20 Uhr stattfinden dürfen?“
Nirgends steht das geschrieben, Herr Kollege Brockstedt. Aber Sie brauchen auch Professoren, die diese Vorlesungen halten, und zu diesem Detail haben wir nichts von Ihnen gehört.
Und was rät der zuständige Minister? Der Minister hofft auf Entlastung durch die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge, er will das Lehrdeputat vorübergehend erhöhen und die Hochschullehrer später in Pension schicken. Reicht das nicht aus, dann gibt es den kostenlosen Rat des Ministers, doch in den Osten zu gehen. Das sei volkswirtschaftlich vernünftig, da dort die Universitäten bald leer stünden. Ob Sachsen, Thüringen und MecklenburgVorpommern es auch volkswirtschaftlich vernünftig finden, auf ihre Kosten junge Niedersachsen auszubilden, darf man bezweifeln. Sachsen jedenfalls will sich zukünftig die Studienplätze anderer Landeskinder bezahlen lassen.
Meine Damen und Herren, so, wie es sich der Minister vorstellt, wird es nicht gehen. Der Wissenschaftsrat warnt ausdrücklich davor, in der Studentenostverschickung den rettenden Hafen zu erblicken. Auch bei einem Szenario, das sämtliche Studienkapazitätsüberschüsse in den neuen Ländern ausschöpft, könnte nur ein Zehntel der zusätzlichen Nachfrage abgedeckt werden. Wie unrealistisch selbst dieses Szenario ist, zeigt die Lebenswirklichkeit: 75 % der ostdeutschen Landeskinder studieren an einer westdeutschen Universität. Das Mobilitätsverhalten lässt sich nun einmal nicht planwirtschaftlich steuern.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist für uns gar nicht der entscheidende Punkt. Die SPDFraktion will den Abiturienten auch im eigenen Land, in Niedersachsen, eine Perspektive geben.
Wir sind überzeugt davon: Studenten sind für unsere Städte eine Bereicherung. Hochschulen sind für unsere Region kräftige Wachstumsmotoren und für unser Land Kraftwerke der Innovation.
Doch was geschieht? - Statt die gute Gelegenheit zu nutzen, in die Bildung einer jungen Generation zu investieren, sitzt der Minister das Problem aus.
Er verweist auf Gespräche, Arbeitsgruppen und Verhandlungen. Etwas Konkretes? - Fehlanzeige! Aber man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht erfahren wir ja heute Genaueres. Höchste Zeit wäre es.
Der Wissenschaftsrat und die HRK haben einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgelegt und aufgezeigt, wie die ansteigenden Studierendenzahlen bewältigt werden können. Dafür muss aber Geld in die Hand genommen werden; denn nur ausfinanzierte Studienplätze sichern die Qualität des Studiums. Quantität darf nicht um den Preis von weniger Qualität erkauft werden. Hier sind wir uns mit der Kollegin Heinen einig. Nicht einig sind wir uns allerdings bei der Finanzierung des Bildungsfonds. Um diesen Fonds zu speisen, werden wir der Veräußerung von VW-, NORD/LB- oder Salzgitter-Anteilen nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren, die Politik der Studienplatzvernichtung in Niedersachsen muss beendet und der Ausbau von Studienplätzen unverzüglich in Angriff genommen werden. Es ist ein Gebot ökonomischer Vernunft für unser Land, und es ist eine Frage der sozialen Verantwortung für die kommende Generation. Eine qualifizierte Bildung für junge Menschen sicherzustellen, ist eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Aufgaben. Wir haben in den kommenden Monaten die große Chance, die Weichen richtig zu stellen. Lassen Sie uns diese vielleicht letzte Chance gemeinsam nutzen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schwarz ist ja politisch gesehen eine sehr schöne Farbe, aber Schwarzmalerei ist an dieser Stelle absolut am falschen Platz.
Die niedersächsischen Hochschulen sind gut aufgestellt, und im Ministerium für Wissenschaft und Kultur wird konsequent mit Nachdruck und vor allem nicht erst seit heute daran gearbeitet, dass
sie auch in Zukunft gut aufgestellt und für die Herausforderungen der kommenden Jahre gewappnet sind. Dafür bin ich und dafür sind die Mitglieder meiner Fraktion dankbar. Gerade die jüngeren Kollegen haben sich beim Lesen des SPD-Antrages gefragt, ob mit dem beschriebenen Zustand der Universitäten nicht etwa der unter der SPDRegierung gemeint gewesen ist.
Fragen Sie doch einfach einmal die jungen Kollegen, welche Studienbedingungen sie unter einer Regierung Schröder, Glogowski oder Gabriel vorgefunden haben! Überprüfen Sie doch bitte einmal, wann die Abwanderung von Studenten aus Niedersachsen ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hat! Sie werden schnell herausfinden, dass das 1995 der Fall war.
Dass zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall nicht die CDU oder die FDP die Regierung stellten, wissen wir alle.
Wir kommen nicht voran, wenn man ausschließlich zurückblickt. Man muss auch daraus lernen und Konsequenzen für die Zukunft ziehen, und das tun wir. Wir wissen, dass die Studienanfängerzahlen aufgrund des demografischen Wandels bundesweit steigen werden. Wir wissen auch, dass aufgrund der doppelten Abiturjahrgänge ein weiterer Anstieg der Studienanfängerzahlen zu verzeichnen ist. Bundesweit wird deshalb an Problemlösungen gearbeitet.