Am letzten Samstag berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung auf Seite 2 unter der Überschrift „Rekord im Fach Soziologie“ über eine Mitteilung des
Statistischen Bundesamtes: Im vergangenen Jahr haben 1 700 Frauen und Männer dieses Studium im Hauptfach abgeschlossen. - Etwas weiter heißt es: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im vergangenen Jahr im Durchschnitt 2 800 Soziologen und Sozialwirte arbeitslos gemeldet. Für diesen Personenkreis habe es lediglich 268 Stellenangebote gegeben.
Auf Seite 7 derselben Ausgabe fand man einen Artikel mit der Überschrift „7 000 Ingenieurstellen frei - Maschinen- und Anlagenbauer beklagen Nachwuchsmangel“.
Aber in Naturwissenschaften wie Physik oder Chemie bleiben seit Jahr und Tag viele Studienplätze unbesetzt, während der Ansturm auf die Sozialwissenschaften ungebrochen anhält.
Das sind jetzt 23 Minussekunden, also eine knappe halbe Minute haben Sie die Redezeit schon überschritten. Ein Schlusssatz wird noch akzeptiert, Herr Professor Zielke.
Das heißt, an Studienplätzen in vielen Fächern, die für unsere Volkswirtschaft und unseren Wohlstand von entscheidender Bedeutung sind, herrscht überhaupt kein Mangel. Dagegen dürften noch mehr Studienplätze in Soziologie oder anderen Fächern wenig dazu beitragen, die Probleme zu bewältigen, die im globalisierten Wettbewerb auf uns zukommen. - Vielen Dank.
Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Stratmann zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich wünschte mir, dass wir dieses Thema, das für die Zukunft der jungen Generation nicht ohne Bedeutung ist, mit etwas mehr Ruhe und Gelassenheit diskutierten. Bei der Kollegin Andretta habe ich immer das Gefühl, dass sie sich bei jeder Rede in einen Wettbewerb für Untergangsrhetorik begibt. Erstaunlicherweise ist sie immer noch steigerungsfähig.
Bei den Reden von Frau Kollegin Heinen-Kljajić erkenne ich ja zumindest noch Vorschläge für mögliche Lösungsansätze. Aber das ist bei Ihnen, Frau Andretta, nicht der Fall. Bei Ihnen wird nur schlechtgeredet und herumgemeckert, ohne dass sie einen einzigen konstruktiven Vorschlag machen. Deswegen bitte ich um Respekt, dass wir Sie in diesen Fragen immer weniger ernst nehmen.
Nun zum Thema: Unbestritten ist, dass wir steigende Studienanfängerzahlen nicht nur in Niedersachsen, sondern in ganz Deutschland haben.
- Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist wirklich ein ernsthaftes Thema. Auch Sie, Frau Andretta, sollten an dieser Stelle zuhören.
Die Entwicklung der Geburtenzahlen in den neuen Ländern ist desaströs. Von 1988 bis 1992 betrug der Rückgang 40 %. Da wir wissen, dass dieser Rückgang 20 Jahre später an den Hochschulen ankommen wird, kann sich jeder von uns ausmalen, was dies bedeutet. Folgten die neuen Länder im Übrigen den Vorschlägen ihrer Finanzminister, würden sie in den nächsten Jahren 50 000 Studienplätze abbauen - eine dramatisch hohe Zahl, auf die ich gleich noch zurückkommen werde. Außerdem haben wir den Sondereffekt durch die Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre. Dazu brauche ich sicherlich nichts Weiteres auszuführen.
Nun zu den Entschließungsanträgen der Opposition: Meine Damen und Herren, Sie greifen erneut ein Thema auf, das zwischen Bund und Ländern längst behandelt wird. Ich bin einigermaßen froh darüber, dass auch gestern Abend in Berlin die Verhandlungsgrundlage, auf deren Basis die 16 Länder mit Frau Bundesbildungsministerin Annette Schavan verhandelt haben, ganz wesentlich aus niedersächsischer Feder stammte. Wir sind das Land in Deutschland, das zurzeit mit Einverständnis der übrigen Länder diese Fragen mit dem BMBF ganz wesentlich vorbereitet und die Beschlussvorlagen und Diskussionsgrundlagen erarbeitet. Hier den Vorwurf zu machen, ausgerechnet Niedersachsen tue nichts, ist ein Zeugnis völliger Unkenntnis. Das kann man Ihnen vielleicht gar nicht vorwerfen; aber Sie sollten sich einfach ein bisschen kümmern und vielleicht auch einmal mit dem Kollegen Zöllner telefonieren, der Ihnen dies alles auch gesagt hätte.
Nun wird hier wieder einmal beklagt, es gebe einen rechnerischen Rückgang der Studienanfängerplätze. Dies ist ein ganz wesentlicher Punkt, über den wir auch inhaltlich streiten können. Die SPD macht wieder einmal den Fehler - Herr Kollege Zielke hat das Seinige dazu gesagt -, Masse statt Klasse einzufordern. Das kann nicht der Weg sein, um die junge Generation auf die Anforderungen der Zukunft vorzubereiten.
Sie wissen ganz genau, dass es gerade in Ihrer politischen Vergangenheit, als Sie hier die Mehrheit gestellt haben, nicht wenige Hochschulen gegeben hat, die, ohne die Kapazitäten anzugleichen, weitere Studienanfänger in der Hoffnung aufgenommen haben, irgendwann werde aus Hannover gegenfinanziert werden. Diese Hoffnung war aber natürlich unbegründet, weil die Mittel auch zu Ihren Zeiten dazu nicht vorhanden waren.
Meine Damen und Herren, einige Worte zum Wanderungssaldo: Niedersachsen hat zehn Nachbarn: neben den Niederlanden neun Bundesländer. Außerdem ist Niedersachsen das einzige deutsche Land, das in seinen Grenzen zwei Stadtstaaten beherbergt. Eine Versorgung nur der Landeskinder wäre übrigens provinziell, auch wenn die Diskussionsbeiträge mancher Wissenschaftspolitiker in diesem Haus diesen Eindruck erwecken.
Der Wissenschaftsrat hat bereits vor fast 50 Jahren diese besondere Situation Niedersachsens anerkannt und deshalb bei allen Fragen der Rahmenplanung Norddeutschland immer als Ganzes gesehen. Niedersachsen wurde niemals isoliert betrachtet, weil die Kolleginnen und Kollegen des Wissenschaftsrates anerkennen mussten, dass ein Land mit so vielen Nachbarn und zwei so starken Magneten in seinen Grenzen schlechterdings keinen ausgeglichenen Wanderungssaldo vorweisen kann. Gleichwohl ist unter dieser Regierung der Wanderungssaldo so positiv wie schon seit 15 Jahren nicht mehr.
Zu keiner Zeit, zu der Sie regiert haben, hat es einen so positiven Wanderungssaldo gegeben, wie es seit einigen Jahren der Fall ist. Ich bitte, auch das zur Kenntnis zu nehmen. Der höchste Stand - Kollegin Siebert hat darauf hingewiesen - war 1995 mit 32 000 Studierenden.
Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Horrorszenarien, die hier wieder an die Wand gemalt werden, gehört auch Folgendes zur Wahrheit: Im Jahr 2005 hatten wir 4 000 Studienanfängerplätze in Niedersachsen mehr, als Bewerber tatsächlich vorhanden waren. Dies hängt, wie ich gern zugebe, damit zusammen, dass Niedersachsen im Vergleich zu anderen Ländern in naturwissenschaftlichen und in ingenieurwissenschaftlichen Angeboten besonders stark ist. Wir müssen leider immer noch feststellen, dass die Studierenden eher dazu neigen, andere Fächer zu studieren, was für Deutschland noch zu einem riesigen Problem werden kann, weil wir in den nächsten zehn Jahren etwa 100 000 zusätzliche Ingenieure brauchen werden und derzeit nicht wissen, wie wir den Bedarf decken können. In Niedersachsen gibt es Studiengänge - ich denke etwa an die Elektrotechnik in Braunschweig -, die nur noch zu 30, 40, manchmal 50 % ausgelastet sind.
Vor diesem Hintergrund ständig von Studienplatzvernichtung zu reden, ist wirklich nicht seriös. Übrigens haben Länder wie Berlin - jeder weiß, wie Berlin regiert wird - bei ihren Kürzungen den tatsächlichen Bedarf zugrunde gelegt. Hätten wir dies getan, hätten die Kürzungen nach dem HOK doppelt so hoch ausfallen müssen, wie sie tatsächlich ausgefallen sind. Der rot-grüne Senat - insoweit ist
dies auch an die Grünen gerichtet - hat Anfang 2001 in Berlin 72 Millionen Euro aus dem Hochschuletat herausgestrichen.
Es gibt nun Gespräche mit der LHK, um Instrumentarien zur Sicherung der Chancen unserer jungen Generation zu entwickeln. Mir ist wichtig, dass wir wie bei den Fragen der Novellierung des Hochschulgesetzes und der Studienbeiträge auch hier gemeinsam mit den Vertreterinnen und Vertretern der Hochschulen nach vernünftigen Lösungen suchen. Wir wollen nicht gegeneinander, sondern miteinander vorgehen. Deshalb werden wir die LHK wie in der Vergangenheit stark einbinden. Wir haben eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung und dürfen kein zweites Mal - darüber sind wir uns einig - eine Untertunnelung des Studentenbergs vornehmen wollen.
Meine Damen und Herren, abschließend zum Hochschulpakt 2020: An dieser Stelle bringe ich sehr deutlich zum Ausdruck - liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie auch bei Ihren Parteifreunden niemanden finden werden, der das bestreitet -, dass sich das, was wir mit der Kollegin Annette Schavan in Berlin derzeit erleben, signifikant von den Erfahrungen unterscheidet, die wir mit Frau Bulmahn machen mussten.
Wir haben es mit einer Bundesbildungsministerin zu tun, die die Probleme der Länder kennt, sie akzeptiert und sich föderalismusfreundlich verhält. So ist uns gestern beispielsweise gesagt worden, der Bund werde sich selbstverständlich in diese Gesamtverantwortung einbinden. Die Beträge sind bereits genannt worden; es ist von 1 Milliarde Euro die Rede. Ich gehe sogar davon aus, dass es mehr sein wird. Aber der Bund wird uns eben nicht wie in der Vergangenheit Vorschriften darüber machen, wie die Länder das Geld zu verwenden haben. Es wird von den Ländern lediglich erwartet, dass sie neue Studienkapazitäten schaffen. Wie und auf welche Weise dies geschieht, wird völlig den Ländern überlassen. Der Bund zwingt die Länder noch nicht einmal dazu, Bundesmittel in Anspruch zu nehmen, um neue Studienplätze zu schaffen; auch dies wird den Ländern freigestellt. Ich sage das deshalb, weil es gestern keinen Abschluss der Verhandlungen gab, weil es einige unter den alten Ländern gibt - aus Fairnessgründen will ich jetzt nicht sagen, welche Länder das sind; aber jeder kann eins und eins zusammenzählen und wird
dann auf das Ergebnis kommen -, die seit Monaten - und auch jetzt wieder durch die Hintertür - versuchen, den Vorteilsausgleich einzubringen.
Ich will an dieser Stelle eines sehr deutlich sagen: Es kann doch nicht sein, dass es Länder gibt, die pro Studienplatz weniger als Niedersachsen ausgeben, die über Jahre jeden Studenten ins Land gelassen haben, jetzt natürlich proportional mehr Studenten ausbilden und sich dies im Nachhinein von dem wenigen Geld, das wir zur Verfügung haben, bezahlen lassen wollen, ohne in den nächsten Jahren einen einzigen zusätzlichen Studienplatz zu schaffen. Das kann es nicht sein. Alleine dieser Grund hat gestern Abend dazu geführt, dass wir uns nicht einigen konnten. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die es gestern daran haben scheitern lassen, jetzt in sich gehen und wir am 19. Oktober zu einem Ergebnis kommen werden. Wenn wir uns in den nächsten Wochen nicht einigen, dann werden wir diese politische Diskussion den Studentinnen und Studenten und auch den Eltern gegenüber nicht durchstehen.
Alle haben einen Anspruch darauf, dass dieses Thema in aller Gelassenheit und Seriosität miteinander besprochen wird; da gebe ich Ihnen völlig recht. Wir müssen uns einigen. Wir verspüren diesen Einigungszwang. Deshalb bitte ich diejenigen, die immer wieder mit dem Vorteilsausgleich kommen, ihn jetzt hintanzustellen. Im Übrigen ist der Vorteilsausgleich eine Frage, die eindeutig - das sagen auch die Verfassungsrechtler - in den Bereich der Finanzverfassungsreform, also der Föderalismusreform II, und nicht in den Bereich der Verhandlungen zum Hochschulpakt gehört. Das muss jedem klar sein.
Wenn ich aber die Verhandlungen zum Hochschulpakt mit solchen Fragen belaste, werde ich in absehbarer Zeit keinen Hochschulpakt bekommen. Dies wäre sehr schade, weil uns der Bund hier sehr großzügig, sehr unbürokratisch und sehr föderalismusfreundlich entgegenkommt.
Liebe Kollegen, wir werden in den nächsten Jahren auch in finanzieller Hinsicht unserer finanziellen Verantwortung zur Schaffung zusätzlicher Kapazitäten nachkommen neben anderen Maßnahmen, die unabweisbar sind. Damit fangen wir nicht erst 2010, sondern schon in sehr absehbarer Zukunft an.
Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Frau Andretta von der SPD-Fraktion. - Frau Andretta, Sie haben drei Minuten Redezeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nicht dass es mich wirklich wundert, aber da stehen die Hochschulen mit dem Rücken zur Wand, die HRK und der Wissenschaftsrat appellieren seit einem Jahr dringend an die Politik, endlich zu handeln, und was macht der Herr Minister? - Er spielt sein altes Spiel „Gute Gabi, böse Gabi“. Ich finde, das ist diesem Problem nicht angemessen.
Immerhin gab es heute auch etwas Erfreuliches: Die CDU hat angekündigt, dass sie jetzt endlich einen zukunftsweisenden Antrag vorlegen will.