Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

Das ist für Ihre Redezeit eindeutig zu viel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dann muss ich leider damit Schluss machen, und wir müssen uns bei anderer Gelegenheit darüber unterhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sein, mitberatend der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien. Wer möchte so verfahren? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Damit haben wir unsere Tagesordnung abgearbeitet und kommen außerhalb der Tagesordnung zu einem weiteren Antrag.

(Zurufe von der SPD-Fraktion: Nein! Zusätzlich!)

Außerhalb der Tagesordnung: Erste Beratung: Luftfahrtstandort Norddeutschland sichern - Niedersachsen steht zu Airbus und seinen Beschäftigten - Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3233

Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, in Nr. 5 des Antrages die Worte „sowie begleitender Finanzhilfen“ zu streichen.

Ich halte Sie damit einverstanden, dass den Fraktionen folgende Redezeiten zur Verfügung stehen: CDU zehn Minuten, SPD zehn Minuten, FDP fünf Minuten, Grüne fünf Minuten und Landesregierung fünf Minuten.

Ich erteile Herrn Wolfgang Jüttner von der SPDFraktion das Wort. Bitte schön, Herr Jüttner!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn Sie mir noch eine Bemerkung zur Rede von Herrn Ehlen gestatten: Herr Ehlen, wir überleben Ihre Kampfansage, die Sie eben ausgesprochen haben. In der Hinsicht können Sie sicher sein. Aber ich habe eine herzliche Bitte: Setzen Sie sich doch mit dem auseinander, was wir wollen, und nicht mit dem, was wir Ihrer Meinung nach wollen sollten, damit es Ihnen in den Kram passt. Das wäre ganz gut.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, eben gab es eine Kampfansage. Jetzt geht es wohl um eine Kampfansage gegenüber Dritten, die nicht hier im Hause sind. Die Ereignisse um den Airbus- und den EADS-Konzern haben uns und viele andere aufgeschreckt.

Wir reden über eine Branche, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Europa Erfolgsgeschichte geschrieben hat. In der Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Konzern Boeing hat es die Wirtschaft in Europa mit Unterstützung der Politik in vier Ländern auf die Beine gebracht, sich auf dem Weltmarkt zu behaupten und großartig dazustehen. 50 000 Beschäftigte sind bei Airbus dabei, an 23 Standorten in Europa hervorragende Qualität abzuliefern, meine Damen und Herren, davon 7 Standorte in Deutschland, d. h. 22 000 Beschäftigte in dieser Branche. Was von zentraler Bedeutung ist: Die meisten davon arbeiten in Norddeutschland. Mehr als 20 000 Menschen verdienen bei Airbus in Norddeutschland ihr Brot.

Wenn man weiß, meine Damen und Herren, dass in der Flugzeugindustrie weniger als 20 % der Wertschöpfung beim Produzenten Airbus erzielt werden, dann kann man ungefähr ermessen, was das heißt. Mehr als 80 % werden zugeliefert. Das heißt in der Konsequenz, dass in Norddeutschland in den letzten Jahrzehnten ein Hochtechnologiecluster entstanden ist; mit hoher Wertschöpfung, mit ungeheuer hoch qualifizierten Arbeitskräften, mit technischen Innovationsstrategien, die daran hängen.

Sehen wir uns die Auftragslage an. Dann stellen wir fest, diese Erfolgsgeschichte kann fortgeschrieben werden. In diesem Jahr werden mehr Airbusse ausgeliefert als in jedem Jahr zuvor: 430. Obwohl es in den letzten Wochen Schwierigkeiten bei Neuaufträgen gegeben hat, können wir immer noch davon ausgehen: Das ist alles noch in Ordnung. Die Beschäftigung dieser mehr als 20 000 Menschen in Norddeutschland ist auf Dauer gesichert. Das ist überhaupt keine Frage.

Nur, meine Damen und Herren, woher dann die Krisensignale in den letzten Tagen? In der Tat hat das Unternehmen Airbus ein zentrales Problem, übrigens ein Problem, für das die Beschäftigten überhaupt keine Verantwortung haben. Auch das muss mal in dieser Deutlichkeit gesagt werden.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Da gibt es in diesem Konzern ein Management, das erkennbar in den letzten Jahren eine Kultur des Verdrängens, des Ignorierens und der Angstmacherei vertreten hat. Fragen Sie in den norddeutschen Werken, und die Beschäftigten werden Ihnen sagen: Wir wissen lange davon, dass die Auslieferung, die Produktion des A 380 zu diesem Zeitpunkt nicht gewährleistet ist. Nach und nach sickert das erst durch, meine Damen und Herren.

Das ist eine unverantwortliche Politik, die das Management in den letzten Jahren bei Airbus gestaltet hat. Jetzt sollen - das ist das Problem - andere die Zeche dafür zahlen. Das dürfen wir nicht zulassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Diese Managementfehler produzieren eine Liquiditätslücke, keine Frage, wahrscheinlich bis zu 5 Milliarden Euro. Diese Krise haben jetzt neue Manager mit neuen Vorstellungen zu beseitigen. Ich glaube, die Manager haben eine Chance, das auch zu bewerkstelligen, um auch das zu sagen. Sie müssen da etwas tun. Auch das ist überhaupt gar keine Frage.

Aber spannend ist natürlich, wie die Diagnose bei diesem Thema aussieht. Da bekommen wir in den letzten Tagen erzählt, das liege vor allem daran, dass sich dieses Unternehmen nicht unternehmerisch verhalten dürfe, weil es ja von der Politik gesteuert sei, weil die Politik hinsichtlich der Balance von Produktionsstätten Vorgaben mache.

Richtig, meine Damen und Herren: Die Erfolgsgeschichte von Airbus wäre nicht denkbar ohne öffentliche Subventionen, um das auch ganz deutlich zu sagen. Vor dem Hintergrund gibt es auch gute Gründe, dass die Politik abverlangt, dass hier nationale Gesichtspunkte berücksichtigt werden, überhaupt keine Frage.

Wir erleben gegenwärtig eine Situation, in der so getan wird, als liege es an der Vielzahl der Produktionsstätten, vor allem in Norddeutschland. Meine Damen und Herren, Airbus hat mit diesen Produktionsstandorten schwarze Zahlen geschrieben. Es sind nicht die dort Beschäftigten, es ist nicht mal die Vielzahl der Produktionsstätten, sondern es ist die Art und Weise der Integration der Produktion, der innerbetrieblichen Produktionsabläufe, die nicht optimiert worden sind. Das ist das entscheidende Problem.

Wir wehren uns dagegen, dass das jetzt auf dem Rücken der Beschäftigten und möglicherweise auf dem Rücken der deutschen Industrie ausgetragen wird.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir sind sehr dafür, dass dieser Konzern international agiert, dass er auch zusammengeführt wird, überhaupt gar keine Frage. Ich glaube, es gäbe sogar gute Gründe, darüber nachzudenken, ob man die Produktion zwischen den einzelnen Standorten anders sortiert hätte. Das ist sicher diskutabel, überhaupt gar keine Frage.

Aber wenn gegenwärtig der Versuch unternommen wird, durch knallharte französische Industriepolitik die Belange der deutschen, insbesondere der norddeutschen Produktionsstandorte negativ zu berühren, dann dürfen wir dies nicht zulassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dieses Unternehmen ist so austariert. Das wird auch kurzfristig nicht zu ändern sein. Deshalb müssen die Belange aller Nationalitäten ihre Berücksichtigung finden. Dass da Fluss drin ist, wissen wir auch: der Ausstieg der Briten, das zurückgehende Interesse von DaimlerChrysler, der Einstieg Russlands. Das alles sind offene Fragen, die sich da gegenwärtig stellen.

Aber klar ist auch: Solange im internationalen Verbund der europäischen Industriepolitik ein Partner sehr dezidiert nationale Interessen durchsetzt und damit die bisherige Balance durcheinanderzuwirbeln versucht, ist die deutsche Seite gefordert, gegenzuhalten und diese Balance weiter zu gewährleisten. Darum geht es im Moment und in den nächsten Wochen.

Gestern hat es eine windelweiche Erklärung von Airbus gegeben, die norddeutschen Standorte seien unberührt. Meine Damen und Herren, ich warne Voreilige. Das war kein Ruhesignal. Wir wissen das genau. Der neue Airbus-Chef hat heute in der FAZ in einem langen Interview deutlich gemacht, dass er sehr wohl weiß, dass es darum geht, dass die industrielle Logik nicht alleine ausschlaggebend ist, dass andere, politische Interessen zu berücksichtigen sind. Das weiß er wohl.

Aber er macht gleichzeitig deutlich, dass das Projekt Power 8, das sein Vorgänger auf den Weg bringen wollte, und zwar mit massiven Restrukturierungsmaßnahmen, die vorgesehen sind, im Detail noch nicht bekannt ist, aber von ihm inhaltlich völlig unterstützt wird. Das kann in der Konsequenz heißen, dass wir in wenigen Wochen hier wieder über die Gefährdung von Produktionsstandorten in Niedersachsen reden, von Standorten mit hoher Qualität von Beschäftigten, deren Auftragslage solide ist, wo diese Entwicklung nicht notwendig wäre, meine Damen und Herren.

Das ist der Hintergrund, dass wir diese Debatte hier führen müssen. Wir reden manchmal über Dinge, die weniger Menschen im Land beschäftigen. Hier geht es darum, dass das mehr als 10 000 unmittelbar Beschäftigte sind. Die Zulieferindustrie ist schwer zu quantifizieren. Hier ist der Landtag gefragt, ein Signal zu geben, übrigens auch nach Berlin.

Ich bin nicht sicher, ob wir uns an jedem Punkt einig sind, weil die Frage, was beim Ausstieg von Daimler passiert, möglicherweise unterschiedlich beurteilt wird. Ich glaube, dass die deutsche Politik in den nächsten Jahren gewährleisten muss, dass der Einfluss Deutschlands bei Airbus genauso groß bleibt wie der von Frankreich, egal, in welcher Weise dies geschieht.

Wir werden auch nicht die Kompetenzen haben, hier darüber zu diskutieren, wie dieser notwendige Strukturierungsprozess umgesetzt wird. Was wir nur wollen, ist erstens, dass die Belange norddeutscher Industrie gewährleistet bleiben, und zweitens, dass die Belange der Beschäftigten in diesen Produktionsstätten gesichert werden. Dazu wäre ein einstimmiger Beschluss dieses Hauses ein sinnvoller Beitrag. - Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr McAllister das Wort. Bitte schön, Herr McAllister!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer dann, wenn sich die Fraktionen in diesem Hause entscheiden, kurzfristig die Tagesordnung zu erweitern, und dann fraktionsübergreifend einen Entschließungsantrag vorlegen und

auch gemeinsam beschließen, befindet sich meistens leider eines unserer wichtigen Unternehmen in einer besonders besorgniserregenden wirtschaftlichen Situation.

Ich kann fast alles das, was der Kollege Jüttner hier vorgetragen hat, unterstreichen. Auch wir beobachten mit großer Sorge die Entwicklung des EADS-Konzerns, insbesondere im Bereich von Airbus in den letzten Wochen. In den Airbus-Werken bei uns im Lande wächst die Angst um die Arbeitsplätze. Die HAZ zitiert heute den Betriebsratsvorsitzenden aus Varel mit dem Satz: „Die Stimmung ist hochgradig angespannt."

Deshalb ist wohl die wichtigste Aussage dieses gemeinsamen Entschließungsantrages von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen: Trotz mancher wirtschaftspolitisch unterschiedlicher Auffassungen sind wir uns in einem einig. Wir stehen zu den Airbus-Standorten in Norddeutschland, und wir stehen zu den Arbeitnehmern und deren betroffenen Familien. Wir versichern ihnen unsere volle Solidarität und Unterstützung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Niedersachsen - das führt der Entschließungsantrag aus - ist mit den Standorten Nordenham, Varel, Stade und Buxtehude besonders betroffen. Wir denken auch an die zahlreichen niedersächsischen Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer, die jeden Tag in Hamburg-Finkenwerder arbeiten. Wer dort einmal eine Werksbesichtigung mitgemacht hat und auf dem Parkplatz gewesen ist, der hat die vielen Stader, Lüneburger, Harburger, Rotenburger oder Cuxhavener Autokennzeichen gesehen.

Beim Thema Airbus - es ist nicht das erste Mal, dass wir über dieses Thema diskutieren - hält der Norden auch zusammen. Als es im letzten Jahr Probleme wegen der Verlängerung der Start- und Landebahn in Finkenwerder gegeben hat und die Produktion des A 380 damals aus ganz anderen Gründen ebenfalls auf der Kippe stand, haben die norddeutschen Länder in vorbildlicher Art und Weise zusammengearbeitet. Ähnliches erleben wir in diesen Tagen. Es gibt eine enge Abstimmung zwischen den norddeutschen Ländern und der Bundesregierung. Der Ministerpräsident und der Wirtschaftsminister sind in engem Kontakt mit den Verantwortlichen in Hamburg und Berlin.

Der Kollege Jüttner hat es angesprochen: Insgesamt sind 12 000 niedersächsische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von dieser Airbus-Krise

betroffen. Ich habe in den letzten Tagen persönlich mit Airbus-Mitarbeitern gesprochen, gerade gestern Abend noch telefonisch, weil viele in meinem Landtagswahlkreis leben. Dabei habe ich von den Arbeitnehmern vor allen Dingen erfahren, wie sehr die momentanen Gerüchte und Spekulationen über die zukünftigen Strukturen von Airbus den betroffenen Menschen und ihren Familien zusetzen. Das ist für die Betroffenen wahrlich nicht einfach. Deshalb sagen wir bei aller notwendigen Diskussion, die es jetzt im Konzern geben muss: Die Beschäftigten haben ein Recht darauf, so bald wie möglich zu erfahren, was die angekündigten Maßnahmen für sie konkret bedeuten.