Viertens. Zur Förderung der sozialen Kontakte und zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft soll die Unterbringung in Einrichtungen, die dem offenen Vollzug zugerechnet werden, realisiert werden können.
werden, unser Gesetzentwurf sei abgeschrieben. Er ist nicht abgeschrieben, sondern es handelt sich um das Original des Bundes aus dem Jahr 2006. Unser Entwurf entspricht nahezu 1 : 1 dem Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium vom Juni 2006.
Die SPD-Landtagsfraktion hat zu keinem Zeitpunkt ein Hehl daraus gemacht, dass wir für ein bundeseinheitliches Strafvollzugsgesetz und natürlich auch für ein bundeseinheitliches Jugendstrafvollzugsgesetz eintreten.
Deshalb ist es naheliegend, auch beim Jugendstrafvollzug kein eigenes Süppchen zu kochen, sondern auf eine bundeseinheitliche Grundlage zurückzugreifen und sich darauf zu verständigen. Sicherlich wird ein Gesetz im parlamentarischen Verfahren immer verändert werden; das ist klar. Übrigens verstehen auch wir nicht, warum die Justizministerin geradezu zwanghaft im stillen Kämmerlein an einem niedersächsischen Vollzugsgesetz bastelt. Anders als andere hält sie bislang sämtliche Details ihres Entwurfs unter Verschluss. In Bayern steht der Entwurf bereits seit dem 1. August im Netz, im Saarland ist der Entwurf in den Rechtsausschuss eingebracht worden, in Hessen wird er diskutiert, in Baden-Württemberg ebenfalls. Die Länder beschäftigen sich in ihren Gremien damit mit dem Ziel, den bestmöglichen Jugendstrafvollzug durchzusetzen. Ich finde es sehr bedauerlich, dass in einem so wichtigen Bereich nicht der Dialog mit allen Fraktionen gesucht wird, sondern quasi unter Verschluss ein Geheimpapier erstellt wird. Diejenigen, die zur Anhörung befragt worden sind, sagen: Das ist top secret. Wir sind verdonnert worden, das Ding nicht herauszugeben. - Genau so haben wir es gehört.
Frau Ministerin, haben Sie Angst, dass Ihre Fachleute Ihre Argumentation widerlegen könnten? Dass dies nicht sein muss, zeigen ja die anderen Länder. Unsere heutige Initiative soll gewissermaßen die Hand dafür reichen, dass sich Niedersachsen wieder in die Reihe derjenigen Länder einreiht, die an einem gemeinsamen Konzept arbeiten. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Bockmann. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Nacke das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Strafvollzug ist einer der stärksten Eingriffe des Staates in die Rechte der Menschen. In einem Rechtsstaat haben wir daher die besondere Verpflichtung, die Ermächtigung für derart schwere Eingriffe durch das Parlament in einem Gesetz festzulegen. Auf diesen Umstand - Frau Kollegin Bockmann hat darauf hingewiesen - hat das Bundesverfassungsgericht bereits in den 70erJahren hingewiesen. Diese Entscheidung führte zum Strafvollzugsgesetz des Bundes. In diesem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Entscheidung für den Jugendstrafvollzug getroffen, weil nach 30 Jahren Bundeszuständigkeit ein entsprechendes Gesetz nicht besteht.
Wenige Monate später wurde durch die Föderalismusreform die politische und die gesetzgeberische Verantwortung für den Strafvollzug wieder zusammengeführt. Zu Recht stellt die SPD daher in der Begründung des Gesetzentwurfes auf Seite 19 fest - ich zitiere -:
„Die Gesetzgebungskompetenz des Landes ergibt sich als unmittelbare Folge der im Zusammenhang mit der Föderalismusreform am 31. August 2006 im Bundesgesetzblatt verkündeten Gesetzesänderung.“
Meine Damen und Herren von der SPD, ich freue mich, diesen Umstand einmal so deutlich von Ihnen formuliert zu lesen. - Ihre Rede, Frau Kollegin Bockmann, passt leider nicht zu dieser Erkenntnis.
Meine Damen und Herren, ausgerechnet die SPDFraktion im Niedersächsischen Landtag eröffnet mit ihrem heutigen Gesetzentwurf eine Reihe von Debatten, die wir in diesem und im kommenden Jahr über Gesetze zum Strafvollzug führen werden - ausgerechnet die SPD-Fraktion, die sich mit Händen und Füßen auch gegen die eigene Bundestagsfraktionen gewehrt hat, im Bereich des Strafvollzugs überhaupt etwas regeln zu dürfen.
Dieser Umstand verwundert nur auf den ersten Blick. Die SPD-Fraktion lässt in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf nämlich keinen Zweifel daran, wie sie sich die Gesetzgebung von Landesparlamenten in diesem zurückeroberten Kompetenzbereich vorstellt. Statt die Gelegenheit zu nutzen, sich ausführlich eigene Gedanken über den Jugendstrafvollzug in Niedersachsen zu machen, wird einfach ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums in den Niedersächsischen Landtag eingebracht.
Meine Damen und Herren von der SPD, ein derart zentralistischer Ansatz mag Ihren Vorstellungen von Landesgesetzgebung entsprechen. Mit unserer Vorstellung von Föderalismus und mit unserem Selbstverständnis als niedersächsische Landesparlamentarier ist ein solcher Ansatz nicht vereinbar.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist aus meiner Sicht ohnehin nur der durchsichtige Versuch, dem Entwurf der Landesregierung zu einem Niedersächsischen Strafvollzugsgesetz zumindest im Bereich des Jugendstrafvollzuges zuvorzukommen. In Ihrer Eile haben Sie sich nicht einmal die Mühe gemacht, wenigstens die Begründung des Gesetzentwurfes den niedersächsischen Gegebenheiten anzupassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die Gelegenheit nutzen, für die CDU-Fraktion unsere Erwartungen an den Jugendstrafvollzug in Niedersachen zu formulieren. Wer als Jugendlicher oder junger Erwachsener zu einer Jugendstrafe verurteilt wird, hat bereits in jungen Jahren eine erhebliche Schuld auf sich geladen und oft anderen Menschen ein erhebliches Leid zugefügt. Die Inhaftierung eines jungen Menschen aufgrund einer richterlichen Entscheidung ist häufig die letzte Chance, auf das Leben dieses jungen Straftäters einzuwirken und eine dauerhafte kriminelle Karriere zu verhindern. Die Zeit der Verbüßung einer Jugendstrafe bietet vielleicht die letzte Möglichkeit, einen jungen Menschen zu resozialisieren und ihn damit zu einem straffreien Leben zu führen. Alle anderen Maßnahmen, die der Verurteilung zu einer Haftstrafe vorausgegangen sind, haben nichts geholfen.
Der Jugendstrafvollzug dient aus unserer Sicht in erster Linie der Erziehung. Unsere Haftanstalten für Jugendliche müssen also durch das Vollzugsgesetz in die Lage versetzt werden, Inhaftierten das Rüstzeug für ein straffreies Leben mitzugeben. Das bedeutet beispielsweise, ein drogenfreies Leben zu ermöglichen. Das bedeutet auch, bestimmte Grundfähigkeiten zu vermitteln. Ich denke da an die Kenntnis der deutschen Sprache oder die Vermittlung von Kenntnissen im Lesen, Schreiben und Rechnen. Die größte Chance, auf das Leben junger Straftäter positiv einzuwirken, ist vermutlich die Möglichkeit, während der Haft Schuloder Ausbildungsabschlüsse nachzuholen. Dazu kommen weitere Fähigkeiten, beispielsweise die Vermittlung einer sinnvollen Freizeitgestaltung.
Meine Damen und Herren, die Resozialisierung von Straftätern ist keine Bringschuld des Staates gegenüber demjenigen, der straffällig geworden ist. Der Versuch der Resozialisierung ist ein berechtigter Anspruch der Gesellschaft zum Schutz vor weiteren Straftaten. Resozialisierung ist in erster Linie Opferschutz und keine Wohltat gegenüber dem Inhaftierten. Das Gute daran ist aber, dass eine gelungene Resozialisierung dem Jugendlichen nicht schadet, sondern vielmehr seine letzte Rettung sein könnte. Gerade bei jugendlichen Straftätern dürfen wir die berechtigte Hoffnung haben, dass die Rückkehr auf den richtigen Weg erfolgreich sein kann.
Wir können und müssen daher auch von dem Inhaftierten erwarten, dass er sich anstrengt. Wer aber nicht bereit ist, an seiner Resozialisierung mitzuwirken, der muss auch spüren, dass sein Verhalten von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird.
Meine Damen und Herren, aus der Sicht der CDUFraktion muss ein Niedersächsisches Jugendstrafvollzugsgesetz die Werkzeuge für das Ziel der Resozialisierung zur Verfügung stellen. Der vorliegende Entwurf enthält bereits eine Menge Punkte, die diesen Anspruch erfüllen und die sicherlich so oder so ähnlich in ein Vollzugsgesetz aufgenommen werden. An einigen Punkten werden wir die Gewichtung sicherlich anders setzen.
Unser Anspruch geht allerdings über den der SPD hinaus. Wir wollen kein weiteres Einheitsgesetz des Bundesjustizministeriums. Wir wollen ein passgenaues Gesetz für Niedersachsen. Dazu werden wir die langjährigen Kenntnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jugendvollzug nut
zen. Durch die neue Gesetzgebungskompetenz haben wir die Möglichkeit, den niedersächsischen Weg des Chancenvollzugs auch im Vollzugsgesetz nachzuvollziehen. Diese Chance werden wir uns nicht entgehen lassen. Ich würde mich freuen, wenn auch die Opposition während des Gesetzgebungsverfahrens entscheiden würde, ihre zentralistischen Vorgaben zu vergessen und sich zum Wohle Niedersachsens eigene Gedanken zu machen. - Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Herr Nacke. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Briese das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war in der letzten Zeit auf relativ vielen Fachveranstaltungen, Anhörungen und Konferenzen zu dem Thema „Jugendstrafvollzug nach der Föderalismusreform“. Ich finde, eingangs muss man das immer noch einmal erwähnen: Ich habe dort bei den Expertendiskussionen niemanden gefunden - aber auch wirklich niemanden -, der es sinnvoll und gut findet, dass das Thema an die Länder gegeben worden ist. Ich weiß, dass Sie das nicht mehr sonderlich oft hören mögen. Aber es ist trotzdem wichtig, das eingangs noch einmal zu sagen. Das war in meinen Augen wirklich eine große politische Eselei.
Frau Kollegin Bockmann hat das in ihrer Rede schon erwähnt: Es gibt mittlerweile nicht weniger als zehn Bundesländer - CDU- und SPD-geführte Länder übrigens -, die sich zusammengefunden haben, um ein gemeinsames Jugendstrafvollzugsgesetz auf den Weg zu bringen. Daran erkennt man die Absurdität der Debatte: Man gibt es den Ländern, die Länder schließen sich jetzt wieder zusammen, und in einem sehr komplizierten und aufwendigen Verfahren versucht man, wieder ein einheitliches Gesetz zu machen. Meine Damen und Herren, das hat mit Wettbewerbsföderalismus
Ich komme jetzt zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion. Frau Bockmann hat es erklärt und erläutert: Der Gesetzentwurf ist 1 : 1 aus dem BMJ-Entwurf des Jahres 2004 übernommen worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, daran ist erst einmal gar nichts schlecht; denn dieser Entwurf ist von vielen Fachverbänden beurteilt worden. Er hat jedenfalls in der Fachwissenschaft und in der expertenpolitischen Diskussion relativ viel Lob bekommen. Er ist insofern erst einmal eine recht vernünftige Grundlage für eine Diskussion hier.
Im Folgenden werde ich zwar noch aus grüner Sicht einige Vorschläge zur Verbesserung des Gesetzentwurfs vorstellen; aber als Grundlage ist er nicht schlecht.
Das Wichtigste an dieser Debatte ist, dass das Jugendstrafvollzugsgesetz ein eigenständiges Gesetz bleibt. Darauf muss ich in aller Deutlichkeit hinweisen, meine sehr verehrten Damen und Herren; denn alle, die das Bundesverfassungsgerichtsurteil gelesen haben, werden unschwer erkannt haben, dass die Verfassungsrichter zum Ausdruck gebracht haben, dass das Jugendstrafrecht und damit auch der Jugendstrafvollzug als eigenständige Gesetzesmaterie zu regeln sind. In Niedersachsen droht uns momentan aber das Vorhaben aus dem Justizministerium, die gesamte Vollzugsmaterie in einem einzigen Gesetz zu verkleistern. Dies findet absolut nicht unsere Zustimmung. Wir meinen, man kann den Jugendstrafvollzug, den Erwachsenenstrafvollzug und den U-HaftVollzug nicht in einem einzigen Gesetz verkleistern; denn dies würde den unterschiedlichen Regelungstatbeständen nicht gerecht. Vor allen Dingen würde es den Betroffenen nicht gerecht, weil es dann für Jugendliche sehr schwierig wäre, dieses Gesetz überhaupt zu verstehen. Die erste grüne Forderung lautet also: Wir brauchen ein eigenständiges Jugendstrafvollzugsgesetz. Am liebsten wäre uns natürlich, wenn diese Rechtsmaterie in der Bundeskompetenz geblieben wäre. Wenn man es aber schon an die Länder vergeben musste, dann soll es zumindest eine eigenständige Rechtsmaterie bleiben.
Die zweite wichtige Forderung kann ich daran sofort anschließen: Es muss auch ein für alle Betroffenen verständliches Gesetz sein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es darf nicht nur für die Ministerialbürokratie, die Vollzugsbediensteten und die Richterschaft verständlich sein, sondern es muss auch für die jugendlichen Straftäter verständlich sein. In diesem Punkt hat der SPDEntwurf ein paar Schwächen, weil er mit sehr vielen Verweisungen auf das Erwachsenenstrafvollzugsgesetz arbeitet, von dem wir noch nicht einmal wissen, wie lange es in Kraft bleiben wird, weil leider Gottes auch diese Rechtsmaterie an die Länder abgegeben worden ist. Hier müssen wir also den Gesetzentwurf nachbessern; wir müssen die Verweisungen abschaffen und selbst vernünftige Formulierungen finden.
Ich komme nun zu einem weiteren sehr wichtigen Punkt, nämlich der Zielbestimmung in einem Vollzugsgesetz für Jugendliche. Auch dazu hat Frau Bockmann schon etwas gesagt. Ich halte es für ganz wichtig, dass wir das Ziel eindeutig und prägnant formulieren. Der SPD-Entwurf ist kurz, prägnant und absolut korrekt:
Das ist das Ziel. Es ist eindeutig und klar. Viel besser kann man es gar nicht formulieren. In meinen Augen wäre es ein großer Fehler und sogar eine rechtspolitische Sünde, diese Zielbestimmung mit einer weiteren Zielbestimmung wenn nicht zu konterkarieren, so deren Umsetzung doch wesentlich zu erschweren. Führt man aber - die CDU hat dies in einigen anderen Ländern immer wieder gefordert hat und will es mit ziemlicher Sicherheit auch hier umsetzen - die Sicherheit der Allgemeinheit in diese Vorschrift ein, dann bringt man die Vollzugsanstalten in einen schwierigen Zielkonflikt. Alle Experten warnen davor, weil dadurch die Resozialisierung sehr stark erschwert würde. Ein Anstaltsleiter müsste dann immer lavieren, ob er das Risiko einer Lockerung eingeht, die für die Resozialisierung sinnvoll wäre, oder ob er den Schutz der Allgemeinheit hoch hält und deshalb keine Lockerung gewähren kann. Verzichten Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf eine doppelte Zielbestimmung in einem Paragrafen und stürzen Sie die Anstaltsleitungen nicht in einen Zielkonflikt! Das wäre wirklich nicht vernünftig.
Ein wichtiger Punkt, den man ebenfalls regeln muss, ist der Wohngruppenvollzug. Es ist gut, dass das Bundesverfassungsgericht eindeutige Vorgaben gemacht hat. Jetzt ist höchstrichterlich vorgegeben worden, dass wir den Wohngruppenvollzug brauchen. Bis vor kurzem war sich das Justizministerium nicht zu schade, den Wohngruppenvollzug als völlig antiquierte Maßnahme zu bezeichnen.
Herr Briese, ich muss Sie unterbrechen. Sie müssen zum Schluss kommen. Diese Vorgabe bekommen Sie von mir.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind jetzt durch die Rechtsprechung eines Besseren belehrt worden.
- Wir können darauf auch in der Ausschusssitzung zu sprechen kommen. Beispielsweise müssen wir noch über die Disziplinarausgestaltung reden.
Ich wünsche mir - lassen Sie mich dies abschließend noch sagen - ein mutiges, innovatives und vor allen Dingen an fachlichen Kriterien ausgerichtetes Jugendstrafvollzugsgesetz, aber keinen Rückfall in alte Zeiten, in denen die Strafe im Vordergrund stand. - Vielen Dank.