Protokoll der Sitzung vom 08.11.2006

Unter dem Strich lautet die Bilanz nach vier Jahren Schwarz-Gelb: Sie machen in zentralen Fragen Hochschulpolitik von gestern und für gestern, indem Sie die wichtigen Fragen, wie etwa den Ausbau von Studienplätzen, schlicht ausblenden. Es tut mir leid, Herr Minister Stratmann, Sie kritisieren zurecht die Augen-zu-und-durch-Mentalität und mahnen an, Probleme nicht nur frühzeitig zu erkennen, sondern auch zu handeln. Nach dieser Regierungserklärung bleibt die Frage offen: Warum beherzigen Sie nicht Ihre eigenen Ratschläge?

(Starker, anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Trost das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren und verabschieden heute den Entwurf des neuen Hochschulgesetzes. Mit dieser Gesetzesnovelle gehen wir den eingeschlagenen Weg der Modernisierung der niedersächsischen Hochschulen konsequent weiter. Wir machen Hochschulpolitik für die Zukunft.

(Zustimmung bei der CDU)

Bildung ist eine der zentralen Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Bildung ist der Schlüssel für individuelle Lebenschancen, kulturelle Teilhabe, zukunftsträchtige Entwicklungen und Innovationen in Deutschland. Ohne eine gute Bildungspolitik hat unser Land in dieser globalisierten und dynamisierten Welt keine Zukunftschance. Genau aus diesem Grund gehen wir unseren zukunftsorientierten hochschulpolitischen Weg weiter.

In den letzten Jahren haben CDU und FDP gemeinsam schon vieles geschafft. In aller Kürze möchte ich, insbesondere für die Opposition, noch einmal einiges deutlich in Erinnerung rufen.

Unverzüglich nach der Regierungsübernahme haben wir Abschied genommen vom „Weiter so“ und „Augen zu und durch“ und nach in Niedersachsen vorher nie da gewesener intensiver Abstimmung mit den Hochschulen das Hochschuloptimierungskonzept mit seinen vier Kriterien vorgelegt: Qualität von Lehre und Forschung, studentische Nachfrage, qualitativer Anteil Niedersachsens am bundesweiten Studienplatzangebot und langfristige Entwicklung des Arbeitsmarktes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist einer der Grundpfeiler, der uns hilft, die niedersächsischen Hochschulen national und international wettbewerbsfähig zu halten. Wesentliche Punkte des HOK wurden in den letzten drei Jahren umgesetzt, so z. B. die dringend erforderliche Profil- und Schwerpunktbildung und die Aufgabe der staatlichen Hochschulträgerschaft in Buxtehude und Nienburg. Dass das nicht immer schmerzfrei geht, ist bekannt.

Wir haben mit der Fusion der Universität Lüneburg und der Fachhochschule Nordostniedersachsen zur erweiterten Bologna-Universität Lüneburg einen weit über Niedersachsen hinaus sehr beachteten Schritt in die künftige Gestaltung von Hoch

schulen getan. Herr Minister Stratmann hat das in seiner Regierungserklärung ausgeführt.

(Zustimmung bei der CDU)

Der zweite Pfeiler unserer niedersächsischen Hochschulpolitik ist der Zukunftsvertrag, verbunden mit der Einführung sozialverträglicher Studienbeiträge. Dadurch geben wir den Hochschulen zum ersten Mal in der Geschichte des Landes einen längeren, über eine Legislaturperiode hinausgehenden Zeitraum der finanziellen Sicherheit, weil der Landtag als Haushaltsgesetzgeber diesem Vertrag zugestimmt hat - im Gegensatz zu Ihren früheren Optimierungsprogrammen.

Wir setzen damit auch Ressourcen frei, die nicht mehr für die Finanzadministration, sondern für die Lehre und Forschung genutzt werden können. Auch die sozialverträglichen Studienbeiträge tragen nicht nur zur Verbesserung der Qualität der Lehre, sondern auch zur finanziellen Zukunftssicherung der niedersächsischen Hochschulen bei.

(Zustimmung von Karl-Heinz Klare [CDU])

In diesem Zusammenhang möchte ich auf etwas hinweisen. Sie haben bezüglich der Akzeptanz der Studienbeiträge vorhin einiges gesagt. Derzeitiger Stand ist: Es gibt zwei Klagen gegen die Studienbeiträge, eine davon ist abgewiesen worden. Dies gilt landesweit.

(Zustimmung bei der CDU)

Der dritte Pfeiler unserer Hochschulpolitik betrifft die Hochschulzulassung. Wir haben im Jahr 2005 das Niedersächsische Hochschulzulassungsgesetz reformiert, damit sich die Hochschulen ihre Studierenden und die Studierenden sich ihre Hochschulen aussuchen können. Das Gesetz sieht für Studiengänge mit lokaler Zulassungsbeschränkung vor, dass die Hochschulen 75 bis 90 % der Studienplätze nach dem Ergebnis eines von den Hochschulen durchzuführenden Auswahlverfahrens - also nach eigenen Kriterien - vergeben können. Die restlichen 10 bis 25 % werden nach Wartezeit vergeben. Die Auswahlentscheidung wird nach der Durchschnittsnote des Abiturs oder einer sonstigen Hochschulzugangsberechtigung getroffen. Für mindestens 50 % der zur Auswahl stehenden Plätze muss die Auswahl von den Hochschulen nach einer Durchschnittsnote in Kombination mit fachspezifisch gewichteten Leistungen - also gewichteten Fachnoten im Abitur

oder besonderer Eignung getroffen werden. Das kommt dem Interesse unserer Studierenden definitiv entgegen.

(Beifall bei der CDU)

Mit der Novelle des NHG gehen wir nun den nächsten Schritt. Es ist der vierte Pfeiler. Somit steht unsere Hochschulpolitik stabil. Wir vervollständigen mit den Rahmenbedingungen im NHG unsere zukunftsorientierte Hochschulpolitik.

Das deutsche Hochschulwesen blickt auf eine große Tradition zurück. Es galt weltweit sehr lange als geradezu vorbildlich. Jedoch droht dieses internationale Prestige verspielt zu werden, wenn wir jetzt nicht die notwendigen Reformen entschlossen umsetzen.

Wir müssen unsere niedersächsischen Hochschulen zukunftsfähig machen. Wir müssen die Qualität und die Verlässlichkeit der akademischen Ausbildung steigern. Wir müssen die Hochschulen aus der staatlichen Reglementierung der vergangenen Jahre befreien. Der Staat muss die Detailsteuerung der Hochschulen aufgeben und sich auf eine strategische Hochschulpolitik beschränken. Unsere Hochschulen brauchen ein Höchstmaß an Autonomie; denn nur so können sie ein eigenes Profil ausbilden, welches sie brauchen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Das heißt: Unsere niedersächsischen Hochschulen müssen sich selbst erneuern und fortentwickeln können.

(Zustimmung bei der CDU)

Das sind die entscheidenden Bausteine unserer Hochschulpolitik in Niedersachsen, die sich auch in dem heute zu verabschiedenden NHG wiederfinden. Aber bei allen notwendigen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekten darf sich eine moderne Hochschulpolitik nicht den ethischen, sozialen und kulturellen Fragen entziehen. Herr Minister Stratmann hat das in seiner Regierungserklärung bereits ausführlich dargelegt, deswegen verzichte ich an dieser Stelle auf weitere Ausführungen. Die Hochschulpolitik in Niedersachsen sichert jetzt mit dem NHG die Zukunftsfähigkeit der Hochschulen und damit die Handlungs- und Zukunftsfähigkeit Niedersachsens.

Im Einzelnen möchte ich hier auf einige wichtige Punkte eingehen. Das vorhin von Frau Dr. Andretta mehrfach zitierte, im Jahr 2002 von der SPD verabschiedete Hochschulgesetz wurde von dem damaligen Wissenschaftsminister immer als das

„schlankeste Hochschulgesetz Deutschlands“ angepriesen. Schaut man aber einmal genauer hin, wird ganz schnell klar, warum es so kurz war. - Es wurde mit der heißen Nadel gestrickt und wimmelte nur so von Verweisen auf Durchführungsverordnungen, deren Ausgestaltung allein dem Fachministerium, dem MWK, oblag und die somit ohne Einwilligung der Hochschulen und erst recht nicht mit Einbindung des Parlaments zustande kamen. Das haben wir damals als CDU angeprangert, und das ändern wir mit dem nun vorliegenden neuen Hochschulgesetz.

(Beifall bei der CDU)

Dieses neue Hochschulgesetz zeichnet sich schon durch seinen strukturellen Aufbau aus: durch unmissverständliche und rechtlich sichere Definition der Aufgaben der Hochschulen sowie durch klare Zuständigkeiten der Hochschulorgane, durch die Aufnahme der HumanmedVO in das Gesetz bei gleichzeitiger Verbesserung bezüglich Inhalt und Präzisierung, durch die Aufnahme aller Regelungen, die sich aufgrund der Abschaffung des HRG im Rahmen der Föderalismuskommission als notwendig ergeben - Niedersachsen nutzt zudem den nun vorhandenen Spielraum und ist auch in diesem Punkt wieder führend in Deutschland -, und durch die Schließung von Regelungslücken im alten NHG. Diverse Gerichtsverfahren - auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, Frau Dr. Andretta - hatten dem SPD-NHG bescheinigt, dass Entscheidungen, die durch Verordnungen geregelt waren, eigentlich dem Parlament vorbehalten wären und somit im Gesetz hätten geregelt werden müssen.

(Zustimmung bei der CDU)

Um dem Wert und der Bedeutung des NHG gerecht zu werden, hatten wir eine umfangreiche, ausführliche Anhörung sowie mehrere Sondersitzungen des Ausschusses beantragt. Basierend auf den Ergebnissen der dreitägigen Anhörungen im Mai dieses Jahres, aufgrund vieler weiterer Gespräche und insbesondere den von CDU und FDP gesetzten Schwerpunkten in der Hochschulpolitik liegt Ihnen nun ein Gesetz zur Verabschiedung vor, dessen wesentliche Eckpunkte sich wie folgt darstellen:

Zum einen die Eliteförderung in § 19 Abs. 2 bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 8 - ich nenne die Paragrafen, damit das jeder nachvollziehen kann -: Wir haben die Einführung des Frühstudiums im NHG für hochbe

gabte Schülerinnen und Schüler; diese können bereits während der Ausbildung parallel ein Studium aufnehmen. Die erbrachten Leistungen werden einem späteren Studium angerechnet. Die Schülerinnen und Schüler können übrigens ohne Studienbeiträge daran teilnehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weiterhin wird die Vergabe von Stipendien gesetzlich als eigenverantwortliche Aufgabe der Hochschulen definiert. Damit können diese künftig besonders leistungsstarke und befähigte Studierende nach eigenen Kriterien fördern bzw. faktisch von den Studienbeiträgen befreien.

Der zweite wichtige Punkt ist die Familienfreundlichkeit. Minister Stratmann hat dazu einiges ausgeführt, aber ich möchte das gern wiederholen, weil das wirklich ein ganz wichtiger Punkt ist. Da ist zum einen die Wiedereinführung des Teilzeitstudiums. Dies wurde in der SPD-Novelle 2002 ersatzlos gestrichen. Warum eigentlich? - Erklären konnte es keiner. Wir dagegen orientieren unsere Entscheidungen an der Lebenssituation der Menschen, die ein Studium aufnehmen wollen. Denn bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt und nicht irgendwelche abstrusen Ideologien.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen, dass für möglichst viele Studiengänge die Möglichkeit besteht, das Studium als Teilzeitstudium zu absolvieren. Dies eröffnet insbesondere Berufstätigen und Studierenden mit Kindern bessere Chancen für ein Studium. Daraus resultiert natürlich auch eine Verdopplung der Studienzeiten, bis Langzeitstudiengebühren fällig würden.

Welche Studiengänge für ein Teilzeitstudium geeignet sind, ist von der Hochschule in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.

Eine generelle Freistellung von Studienbeiträgen für Familien mit Kindern bis zu 14 Jahren sowie für Studierende, die einen nahen Angehörigen pflegen, ist im Gesetz bereits geregelt: § 11 Abs. 2.

In § 27 des neuen NHG wird deutlich, dass künftig auch die Betreuung minderjähriger Kinder bei der Festsetzung der Altersgrenze für Berufungen anzusetzen ist. Dies findet unsere ausdrückliche Zustimmung. Das ist ein weiterer Beitrag, um Familie und Wissenschaft als Beruf miteinander zu vereinbaren.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir bringen die Familienfreundlichkeit wieder an die Hochschulen zurück!

Ein weiterer Punkt ist die Wiedereinführung der Habilitation in § 25 Abs. 1 Nr. 4 a. CDU und FDP haben neben der Juniorprofessur, die wir erhalten wollen, die Habilitation wieder ausdrücklich als mögliche Berufungsvoraussetzung in das Gesetz aufgenommen bzw. darauf gedrängt, dass es schon im Regierungsentwurf aufgenommen wurde. Der Zugang zu einer Professur durch Habilitation war auch im NHG 2002 ersatzlos gestrichen worden. Auch hier frage ich: Warum? - Weshalb Sie, meine Damen und Herren, damals die Habilitation so verpönt und als Teufelswerk dargestellt haben, das einer modernen Universität nicht gut zu Gesicht stünde, habe ich nicht verstanden. Die Juniorprofessur war Ihrer Meinung nach der alleinige Weg der Glückseligkeit. Aber warum nicht beide Wege zulassen? Warum nicht Alternativen berücksichtigen? Mit Ausnahme von Niedersachsen sehen übrigens alle anderen Landesgesetze weiterhin die Habilitation neben der neuen Juniorprofessur vor. Wir sind sicher, dass die Hochschulen bei ihren Berufungen diese Auswahl an Möglichkeiten zu ihrem Besten nutzen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben wieder ganz klare Zuständigkeiten der Hochschulorgane in das NHG aufgenommen. Unser Gesetz zeichnet sich durch klare Strukturen und Verantwortlichkeiten aus. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Gesetz. Die zentrale Stellung des Senats wird gefestigt, und der Hochschulrat wird als Organ ausgebaut. An dieser Stelle verzichte ich aufgrund der Vielfalt der angesprochenen Paragrafen, die davon betroffen sind, auf eine Aufzählung.

Ferner gehen wir auch neue Wege bei den Berufungen. Zum Beispiel ist in § 26 die Qualitätssicherung in den Berufungsverfahren ganz klar geregelt, z. B. die Mitwirkung externer Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer in der Berufungskommission.

Die Möglichkeit gemeinsamer Berufungsverfahren zwischen Hochschulen sowie zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschule wird wegen ihrer Bedeutung für die Exzellenzcluster im Gesetz ausdrücklich angelegt.

In § 48 wird festgelegt, dass den niedersächsischen Hochschulen zukünftig auf Antrag das Berufungsrecht befristet auf drei Jahre übertragen