Protokoll der Sitzung vom 10.11.2006

Drittens. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und den freien Trägern und Verbänden hat in der Kinder- und Jugendhilfepolitik einen hohen Stellenwert. Die Landesregierung zollt dem Engagement der freien Träger der Jugendhilfe großen Respekt. Wir stehen auch dazu, dass uns die freien Träger auch künftig beratend zur Seite stehen. Darum ist auch zukünftig ein Gremium vorgesehen, das dem Landesjugendhilfeausschuss vergleichbar ist.

Was nun den Zuständigkeitsbereich des MK, also den Bereich der Kindertagesstätten und der Kindertagespflege als Teilbereiche der Kinder- und

Jugendhilfe betrifft, so kann festgehalten werden, dass die in der Begründung zu dem Entschließungsantrag deutlich werdende Intention durch Beschlüsse der Landesregierung vollständig gedeckt ist. In der Begründung heißt es:

„Jugend- und Sozialpolitik muss sich sehr viel stärker auf die Sicherung von Bildungserfolg beziehen. Bildungschancen zu erhöhen, geht nur gemeinsam und partnerschaftlich zwischen Jugendhilfe, Kita und Schule.“

Genau um dieses Ziel zu erreichen, hat die Landesregierung die Kindertagesstätten und die Kindertagespflege aus dem Sozialministerium in das Kultusministerium verlagert. Um Bildungserfolge zu erhöhen, haben wir die Bildungsbereiche Kita und Grundschule mit einer Reihe von Maßnahmen besser vernetzt. Wir werden dies mit dem Programm „Das letzte Kindergartenjahr als Brückenjahr zur Grundschule“ mit einem Mitteleinsatz in Höhe von 20 Millionen Euro für die nächsten vier Jahre noch wesentlich stärker tun, so denn der Landtag entsprechend beschließt.

Dass eine Verstärkung der Bildungsarbeit in Kitas, vor allem die Verbesserung des Übergangs von der Kita zur Grundschule, effektiv im Ressort des Kultusministeriums geleistet werden kann, ist bisher auch nicht von der Fraktion der SPD in Frage gestellt worden.

(Zustimmung von Christian Dürr [FDP])

Der Beschluss der Landesregierung vom 24. Oktober 2006 zur Zusammenführung der Aufgabenwahrnehmung der oberen und obersten Landesjugendbehörden für den Bereich der Kindertagesstätten und der Kindertagespflege im MK wird dazu führen, dass Fachkräfte vor Ort und andere klare Ansprechpartner haben werden und dass das Land seine Verantwortung zur Unterstützung, Beratung und Qualifizierung für Kindertagesstätten und Kindertagespflege noch effektiver und effizienter als bisher wahrnehmen kann und wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal der Abgeordnete Albers nach § 71 Abs. 3 gemeldet. Ihm stehen zwei Minuten zur Verfügung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Siebert, aber auch Herr Dürr und die Ministerin haben zu allem gesprochen, aber nicht zum Kabinettsbeschluss.

(Zuruf von der CDU: Sie haben nicht richtig zugehört!)

Das ist schon merkwürdig. Das waren wieder trockene, saubere und schöne Worte für die Jugendhilfe. Wir haben gehört, wie toll alles ist. Die Realität aber sieht anders aus. Wir hatten bisher eine funktionierende Jugendhilfe. Wenn der Landtag dem Kabinettsbeschluss folgt - darauf bezieht sich unser Antrag -, dann werden Tür und Tor dafür geöffnet, Aufgaben zu dezentralisieren und zu zersplittern. Damit wird - ich möchte noch einmal deutlich sagen: es geht nicht um eine Behörde, sondern um die Einheitlichkeit der Aufgabenwahrnehmung - die Aufgabenwahrnehmung zersplittert, und das Funktionieren der Jugendhilfe gerät in Gefahr.

(Beifall bei der SPD)

Nichts anderes haben wir gesagt. Insofern wundert es mich sehr, dass hier auf den Landtagswahlkampf aufmerksam gemacht wird. Ich finde es traurig, dass dann, wenn wir uns über Fachthemen wie Kinder- und Jugendarbeit, aber auch Jugendhilfe unterhalten, eine Forderung der Opposition als Forderung im Rahmen des Landtagswahlkampfes dargestellt wird. Damit sollten wir ein bisschen vorsichtig sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Eines kann ich Ihnen sagen: Das Landesjugendamt hat in der Tat schon in der letzten Zeit unglaublich viel Aufgabenkritik betrieben usw. usf. Im gesamten Jugendhilfebereich ist es in Niedersachsen zu Umstrukturierung und zu Effizienzsteigerung gekommen. Wir haben sowohl von Frau Siebert als auch von Ihnen, Herr Dürr, oder der Ministerin gehört, es soll effektiver und optimiert werden. Es gab nicht ein Beispiel dafür, nicht ein einziges.

Wenn es wirklich zum Wohle der Kinder und Jugendlichen wäre, warum versuchen Sie es denn über den Schleichweg Haushaltsbegleitgesetz? Warum gehen Sie nicht offen ran, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD)

Die Abgeordnete Janssen-Kucz hat sich noch einmal für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Sie haben noch 1:05 Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Die Frau Ministerin hat aus dem 11. Kinder- und Jugendbericht zitiert. Der fordert den Ausbau sozialer Infrastruktur für Kinder, Jugendliche und Familien. PISA sagt aber mehr als deutlich, dass wir eine enge Partnerschaft zwischen Jugendhilfe, Kita und Schule brauchen. Gerade diese Vernetzung, dieses Netzwerk mit einer permanenten Unterstützung und Qualifizierung gab und gibt es über das Landesjugendamt. Nur so funktioniert erfolgreiche Kinder- und Jugendarbeit, und nur so kann man versuchen, das Ziel der Chancengleichheit im Lande Niedersachsen umzusetzen.

Die Frau Ministerin sagte, das Land werde uneingeschränkt die Aufgaben des SGB VIII wahrnehmen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Gott sei Dank ist das SGB VIII noch nicht abgeschafft worden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dürr und Kollegin Siebert, wir würden gerne mit Ihnen darüber diskutieren, wie wir die Strukturen im Interesse des Kindeswohls optimieren können. Aber Sie müssen uns auch die Chance dazu geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich fordere diese Chance ein. Ich fordere Sie hier auf, nicht über das Haushaltsbegleitgesetz das AG KJHG zu ändern, sondern einen eigenständigen Entwurf zur Diskussion inklusive Anhörung im zuständigen Ausschuss einzubringen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es wird nur so funktionieren, wenn Sie Beteiligung und Demokratie ernst nehmen. Also bitte: Stehen Sie zu Ihrem Wort, beteiligen Sie uns und die Verbände! - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Abgeordnete Siebert von der CDU-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet. Die CDU-Fraktion hat noch 4:05 Minuten Redezeit zur Verfügung. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fakt ist - das habe ich mehrfach gesagt -: Die Aufgaben bleiben bestehen. Wir nehmen sie wahr. - Ich finde es äußerst schade, dass Sie es uns offensichtlich nicht zutrauen, dass wir das so leisten können, wie wir es vorhaben. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir überraschen Sie richtig gerne. Wir freuen uns darauf, Sie zu überraschen. Das Kindeswohl ist bei uns in guten Händen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sein, mitberatend der Ausschuss für Inneres und Sport und der Kultusausschuss. Meine Damen und Herren, wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das ist so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: Den Gerichtszugang für sozial Schwache nicht verbauen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3264

Der Tagesordnungspunkt ist von gestern Abend auf heute überwiesen worden. Eingebracht wird dieser Antrag vom Abgeordneten Schneck von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD-Fraktion begrüßt grundsätzlich, dass sich die Landesregierung mit dem Thema Prozesskostenhilfe beschäftigt. Die Antwort der Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage zu den Ausgaben

für die Prozesskostenhilfe zeigt, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt. Aus der Antwort der Landesregierung geht klar hervor, dass die Ausgaben in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen sind. Wir fragen uns aber, warum die Antwort der Landesregierung zum Anstieg der Ausgaben wieder einmal nichts anderes bringt als die Belastung derjenigen, die sich ohnehin schon in einer schweren wirtschaftlichen und sozialen Lage befinden.

(Unruhe)

Herr Abgeordneter, einen Augenblick! - Bitte!

Dies ist umso verwunderlicher, wenn man sich die Antwort genau anschaut. Zum einen wird dort klar gesagt, dass die Ursache für den Ausgabenanstieg in erster Linie die schlechtere wirtschaftliche Lage in Deutschland ist. Immer mehr Menschen haben ein so geringes Einkommen, dass sie einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe besitzen. Zum anderen geht aus der Antwort hervor, dass in der Vergangenheit nicht einmal erhoben wurde, wie viel tatsächlich von der Prozesskostenhilfe zurückerstattet wurde. Aber anstatt sich diesem Problem zuzuwenden, hat die Landesregierung eine Bundesratsinitiative gestartet, in der es wieder einmal nur darum geht, sozial Schwächere zu benachteiligen. Die Vorschläge der Landesregierung richten sich auf die Erhöhung der Rückzahlung und die Verschärfung der Kriterien für den Erhalt der Prozesskostenhilfe - und das in einer Art und Weise, dass die Grenzen der Verfassungswidrigkeit mal wieder überschritten werden. Aber damit hat diese Landesregierung ja einige Erfahrungen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sehr geehrte Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich aus der Stellungnahme der Bundesregierung zu Ihrem Vorschlag im Bundesrat zitieren:

„Die Bundesregierung sieht diese verfassungsrechtlichen Vorgaben in dem vorliegenden Gesetzentwurf an zahlreichen Stellen nicht hinreichend gewahrt. Bedenken bestehen insbesondere bei dem Vorschlag, die Partei zur Herausgabe sämtlicher Vermögenswerte zu verpflichten, die sie mit Prozesskostenhilfe erstritten hat. Be

reits nach geltendem Recht muss die Partei die Rückzahlung von Verfahrenskosten grundsätzlich auch mit solchen Vermögenswerten vornehmen, die sie in einem Rechtsstreit erlangt hat. Der Vorschlag des Bundesrates geht darüber hinaus und zielt darauf ab, auch solche Beträge abzuschöpfen, die das Existenzminimum sichern sollen oder Schonvermögen darstellen. Das können insbesondere Unterhaltsansprüche und Arbeitsentgelte sein.“

An anderer Stelle heißt es:

„Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken hat die Bundesregierung ferner gegenüber dem Vorschlag, bei einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung die geltende zahlenmäßige Beschränkung auf 48 Monatsraten gänzlich aufzuheben. Der vollständige Verzicht auf eine Begrenzung der Ratenzahlungsdauer würde die bedürftige Partei auf unabsehbare Zeit belasten. Sie würde sich dadurch in unangemessener Weise an der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Rechte gehindert sehen.“

So weit die Zitate aus der Stellungnahme der Bundesregierung.

Aber damit, sehr verehrte Damen und Herren, hört es ja nicht auf. Ein weiteres Anliegen der Landesregierung ist es, ab einer Rückzahlungsrate von 30 Euro eine Pauschalgebühr von 50 Euro für das Bewilligungsverfahren der Prozesskostenhilfe einzuführen. Es ist ja schon ein Fortschritt, dass die Landesregierung ihre ursprüngliche Idee einer generellen Gerichtsgebühr verworfen hat, nur dass sie nun für sozial Schwache eine Gerichtsgebühr durch die Hintertür einführen will. Das ist einmal mehr ein Beleg dafür, dass Sie scheinbar eine konsequente Politik der sozialen Ungerechtigkeit betreiben.