Protokoll der Sitzung vom 06.12.2006

Nun zur Zügigkeit: Bei den KGSen gibt es eine Zügigkeit, wie wir sie an Gymnasien nicht kennen, beispielsweise KGS Laatzen: zehnzügig, FritzReuter-Schule in Bad Bevensen: zehnzügig, KGS Rastede: zehnzügig. Ich könnte Ihnen jetzt noch die achtzügigen Schulen nennen. Die Gesamtschulen haben - ich sage das in aller Deutlichkeit und Klarheit - die Bandbreite der Zügigkeit ausgedehnt, um alle Kinder aufzunehmen. Wir alle wissen aber, dass das die falsche Richtung ist. Das heißt, wir brauchen Schulen - dies sage ich noch einmal -, egal ob es Gymnasien, Realschulen oder

Gesamtschulen sind, in denen es eine übersichtliche Schülerschaft gibt. Wir brauchen diese Schulen sowohl für die Schülerinnen und Schüler als auch für die Kolleginnen und Kollegen, die dort unterrichten.

Ich sage es noch einmal: Die Zahlen, die genannt werden, lieber Kollege Albrecht - „lieber“ in Anführungszeichen -, hätten Sie allemal der Übersicht entnehmen können.

(Heiterkeit bei der SPD - Joachim Alb- recht [CDU]: Ich habe mich nur auf Ih- ren Text bezogen!)

Eine Schlussbemerkung: Wenn Sie sich angucken, wie hoch die Zahlen sind, und wenn man dann die Gegenüberstellung des Ministeriums dazunimmt - -

(Die Präsidentin schaltet dem Redner das Mikrofon ab)

Die Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege Meinhold. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. - Zur nächsten Kurzintervention hat Frau Kollegin Korter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Albrecht, wenn Sie uns in diesem Hohen Hause schon etwas erzählen, dann müssen Sie auch bei der Wahrheit bleiben. Herr Meinhold hat es eben gesagt: Das, was uns an Zahlen zu den Gesamtschulabweisungen vorgelegt worden ist, sind die offiziellen Zahlen des Ministeriums und nicht irgendwelche herbeigesuchten Zahlen. Sie dürfen dem Parlament nicht die Unwahrheit sagen.

Ich möchte noch ein paar Dinge klarstellen. Sie verfolgen ja immer wieder die Strategie, die Leistungen der Gesamtschulen zu diffamieren und schlechtzureden, damit Sie die Eltern endlich davon abbringen, dass sie ihre Kinder dort anmelden. Herr Albrecht, das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie erklären Sie sich denn die hervorragenden Ergebnisse der IGS Göttingen-Geismar oder der IGS Franzsches Feld in Braunschweig? Wollen Sie erzählen, diese Schulen hätten so gute Ergebnisse, ohne dass sie die besondere individuelle Förderung in ihrer Schulform praktizieren? - Sie wissen genau, wie gut sie abgeschnitten haben und

wie gut sie auch beim Projekt „Reformzeit“ abgeschnitten haben. Deswegen wollen Sie nicht so gerne, dass diese Schulen Mentoringschulen für andere werden.

(Joachim Albrecht [CDU]: Albern!)

Das werden Sie dem Parlament nicht erzählen können. Vor allem glauben Ihnen das die Eltern in Niedersachsen nicht. Die Zahlen belegen es eindeutig. Ich werde Ihnen das gleich noch einmal ein bisschen genauer vorrechnen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Möchte Herr Kollege Albrecht oder eine Vertreterin oder ein Vertreter der CDUFraktion antworten? - Herr Kollege Albrecht, Sie haben für anderthalb Minuten das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Meinhold, ich habe nur aus Ihrem Gesetzentwurf zitiert, nichts anderes. Sie sollten einmal gucken, was Sie schreiben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Frau Kollegin Korter, bezüglich der Zügigkeit sind uns die Zahlen damals im Ausschuss vorgetragen worden. Wir haben festgestellt, dass die Zahl der angenommenen Kinder nicht der möglichen Höchstzahl entspricht, die aufgrund der Zügigkeit vorhanden ist, z. B. bei der IGS Franzsches Feld in Braunschweig. - Das aber nur nebenbei.

Die IGS Göttingen-Geismar ist mit der Friedensschule in Münster vergleichbar. Sie hat ein hervorragendes Umfeld mit überproportional hohen Anteilen von gymnasialempfohlenen Kindern, bis zu 75 % pro Jahrgang, und entsprechenden Elternhäusern, die dahinterstehen. Sie können diese doch nicht mit einer anderen Schule im Gesamtschulbereich vergleichen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Wenn ich andere Gesamtschulen betrachte, die immer wieder als Beispiel herangezogen werden, wie z. B. in Wiesbaden, dann kann ich feststellen: Das sind zum Teil Gesamtschulen, die erst vor

wenigen Jahren aus Gymnasien in Gesamtschulen umgewandelt worden sind.

(Beifall bei der CDU - Walter Meinhold [SPD]: Welche?)

- Wiesbaden!

Danke schön, Herr Kollege Albrecht. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Korter das Wort.

(Unruhe)

- Frau Korter hat das Wort und nicht Herr Kollege Meinhold. Ich bitte um Aufmerksamkeit.

(Zuruf von Joachim Albrecht [CDU])

- Herr Kollege Albrecht, das gilt auch für Sie!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Sommerferien haben wir es wieder erlebt: Mehr als 2 000 Schülerinnen und Schüler mussten von niedersächsischen Gesamtschulen abgelehnt werden, weil sie dort keinen Platz mehr fanden. Wir haben gerade über die Zahlen gestritten. Es waren genau 2 086. Sie wollten gerne an eine Gesamtschule gehen, aber sie durften nicht. Warum? - Weil Kultusminister, CDU und FDP nicht wollen, dass wir mehr Gesamtschulen in Niedersachsen haben. Ungefähr 60 Klassen hätten wir mit diesen Schülerinnen und Schülern bilden können. Das entspricht 10 bis 15 neu einzurichtenden Gesamtschulen.

Schulen sollen eingerichtet werden, wenn ein ausreichendes Bedürfnis vorhanden ist. - So steht es im Schulgesetz. Sind 2 000 Schülerinnen und Schüler kein ausreichendes Bedürfnis, oder ist es für Sie das falsche Bedürfnis?

(Ursula Körtner [CDU]: Wir haben es fünfmal erklärt, Frau Korter!)

Hinzurechnen müsste man noch die Tausende von Schülerinnen und Schülern, die eine Gesamtschule anwählen würden, wenn sie könnten, wenn es in ihrem Landkreis überhaupt eine gäbe. Aber CDU und FDP haben die Neugründung von Gesamtschulen in ihrem Schulgesetz verboten, wo Ihnen doch sonst der Elternwille angeblich so wichtig ist; hier offensichtlich nicht.

Auch die Forderung der Kommunen, selbst zu entscheiden, wann und wo sie neue Gesamtschulen einrichten - das ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wichtig -, interessiert Sie überhaupt nicht. Krampfhaft halten Sie am Neugründungsverbot fest, obwohl Sie ganz genau wissen, dass Ihr gegliedertes Schulsystem längst am Ende ist. Die rapide sinkenden Anmeldezahlen an den Hauptschulen sagen Ihnen das deutlich wie nie zuvor: Sie sind mit Ihrer Schulstrukturreform von 2003 schon jetzt gescheitert,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Walter Meinhold [SPD]: Ja- wohl!)

und Sie sind nicht mehr zukunftsfähig. Herr Busemann, Sie und Ihre CDU-Fraktion mögen keine Gesamtschulen. Das wissen wir. Das erleben wir immer wieder. Zudem wollen Sie keine integrative Beschulung. Das haben wir in der Debatte im letzten Plenarsitzungsabschnitt erleben müssen. Das hat die CDU-Fraktion gezeigt, als sie im Kultusausschuss abgelehnt hat, zum Thema „Mehr Integration für Förderschülerinnen und Förderschüler“ auch nur eine Anhörung zuzulassen. Das haben Sie auf dem Philologentag in Goslar so deutlich gemacht wie nie zuvor. Sie wollen, dass Gymnasien weiter privilegiert werden. Hinsichtlich aller anderen Schülerinnen und Schüler gilt für Sie: Schuster, bleib bei deinem Leisten - frühe Trennung, eingeschränkter Bildungsauftrag für die verschiedenen Schulformen, Durchlässigkeit vor allem nach unten.

Jetzt wollen Sie auch noch die Lehramtsausbildung per Prüfungsverordnung auf diese überholte Struktur ausrichten. Herr Busemann, das können Sie doch nicht ernst meinen. Unsere Universitäten sollen den Bologna-Prozess umsetzen, und Sie lassen Prüfungsverordnungen für die Lehrämter ausarbeiten, die wie im letzten Jahrhundert für jede niedersächsische Schulform extra gestrickt sind. Herr Busemann, ich komme langsam zu dem Eindruck, dass Sie mit Ihrem Amt überfordert sind.

(Beifall bei der SPD - Walter Meinhold [SPD]: Ja, das stimmt! Wo sie recht hat, hat sie recht!)

Sie sind nicht in der Lage, die Erfordernisse der aktuellen Entwicklung zu erkennen, und schon gar nicht, gegen die ideologisch festgefahrenen Positionen in Ihrer CDU Lösungen zu entwickeln, die für die Zukunft tragen.

Der bedarfsgerechte Ausbau der Gesamtschulen muss wieder zugelassen werden. Die Weiterentwicklung der bestehenden Gesamtschulen mit weniger Differenzierungsmöglichkeiten zu mehr Integration, individueller Förderung und Leistung ist das Gebot der Zeit. Wer das nicht erkennt und sich lieber in seinen ideologischen Graben einbuddelt, setzt die Bildungschancen unserer Landeskinder dauerhaft aufs Spiel und ist aus meiner Sicht als Kultusminister ungeeignet. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön, Frau Korter. - Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Albrecht von der CDU-Fraktion das Wort. - Bitte schön, anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Korter, Sie sollten sich wirklich einmal intensiv mit der Langzeituntersuchung BIJU, „Bildungsverläufe und psychosoziale Entwicklungen im Jugend- und jungen Erwachsenenalter“, des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung beschäftigen. Von 1991 bis 2001 hat es dazu eine Langzeitstudie gegeben, parallel dazu eine zweite, die von 1993 bis 2000 lief.

(Zurufe von der SPD)

- Die Studien bezogen sich auch auf NordrheinWestfalen und leider nicht auf Niedersachsen; die Berliner haben uns leider nicht untersucht, was mir ja viel lieber gewesen wäre.

In diesen Studien hat man festgestellt, dass die Ergebnisse nicht so sind, wie Sie es hier behaupten. Lesen Sie es nach! Ich empfehle Ihnen den Aufsatz von Baumert und Köller in der Zeitschrift Pädagogik, Heft 6 aus dem Jahr 1998. Dort können Sie nachlesen, welche Ergebnisse BIJU hatte. Leider Gottes hat die Gesamtschule nicht so gut wie das gegliederte Schulsystem abgeschnitten.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Albrecht. - Wird eine Antwort gewünscht? - Das ist offenkundig nicht der

Fall. Dann hat für die FDP-Fraktion Herr Kollege Schwarz das Wort. - Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es völlig emotionslos machen. Ich bin dem Kollegen Meinhold für diesen Antrag der SPD dankbar. Der Tagesordnungspunkt heißt „Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Verbots, Gesamtschulen zu errichten“. Nach seinen Ausführungen geht es ihm überhaupt nicht darum, dass abgewiesene Kinder aufgenommen werden sollen, sondern schlicht und einfach darum, die Schulstrukturdebatte zu beleben und weiter am Kochen zu halten.