- Herr Kollege Noack, ich habe mir den Gesetzentwurf schon gestern durchgelesen. Glauben Sie mir das. Ich bin niemand, der vom Katheder herunterredet und nicht weiß, wovon er spricht. Ich habe den Gesetzentwurf schon längst gelesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein Satz zur Vollzugspolitik. Ich gebe gerne zu, dass das in diesen Zeiten keine einfache Sache ist. Wir haben einen großen öffentlichen Druck; wir haben auch einen Mediendruck. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass sich die Justizministerin ein bisschen stärker an die Fachwelt und die Expertisen und vielleicht ein bisschen weniger an die öffentliche Meinung halten würde.
Das ist nicht immer ganz einfach; das weiß ich. Aber das wäre mutig, meine sehr verehrten Damen und Herren, und es wäre fachgerecht.
Ich möchte noch ein paar andere Punkte ansprechen. Es ist sinnvoll, dass Sie die Gerichte insgesamt etwas besser ausstatten wollen. Die Weltkonjunktur und die Mehrwertsteuererhöhung kommen Ihnen in diesem Zusammenhang zugute. Dagegen ist nichts einzuwenden. Vorher wurden die Gerichte ausgemergelt, jetzt werden sie wieder etwas besser ausgestattet. Das ist eine sinnvolle Maßnahme.
Die Einführung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften in der Korruption wird von uns begrüßt. Das haben wir schon vor einem Jahr gefordert. Das ist nichts Neues. Es ist aber gut, dass Sie Vorschläge von den Grünen aufnehmen. Das reicht allerdings noch nicht für eine sinnvolle Korruptionsbekämpfung. Wir brauchen auch ein vernünftiges Korruptionsregister. Wir brauchen auch ein Informationsfreiheitsgesetz. Ich verstehe überhaupt nicht, warum diese Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen so viel Angst vor mündigen und kritischen Bürgern haben. Das will sich mir, ehrlich gesagt, überhaupt nicht erschließen.
Was ganz enttäuschend ist - das muss ich noch einmal deutlich sagen -, ist die außergerichtliche Streitschlichtung. Sie liegt in Niedersachsen quasi brach. Auf diesem Feld ist in den letzten vier Jahren überhaupt nichts passiert. Die Mediation wird nicht vorangetrieben. Vielmehr ist völlig unklar, was in diesem Bereich weiter gemacht werden soll.
Lieber Kollege Biester, der Täter-Opfer-Ausgleich, wie wir ihn momentan haben, funktioniert. Aber er wird nicht ausgebaut. Das ist doch eines der innovativsten Momente in der Rechtspolitik, die wir haben. Sie treiben das nicht voran, sondern da herrscht Stagnation, und es passiert nichts Neues. Wir warten bis heute darauf, ob es ein Schiedsgesetz nach Eingangsgesetz ZPO gibt. Auch da wabern Sie immer herum: Wir müssen noch einmal prüfen, wir wissen noch nicht ganz genau, was wir machen wollen. - Auch da herrscht Stillstand. Im Bereich der außergerichtlichen Konfliktschlichtung passiert in Niedersachsen seit vier Jahren praktisch nichts.
Bei den Betreuungskosten fällt Ihnen nichts Neues ein. Sie müssen die Quote der Ehrenamtlichen deutlich erhöhen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann nur sagen: Vier Jahre Rechtspolitik in Niedersachsen - eine gescheiterte Justizreform, keine gestaltende Rechtspolitik. Unsere Zustimmung können Sie dafür nicht bekommen. - Besten Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie nur wenige andere Bereiche symbolisiert und repräsentiert die Justiz die Werte, die das Zusammenleben in unserer Gesellschaft prägen. Es liegt in der Natur dieser Werte wie Gerechtigkeit für jedermann, Gleichheit vor dem Gesetz, Unbestechlichkeit und Verlässlichkeit - um nur einige zu nennen -, dass sie sich der Alltagshektik und dem Tagesgeschäft entziehen. Es ist ein gutes Zeichen, wenn die Justiz selbst selten zum Gegenstand öffentlicher Debatten wird. Die Justiz ist umso besser, je weniger über sie geredet wird und je unauffälliger sie der Gesellschaft dient.
Es geziemt sich, dass ein Landeshaushalt solide ist. Dieser ist es. Speziell für einen Justizhaushalt geziemt es sich, dass er - jedenfalls in halbwegs normalen Zeiten wie unserer - solide und unauffällig veränderte Bedingungen in der Gesellschaft nachzeichnet. Genau dies leistet der vorliegende Haushaltsentwurf.
Wir richten in Braunschweig und Oldenburg neue Staatsanwaltschaften ein speziell zur Bekämpfung der Korruption zusätzlich zu den bestehenden in Verden und Hannover. Wir schaffen durch neue Richterstellen Entlastung für die Finanzgerichte, für die Strafjustiz und für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; insgesamt sind es 23 Richterstellen plus dem dazugehörigen Folgepersonal.
Im Zusammenhang mit den Verwaltungsgerichten ein Wort zu den Widerspruchsverfahren bzw. ihrer Abschaffung. Als wir im Zuge der Verwaltungsreform die Widerspruchs- bzw. Vorverfahren abge
schafft haben, war klar, dass für eine Übergangszeit Verwerfungen nicht ausgeschlossen werden können. Natürlich kann es bei derart gravierenden Neuregelungen zu unvorhergesehenen Nebenwirkungen kommen. Deshalb haben wir vorausschauend festgelegt, dass die Abschaffung der Widerspruchsverfahren wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden soll.
Grundsätzlich wollen wir die Ergebnisse dieser Evaluation abwarten und dann auf gesicherter Basis gegebenenfalls neu entscheiden. Nur in einem Bereich, bei den GEZ-Verfahren, legt die Zahl oder eher Unzahl von untereinander ähnlich gelagerten Einsprüchen schon jetzt nahe, wieder ein Vorverfahren einzurichten. Dies tun wir jetzt. Zusätzlich schaffen wir einige neue Richterstellen an den Verwaltungsgerichten, um die Berge unerledigter Akten allmählich abzutragen. Das ist im Sinne der Justiz, vor allem aber im Sinne der rechtsuchenden Bürger, die Anspruch auf eine zeitnahe Entscheidung ihrer Anliegen haben.
Ich richte Ihre Aufmerksamkeit nun auf einen Teil der Justiz, der eher selten unter finanziellen Gesichtspunkten thematisiert wird. Dem Land entstehen im Justizbereich Ausgaben, die durch Bundesrecht geregelt sind. Deshalb hat das Land ein legitimes Interesse daran, auf solche Regelungen einzuwirken. Ich meine hier konkret die Prozesskostenhilfe und die Kosten der Verbraucherinsolvenzverfahren. Zusammen schlagen diese Posten im nicht personalgebundenen Anteil des Justizhaushalts erheblich zu Buche.
Es ist gut, dass Niedersachsen hier Bundesratsinitiativen ergriffen hat. Es muss erlaubt sein, darüber nachzudenken, ob es gerecht ist, dass mittellose Klagende den Rechtsweg ohne jedes Risiko bis an die Willkürgrenze ausreizen können, während allen übrigen Rechtsuchenden ein materielles Prozessrisiko zugemutet wird. Schon aus Gleichbehandlungsgründen sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um die Rückzahlung der Prozesskostenhilfe bei unechter Mittellosigkeit sicherzustellen.
Wie sich die von der Bundesregierung intendierten Änderungen beim Insolvenzrecht auswirken würden, ist völlig unklar. Die Tätigkeit des Treuhänders ist in vielen Fällen der Privatinsolvenz offensichtlich von Anfang an und in vorhersehbarer
Weise fruchtlos und daher überflüssig. Für solche Fälle ist das neue vereinfachte Verfahren gedacht und sinnvoll. Ob sich aber die wegfallenden Kosten nicht an anderer Stelle, nämlich bei den Gerichten, bei den vielleicht wenigen Fällen wieder einfinden würden, die bisher geräuschlos von den Treuhändern abgewickelt wurden und jetzt vor Gericht landen würden, ist, glaube ich, noch nicht wirklich ausdiskutiert. Finanzielle Risiken für das Land bleiben.
Zum Schluss zu Ihnen, Frau Bockmann, zu den Deals: Deals wurden und werden nicht wegen angeblichen Personalmangels, sondern dann und nur dann gemacht, wenn sie juristisch angemessen sind. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt für den Justizvollzug weist auf den ersten Blick keine großen Veränderungen zum Vorjahr auf. Bei genauerem Hinsehen stellt man aber fest, dass trotz 97-prozentiger Auslastung aller Haftplätze zwölf Planstellen für Beamte in 2007 gestrichen werden und dass es außerdem 45 Stellen mit kwVermerk gibt. Offensichtlich haben Sie, die Kollegen von der CDU und von der FDP, immer noch nicht begriffen, dass Sicherheit im Justizvollzug durch gut ausgebildete und ausreichend vorhandene Mitarbeiter und nicht durch zusätzlichen Stacheldraht und Ähnliches hergestellt wird.
Meine Damen und Herren, des Weiteren fällt auf, dass Sie die Berufsvorbereitungs- und Umschulungsmaßnahmen nicht ausbauen. Sie frieren die Gelder auf einem niedrigen Sockel von 1,5 Millionen Euro ein. Zugleich wollen Sie, Frau Ministerin, die Beschäftigungsquote für die Inhaftierten auf 70 % anheben. Das ist ja grundsätzlich positiv. Aber Beschäftigung im Sinne von Schraubenzählen und Schraubenverpacken reicht nicht aus. Deshalb wollen wir diesen Haushaltsansatz wieder auf 5,7 Millionen Euro steigern; denn wirkliche Sicherheit für die Gesellschaft schafft der Vollzug nur, wenn die Inhaftierten nach ihrer Entlassung eine Perspektive für die Freiheit haben. Dazu ge
Meine Damen und Herren, einen weiteren wesentlichen Punkt für den Justizvollzug wird man im Einzelplan 20 bei den Hochbauten finden. Allerdings wird dieser Punkt eine negative Langzeitwirkung für das Land Niedersachsen haben. Die Koalitionsfraktionen haben beschlossen, dort 1 Million Euro für ein teilprivatisiertes Gefängnis in Bremervörde einzustellen, wie wir es schon aus der Presse erfahren haben. Allen in diesem Hause ist bekannt, dass die SPD-Fraktion Teilprivatisierungen im Justizvollzug, die wir für verfassungswidrig halten, nicht mitmachen wird. Mehr will ich zu diesem Punkt heute nicht sagen. Aber dass sich das Land das Kasernengelände von der Stadt Bremervörde für einen Gefängnisbau sozusagen schenken lassen will, verwundert schon. Wir fragen uns auch, was eigentlich die Kommunalaufsicht dazu sagt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Bremervörde sollen rund 300 Plätze mittlerer Sicherheitsstufe mit der Begründung gebaut werden, die Landesregierung wolle ältere und kleinere Anstalten schließen. Damit ist der Begriff der heimatnahen Unterbringung zur Erhaltung familiärer und sozialer Kontakte für Niedersachsen weitgehend obsolet geworden, obwohl das Bundesverfassungsgericht genau diese Kontakte als eine wichtige Voraussetzung der Wiedereingliederung ansieht. Dass Ihre Einstellung zum Vollzug nicht in allen Punkten mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Auffassung der Fachleute übereinstimmt, wissen wir seit mindestens zweieinhalb Jahren, seit dem einheitlichen niedersächsischen Vollzugskonzept und seitdem Sie, Frau Ministerin, Ihren Gesetzentwurf zum Justizvollzug der Presse vorgestellt haben. Ich will mich jetzt inhaltlich nicht weiter dazu äußern, wie es Herr Briese eben schon getan hat. Das sollten wir auf den Tag verschieben, an dem Sie diesen Gesetzentwurf im Parlament einbringen und so dem Landtag offiziell vorstellen werden.
Allerdings gäbe es sehr viel dazu anzumerken. Ich will aber dennoch einen Ihrer vielen Kritiker anführen. Der ehemalige CDU-Justizminister Schwind hat Ihnen schon vor Wochen sehr deutlich gesagt, dass Resozialisierung das alleinige Vollzugsziel war, ist und bleiben muss. Nur durch Resozialisie
rung wird die notwendige Sicherheit geschaffen. Er hat Sie auch dringlich aufgefordert, entschieden verantwortlicher mit Vollzugslockerungen umzugehen, als Sie es in den letzten zwei Jahren getan haben.
Meine Damen und Herren, wieso haben nun all diese Dinge, auch wenn nicht viele Änderungen im Haushaltsplan für den Vollzug zu erkennen sind, trotzdem eine Menge Auswirkungen? - Ich will es Ihnen sagen: Wenn die neue Anstalt in Rosdorf im Sommer 2007 endlich fertig gestellt sein und in Betrieb gehen wird, wird es im niedersächsischen Justizvollzug keine Überbelegung mehr geben. Wir brauchen keine teuren neuen 300 Plätze, es sei denn, man macht Vollzugspolitik so wie Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, und die Landesregierung es tun: restriktiv, fast ohne Lockerungen, sodass Zweidrittel-Entlassungen kaum noch stattfinden. Sitzen bis zum Endstrafenzeitpunkt hat den Preis teurer Plätze. Weniger Behandlung im Vollzug, weil weniger Personal, weniger Berufsvorbereitungen, weniger Umschulungen schaffen mehr Rückfälle, und das hat den Preis teurer Haftplätze. Das ist die Folge Ihres sogenannten Chancenvollzuges. Auch weniger Einweisungen in den offenen Vollzug beobachten wir seit Ihrem Regierungsantritt. Offener Vollzug vermeidet viele Haftschäden, die der geschlossene Vollzug mit sich bringt. Offener Vollzug schafft einen besseren und sichereren Übergang in die Freiheit. Das kommt allen zugute. Der offene Vollzug ist im Schnitt nur halb so teuer.
Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Frau Ministerin, Sie könnten all das eigentlich wissen, und Sie könnten es umsetzen. Aber Sie sind beratungsresistent.
Alles, was Ihre Vollzugspolitik bietet, ist: Wegsperren, weniger Sicherheit nach der Entlassung, unnötig hohe Kosten für das Land. Ihre Vollzugspolitik ist untauglich, ineffizient und teuer. Das sagen nicht nur wir. So sieht das auch die Fachwelt. Ziehen Sie endlich die Konsequenzen daraus!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Niedersächsische Landesregierung hat in dieser Woche den ersten Entwurf eines Niedersächsischen Vollzugsgesetzes zur Anhörung freigegeben. Ich möchte mich daher zunächst bei der Niedersächsischen Justizministerin und der gesamten Landesregierung bedanken, dass sie sich engagiert und mit großer Sachkenntnis an die Arbeit gemacht hat, um diese neue Gesetzgebungszuständigkeit des Landes mit Leben zu erfüllen.
Die Landesregierung unterscheidet sich damit wohltuend von der SPD, die sich bis zum heutigen Tage weigert, sich über ein eigenes niedersächsisches Gesetz Gedanken zu machen.