Die überwiegende Mehrheit der Fachleute differenziert dabei hinsichtlich der einzelnen im Maßregelvollzug wahrzunehmenden Aufgaben und schließt den Kernbereich von schwerwiegenden Grundrechtseingriffen aus, wie auch wir es von vornherein getan haben. Eine abschließende verfassungsrechtliche Überprüfung hat sich aber auch aus den Privatisierungsverfahren in anderen Bundesländern bisher nicht ergeben. Wir bewegen uns mit den vorliegenden Gesetzentwürfen also noch auf juristischem Neuland. Bei der Beratung ist aber auch klar geworden, dass es noch keinerlei Regelungen dafür gibt, wie man bei Eingriffen in Grundrechte verfassungsrechtlich entscheiden sollte. Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass auch noch nicht sicher ist, ob auch das in den Landeskrankenhäusern bisher praktizierte Verfahren in allen Punkten verfassungsrechtlich in Ordnung war; denn dieses Verfahren hat bisher niemand infrage gestellt und überprüft.
Wichtig ist jetzt noch Folgendes: In den acht Häusern, um die es geht, gibt es 5 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Davon waren ungefähr 140 Beamte. Von diesen Beamten waren einige Maler und viele nicht im Maßregelvollzug tätig. Von daher stellt sich die Frage, ob in der Vergangenheit alles verfassungsgemäß war.
Nun haben wir hier in Niedersachsen im Gegensatz zu anderen Bundesländern - darauf hat Herr Dr. Matthiesen schon hingewiesen - verfassungsrechtliche Aspekte besonders bearbeitet. Anders war es jedoch in Schleswig-Holstein, wo Frau Trauernicht - früher Ministerin und Landtagsabgeordnete in Niedersachsen, dann Ministerin in Schleswig-Holstein - nichts Besseres zu tun hatte, als sogleich mit Rot-Grün eine Privatisierung vorzunehmen, die rechtlich lange nicht so abgesichert war wie bei uns.
Deshalb kann ich überhaupt nicht verstehen, warum Sie das, was in Schleswig-Holstein unter Ihren Parteien problemlos durchgegangen ist, hier so sehr geißeln. Wir gehen viel weiter. Wir sagen nicht nur, dass das Land weisungsbefugt sein soll, sondern wir haben bis in die Leitungen hinein - einschließlich Vertretungen 14 Personen pro Standort - geregelt, wie das Ganze bei Beleihung zu handhaben ist. Wir sind eindeutig einen anderen Weg gegangen. Wir sind auch weiter gegangen als Brandenburg, wo nur der Chefarzt der Forensik ein Beamter ist. Wir haben das wesentlich differenzierter betrachtet.
Wir haben von vornherein auch den Hochsicherheitsbereich und die Maßregelvollzugsstandorte Moringen, Brauel und Bad Rehburg außen vor gelassen und gesagt: Diese Bereiche bzw. Standorte behalten wir auf jeden Fall.
Zu den einzelnen gesetzlichen Regelungen brauche ich gar nicht mehr viel zu sagen. Das hat Max Matthiesen sehr genau getan. Man kann nur feststellen: So explizit, wie wir die Sicherung hoheitlicher Befugnisse in § 3 Abs. 1 Satz 4 des Maßregelvollzugsgesetzes festschreiben, hat dies kein anderes Bundesland getan.
Sie haben verschiedentlich die tatsächlich sehr umfangreichen verfassungsrechtlichen Bedenken des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes angesprochen. Wir haben deutlich gemacht, dass wir diese Bedenken sehr ernst nehmen. Deshalb haben wir all die Regelungen zum Komplex „Gefahr im Verzug“ herausgenommen. Wir setzen darauf, dass im Rahmen der Weisungsbefugnis der Vollzugsleitung Vorgaben für diese Situationen getroffen werden, die dann rechtlich eindeutig sicher sind. Auch das haben wir also berücksichtigt.
Jetzt zum PsychKG. In § 12 Abs. 3 wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Dritte geregelt. Diese Regelung steht in Verbindung mit den Regelungen über die Unterbringung in geschlossenen Abteilungen in den §§ 14 und 15. Diese Regelung haben wir im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens im Übrigen nicht neu aufgenommen, sondern diese Regelung hat es schon immer gegeben.
Bisher ist 19 Krankenhäusern anderer Träger der Vollzug der zwangsweisen Unterbringung übertragen worden. Von insgesamt 6 544 Unterbringungen im Jahr 2003 entfielen 2 618 auf diese Häuser anderer Träger. Wäre dies rechtlich nicht mehr möglich, könnten wir eine regionale wohnortnahe Versorgung der Patienten, an der ja alle interessiert sind, nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr wäre in Niedersachsen die gesamte Struktur der psychiatrischen Versorgung in Frage gestellt. Das aber wollen wir auf keinen Fall. Wir haben bei der Anhörung zur Kenntnis genommen, dass die Betroffenen hinsichtlich dieses Punktes keine Bedenken geäußert haben. Von daher ist es sinnvoll, keine Änderungen vorzunehmen, sondern entsprechend weiter zu übernehmen.
Generell ist festzustellen: Die Veräußerungsentscheidung bietet uns die Chance, durch die Einbeziehung einer großen Vielfalt von Trägern eine Vergleichbarkeit und auch einen Wettbewerb zu haben, der die Qualität der psychiatrischen Versorgung im Maßregelvollzug und in der allgemeinen Psychiatrie auch weiterhin sicherstellen wird.
Bei der Übertragung haben alle Kriterien, die wir von den Regierungsfraktionen aufgestellt haben, Berücksichtigung gefunden. Außerdem wurde auf die Mitarbeiter genauso wie insbesondere auch auf das medizinische Konzept Rücksicht genommen.
Wir bedauern - das möchte ich hier sagen -, dass in Osnabrück nicht das Bistum den Zuschlag bekommen hat. Jeder hatte dies erwartet. Es ist aber so, dass nicht nur das medizinische Konzept, sondern auch viele andere Kriterien eine Rolle gespielt haben, wie im Ausschuss erläutert worden ist. Wenn eines dieser Kriterien nicht erfüllt wird, dann kann dies halt zur Versagung des Zuschlags führen.
Ich freue mich darüber, dass wir die Investitionen in 72 Plätze im Maßregelvollzug in Wehnen und in Königslutter, die wir als Land nicht leisten konnten, vertraglich vereinbaren und optional weitere 48 Plätze einbeziehen konnten.
Abschließend fordere ich Sie auf: Stimmen Sie bitte diesen beiden Gesetzentwürfen auf jeden Fall zu! Sie sind genau durchdacht. Wir haben nichts übers Knie gebrochen und nichts übereilt. Wir sind sehr sorgfältig vorgegangen. Wenn Sie ihnen zu
stimmen, sichern Sie damit gleichzeitig die Zukunft der psychiatrischen Versorgung der Patientinnen und Patienten hier in Niedersachsen.
Zu einer Kurzintervention hat sich jetzt Frau Helmhold gemeldet. Frau Helmhold, Sie haben eine Redezeit von anderthalb Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich Sie, Frau Meißner, so reden höre, dann fühle ich mich ein bisschen an ein altes Lied von Johanna von Koczian erinnert. Das würde auf die aktuelle Situation angewandt heißen: Das bisschen Grundrecht ist doch halb so wild.
So ungefähr argumentieren Sie. Ich will jetzt versuchen, dies anhand eines relativ einfachen Beispiels klarzumachen. Mir ist doch völlig egal, wer mich einfängt, einsperrt, festsetzt und fesselt. Das kann die Polizei sein. Da kann ich relativ sicher sein, dass mindestens zwei Beamtinnen oder Beamte mit dem Streifenwagen ankommen. Das könnte auch noch in einer Maßregelvollzugsanstalt sein. Da sind es jetzt noch Beamte. Das kann in einer psychiatrischen Klinik sein. Da finde ich es schon schwierig, wenn es Menschen machen, die keine hoheitlichen Befugnisse haben. Es gibt keine geteilten Grundrechte. Wir würden auch niemals auf die Idee kommen, dann, wenn irgendwo ein Beamter sagt: „Fritz Meier, den kannst du festsetzen; da gibt es einen Haftbefehl“, einen Sicherheitsdienst mit zwei Leuten loszuschicken, um Fritz Meier einzufangen. Das ist genau das, was Sie im Maßregelvollzug vorhaben, indem Sie vorsehen, dass ein Beamter eine Maßnahme anordnet und andere Leute sie durchführen. Das ist verfassungsrechtlich nicht korrekt. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat es Ihnen wirklich explizit gesagt. Meine Fraktion wird jedenfalls bei so etwas nicht zustimmen. Da müssen Sie wirklich sehen, dass Sie Ihre Mehrheit auf Ihrer Seite kriegen, und dann sehen, wie Ihnen das vor die Füße fällt.
Danke schön. - Frau Meißner, auch Herr Schwarz hatte sich gemeldet. Warten Sie bitte, bis Herr Schwarz seine Kurzintervention gemacht hat. Dann können Sie antworten. - Herr Schwarz, Sie haben das Wort für anderthalb Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Meißner, es war nicht korrekt, wie Sie das dargestellt haben. In der Anhörung haben die betroffenen Verbände, insbesondere aus dem psychiatrischen Bereich, deutlich Widerspruch gegen dieses Verfahren eingelegt. Sie haben dargelegt, dass sie Bedenken haben, wenn Private bei ihnen Zwangsmaßnahmen durchführen dürfen.
Ich will noch einmal klarstellen: Diese Debatte beruht nicht auf einer Erfindung der Opposition. Es ist in der Tat in anderen Bundesländern bisher so verfahren worden; es ist auch in Niedersachsen früher so verfahren worden. Dass das überhaupt thematisiert worden ist, hat etwas mit dem Bericht aus der Staatskanzlei zu tun. Es sind doch die Juristen dieser Regierung gewesen, die das thematisiert haben und zu dem Ergebnis gekommen sind: Wir haben in Niedersachsen eine Praxis, die verfassungswidrig ist. Wenn ihr das Gesetz ändert, dann stellt die Verfassungswidrigkeit ab. - Beschimpfen Sie bitte nicht die Opposition, sondern dann die Juristen, die ordnungsgemäß ihre Arbeit gemacht haben und zu einem konkreten Ergebnis gekommen sind. Wenn Sie Ihre eigene Staatskanzlei und die dort Beschäftigten ernst nehmen, dann sollten Sie dafür sorgen, dass dieses Gesetz verfassungskonform wird. Sie sind auf dem besten Wege, genau das Gegenteil zu machen, und das machen wir nicht mit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist auffällig, dass Frau Helmhold und der Kollege Schwarz den beiden Gesetzen den Stempel der Verfassungswidrigkeit aufdrücken wollen. Das sind diese Gesetze nun gerade nicht; denn wir sind aus den Gesetzesberatungen mit zwei sehr guten Gesetzen herausgegangen, die die Verfassungswidrigkeit sicherstellen.
Wir bewegen uns hier im Allgemeinen. Ich habe den Gesetzentwurf mitgebracht. Gucken wir uns einmal an, was der Vorbehaltskatalog alles beinhaltet. Da ist minutiös geregelt, welche Entscheidungen der Vollzugsleitung vorbehalten sind, nämlich Anordnungen des unmittelbaren Zwangs, Beschränkungen der Verfügbarkeit über das Taschengeld, Entscheidung über die Bildung von Überbrückungsgeld,
Entscheidung über die Einschränkung oder Untersagung von Besuchen. Da sind ganz genau die intensiven Grundrechtseingriffe aufgezählt, von denen Sie gesprochen haben.
Herr Matthiesen, das geht so nicht. Sie müssen auf Frau Meißner eingehen und nicht auf Frau Helmhold.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der SPD: Das war aber nicht maximal! Frau Helmhold, das war suboptimal!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte, damit es hier keine Irritationen gibt, zunächst feststellen: Herr Dr. Matthiesen hat sich eben versprochen. Er meinte Verfassungsmäßigkeit und nicht Verfassungswidrigkeit.
Ansonsten kann ich Ihre beiden Kurzinterventionen zusammen abhandeln. Sie haben mir bzw. der FDP oder praktisch beiden Regierungsfraktionen vorgeworfen, wir würden Grundrechte mit Füßen treten. Ich denke, wir haben gezeigt, dass wir genau das nicht tun.
Ich hatte darauf hingewiesen, dass gerade die Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung von Grundrechten auch bei der Praxis, die wir in Niedersachsen hatten, niemals überprüft wurde und dass keiner weiß - das haben wir auch bei der Beratung gemerkt -, ob diese überhaupt gegeben war. Wir haben uns darum bemüht, ein Höchstmaß an Verfassungsmäßigkeit herzustellen und alles zu berücksichtigen, was uns gesagt wurde.