Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Das Interesse ist da. Lassen Sie sich überraschen! Wir brauchen nicht mehr darüber zu reden. Es sind Fakten geschaffen worden. Wir werden die Erfahrungen auswerten. Auch Sie werden sehen, dass dies der richtige Weg ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Thema sehe ich nicht.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 12: Besprechung: Polizeireform 2004 und die Auswirkungen Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3231 - Antwort der Landesregierung - Drs. 15/3460

Ich eröffne die Besprechung. Der Kollege Lennartz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Schünemann, Ihre Methode in Bezug auf die Beantwortung dieser Großen Anfrage ist offensichtlich diese: Wer viele Fragen stellt, bekommt noch mehr Antworten, manchmal allerdings auch nicht ganz korrekte.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Was?)

Unsere erste Frage lautete: Wie viele Einstellungen wurden insgesamt zwischen den Stichtagen 1. April 2004 und 1. Oktober 2006 vorgenommen? - Ihre Antwort lautet: Da wir bereits in 2003 Einstellungen vorgenommen hatten, haben wir diese in der Liste hinzugefügt.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist doch in Ordnung! Das ist vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet!)

- Moment, ich bin noch nicht am Ende. - In Frage 2 fragen wir nach dem Ausscheiden zu den gleichen Stichtagen. Dort bleiben Sie die Antwort für das Jahr 2003 allerdings schuldig. Das ist doch keine seriöse Rechnung, Herr Minister.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie sollen wir den Saldo berechnen, wenn Sie für 2003 ungefragt die Einstellungen, also die Stellen, die Sie auf der Habenseite verbuchen, nennen, aber diejenigen, die ausgeschieden sind, überhaupt nicht angeben?

Nach der Beantwortung der Großen Anfrage lautet mein Fazit: Es lebe die Organisation, hoch lebe die Zentralisierung, Bürgernähe ist nachrangig. - Ich will das im Folgenden anhand einzelner Beispiele verdeutlichen.

Herr Minister, innerhalb von zwei Jahren wollen Sie die Vollzugsstärke in den Polizeibehörden um „rund 475“ erhöht haben. Rechnet man Ihre Zahlen nach, so kommt man auf genau 450 Stellen. Es ergibt sich also eine Differenz von immerhin 25 Stellen. Ihre Antwort ist somit entweder falsch oder zumindest unpräzise. Sie sprechen in der Vorbemerkung zur Beantwortung der Großen Anfrage ja selbst davon, dass Ihre Antworten nur als vorläufige Zwischenbilanz zu verstehen seien.

Ich komme damit zum Stichwort „Bürgernähe“ einem Kriterium, das Sie sich bei der Beantwortung der Fragen selbst auf die Fahne geschrieben haben. Besonders interessant für die Bewertung, wie sich diese Polizeireform auf die Bürgernähe der polizeilichen Arbeit ausgewirkt hat, sind die Angaben zur Personalstärke.

(Unruhe)

Einen Moment bitte, Herr Professor Lennartz! Hier ist es zu laut. Bei diesem Geräuschpegel kann niemand den Ausführungen des Redners folgen.

Insgesamt haben die großen städtischen Polizeidirektionen in Braunschweig und Hannover zum Teil in erheblichem Umfang Stellen abgeben müssen. Braunschweig hat exakt 105 Stellen, Hannover 71,5 Stellen abgeben müssen. Die vier neu gebildeten Polizeidirektionen haben hingegen profitiert. Offensichtlich - so muss man Ihre Zahlen doch wohl lesen - sind die Ballungsräume Braunschweig und Hannover kriminalgeografisch weniger stark belastet als andere, eher flächengeprägte Regionen in Niedersachsen.

Schaut man sich die Personalverteilung in den Polizeiinspektionen bzw. deren Untergliederungen,

also den früheren Polizeiinspektionen an, so ergibt sich Folgendes: In 21 Bereichen gibt es Stellenzuwächse, in 28 Bereichen gibt es Stellenverluste. Bei der Mehrzahl der betroffenen Inspektionen oder Teilinspektionen gibt es also Verluste. Fazit: kleinere Einheiten verlieren, größere Einheiten gewinnen. Ich will das einmal am Beispiel der neuen Polizeiinspektion Salzgitter verdeutlichen. Dieser Bereich umfasst die früheren Landkreise Salzgitter, Peine und Wolfenbüttel. Der Landkreis Peine verliert 22 Polizeivollzugsstellen, der Landkreis Wolfenbüttel verliert 20 Polizeivollzugsstellen. Die neue Polizeiinspektion Salzgitter verzeichnet einen Zuwachs von 39 Stellen. Mein Kommentar dazu ist: ein Hoch der Zentralisierung!

Ob die Zahlen, die Sie aufführen - es sind ja Massen von Zahlen -, im Einzelnen stimmen, wissen wir nicht. Angesichts einer konkreten Falschangabe haben wir zumindest Zweifel, ob alle übrigen Zahlen tatsächlich stimmen. Die von Ihnen für die Polizeiinspektion Hameln/Pyrmont angegebene Größenordnung ist unzutreffend. Nach Ihrer Aussage ist dort ein Verlust von fünf Stellen zu verzeichnen. Nach meiner Kenntnis sind es 20 Stellen.

Schaut man sich die Polizeistärken in den Polizeistationen an - dies ist wichtig; denn die Polizeistationen sind die Einheiten der Polizei, die den Türen der Bürgerinnen und Bürger besonders nahe sind -, dann stellt man fest, dass dort zwischen dem 1. April 2004 und dem 1. Oktober 2006 insgesamt 83 Stellen abgezogen wurden. Fazit: je weiter entfernt vom Bürger, desto mehr Polizei.

Ich will ein weiteres Beispiel nennen. Eine für Bürgernähe sehr bedeutsame Kategorie ist, wie der Einsatz- und Streifendienst ausgestattet ist. Auf den ersten Blick ergibt sich ein Zuwachs. Sie sagen, landesweit sind insgesamt 114 Stellen dazugekommen. Wenn man davon ausgeht - und das ist meine Rechnung und Schlussfolgerung -, dass man zwölf Polizistinnen oder Polizisten braucht, um einen Streifenwagen rund um die Uhr betreiben zu können, dann lassen sich mit Ihrer Verstärkung landesweit nicht einmal zehn zusätzliche Streifenwagen betreiben. Das ist in meinen Augen ein jämmerliches Ergebnis.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Im interessanten Kontrast zu diesen Feststellungen steht allerdings die Ausstattung des Landes

polizeipräsidiums im Innenministerium. Während die frühere Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung im Innenministerium über 79 Stellen verfügte,

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Plus vier Abordnungen!)

verfügt das Landespolizeipräsidium jetzt über 97 Stellen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Es gibt noch die Abordnungen!)

- Sie können gleich noch reden - ganz locker bleiben! - Das sind 18 Stellen mehr als früher. Das kann man nach Adam Riese ausrechnen. Ich habe nicht von den Stellen, die auf dem Wege der Abordnung besetzt werden, sondern von den festen Stellen gesprochen. Diese Zahlen entnehme ich aus der Tabelle des Ministeriums.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Es ist aber erläutert worden, wie das vorher mit den Abordnungen war!)

Auffällig ist auch der deutliche Zuwachs an höher dotierten Stellen im Landespolizeipräsidium. B-2Stellen: jetzt fünf, früher zwei. A-15-Stellen: jetzt neun, früher vier. A-14-Stellen: jetzt sechs, früher vier. Fazit: mehr Häuptlinge, weniger Indianer.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Herr Innenminister, zur Zentralisierung der Notrufe. Dieses Thema betrifft und beschäftigt die Polizeiorganisation. Dieses Thema könnte aber auch in der Leitstellendebatte darüber hinaus von Bedeutung sein. Aus Ihrer Sicht ist die Zentralisierung der Notrufe bei der Polizei kein Problem. Bei einer GdP-internen Umfrage unter den Beschäftigten des Einsatz- und Streifendienstes - also der Streifenwagenbesatzungen - und den Beschäftigten der Leitzentralen beteiligten sich 476 Personen. Das waren 53 % all derjenigen, die per Fragebogen befragt wurden. Davon waren etwa zwei Drittel der Auffassung, dass die Zentralisierung Nachteile habe bzw. zu Problemen führe. Mein Fazit dazu ist: Sie und Ihre Häuptlinge kennen die Stimmungslage und die Probleme vor Ort nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Schlussbilanz nach der Beantwortung der Großen Anfrage zu Ihrer Polizeireform lautet deswegen wie folgt: Ihre Polizeireform hat mehr Schatten als Licht. Die Organisation steht über allem. Das zusätzliche Personal, das eingestellt worden ist, ist falsch verteilt worden. Die Bürgerinnen und Bürger haben keinen Sicherheitszugewinn, weil die Polizei nicht vor Ort verstärkt wurde. Korrekturen sind notwendig, Herr Innenminister. Die Polizeistationen müssen mehr Polizistinnen und Polizisten bekommen; denn entscheidend ist die Präsenz vor Ort - also auf der Straße - und nicht die Präsenz in den Amtsstuben. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als Nächster hat der Kollege Biallas für die CDUFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Lennartz hat eben richtig ausgeführt, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen umfangreichen Fragenkatalog vorgelegt hat. Ich beglückwünsche die Fraktion der Grünen zu dieser Fleißarbeit.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Wenn ihr diese Fragen vorher geprüft hättet, hättet ihr nicht so viel Murks ge- macht!)

Ebenso fleißig haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innenministeriums die Fragen dieses Katalogs ausführlich und wahrheitsgemäß beantwortet. Ich weise die unverschämte Unterstellung zurück, dass nicht wahrheitsgemäß geantwortet worden ist. Das sage ich, damit das erst einmal klar ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist außerdem gut, dass die Fraktion der Grünen diese Anfrage gestellt hat. Hätten wir sie gestellt, hätte es gleich wieder geheißen: Frage und Antwort sind aufeinander abgestimmt. - Das ist jetzt nicht der Fall. Dies hat Herr Professor Lennartz in beeindruckender Weise vorgeführt. Denn die Erkenntnisse, die die Grünen haben, und die Erkenntnisse, die die Landesregierung hat, gehen

offenbar in vielen Punkten weit auseinander. Jeder mag sich selbst beantworten, woran das wohl liegt.

Meine Damen und Herren, in der Beantwortung der Großen Anfrage ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass diese Beantwortung nur eine Zwischenbilanz sein kann.

(Reinhold Coenen [CDU]: Genau so ist es!)

Denn Sie alle wissen, dass wir beabsichtigen, die Polizeireform erst in diesem Jahr zu evaluieren, was sachlich richtig und notwendig ist. Deswegen ist manches, wonach Sie fragen, gar nicht abschließend zu beantworten. Dies ist auf den über 60 Seiten der Antwort der Landesregierung sehr klar und deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Es handelt sich also um eine Zwischenbilanz - um nicht mehr und nicht weniger.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn Sie immerwährend - auch öffentlich, um Stimmung zu machen - das Gegenteil behaupten: Diese Polizeireform - und das zeigt die Beantwortung der Großen Anfrage - ist ein Erfolg. Diesen Erfolg wollen Sie nicht. Sie wollen ihn kaputt reden. Sie wollen nichts damit zu tun haben. Deswegen machen Sie auf zum Teil sehr perfide Art Stimmung innerhalb der Polizei. Das weise ich zurück.