Protokoll der Sitzung vom 06.03.2007

Die Pegelprognosen sind weiter zu optimieren, und es ist auf eine bessere Kommunikation zwischen den betroffenen Bundesländern hinzuwirken.

Ferner sind die natürlichen Wasserrückhalte- und -speichervermögen sowohl in der Landschaft als auch in Gewässern und Auen zu erhalten und wiederherzustellen, jedoch - das möchte ich betonen - die Fakten und die Realität zu erkennen und keine unrealistischen Forderungen zu erheben.

Die laufende Festsetzung der erforderlichen Überschwemmungsgebiete ist fortzuführen und die Herstellung von Hochwasserschutzplänen sicherzustellen.

Schließlich ist die zielgerichtete Entbuschung des Deichvorlandes an der Elbe weiter voranzutreiben. Herr Minister, hier sind Sie wieder vor Ort gefordert!

(Zustimmung von Anneliese Zachow [CDU] - Hans-Dieter Haase [SPD]: Noch solch ein Auftritt? Gibt es dann demnächst ein Kettensägenmassaker, Teil 2, im Kino?)

- Herr Haase, am besten helfen auch Sie und die örtlichen Abgeordneten mit, statt hier immer nur dazwischenzurufen. Dabei könnten Sie Ihre Energie besser verwenden.

Sehr verehrte Damen und Herren, Sie sehen, der zukunftsweisende Hochwasserschutz der jetzigen Landesregierung ist ideologiefrei und pragmatisch und setzt diesen Dialog mit den Menschen vor Ort um. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Ein überzeu- gender Beitrag! Was gibt es jetzt noch zu sagen?)

Vielen Dank. - Jetzt erteile ich Frau Steiner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns liegen heute die beiden Anträge vor, die nach dem Elbehochwasser im April 2006, also vor fast einem Jahr, vorgelegt wurden. Das zweite hundertjährige Hochwasser innerhalb von vier Jahren hat uns drastisch vor Augen geführt, dass wir einen erweiterten Hochwasserschutz brauchen. Die Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserstände und Wetterlagen sind bereits deutlich zu erkennen. In den vergangenen Jahrzehnten - nicht erst in den vergangenen Jahren, aber da besonders - haben vermehrte Starkregenereignisse, heftige Stürme und Hochwasser großen Schaden angerichtet.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Bei den Grünen auch!)

- Ein solcher Zwischenruf passt auch nur zu Ihnen, Herr Biallas.

Seit letztem Herbst sind uns die Fakten über den Klimawandel in drastischer Form präsentiert worden. Sie zeigen uns, dass wir uns bereits jetzt, früher als wir selbst erwartet haben, an die Folgen des Klimawandels anpassen müssen. Es geht nicht mehr nur um Abschwächung des Klimawandels, es geht um Anpassung an den Klimawandel, der bereits stattgefunden hat.

Beim Hochwasserschutz heißt das: Wir müssen eine neue Hochwasserschutzpolitik umsetzen. Deswegen haben wir als Grüne unseren Antrag auch so betitelt. Was heißt das konkret? - Wir müssen den Flüssen mehr Raum geben und mehr in die Entwicklung natürlicher Flussauen investieren. Überschwemmungspolder und zusätzliche Überflutungsflächen müssen geschaffen werden.

Genau das fordert auch nicht umsonst die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe, in der sich alle Elbanrainerländer treffen, diskutieren und sich über Hochwasserschutzmaßnahmen abstimmen. Sie sagen explizit: Für eine nachhaltige Hochwasservorsorge sind Maßnahmen zur Erhal

tung und Reaktivierung der natürlichen Wasserspeicherung im gesamten - ich unterstreiche: im gesamten - Flusseinzugsgebiet unerlässlich. Ein solches Hochwassermanagement hat bei der Hochwasservorsorge dort, wo es möglich ist, Vorrang vor einem Hochwassermanagement, das die Vergrößerung der Gewässerbettkapazität einschließt.

Warum sage ich das so ausführlich? - Wenn man sich den geänderten Antrag der Regierungsfraktionen ansieht, dann könnte man denken: Das findet sich auch da; wir haben da offensichtlich gemeinsame Einschätzungen und Ziele.

(Unruhe)

Frau Steiner, warten Sie bitte einen Augenblick! Es ist einfach zu laut hier im Raum. Ich höre lauter Gespräche in den ersten, zweiten, dritten und sonstigen Reihen auf beiden Seiten, auch bei Herrn Biallas. - Ich bitte, auch in den hinteren Reihen die Gespräche einzustellen. Sie können hinausgehen und dort weiterreden.- Jetzt haben Sie wieder das Wort, Frau Steiner!

Danke. - Zu dieser Auffassung könnte man kommen, wenn man den Antrag der Regierungsfraktionen liest, bis man zu dem folgenschweren Satz kommt - ich zitiere -, Niedersachsen als Unterlieger habe ein Schwergewicht auf den schnellen Abfluss im Hochwasserfall zu legen; es sei zielführend, ein anderes Maßnahmenbündel als an solchen Gewässern, bei denen der Oberlauf in Niedersachsen liege, durchzuführen und somit andere Gestaltungsmöglichkeiten zu ergreifen. - Was heißt das denn, meine Damen und Herren? So handeln Sie auch: Sie erkennen zwar theoretisch an, dass wir Überflutungsflächen und Flussauenausweitungen brauchen;

(Anneliese Zachow [CDU]: Aber wo brauchen wir sie, Frau Steiner?)

aber in der Praxis betreiben wir technischen Hochwasserschutz, bauen und erhöhen wir Deiche und investieren wir in Beton. Genau das konnten wir gerade wieder in der vorhergehenden Rede und in jeder anderen hören: Sie rechnen vor, wie viele Millionen Sie wo verbaut haben, welche Deiche Sie verlängert und erhöht haben. Es sagt ja kein Mensch, dass technischer Hochwasserschutz

nicht sein soll. Aber Ihre Konzentration darauf ist in Zeiten des Klimawandels und der steigenden Hochwasser völlig unangemessen. Eine neue Hochwasserpolitik muss endlich eine andere Richtung angeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Sander meint dagegen, Niedersachsen sei beim Hochwasserschutz gut aufgestellt. Zitat: Er hat kein Verständnis für Forderungen nach einer neuen Hochwasserpolitik. - Dazu - kann ich nur sagen - reicht dann der Horizont nicht aus, im wahrsten Sinne des Wortes.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU)

- Das war auf den weiten Blick über den Deich bezogen.

Jetzt komme ich zu einem Problem, bei dem wir schwerste Auseinandersetzungen haben, und zwar zu den Gehölzen im Auenwald. Das wird jetzt mit dem neuen Kunstbegriff „Verbuschung“ bezeichnet. Die Auengehölze in Verbindung mit Hochwassergefahr zu bringen, ist eine reine Kopfgeburt. Das könnte eher den Interessen von Landwirten entsprechen, die gerne ihre Rinder am Ufer der Elbe weiden lassen wollen. Denen sind Auengehölze natürlich nur im Weg.

(Glocke der Präsidentin)

Wenn man aber natürliche Überflutungsräume sucht, dann sind Weichholz- und Hartholzauen genau das Richtige. Diese Überflutungsräume muss man ausweiten, wie dies andere Bundesländer schon in Angriff genommen haben, z. B. Brandenburg. Man muss auch über Deichrückverlegungen diskutieren und Flächen suchen, wo das möglich ist. Das muss man tun. Das ist neue Hochwasserschutzpolitik.

Wenn man jetzt aber das Gegenteil davon betreibt und die Bedeutung von Gehölzen im Elbvorland für das Entstehen von Hochwassern übertreibt, dann kann ich nur sagen: Das widerspricht jeder wissenschaftlichen Sichtweise. Dazu gibt es genügend wissenschaftliche Auseinandersetzungen. Vor allem sollte es nicht dazu führen, dass sich ein Umweltminister da persönlich hinstellt und - ohne Umweltverträglichkeitsprüfung, sage ich einmal im FFH-Gebiet, im Naturschutzgebiet, im Biosphärenreservat eigenhändig Bäume fällt und absägt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Glocke der Präsidentin)

- Ich komme zum Schluss. - Das hat zu einer längeren Auseinandersetzung geführt, die wir jetzt schon lange presseöffentlich führen, vor allem auch vonseiten des Umweltministers. Vor allem finde ich es besonders interessant, wenn jetzt zur Untermauerung der Position EU-Kommissare oder sonstige EU-Schreibtischtäter

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Na, na, na!)

- in Anführungszeichen - eingeladen werden, sich den Wert dieser Fällaktion anzusehen. Das war natürlich ein imaginäres Zitat von Herrn Sander und nicht von mir. Ich glaube - -

Frau Steiner, jetzt ist es aber gut!

Ich muss jetzt zum Schluss kommen. Ich hätte noch gerne hinzugefügt, - - -

Das glaube ich!

- - - dass auch bereits die Behörden in den betroffenen Landkreisen die Landwirte, die fällen wollen, ganz vorsichtig darauf aufmerksam machen, dass hierfür vorher eine Umweltverträglichkeitsprüfung stattzufinden hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU)

Nächster Redner ist Herr Dehde von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Miesner, Sie wissen vielleicht, dass ich immer ein paar Schwierigkeiten mit der Amtsbezeichnung dieses Herrn hatte, der jeden Tag ins Umweltministerium geht. Sie haben sie heute geliefert: Kettensägenminister - das ist der richtige Ausdruck.

(Anneliese Zachow [CDU]: Herr Deh- de, ich würde mich jetzt einmal zu- sammenreißen! Das reicht!)

Meine Damen und Herren, das scheint auch das zu sein, was Sie hier als Grundsatz Ihrer Hochwasserschutzpolitik machen wollen.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Zachow, der Beitrag, den Herr Miesner hier geliefert hat, verdeutlicht eines: Er verdeutlicht den Abstieg der CDU-Fraktion in diesem Haus und den Abschied von einer vernünftigen Hochwasserschutzpolitik im Lande Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Landtag forderte von der Landesregierung die Rückverlegung von Deichen, die Schaffung von Retentionsflächen, neue Überschwemmungspolder und die Erhaltung der natürlichen Funktionen der Flussauen, und er forderte die Landesregierung auf, Flussbegradigungen zurückzunehmen. Meine Damen und Herren, das sind Forderungen, für die mindestens Sie, Frau Zachow, und auch viele der Kolleginnen und Kollegen von Ihnen, die noch hier in diesem Raume sitzen, 2002 die Hand gehoben haben. Und dann kommen Sie hier mit solchen Anträgen wie dem, den Sie hier vorgelegt haben. Lobhudelei wollen wir Ihnen ja noch gerne abnehmen, selbstverständlich. Aber das Abschieben auf andere, das Sie hier praktizieren, und die Widersprüchlichkeit Ihrer Hochwasserschutzpolitik werden in diesem Antrag an verschiedenen Beispielen deutlich. Diese will ich Ihnen liefern.

Hier in Niedersachsen praktizieren Sie eine Kleinstaaterei beim Hochwasserschutz, d. h. Sie geben alles runter, die Landkreise werden das schon richten, da mag dann jeder seine Entscheidungen treffen. Ansonsten besteht Ihre Hochwasserschutzpolitik darin, auf andere Bundesländer zu zeigen. Die sollen dann das richten, was eigentlich in Niedersachsen vonnöten wäre. Ergebnisse: keine. Oder wird uns der Minister hier heute einmal erzählen, dass er inzwischen tatsächlich einen Staatsvertrag geschlossen hat, wie er ihn uns eigentlich regelmäßig ankündigt? Es werde ja einen Staatsvertrag zur Flutung der Havelpolder geben. Bis heute außer Willensbekundungen dieses Ministers: Fehlanzeige! Meine Damen und Herren, ich wage die Prognose: Es wird keinen Staatsvertrag geben; denn auch andere Bundesländer fragen, was Niedersachsen eigentlich selbst macht.

Außer „Büsche weg!“ ist da in der Öffentlichkeit bisher kaum etwas wahrzunehmen, was zukunftsweisende Hochwasserschutzpolitik angeht.

Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel nennen, meine Damen und Herren. Wie Sie wissen, novellieren wir zurzeit unser Wassergesetz. Wir werden dann an dieser Stelle miteinander feststellen, dass dieser Minister offensichtlich ganz schlank vergisst, die entsprechenden Hochwasserschutzregelungen einzubauen, und Sie diese Regelungen dann mit Fraktionsanträgen nachliefern und nachschieben müssen, damit Sie dabei überhaupt noch etwas hinbekommen. Dann präsentieren Sie uns einen Änderungsantrag. Dabei müssen wir dann feststellen, dass Sie das, was Sie vorschlagen, nur sehr widerwillig machen. Und das, was Sie widerwillig machen, machen Sie in großen Teilen auch noch verfassungswidrig. Das ist Ihre Hochwasserschutzpolitik, meine Damen und Herren!