Protokoll der Sitzung vom 06.03.2007

(Unruhe bei CDU und FDP - Zuruf von der CDU: Mein Gott!)

- Ja, das müssen Sie sich einmal anhören, das hört man nicht so gerne. Aber genauso ist es.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Auf seinem Altar opfern Sie auch noch den klassischen Einzelhandel. Der kann mit den großen Einkaufszentren nicht mithalten. Das kleine eigentümergeführte Geschäft, der Handwerksbetrieb hat doch überhaupt nicht die notwendigen Personalreserven zur Verfügung; im Zweifel könnte er sie nicht bezahlen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre Freiheit ist die Freiheit der großen Ketten, die mit geringstem Personaleinsatz jetzt den Freibrief haben, dem mittelständischen Einzelhandel immer mehr Marktanteile abzujagen.

(Ulf Thiele [CDU]: Man merkt, Sie wa- ren lange nicht einkaufen!)

Sie treiben es ja noch toller. Zusammen mit der geplanten Änderung im Raumordnungsprogramm und der Bäderregelung, werden dann die FOCs rund um die Uhr - und auch sonntags - für den Ruin des mittelständischen Einzelhandels sorgen können. Und überhaupt, die Bäderregelung: An nahezu allen Sonntagen - außer im November und Dezember - kann hier jetzt acht Stunden lang fast alles verkauft werden. Dafür sorgen schon Ihre unklaren Formulierungen im Gesetz; sie sind so unklar, dass sich bei der öffentlichen Vorstellung des Kompromisses die Vertreterinnen von CDU und FDP nicht einig darüber wurden, ob Supermärkte in Bädern und Kurorten denn nun sonntags aufhaben dürfen oder nicht. Sind Sie sich eigentlich inzwischen einig geworden, meine Damen?

(Gesine Meißner [FDP]: Wir waren uns immer einig!)

- Das hat die Presse aber anders verstanden.

(Gesine Meißner [FDP]: Dann hat sie nicht richtig zugehört!)

- Dann hat die Presse nicht richtig zugehört. Frau Meißner, dann müssen Sie das in Zukunft vielleicht besser erklären. Das ist eine etwas schwierige Argumentation.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie wollen Sie eigentlich mit den regionalen Wettbewerbsverzerrungen umgehen, wenn z. B. in Bad Lauterberg sonntags munter alles verkauft wird - die Kirchen haben hier z. B. immer vom Einkaräter gesprochen; ob man den nun unbedingt als Ware des täglichen Bedarfs sonntags kaufen können muss, wage auch ich zu bezweifeln; da schließe ich mich den Kirchen an -, die Geschäfte in den Nachbarorten aber geschlossen bleiben müssen? Mit Ihren Machtspielchen haben Sie die Chance vertan, die sich mit den Gestaltungsmöglichkeiten für die Länder hätten ergeben können.

Wir Grünen bringen deshalb heute einen Änderungsantrag ein, der genau diese Gestaltungsmöglichkeiten nutzt. Im Gegensatz zur SPD geht es uns um mehr als um ein schlichtes „Weiter so“. Da, wo bei Ihnen das freie Spiel der Kräfte regiert, wollen wir den Kommunen die Entscheidungsfreiheit darüber geben, ob sie sich in ihren Innenstädten mit verlängerten Öffnungszeiten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der grünen Wiese verschaffen können.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Das hat überhaupt keiner unterstützt!)

Das wäre gut für die Städte. Das wäre gut für den mittelständischen Einzelhandel.

Da, wo Sie einen mit heißer Nadel gestrickten Gesetzentwurf eingebracht haben, den der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst auf 61 Seiten überarbeiten und kommentieren musste und den offensichtlich nicht einmal die sogenannten Expertinnen in Ihrer Fraktion in Gänze überschauen, legen wir einen eindeutigen und übersichtlichen Entwurf vor. Er trägt einerseits dem veränderten Konsumverhalten Rechnung. Andererseits hält er die Belastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Grenzen und schiebt vor allem der

drohenden Verödung der Innenstädte einen Riegel vor.

Ein Appell an die ideologisch verbohrte FDP erscheint mir hier überflüssig - wegen Unbelehrbarkeit.

Ein Appell geht auch an Sie wegen Ihrer Redezeit.

Danke. Einen Satz noch an die Kolleginnen und Kollegen der CDU: Nehmen Sie Ihre Verantwortung für das soziale Miteinander ernst. Stimmen Sie für diesen Antrag. Wenn die Erfahrungen zeigen, dass kein Bedarf an Rund-um-Shopping besteht, dann wäre doch das am Ende vielleicht das Beste an Ihrem Gesetz. Herr Rösler öffnet seinen Freiheitsladen. Herr Wulff will dort bedienen, und am Ende geht keiner hin. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Rösler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Föderalismusreform I haben die Bundesländer nun die Möglichkeit, die Ladenöffnungszeiten in eigener Kompetenz zu regeln. Das heißt - gestatten Sie mir, dies vorab zu sagen, Frau Heiligenstadt -, dass das Arbeitszeitgesetz - das ist zwischenzeitlich eine europäische Regelung - und das Arbeitsschutzgesetz - das ist eine Bundesregelung - von unserem Ladenschlussgesetz völlig unberührt bleiben. Deswegen, Frau Kollegin, auch wenn Sie Heiligenstadt heißen: Hören Sie auf, bei diesem Gesetz ständig den Teufel an die Wand zu malen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Axel Plaue [SPD])

Kernpunkt bei diesem Gesetzentwurf - Herr Plaue, jetzt wird es wichtig; jetzt müssen Sie wieder zuhören - ist die Regelung „6 mal 24“, d. h. die Freigabe der Ladenöffnungszeiten von montags bis samstags einschließlich. Jetzt, meine Damen und Herren, können die Menschen tatsächlich selber ent

scheiden, wann sie was zu welcher Zeit einkaufen wollen.

(Beifall bei der FDP - Karin Stief- Kreihe [SPD]: Eine tolle Errungen- schaft!)

Damit werden wir dem veränderten Konsumverhalten gerecht; denn die ersten Ladenschlusszeiten in Deutschland stammen aus dem 15. Jahrhundert. Damals gab es relativ wenig Tankstellen. Auch der Internethandel war nicht sehr stark ausgeprägt. Ich finde, auch die Opposition muss mittlerweile anerkennen, dass sich das Konsumverhalten in den letzten 600 Jahren geändert hat.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Wir geben jetzt unserem mittelständischen Einzelhandel die richtigen und notwendigen Instrumente an die Hand, um vernünftig und flexibel auf die neue Konkurrenzsituation reagieren zu können.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Gleichzeitig wollen wir die Möglichkeit schaffen, mit anderen Bundesländern zu konkurrieren.

(Walter Meinhold [SPD]: Alles Quatsch, was Sie da erzählen!)

Wir wollen nicht, dass die Kaufkraft auf andere Bundesländer, z. B. nach Hamburg, SchleswigHolstein oder Nordrhein-Westfalen, ausweicht; vielmehr muss diese Kaufkraft natürlich bei uns in Niedersachsen bleiben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das interessiert die ja nicht!)

Auch wenn wir den Sonntag als Feiertag selbstverständlich nicht infrage stellen, sind wir froh, dass es zu einer moderaten Ausweitung im Rahmen des Warenkorbes gekommen ist und dass wir die sehr komplizierten Regelungen für Zeitungsläden, bei Blumenläden und den Bäckereien vernünftig vereinheitlicht und vereinfacht haben.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Gleichzeitig geben wir mit der Bäderregelung gerade unseren touristischen Badeorten die Möglichkeit, mit der Konkurrenz in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern vernünftig fertig zu

werden. Davor verschließen Sie die Augen. Aber das ist genau das, was gerade die Unternehmen und die Kommunen von uns, von allen hier im Landtag gemeinsam, fordern.

(Beifall bei der FDP - Karin Stief- Kreihe [SPD]: Verhaltener Beifall!)

- Bei Ihnen war gar kein Beifall. Das war ein bisschen enttäuschend.

Letztlich zeigt diese Debatte doch eines - das ist ganz wesentlich -, nämlich wie sehr Sie Angst vor Ihren eigenen Bürgern haben und wie sehr Sie die Freiheit der Menschen vor Ort ablehnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie kriegen bei der CDU, bei der FDP, sogar bei der SPD - nicht bei den bürokratischen Grünen Applaus für den Satz: Wenn nicht die Notwendigkeit besteht, ein Gesetz zu machen, dann besteht doch die Notwendigkeit, kein Gesetz zu machen.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Rich- tig!)

Hier, meine Damen und Herren, haben Sie einmal die Möglichkeit, für die Tage von Montag bis einschließlich Samstag keine Regelung vorzugeben. Hier kneifen SPD und Grüne. Das zeigt, was Sie wirklich von der Freiheit der Menschen vor Ort verstehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Am Ende wissen wir, dass die Diskussion zu diesem Ladenschlussgesetz nicht immer einfach gewesen ist. Deswegen bedanken wir uns bei den besonnenen Kräften, die dazu beigetragen haben, dass wir jetzt hier ein vernünftiges, schlankes, effektives Ladenschlussgesetz verabschieden können.

Auch wenn die Opposition mit viel Populismus arbeitet, sind wir fest davon überzeugt, dass dieses Gesetz die Einkaufswelt in Niedersachsen nicht radikal verändern wird, weder in die eine noch in die andere Richtung. Gerade deshalb ist es ein wesentlicher Baustein für unseren mittelständischen Einzelhandel und für die Freiheit der Menschen vor Ort. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.