Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 114. Sitzung im 39. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtags.

Meine Damen und Herren, zunächst darf ich Ihnen zwei sehr erfreuliche Mitteilungen machen. Heute hat der Kollege Wolfgang Ontijd Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir haben noch einen zweiten Geburtstag zu vermelden: Der Kollege Michael Albers hat heute ebenfalls Geburtstag. Auch ihm herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zur Tagesordnung. Denn gestern ist ja eine Reihe von Verschiebungen vorgenommen worden, die ich heute noch einmal kurz erläutern möchte. - Wenn Sie so nett sind und die Unterhaltungen einstellen, dann können Sie auch aufmerksam zuhören, damit Sie den Fortgang der Dinge besser beurteilen können.

Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, dem Tagesordnungspunkt 37. Danach setzen wir den Tagesordnungspunkt 2 mit der Behandlung der strittigen Eingaben fort. Anschließend werden wir den gestern Mittag zurückgestellten Tagesordnungspunkt 23 behandeln. Dann erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung, wobei die gestern zurückgestellten Tagesordnungspunkte 33 und 34 nach dem Tagesordnungspunkt 49 behandelt werden. Bereits gestern haben wir die Tagesordnungspunkte 40, 43, 48 und 50 ohne erste Beratung in die Ausschüsse überwiesen, sodass diese Tagesordnungspunkte heute nicht mehr aufgerufen werden.

Meine Damen und Herren, eine Übersicht über die heute noch zu behandelnden Tagesordnungspunkte liegt Ihnen in Form der bereits verteilten gelben Mitteilung vor. Nach dieser Planung soll die heutige Sitzung gegen 16.20 Uhr beendet werden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst möchte ich bei dieser Gelegenheit erinnern.

Es folgen nun geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin. Bitte schön!

Guten Morgen! Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Wulff bis 11 Uhr und nach der Mittagspause, die Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, Frau Ross-Luttmann, und der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Herr Hirche, bis 15.45 Uhr, von der Fraktion der CDU Herr Behr, von der Fraktion der SPD Frau Bührmann und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Polat und Frau Janssen-Kucz.

Meine Damen und Herren, es ist 9.03 Uhr. Ich eröffne jetzt die Fragestunde - wobei ich anmerken möchte, dass die Frage 47 vom Fragesteller zurückgezogen worden ist -:

Tagesordnungspunkt 37: Mündliche Anfragen - Drs. 15/3570

Ich rufe auf

Frage 1: Niedersächsische Kernkraftwerke für den Klimaschutz

Diese Frage wird von Herrn Kollegen Bode, Herrn Kollegen Dürr und Herrn Kollegen Rickert gestellt. Wer möchte sie vortragen? - Bitte schön, Herr Kollege Dürr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der aktuelle Bericht des UN-Klimarates IPCC unterstreicht die Prognose einer weiteren Erderwärmung.

Nach Auffassung des IPCC haben die von den Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen, vor allem von CO2, daran einen entscheidenden Anteil. Unter führenden Industrienationen besteht Einigkeit darüber, dass möglichst effektiv gehandelt werden muss. Ein solches effektives und schnelles Handeln ist nicht nur die sicherste, sondern den Experten des IPCC zufolge

auch die kostengünstigste Methode, von Menschen verursachte Veränderungen des Weltklimas zu minimieren. Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe vom 23. Februar 2007 berichtet, sehen die Autoren des IPCC-Berichts in der Nutzung der Kernenergie eines von mehreren erforderlichen Mitteln, um den CO2-Ausstoß zu verringern und damit die Erderwärmung in Grenzen zu halten.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

In Niedersachsen sind zurzeit drei Kernkraftwerke in Betrieb. Zwei dieser Kraftwerke, Emsland und Grohnde, gehören laut einem Bericht der Nordwest-Zeitung in der Ausgabe vom 22. Februar 2007 zu den zehn produktivsten Kernkraftwerken weltweit. Das dritte niedersächsische Kraftwerk, Unterweser, hat die Liste der besten zehn nur knapp verpasst.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie viel CO2 konnte im Vergleich zu einer Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen durch die drei niedersächsischen Kernkraftwerke eingespart werden?

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

2. Wie bewertet sie die Stromproduktion in Kernkraftwerken vor dem Hintergrund des Klimawandels?

3. Besteht nach Ansicht der Landesregierung die Möglichkeit, auf die weitere Nutzung der Kernenergie zu verzichten, ohne den Klimawandel zu verstärken?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Die Landesregierung antwortet durch den Herrn Umweltminister. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der aktuelle Bericht des UN-Klimarates bestätigt die Prognose einer weiteren Erderwärmung. Unter den Experten ist unstreitig, dass der von den Menschen verursachte Ausstoß von Treibhausgasen, vor allem von CO2, daran einen entscheidenden Anteil hat. Unter führenden Industrienationen besteht inzwischen Einigkeit darüber,

dass möglichst schnell und effektiv gehandelt werden muss.

Meine Damen und Herren, in Verantwortung für die kommenden Generationen sind wir dazu aufgerufen, die menschlichen Einflüsse auf das Klima zu begrenzen, um weltweit negative Auswirkungen auf Mensch und Natur so weit möglich zu verhindern. Gleichzeitig müssen wir uns auf den Klimawandel einstellen.

Dabei wird nur ein umfangreiches Bündel von Maßnahmen zum Ziel führen. Das reicht von Ausbau und Verbesserung der erneuerbaren Energien über die Energieeinsparung und höhere Energieausnutzung insbesondere im Haushalts- und Gebäudebereich bis zur Entwicklung und Einführung neuer Energietechnologien wie beispielsweise der auch gestern genannten Brennstoffzelle.

Dabei muss klar sein: Anstrengungen zur CO2Verringerung in Europa dürfen nicht dazu führen, dass emissionsintensive Industrien nach China oder Indien abwandern. Die Senkung des CO2Ausstoßes darf daher nicht um jeden Preis erfolgen, sondern muss auch dem Grundprinzip der Wirtschaftlichkeit Rechnung tragen. Nur so kann Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben und gleichzeitig zum weltweiten Klimaschutz beitragen. Nur so werden wir auch ein glaubwürdiges Beispiel für andere Länder weltweit sein können.

Nach Auffassung der Landesregierung können die drei energiepolitischen Hauptziele - Umwelt- und damit auch Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit - nur in einem technologieoffenen Energiemix - unter Einschluss erneuerbarer Energien, aber auch mit der Kernenergie erreicht werden.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Fantasielos!)

Es herrscht große Einigkeit, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung signifikant zu steigern - natürlich unter Beachtung von Versorgungssicherheit und Preisgünstigkeit. Würden wir aber gleichzeitig aus der Kernenergie aussteigen, müssten etwa im Jahr 2020 rund 80 % des Stroms aus fossilen Energieträgern erzeugt werden. Das würde die CO2-Emissionen zulasten des Klimas drastisch erhöhen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Landesregierung verfügt nicht über eigene Erhebungen zur Einsparung von CO2Emissionen durch die Energiegewinnung mit Kernkraft im Vergleich zur Erzeugung mit fossilen Brennstoffen. Deshalb haben meine Fachleute auf eine aktuelle Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament aus dem Jahre 2007 zurückgegriffen. In dieser Mitteilung wurden u. a. die spezifischen Treibhausgas-Emissionen verschiedener Quellen für elektrische Energie verglichen. Kernkraftwerke decken die Grundlast der Stromversorgung ab. Deshalb sind die relevanten Vergleichskraftwerke Kohlekraftwerke. Als Vergleichsmaßstab wurde das CO2-ärmste Kohlekraftwerk ausgewählt, das in der Mitteilung aufgeführt ist. Das ist ein Kombi-Kraftwerk mit integrierter Kohlevergasung. Gemäß der Mitteilung emittiert ein solches Kraftwerk 750 kg CO2-Äquivalent pro Megawattstunde Strom, ein Kernkraftwerk mit Leichtwasserreaktor nur 15 kg.

Mit diesen Informationen haben meine Experten anhand der Stromproduktion unserer drei Kernkraftwerke für das Jahr 2006 die folgenden Einsparungen durch unsere Kernkraftwerke berechnet. Unterweser 8 Millionen t CO2-Äquivalent, Grohnde 8,6 Millionen t CO2-Äquivalent; Emsland 8,6 Millionen t CO2-Äquivalent. In der Summe ergibt sich eine Einsparung von 25,2 Millionen t CO2-Äquivalent im Jahr 2006.

Damit Sie diese Zahlen bewerten können, möchte ich Ihnen einen Vergleich nennen: Nach der niedersächsischen Energie- und CO2-Bilanz, die bis zum Jahr 2004 vorliegt - sie wird im Abstand von zwei Jahren fortgeschrieben; die Bilanz für 2006 ist noch nicht erstellt -, haben der Verkehr in Niedersachsen nach der Verbraucherbilanz 18,1 Millionen t CO2 und die Haushalte 21,6 Millionen t CO2 verursacht. Die Einsparung der Kernkraftwerke nach der eben dargestellten Methode beträgt für das Jahr 2004 24,5 Millionen t. Meine Damen und Herren, das heißt, unsere Kernkraftwerke haben mehr CO2 eingespart, als der gesamte Verkehr in Niedersachsen verursacht. Dasselbe gilt für den Vergleich mit den Haushalten.

Meine Experten haben auch eine Abschätzung zur Einsparung von CO2 durch die Kernkraftwerke seit deren Inbetriebnahme vorgenommen. Zu berücksichtigen ist, dass dabei nicht die heutigen modernen, sondern die bei der Inbetriebnahme der Kernkraftwerke jeweils aktuellen Stände der Technik - auch von Kohlekraftwerken - herangezogen werden müssen. Als grobe, vorsichtige Schätzung

wurde deshalb eine Einsparung in Höhe von 800 kg/MWh angenommen. Für die noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke ergibt sich danach folgendes Bild: Kernkraftwerk Unterweser: seit Inbetriebnahme eine Stromabgabe von rund 261 Millionen MWh; das ergibt rund 209 Millionen t eingespartes CO2. Emsland: rund 210 Millionen MWh; das ergibt eine CO2-Einsparung in Höhe von rund 168 Millionen t. Grohnde: rund 249 Millionen MWh; das ergibt eine Einsparung von knapp 200 Millionen t CO2. Das Kraftwerk Stade, das abgeschaltet ist, hat mit einer Erzeugung von 153 Millionen MWh eine Einsparung von rund 122 Millionen t CO2 erbracht.

Zu Frage 2: Die genannten Zahlen untermauern die mehrfach im Landtag dargestellte Haltung der Landesregierung, dass die Kernkraftwerke ein wichtiges Instrument für den Klimaschutz darstellen. Wie bereits in den Vorbemerkungen erwähnt, benötigen wir eine Vielzahl von Instrumenten und Maßnahmen, um den Klimaschutz wirkungsvoll voranzubringen. Deshalb sollte die Diskussion nicht auf ein Instrument verengt werden, also auch nicht ausschließlich auf die Kernenergie. Die Kernenergie ist nicht das alleinige Allheilmittel für den Klimaschutz, aber sie ist eben ein wichtiges von vielen Instrumenten.

Zu Frage 3: Die genannten Zahlen zeigen, dass wir dem Klimaschutz einen Bärendienst erweisen würden, wenn wir auf die friedliche Nutzung der Kernenergie in Niedersachsen und in Deutschland verzichten würden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Vergleiche mit dem Verkehr oder den Emissionen der Haushalte zeigen deutlich: Es ist doch viel besser, die Kernkraftwerke - natürlich unter der Voraussetzung der Sicherheit, die immer oberste Priorität haben muss - weiterlaufen zu lassen und zusätzliche - ich betone: zusätzliche - Anstrengungen zu unternehmen, eine weitestgehend CO2freie Stromerzeugung zu erreichen und gleichzeitig in allen Bereichen CO2 einzusparen: vom Verkehr über die Heizung der privaten Haushalte bis hin zur Energieeinsparung im Strombereich. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass bei aller Beachtung des Umwelt- und Klimaschutzes in der Energiepolitik die Versorgungssicherheit und die Preisgünstigkeit weiterhin eine Rolle spielen und wir unseren Energiemix an diesem Dreiklang ausrichten müssen.

Meine Damen und Herren, unverständlich ist für mich das Argument, erneuerbare Energien könnten in den nächsten Jahren die Kernkraft ersetzen. Klar ist: Wir wollen den Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix stärken. Solange aber die Stromproduktion nicht CO2-frei ist, macht es Sinn, mit den Zuwächsen der erneuerbaren Energien zunächst die bestehende Stromproduktion aus Kohle und Gas zu ersetzen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Ich wiederhole den Satz gerne, weil er wichtig ist: Wir müssen mit den Zuwächsen der erneuerbaren Energien zunächst die bestehende Stromproduktion aus Kohle und Gas ersetzen; denn das führt zu einer Einsparung von CO2.

Wenn die erneuerbaren Energien die Kernkraft ersetzen würden, wäre klimapolitisch ja nichts gewonnen. SPD und Grüne setzen dann zwar ihre Ideologie durch, aber die Kohle- und Gaskraftwerke würden weiterhin CO2 produzieren. Weiterbringen würde uns also ein Festhalten an der Kernenergie bei gleichzeitigem schrittweisen Ersatz fossiler Stromerzeugung durch erneuerbare Energien. Für die kommenden Jahre und Jahrzehnte würde also ein Verzicht auf die Kernenergie einen verstärkten Klimawandel bewirken.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Wenzel hat eine Zusatzfrage.