Um die Ausbildungssituation insgesamt zu verbessern, hat beispielsweise Minister Hirche mit Vertretern der Berufsverbände, der Kammern und auch des Landvolkes einen Ausbildungspakt geschlossen. Dieser Ausbildungspakt war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Minister Hirche hat aber auch gesagt, dass es weiterer großer Anstrengungen bedarf, die Situation zu verbessern.
Hier muss man anmerken - das fehlte mir bei Ihren beiden Beiträgen -, dass nicht nur Unternehmen und Politik gefordert sind, hier zu reagieren, sondern in der Tat müssen auch die Jugendlichen selbst hier mit einbezogen werden. Dieser Aspekt wird aus meiner Sicht häufig vernachlässigt. Ich will Ihnen ein kurzes Beispiel vom Tag der offenen Tür nennen. Eine Mutter machte ihre Sorgen um ihren arbeitslosen Sohn deutlich. Sie bat darum, ihr in dieser Sache behilflich zu sein. Sie sei schon so oft beim Arbeitsamt gewesen und habe auch bei
Betrieben nachgefragt. Ich habe dann die Frage gestellt: Was hat denn eigentlich Ihr Sohn bisher gemacht? Da sagte sie: Der hängt zu Hause rum und kümmert sich nicht. - Das kann es im Prinzip nicht sein. Das ist genau das Klientel, das Sie in diese Vollzeitschulen stecken wollen. Wenn nicht Eigeninitiative mitgebracht wird, wird eine solche Möglichkeit nicht erfolgreich sein können. Einem solchen Schüler wird durch die Vollzeitschule keine Perspektive geboten. Im Gegenteil würde ihm, wenn er diese Schule überhaupt besuchen sollte, vorgegaukelt, in diesem Leben lasse sich alles regeln, der Staat werde es schon richten.
Notwendig ist, dass in unseren Schulen die Kernkompetenzen Deutsch und Mathematik und auch die Alltagskompetenzen schwerpunktmäßig vermittelt werden. Da sind wir, denke ich, durchaus auf einem wirklich guten Weg. Im Übrigen warnt auch die GEW - ich glaube, flächendeckend - davor, die vollzeitschulische Ausbildung einzuführen.
Denn auch ihr ist klar, dass diejenigen, die praxisbezogen arbeiten und weitergebildet werden, ungleich größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.
Lassen Sie mich zum Abschluss einen Artikel aus dem Rheinischen Merkur vorlegen, der am 1. März erschienen ist. Dort heißt es:
„Eine Umfrage des... Industrie- und Handelskammertages... unter 7 500 Unternehmen bestätigt...: Hauptgrund für die abwehrende Haltung gegenüber Auszubildenden mit Hauptschulabschluss ist deren mangelnde Ausbildungs- und Berufsreife....
... das äußere Erscheinungsbild sowie ein vernünftiges Auftreten (sind) wichtig.... Bewerber dürfen in der Schule nicht durch unentschuldigtes Fehlen aufgefallen sein.“
- Ich bin sofort am Schluss meiner Rede. - Es gibt aber auch positive Beispiele wie das Unternehmen Audi, das im Stammwerk Ingolstadt im gewerbli
chen Bereich über 50 % junge Leute mit qualifiziertem HS-Abschluss eingestellt hat. Ein solches Werk stellt sich seiner sozialen Verantwortung. Umgekehrt müssen aber auch die Eltern lernen, dass die sogenannten einfacheren Jobs für ihre Kinder das Richtige sein könnten.
Ein allerletzter Satz, Frau Präsidentin: Man muss überlegen, ob nicht eine weitere Warteschleife reine Zeitverschwendung ist, wenn man nicht gleichzeitig eine Antwort auf die Frage liefert, welche Nachvermittlung der Sozialstaat eigentlich den 25-Jährigen und Älteren bieten kann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei den beiden Anträgen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen geht es um Ausbildungsplätze für unsere Jugendlichen. Wir alle wissen: Steigende Schülerzahlen führen zu einer verstärkten Nachfrage nach Ausbildungsplätzen. Wir haben es eben schon gehört: Diese Nachfrage kann zurzeit nicht gedeckt werden.
Wenn wir überlegen, warum das so ist, kommen wir zu der Erkenntnis, dass die Zahl der Ausbildungsplätze in den Jahren bis 2003, meine Damen und Herren von der Opposition, sehr deutlich abgenommen hat, nämlich von 188 000 auf 147 000.
In unserer Regierungszeit ist die Bilanz wieder etwas besser geworden. War anfangs noch ein leichter Rückgang zu verzeichnen - das haben wir ja wohl registriert -, so ist jetzt doch für 2006 ge
genüber den Vorjahren eine Steigerung erkennbar. Im Jahr 2006 wurden nach Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung immerhin 54 177 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Das ist eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 2 747 Ausbildungsplätzen oder 5,3 %. Damit ist die Steigerung bei uns in Niedersachsen stärker als im Durchschnitt aller Bundesländer; denn dort betrug die Steigerung nur 4,7 %.
Niedersachsen wird seit vier Jahren besser regiert. Die Bedingungen und die Stimmung in den Betrieben sind wieder deutlich besser geworden, und so wird auch wieder mehr ausgebildet.
Der Ausbildungspakt ist also in seiner Arbeit erfolgreich gewesen. Das dürfen Sie von der Opposition ruhig einmal anerkennen, meine Damen und Herren.
Umso mehr freue ich mich, dass es jetzt gelungen ist, den Ausbildungspakt für die Zukunft zu verlängern, einen neuen Ausbildungspakt abzuschließen. Ich bedanke mich dafür ausdrücklich bei der Landesregierung und bei allen beteiligten Verbänden.
Im Antrag der SPD werden für den Ausbildungsbereich Zahlen verwendet, die aus dem Monat Juni 2006 stammen. Meine Damen und Herren, diese Zahlen sind leider nicht so aussagekräftig; denn Sie haben die Ergebnisse der Nachvermittlungsphase überhaupt nicht berücksichtigt.
Zum Glück gelingt es in jedem Jahr zwischen Juni und Anfang Oktober, noch vielen Bewerberinnen und Bewerbern einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Vergleicht man die schon erwähnte Zahl von über 54 000 neuen Ausbildungsverträgen mit der Bewerbersituation, so ergibt sich, dass ca. 17 000 Bewerberinnen und Bewerber noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Das ist eine erschreckend hohe Zahl. Dabei gebe ich Ihnen, meine Damen und Herren von den antragstellenden Fraktionen, völlig recht. Diese Bewerberinnen und Bewerber besuchen dann oftmals, da sie noch schulpflichtig sind, Schulformen des berufsbildenden Bereichs. Es besuchen aber nicht, wie im An
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen behauptet wird, 46,2 % der Bewerber sogenannte Übergangssysteme oder Warteschleifen.
Das stimmt insofern nicht, als Sie die Nachvermittlung nicht einbezogen haben und als Sie natürlich auch noch mit berücksichtigen müssen, dass nur solche Bildungsgänge als Übergangssysteme zu bezeichnen sind, die keine qualifizierten Berufsabschlüsse vermitteln oder nicht auf eine Berufsausbildung anrechenbar sind. Das heißt, wenn sich jemand in einer Ausbildung befindet, die anschließend auf eine weitere Berufsausbildung anrechenbar ist, können Sie nicht von einer Warteschleife sprechen.
Meine Damen und Herren, Sie sollten hier also nicht mit falschen Zahlen Forderungen formulieren und übertreiben. Nach meinem Dafürhalten ist die Situation auch ohne Übertreibung schon schlimm genug.
Nun zu den nicht vermittelten Bewerberinnen und Bewerbern. Das sind laut der von der SPD-Fraktion herangezogenen Statistik der Bundesanstalt für Arbeit zum Ende September 2006 noch 3 365 Jugendliche, die ihre Schulpflicht in der Regel schon erfüllt haben. Für diese führt das Land schon seit Oktober 2004 einen Schulversuch, nämlich die Berufsfachschule Q durch. Jugendliche, die ein schulisches BGJ oder eine ein- oder zweijährige Berufsfachschule erfolgreich besucht haben, können in einem anerkannten Ausbildungsberuf des entsprechenden Berufsfeldes eine Berufsausbildung durch den Besuch einer berufsbildenden Vollzeitschule erlangen. Landesweit wird diese Möglichkeit von nur etwa 50 Jugendlichen genutzt.
In diese Richtung der vollzeitschulischen Ausbildung führt die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Initiative zur Schaffung von 10 000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen. Doch wo sind die Unterschiede? - Die SPD will eine Ausbildungsbeihilfe zahlen, sie will die Praktikumszeit nicht so umfangreich gestalten, und die Ausbildung baut nicht auf dem erfolgreich abgeschlossenen Berufsgrundbildungsjahr oder einer einjährigen Berufsfachschule auf. Dazu taucht eben eine Vielzahl von Fragen auf. Das fängt bei der Frage der Finanzierung der
Ausbildungsbeihilfe an und geht weiter über die Frage, ob wir überhaupt genügend Lehrerinnen und Lehrer für Fachpraxis haben. Wenn ich einmal daran zurückdenke, wie erschreckend die Lehrerversorgung in den berufsbildenden Schulen zu Ihrer Zeit gewesen ist - gerade die Lehrer für Fachpraxis haben dort in Riesenmengen gefehlt -, dann erinnere ich daran, dass erst wir einen kleinen Ausgleich haben schaffen können. Und das geht bis hin zu den Fragen, inwieweit die Schulträger, die einbezogen werden müssen, den zusätzlichen Raumbedarf, das Material, Werkstattkapazitäten und Ähnliches überhaupt bereitstellen können. Das heißt, hier ist noch eine Reihe von weiteren Fragen, die es abzuklopfen und entsprechend zu bearbeiten gilt.
Nein, im Moment nicht. - Meine Damen und Herren, unsere Auffassung ist: Diese Modelle können immer nur eine Ergänzung des dualen Systems sein.
Sie müssen auf Berufe beschränkt werden, die Perspektiven bieten und nachgefragt werden. Auch das sind entscheidende Kriterien. Unser duales System der beruflichen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland ist ein äußerst erfolgreiches System. Anders als in vielen Ländern dieser Welt, anders als bei unseren Nachbarn - wir brauchen gar nicht weit zu schauen - ist die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen deutlich niedriger. Schauen Sie sich z. B. Frankreich an, wo es im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland eine mehr als doppelt so hohe Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen gibt. Die Situation auf unserem Ausbildungsmarkt ist in der Tat angespannt. Aber wir sollten viel stärker sachorientiert an diese Fragen herangehen und im Ausschuss die noch offenen Fragen gemeinsam erörtern.
Was wir aber schon tun können und was wir angefangen haben zu tun, ist die Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit von jungen Menschen. Dies haben wir im Bereich des allgemeinbildenden Schulwesens schon in den letzten vier Jahren kräftig angepackt; denn das ist in der Vergangenheit ein wesentlicher Grund dafür gewesen, warum
der eine oder andere Jugendliche keinen Ausbildungsplatz bekommen hat. Hier galt es also, entsprechend gegenzusteuern. Dies haben wir erfolgreich getan, insbesondere an den Hauptschulen und an den Realschulen. Dort haben wir mehr Unterricht eingeführt, dort haben wir mehr Praktika eingeführt, dort haben wir deutlich gemacht, dass die Berufsfindung einen hohen Stellenwert hat. Wir sind auf einem Weg, der schon eine deutliche Verbesserung darstellt.
Zusammenfassend möchte ich feststellen: Die negative Entwicklung bei der Zahl der Ausbildungsplätze ist nicht nur gestoppt. Wir liegen in Niedersachsen bei der Steigerung der Zahl der neuen Ausbildungsverträge über dem Durchschnitt anderer Bundesländer. In den Anträgen der Opposition wird zum Teil mit Zahlen gearbeitet, die die Situation nicht korrekt wiedergeben. Die beantragten vollzeitschulischen Ersatzangebote können nur eine Ergänzung der dualen Ausbildung sein.
Hier sind noch einige Fragen offen; ich habe das eben schon einmal angedeutet. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Wir können eine gemeinsame Lösung finden.