Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

Die dritte Aussage ist: Die Motivation - das stand in der Begründung - in der Polizei ist sehr gut.

Auf diese drei Punkte möchte ich noch einmal ganz kurz eingehen. Ich habe mir damals in der ersten Beratung anhand der Zahlen aus der Kriminalstatistik erlaubt, folgenden Schluss zu ziehen: In Niedersachsen ist das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, noch nie so groß gewesen wie jetzt. Die Zahlen der Kriminalstatistik, die Sie kürzlich für 2006 vorgestellt haben, Herr Schünemann, ergeben, dass sich keine relevanten Unterschiede in der Aufklärungsquote und im Straftatenaufkommen ergeben haben, dass es zwar zu leichten Verschiebungen in den einzelnen Deliktfeldern gekommen ist, aber dass sich die Gesamtsummen nicht gravierend unterscheiden. Diese Aussage kann also weiterhin formuliert werden.

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜ- NE])

In Ihrem Antrag haben Sie formuliert, die Polizeireform habe zu einer deutlichen Erhöhung der Polizeipräsenz in der Fläche geführt. Wir haben im Januar dieses Jahres anlässlich der Beantwortung unserer Großen Anfrage zur Polizeireform ausgiebig über dieses Thema debattiert. Ich möchte kurz meine Quintessenz aus der Januardebatte nennen: kleinere Einheiten verlieren, größere gewinnen. Ich habe damals u. a. das Beispiel der neuen Polizeiinspektion Salzgitter herangezogen. Die frühere Polizeiinspektion Peine verlor 22 Stellen, Wolfenbüttel verlor 20 Stellen, und Salzgitter gewann 39 Stellen dazu. Das ist repräsentativ für Ihre Zentralisierung. Der Ansatz, warum Sie sagen, dass das der richtige Weg war, ist bekannt. Aber die Quintessenz „Polizeipräsenz in der Fläche gestärkt“ ist nach unserer Auffassung falsch. Sie ist auch falsch, wenn man bedenkt, wie viele Bewegungen es in den Polizeistationen bzw. den Einheiten, die unmittelbar vor Ort oder am nächsten zu den Bürgerinnen und Bürgern gelegen sind, gegeben hat. In diesem Bereich gibt es gegenüber dem Stichtag vor der Reform zum Stichtag, der Gegenstand der Großen Anfrage war, einen deutlichen Stellenabbau in den Polizeistationen. Deswegen gilt: Die Zahl der Beschäftigten bei der Polizei ist gestiegen, richtig. Aber die Polizeipräsenz in der Fläche ist nicht gestärkt.

Letzter Punkt: Motivation. Wie Herr Biallas komme auch ich auf die Umfrage zu sprechen, die die GdP vor einiger Zeit in Auftrag gegeben hatte und die im März vorgestellt wurde. Die Beteiligten wurden gefragt, wie sie die Polizeireform einschätzen. Nach dem klassischen Schulnotensystem auf einer Skala von 1 bis 5 wurde sie mit 4 bewertet. Gibt es

sonst noch Fragen, Herr Schünemann? - Man kann natürlich sagen, dass das eine subjektive Bewertung war. Wenn Menschen befragt werden, werden meistens subjektive Einschätzungen abgegeben. Aber ich finde, als Innenminister kann man eine solche Umfrage nicht mit dem Schlagwort „Stimmungsmache“ diskreditieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit tun Sie sich als Innenminister - und das ist nicht unser erstes Anliegen - keinen Gefallen.

Abschließend möchte ich sagen: Souveränität im Umgang mit Kritik sieht nach unserem Verständnis anders aus. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Bartling hat jetzt für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte Ihnen das heute Abend sehr gerne erspart und wäre lieber dem Vorschlag gefolgt, diese Debatte auf Freitagnachmittag zu verlegen. Aber die Bereitschaft dazu war nicht da, weil die Mehrheitsfraktionen panische Angst davor haben, dass über diesen Antrag noch einmal berichtet wird. Denn er ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Was?)

Meine Damen und Herren, man muss ja schon dankbar sein, dass heute nicht so eine Karnevalsveranstaltung stattfand, wie wir sie vor einigen Monaten erlebt haben. Ich glaube, wir haben gesagt, da hätte jemand das Datum verwechselt. Das war damals gar nicht der 11.11.

Ich habe Ihnen schon bei der Einbringung dieses Antrags gesagt - und das ist auch weiterhin wahr -: Wenn Sie diesen Antrag beschließen, dann können Sie auch beschließen, dass die Erde eine Scheibe ist. Aber das scheint ja für Sie gar kein Problem zu sein.

(Jörg Bode [FDP]: Das wäre ja nicht wahr! - Bernd Althusmann [CDU]: Die Mehrheit dafür hätten wir!)

Meine Damen und Herren, wer solche Anträge beschließt, der darf sich nicht darüber wundern, dass sich die Polizistinnen und Polizisten von der amtierenden Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen verschaukelt fühlen. Die Kolleginnen und Kollegen sind enttäuscht, weil Reformen schöngeredet werden, jede Kritik unter den Teppich gekehrt wird und der Polizei der angebliche Erfolg der Reform von oben nach unten gewissermaßen durchbefohlen wird. Aus diesem Grund gibt es diesen Ärger, also nicht wegen der Diskussion um das 13. Monatsgehalt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund bin ich eigentlich sehr froh, dass mittlerweile Ergebnisse einer Mitgliederbefragung zur Umorganisation der Polizei vorliegen, sodass wir uns nicht auf Einzelmeinungen, sondern auf empirisch abgesichertes, repräsentatives und - -

(Joachim Albrecht [CDU]: Das ist we- der empirisch noch repräsentativ!)

- Herr Kollege, Sie sollten einmal abwarten, was ich Ihnen vortrage und bis ich Ihnen gesagt habe, wer diese Befragung beauftragt hat. Dann werden Sie vielleicht etwas ruhiger.

Ich zitiere aus den Auswertungsergebnissen: Es ist deutlich geworden, dass einer der Schwerpunkte der Organisationsreform, die effektive und effizientere Kriminalitätskontrolle, von den Mitarbeitern durch eine zum Teil differenzierte Umsetzung vor Ort nicht wahrgenommen wird. Es hat sich gezeigt, dass die Kriminalitätsbekämpfung zunehmend der Lagebewältigung und -bereinigung untergeordnet wird. Dafür wird wiederholt Personal, gerade aus den Ermittlungsbereichen, gebunden, gegebenenfalls als Reserve. Das bedeutet, dass regelmäßige Ermittlungsverfahren von wenigen Schultern getragen werden müssen. Über Reserven verfügen die Ermittlungsbereiche nicht. Ein Großteil der Befragten beklagt ein Mehr an Überregulierung. Sie erkennen keine Verschlankung der Stäbe und vertreten die Auffassung, dass administrative Wege nicht reduziert wurden. Es wird dringender Bedarf an mehr Tarifpersonal gesehen, um den Vollzugsdienst für originäre Aufgaben zu entlasten. Moderne Führungs- und Einsatzmittel

zur Kriminalitätsbekämpfung stehen nicht ausreichend zur Verfügung. Das Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS wird aufgrund noch vorhandener Probleme äußerst kritisch betrachtet. - So weit zu den Ergebnissen.

Meine Damen und Herren, wer vor diesem Hintergrund die Stirn hat, zu beschließen, die Polizeireform sei gelungen und es herrsche überall eitel Sonnenschein, dem ist wirklich nicht zu helfen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wer wie der kluge Herr, der eben dazwischenrief, vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse von einer tendenziösen Befragung spricht, dem darf ich entgegenhalten, dass ich nicht aus einer GdPBefragung, sondern aus einer Mitgliederbefragung des Bundes Deutscher Kriminalbeamten zitiert habe. Das ist alles in der April-Ausgabe des Kriminalisten nachzulesen. Meines Wissens ist der BDK von Ihnen bisher immer als Kronzeuge der Reform herangezogen worden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielleicht sollten Sie hellhörig werden, wenn sich sogar der Kronzeuge zu distanzieren beginnt.

Was ich allerdings nicht verstehe und geradezu beschämend finde, ist der Umgang, den der Innenminister mit seiner Polizei zu pflegen beliebt. Man muss geradezu mit dem Klammerbeutel gepudert sein, um eine von einem neutralen Institut - jetzt können Sie wieder dazwischenrufen - durchgeführte Untersuchung, die ein Drittel der Polizeibeschäftigten erfasst hat, als tendenziös zu bezeichnen. Meine Damen und Herren, ausgerechnet diejenigen, die mit stolz geschwellter Brust - -

(Joachim Albrecht [CDU]: Auf welcher Grundlage wurden die denn ausge- wählt?)

- Ich habe zum Glück das Mikrofon. Deshalb bin ich ein bisschen lauter als Sie. - Ausgerechnet diejenigen, die hier mit stolz geschwellter Brust durch den Landtag spazieren, wenn ein Wahlforschungsinstitut 1 000 von 8 Millionen Einwohnern, also einem Achttausendstel der Bevölkerung die Sonntagsfrage gestellt hat, halten es für nicht repräsentativ, wenn ein Drittel der Polizeibeschäftigten zur Polizeireform befragt wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Da bemüht sich eine Berufsvertretung, ein möglichst wissenschaftlich fundiertes Stimmungsbild der Polizei zu erheben. Dem Innenminister fällt dazu überhaupt nichts anderes ein, als dies als Stimmungsmache eines Tendenzbetriebes zu bezeichnen. Das finde ich in der Tat übel. Ich stelle fest: Derartige Arroganz tritt häufig dort auf, wo die Argumente ausgegangen sind. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Bode das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bartling, ich habe es schon befürchtet. Sie haben sich zwar in Ihrer Sprache und Wortwahl vielleicht doch ein bisschen von dem leiten lassen, was ich Ihnen vorhin gesagt habe, und sind von der untersten Schublade eine Etage weiter nach oben gekommen.

(Zurufe von der SPD)

Allerdings haben Sie genau das Gleiche gemacht, was Sie auch bei der Einbringung des Antrags gemacht haben. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie Sie die Kriminalitätsstatistik hochgehalten und erklärt haben, darin stünden falsche Zahlen, sie seien nicht bereinigt. Sie haben, obwohl Sie es besser wussten - das kommt immer noch erschwerend hinzu -, gesagt, diese Kriminalitätssteigerung sei exakt durch diese Polizeireform etc. ausgelöst worden. Was haben wir im Innenausschuss genau recherchiert? - Wo es Anstiege gab, handelte es sich um Ermittlungsdelikte. Das heißt, diese Delikte sind überhaupt nur aufgrund der Tätigkeit der Polizei ermittelt worden. Damit konnte nachgewiesen werden, dass alles, was Sie hier im Landtag erzählt haben, unwahr war.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie haben sich bis heute nicht entschuldigt. Das ist eine Schande für die SPD. Herr Bartling, Sie können nach vorne kommen und das hier nachholen.

Herr Bartling, spannend war, dass Sie heute nicht mehr aus der Untersuchung der GdP zitiert haben. Ich muss sagen, das ist schon ein Fortschritt. Sie

haben allerdings Einzelfragen aus der BDK-Umfrage genommen. Spannend ist allerdings, was der BDK vorher zu den Ergebnissen Ihrer Polizeireform geschrieben hat. Spannend ist, wie Ihre Polizeireform vom BDK über den grünen Klee niedergemacht worden ist, um es einmal ganz deutlich zu sagen. Über die Polizeireform von CDU und FDP hat man sich positiv geäußert und Hinweise zu weiteren Verbesserungsmöglichkeiten gegeben.

Wir stehen dazu: Wir haben mehr Polizeibeamte eingestellt. Die ersten 250 sind ausgebildet und stehen für die Aufgaben, für die Bürger auf der Straße zur Verfügung. Die nächsten 250 werden ihren Dienst im Sinne der Niedersachsen dieses Jahr antreten. Wo es erforderlich war, haben wir uns spezialisiert. Das ist richtig. Es muss dann auch zu Konzentrationsbildungen kommen, Herr Dr. Lennartz. Daraus dann allerdings den Rückschluss zu ziehen, dass die Präsenz vor Ort in den Bereichen, in denen die Konzentration weggenommen und in einen anderen Landkreis gegeben wurde, geringer geworden ist, geht zu weit. Präsenz zeigen diejenigen, die den Streifendienst verrichten, die für die Bürger als Kontaktbeamte da sind etc.

(Zuruf von der SPD: Gibt es doch gar keine mehr!)

Genau in diesem Bereich sind wir nach vorne gegangen und haben aufgestockt. Das ist der richtige Weg. Wir sind stolz auf unsere Polizei und begrüßen es sehr, dass fast alle Polizisten ihren Beruf heute noch einmal wählen würden. Wenn man das auch für den Rest der Bevölkerung sagen könnte, wären wir ein sehr zufriedenes Land. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Innenminister Schünemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will das nicht lange hinauszögern. Deshalb will ich nur zwei Fakten nennen.

Durch die von der Landesregierung vorgenommene Polizeireform haben wir eine um 2,5 % höhere

Aufklärungsquote erreicht. Dies ist Fakt. Das können Sie nicht wegdiskutieren.

Wir haben über 470 Vollzugsbeamte mehr als vor dem Regierungsantritt. In Ihrer Regierungszeit, Herr Bartling, haben Sie über 270 Stellen abgebaut. Das ist Fakt. Das können wir feststellen. Insofern können wir sagen, dass wir dieses Land insgesamt sicherer gemacht haben.