Protokoll der Sitzung vom 27.04.2007

Entsprechend werden auch die ökonomischen Wachstumspotenziale einzuschätzen sein. Aus den offiziellen Statistiken für diesen Bereich kann abgelesen werden, dass wir auf Bundesebene eine diesbezügliche Steigerungsquote von über 13 % in den Jahren 2000 bis 2004 hatten, was als signifikant und beispielgebend für die gesamtwirtschaftliche Situation angesehen werden kann, dass diese Wachstumsrate in Niedersachsen hingegen - Frau Kollegin Kuhlo hat es schon erwähnt - bei 7,5 % liegt. Das ist in der Tat verbesserungswürdig. Aber wichtig ist auch, darauf hinzuweisen, dass diese Zahl erheblich über dem Durchschnitt der niedersächsischen Gesamtwirtschaft liegt.

Deshalb liegt es nahe, hier politisch den Hebel anzusetzen. Denn wir werden mit Sicherheit davon ausgehen können, dass die analogen durch digitale Prozesse abgelöst werden, und zwar auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette. Hier liegt die große Chance für unser Bundesland, für Niedersachsen, technologisch und arbeitsmarktpolitisch Terrain zu gewinnen. Denn die diesbezüglichen Märkte sind noch nicht besetzt, und niedersächsische Ausbildungsstätten bzw. vorwiegend mittelständische Unternehmer aus Niedersachsen haben bei einer entsprechenden Unterstützung sehr gute Chancen, im nationalen und internationalen Wettbewerb Pflöcke einzuschlagen und sich sowohl technologisch als auch ökonomisch bei den digitalen Produktionstechniken auf allen Ebenen durchzusetzen. Es sei mir gestattet, diese These anhand von drei Beispielen zu konkretisieren.

Erstens. Schon sehr häufig ist bei medienpolitischen Diskussionen im Landtag der Name Professor Dr. Ulrich Reimers von der TU Braunschweig

gefallen. Wir können uns glücklich schätzen, ihn zu den niedersächsischen Wissenschaftlern zählen zu können. Professor Dr. Reimers ist weltweiter Vorreiter bei der Normierung für die digitale Übertragung in Netzen, z. B. im Festnetz und im Funknetz.

Zweitens. Auch die TU Hannover hat in Professor Dr. Musmann einen Wissenschaftler, der auf Weltniveau an dem Thema der Datenkompression arbeitet.

Drittens gibt es eine große Zahl von niedersächsischen Hardwareunternehmen, u. a. - das ist nur ein kleiner Auszug - die DVS Digital Video Systems GmbH, die Firma MonA, Picturesafe Media und Tele Columbus, die auf Weltniveau den Trend von analog zu digital umsetzen. Dies schlägt sich betriebs- und volkswirtschaftlich sehr positiv nieder.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre es politisch opportun und aus technologischen und arbeitsmarktpolitischen Überlegungen heraus aus unserer Sicht sehr zu begrüßen, wenn sich der Niedersächsische Landtag in Gänze wohlwollend der Bitten und Forderungen annähme, die hinter den sechs Spiegelstrichen des Entschließungsantrages deutlich und unmissverständlich formuliert worden sind. Alle diese Forderungen tragen effektiv dazu bei, im Zukunftsfeld der Digitalisierung den Beschäftigungsgrad, die Unternehmensdichte und die Kooperation weiter zu erhöhen und Gründungen und Transfers aus Universitäten zu verstärken. Das gilt sowohl für die nationale Ebene als auch vor allem für die niedersächsische Medienwirtschaft. Wir alle hier im Landtag sind deshalb dazu aufgerufen, die Kräfte zu bündeln und die Aktionen voranzutreiben, die Niedersachsen medienwirtschaftlich, investitionspolitisch und zugleich ökonomisch voranbringen, im Interesse aller hier lebenden Menschen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächste Rednerin ist jetzt Frau Wiegel von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kuhlo und Herr Pörtner, ich muss Ihnen ein Geständnis machen:

(Zuruf von der CDU: Jetzt sind wir aber gespannt!)

Als ich diesen Antrag las, bekam ich richtig Kopfschmerzen. Dann habe ich ihn noch einmal und noch einmal gelesen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Dann ist es immer stärker geworden! Sie ha- ben nicht nachgelassen!)

Es tut mir leid. Ich zermartere mir den Kopf, und ich frage mich: Was soll dieser Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ernst-August Hoppen- brock [CDU]: Das hat er doch gerade gesagt!)

Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? - Ich komme damit nicht klar. Ich sagen Ihnen auch, warum. Ich habe selten einen Antrag erlebt, der so viel Dampfplauderei und so viel Unverbindliches zusammenträgt wie dieser Antrag.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Unerhört!)

Wissen Sie, wie ich das nenne? - Das nenne ich Zeitklauerei.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich kann es ein bisschen konkreter machen. Zunächst wird die Erkenntnis bekannt gegeben, dass es in Niedersachsen eine Medienwirtschaft gibt

(Heiner Bartling [SPD]: Geil, ey!)

und dass die Medienwirtschaft boomt. Aber gleich wird die zweite Erkenntnis nachgeschoben, dass sie in Niedersachsen nicht so richtig boomt.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Denn sie boomt nur halb so stark wie im gesamten Bundesgebiet.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das stimmt doch überhaupt nicht! Sie haben nicht aufgepasst!)

Das heißt, man gibt zur Kenntnis, dass man hier in den letzten vier Jahren eigentlich ziemlich gepennt hat.

(Beifall bei der SPD)

Aber es soll ja nie zu spät sein. Wir wollen uns aufmachen und das verbessern.

Dann suche ich nach den konkreten Beispielen, nach den konkreten Wegen, wie wir das verbessern wollen. Gucken wir uns die sechs Spiegelstriche an! Interessant ist z. B., dass davor steht, der Landtag wolle die Landesregierung „bitten“. Ich dachte erst, das sei eine Art von Höflichkeit, dass nicht mehr gesagt wird, man möge beschließen, die Landesregierung aufzufordern. Nein, es wird „gebeten“. Ich weiß auch warum, nämlich weil alles so unverbindlich und unkonkret ist, dass man nur „bitte, bitte“ machen, aber keine Forderungen aufstellen kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Aussage unter dem ersten Spiegelstrich kann ich noch nachvollziehen. Dort steht: Wir wollen die vorhandenen Kompetenzen zusammenfassen. Das nenne ich Clusterbildung. Mir ist zur Ohren gekommen, dass es nach sage und schreibe vier Jahren Arbeit im FDP-Ministerium nun zu einer Clustervereinbarung kommt. Das ist klasse. Dazu kann ich nur sagen, dass das ein prima Ding ist. Zugleich muss ich aber sagen, dass es ganz schön lange gedauert hat. Eigentlich ist dies eine Sache der Verwaltung und eine klassische Dienstleistung für den Bereich der Wirtschaftsförderung. Das muss meines Erachtens ein bisschen schneller gehen.

(Beifall bei der SPD)

Was unter den folgenden fünf Spiegelstrichen steht, ist wirklich nur noch Dampfplauderei. Da wird gesagt: Wir wollen die Unternehmen unterstützen. - Das ist eine tolle Sache. Sie sagen aber nicht, wie Sie die Unternehmen unterstützen wollen. Es heißt dort: Wir wollen sie vernetzen. Okay. - Wir wollen Standortmarketing machen. Okay. - Können Sie uns einmal sagen, mit welchem Geld Sie dies tun wollen? Wie wäre es denn, wenn Sie in diesem Zusammenhang einmal das Stichwort „Innovationsfonds“ ins Gespräch bringen? - Soll ich Ihnen einmal sagen, wie viel für die Zwecke, die Sie hier ansprechen, bei der nordmedia ausgegeben werden kann? - Die nordmedia verfügt über 10 Millionen Euro. Ihr Schwerpunkt ist die Filmförderung. Für das, was Sie hier wollen, nämlich für HDT und technische Verbesserungen, sind in den letzten zwei Jahren sage und schreibe

50 000 Euro ausgegeben worden. Mehr kann die nordmedia dafür nicht ausgeben.

Ich bitte Sie ganz herzlich: Sagen Sie, was Sie hier an Butter bei die Fische geben wollen. Nehmen Sie uns nicht die Zeit, indem Sie hier nur um das herumplaudern, was Sie tun wollen.

(Beifall bei der SPD)

Sie berufen sich des Weiteren auf Unternehmen, die in der technischen Entwicklung bereits weit vorne sind und weltweit agieren. Das ist toll. Den Unternehmen ist dies aber offensichtlich ohne Unterstützung des Wirtschaftsministeriums gelungen. Sonst hätten Sie ja ausweisen können, was Sie für diese Unternehmen bisher getan haben.

Das Tollste sind die letzten drei Spiegelstriche. Es heißt dort, man möge mit den Banken reden, damit die Unternehmen bessere Finanzierungsmöglichkeiten bekommen.

Solange ich in die Kreativwirtschaft hineinhöre, solange ich innovative Betriebe besuche, höre ich dort: Die Risikofinanzierung stimmt nicht. Die Banken geben uns das Geld nicht, weil wir keine materiellen Gegenwerte zu bieten haben. - Dort liegt also etwas im Argen. Angesichts dessen ist es doch schön, dass Sie aufschreiben, man möge einen Dialog führen. Meine Damen und Herren, wo sind wir hier eigentlich?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Heiner Bartling [SPD]: Im Niedersächsischen Landtag!)

- Ja, im Landtag. Sie haben recht.

Gucken Sie doch einmal nach rechts und links. Es gibt Bundesländer, die sich längst auf den Weg gemacht haben. In Berlin, Brandenburg und Hamburg hat man längst begriffen, was für ein Entwicklungspotenzial es in diesem Wirtschaftszweig gibt. Ich nenne hier das Beispiel der Computerspiele, Games genannt. Leider ist dieses Thema nur von unserem Innenminister besetzt, der sich allerdings nur auf den sehr geringen Teil der Produktion gewalthaltiger Computerspiele bezieht, obwohl dieser Anteil weniger als 10 % der gesamten Computerspielproduktion ausmacht. In Bezug auf diesen Anteil artikuliert der Innenminister ziemlich krawallige Forderungen. Ich kann Ihnen sagen, dass 90 % der produzierten Computerspiele gewaltlos sind. Ich kann Ihnen auch sagen, dass aus den Computerspielen heute weltweit mehr Profite

gezogen werden als aus der gesamten Filmwirtschaft. Es wäre schön, wenn man heute endlich einmal dazu käme, sachlich über die Entwicklungsmöglichkeiten von Computerspielherstellern zu diskutieren, die es übrigens auch hier in Niedersachsen gibt. Zarte Pflänzchen sind hier schon vorhanden. Das wäre immerhin ein konkreter Hinweis auf das, was in Niedersachsen stattfindet.

(Friedrich Pörtner [CDU]: Warum ha- ben Sie das nicht früher gemacht? Sie mosern hier nur herum!)

- So geht es ja nun nicht! Wenn Sie in diesem Bereich bisher nichts getan haben, Herr Pörtner, dann halten Sie doch den Mund, und bringen Sie hier nicht einen solchen Antrag ein!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Ich hoffe, ich höre dann, was Sie dieser Landesregierung an konkreten Maßnahmen ins Buch schreiben und wo nun endlich etwas passiert. Ich habe gehört, dass der Hebel angesetzt werden müsse. Wunderbar! Ich kann nur sagen: Es ist höchste Zeit. Packen Sie es bitte an!

(Beifall bei der SPD)

Jetzt wird sich Herr Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu diesem Thema äußern.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich nicht dafür bekannt, dass ich Anträge der Regierungsfraktionen in Bausch und Bogen ablehne, sondern ich gucke sie mir sehr genau an und versuche dann, mir eine konstruktive Meinung zu bilden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde aber, in großen Teilen muss man meiner Vorrednerin Frau Wiegel recht geben. Der Antrag ist tatsächlich eine ziemliche Ansammlung von überflüssigen Plattitüden. Das gehört zur Wahrheit dazu. Auch ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, was Sie überhaupt wollen. Das, was Sie wollen, untermauern Sie konkret überhaupt nicht. Ich habe mich wirklich gefragt, was aus der Partei Ludwig Erhards geworden ist. In den letzten Tagen haben wir aber gelernt, dass der Mann gar nicht Mitglied der CDU war. Insofern passt dieser Antrag dann vielleicht doch wieder.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD)