Protokoll der Sitzung vom 05.06.2007

(Heinz Rolfes [CDU]: Wer fummelt hier?)

Erst haben Sie das Geld herausgenommen, und jetzt geben Sie die Hälfte wieder herein. Das soll kommunalfreundlich sein? - Ich weiß nicht. Das ist eher das Gegenteil.

(Ursula Ernst [CDU]: Sie haben gar nichts reingegeben!)

Wenn wir jetzt nach viereinhalb Jahren schwarzgelber Politik in Niedersachsen Bilanz ziehen, ist festzustellen, dass wir von einem sachgerechten Finanzausgleich weiter entfernt sind denn je,

(Zustimmung bei der SPD und Wider- spruch bei der CDU)

und das trotz der nominal höchsten Summe, die der KFA jemals gehabt hat.

(David McAllister [CDU]: Das ist unser Erfolg!)

Das ist ein Armutszeugnis Ihrer Kommunalpolitik allererster Güte. Daran ändert dieses zugegebenermaßen leicht positive und nette Gesetz

(Zuruf von der CDU: Aha!)

- es ist ja eine prima Verteilung gefunden worden nur ganz wenig; denn Sie haben die Kassenkredite zu verantworten.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen liegt mir eine Wortmeldung vor.

(Unruhe)

- Wenn es etwas ruhiger ist, werde ich Herrn Kollegen Hagenah aufrufen. - Es wird ruhiger. Danke schön an die Kolleginnen und Kollegen im Hause. - Herr Kollege Hagenah!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Harden, nach Ihren richtigen Ausführungen über die Raubzüge von CDU und FDP durch die Kassen der Kommunen verstehe ich Ihre heutige Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf allerdings nicht. Wenn ich hingegen bedenke, dass Sie aus Harburg kommen - darauf komme ich im weiteren Verlauf meines Beitrags noch zu sprechen -, gibt es vielleicht doch eine Brücke, über die Sie da gegangen sind.

Ich melde mich heute als Abgeordneter aus Hannover, stellvertretend auch für Kolleginnen und Kollegen aus anderen in Bezug auf das Sozialgesetzbuch II vom Land benachteiligten Kreisen und Städten zu Wort, weil hier aus meiner Wahrnehmung ein unsoziales Verhalten dieser Landesregierung offen zutage tritt.

Einfach und kurz dargestellt hat die beabsichtigte Regelung zur Folge, dass die Zuschüsse des Landes Niedersachsen zu den SGB-II-Lasten für die Region Hannover - in nenne ferner beispielhaft die Kreise Diepholz, Hameln-Pyrmont, Helmstedt und einige mehr, damit mir hier nicht Kirchturmpolitik vorgeworfen wird - sinken, obwohl dort die ohnehin hohen Belastungen im Bereich SGB II im Landesvergleich steigen. Dies ist besonders paradox, weil gleichzeitig relativ wohlhabende niedersächsische Kreise, zu denen u. a. der Kreis Harburg mit eher unterdurchschnittlichen Belastungen nach dem SGB II gehört, einen angehobenen Beitrag vom Land Niedersachsen bekommen sollen. Ursache für diese absurde Benachteiligung ist der vom Land gewählte Verteilungsschlüssel. Mit der Einführung des SGB II hatten Bund und Länder ursprünglich einen Ausgleich für die Kreise beabsichtigt, die besonders hohe Belastungen durch einen hohen Anteil von Leistungsempfängern zu tragen hatten.

(Heiner Schönecke [CDU]: Das haben Sie nicht begriffen!)

Dies war der ursprüngliche, auch vom Land mitgetragene Ansatz des Bundes und der Länder. Der jetzt von Ihnen gewählte Verteilungsschlüssel hin

tertreibt diese Vereinbarung. Sie untertunneln also das, was der Bund eigentlich ausgleichen möchte.

Sie verweisen nun sicherlich - darauf zielte bestimmt Ihr Zwischenruf - auf die von Ihnen gewählte 50-%-Regelung - Sie gehen diesen Untertunnelungsweg eben nur zur Hälfte - nach den entsprechenden Vorschlägen des Landkreistages. Damit glauben Sie, sich vor dem Vorwurf der Einseitigkeit, den ich hier erhebe, wegducken zu können. Das können wir aber nicht gelten lassen. Wer also zwischen einem falschen und einem korrekten Weg, nämlich dem Vorschlag des Städtetags, die Mitte wählt, geht trotzdem einen Irrweg, meine Damen und Herren.

Die einzige gerechte und sozial akzeptable Lösung im Sinne des SBG II ist die Spitzabrechnung aufgrund der realen Belastungen der Städte und Kreise, wie sie der Städtetag gefordert hat. Der Grund für die deutlich angewachsene Verschuldung z. B. der Region Hannover und anderer Kreise in den letzten Jahren liegt genau in diesem Themenfeld. Während beispielsweise in der Region Hannover jährlich 342 Euro je Einwohner für die soziale Sicherung als Pflichtaufgabe ausgegeben werden müssen, liegt diese Aufwendung im Durchschnitt aller Landkreise in Niedersachsen bei nur 239 Euro. Richtig wäre es, wenn sich alle zukünftigen Berechnungen zur Verteilung des SGB II und der Zuschüsse klar an der Entwicklung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in den Kreisen und Städten orientieren würde. Den Rückbezug auf Zahlen vor Einführung dieses Gesetzes halten wir für unzulässig, weil damit Gebietskörperschaften bestraft werden, die sich beim Programm „Hilfe zur Arbeit“ in der Vergangenheit besonders stark engagiert haben. Dies wollten wir geradezu, weil sie sich um ihre Leute gekümmert haben.

Vor dem Hintergrund, dass die Belastung der Region Hannover durch Sozialkosten um fast 50 % über dem Durchschnitt liegt und auch andere Kreise und Städte ähnlich stark belastet sind, ohne dass ihnen im angemessenen Verhältnis vom Land geholfen wird, sind die Regelungen in dem heute vorliegenden Gesetzentwurf extrem ungerecht und damit unakzeptabel. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Dr. Matthiesen gemeldet. Anderthalb Minuten!

Lieber Herr Kollege Hagenah, die Gesamtkonzeption des Gesetzentwurfs ist sozial und gerecht.

(Zustimmung bei der CDU)

Das, was Sie unter Bezugnahme auf die Region Hannover bzw. die Landeshauptstadt Hannover fordern, nämlich allein auf die tatsächlichen Sozialhilfekosten abzustellen und spitz abzurechnen, macht heutzutage kein Mensch mehr, weil das der Unwirtschaftlichkeit und der Schluderei Vorschub leistet. Es kommt vielmehr darauf an, die Sozialhilfebedürftigkeit aktiv zu bekämpfen. Die Landeshauptstadt Hannover ist eine große Gebietskörperschaft, die in den letzten Jahren einige Hausaufgaben auf diesem Gebiet nicht gemacht hat.

(Zustimmung bei der CDU)

Dies hat zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit über dem Landesdurchschnitt geführt, obwohl die Landeshauptstadt beste Voraussetzungen im Hinblick auf ihre Wirtschaftsstruktur hat. Trotz Verkehrsinfrastruktureinrichtungen und trotz einer leistungsfähigen Wirtschaft ist die Arbeitslosigkeit hier überdurchschnittlich hoch. Dafür ist die Stadt Hannover selbst verantwortlich, auch Sie als Hannoveraner. Sie können nicht verlangen, dass andere Landkreise, vor allen Dingen die CDU-geführten Landkreise, die bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gut abgeschnitten haben, dies mitfinanzieren sollen.

(Zustimmung bei der CDU)

Insofern ist es von großer Bedeutung, dass ein Ausgleich gefunden wird, der gegenüber Städten wie beispielsweise der Stadt Hannover sozial ist - -

(Die Präsidentin schaltet das Mikrofon ab)

Die anderthalb Minuten sind um, Herr Dr. Matthiesen. Ich habe das Mikrofon abgestellt.

(Dr. Max Matthiesen [CDU]: Ich habe aber noch weitere Redezeit!)

- Es ist als Kurzintervention angemeldet worden; das sind anderthalb Minuten.

Herr Aller, haben Sie sich auch zu einer Kurzintervention gemeldet? - Bei einer Kurzintervention hätte ich es auch nicht zugelassen. - Herr Kollege Hagenah möchte jetzt auf die Kurzintervention antworten. Bitte schön!

Ich hatte nicht verstanden, dass es eine Kurzintervention war. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Matthiesen, offensichtlich haben Sie Ihre Niederlage bei der Wahl zum Regionspräsidenten immer noch nicht verwunden,

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Er ist be- straft worden! - Norbert Böhlke [CDU]: Gut, dass Sie nicht persönlich wer- den, Herr Kollege! Sprechen Sie ein- mal zur Sache!)

da Sie den Wählerinnen und Wählern in Hannover und der Verwaltung der Stadt Hannover hier heute mit derartigen ungerechtfertigten Vorhaltungen eine Replik geben wollen. Dass es eine Unwirtschaftlichkeit der Stadt Hannover in diesem Bereich gibt, ist absolut nicht darstellbar. Die Stadt Hannover ist genauso wirtschaftlich oder unwirtschaftlich wie alle anderen Großstädte und Ballungsräume, in denen sich eine größere Arbeitslosigkeit anders als in den Gürteln um diese Großstädte herum entwickelt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Hannover nicht beispielsweise von Bremen, wo ja eine Große Koalition unter Beteiligung der CDU sehr lange regiert hat. Darauf gibt es keine Hinweise. Im Gegenteil: Die Region Hannover, die ja hier Leistungsempfänger wäre, arbeitet außerordentlich wirtschaftlich. Ich finde, Sie als Beteiligter aus der Region, der sich dort sogar um eine Führungsposition beworben hat, sollten hier anders über die Dienstleister sprechen, denen er vorsitzen wollte, als Sie das gerade getan haben.

(Norbert Böhlke [CDU]: Warum wer- den Sie immer persönlich?)

Ich möchte dem Haus noch einmal erläutern, wie wirtschaftlich diese Region Hannover tatsächlich ist.

(Heinz Rolfes [CDU]: Frau Präsiden- tin, die anderthalb Minuten sind lange um! - Gegenruf von Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das entscheidet immer noch die Präsidentin! - Unruhe - Glo- cke der Präsidentin)

Herr Kollege Hagenah, ich möchte, dass ein wenig Ruhe eintritt. - Herr Kollege Rolfes, wir haben das hinsichtlich der Sekunden genau im Blick. Hier läuft eine Stoppuhr. - Herr Hagenah, diese Zeit wird nicht von Ihrer Redezeit abgezogen.

Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Dr. Matthiesen, Sie wissen sehr genau, dass die Region Hannover im Bereich der allgemeinen Verwaltung, auch im Bereich der Kulturförderung und auch der Wissenschaft deutlich wirtschaftlicher und kostengünstiger in ihrem Etat pro Einwohner handelt und wirtschaftet als die Landkreise in Niedersachsen im Durchschnitt. Ich bitte Sie, in Zukunft nicht mit solchen falschen Behauptungen ein falsches Bild in die Öffentlichkeit zu tragen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Heinz Rolfes [CDU]: Da war nichts falsch!)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Meißner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf meine drei Vorredner zurückkommen. Ich kann sagen: Dem, was Herr Dr. Matthiesen in seiner bewährten, fachlich exzellenten Weise vorgetragen hat, kann man nur vollinhaltlich zustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Dem Lob auf die Regierung stimme ich ebenfalls zu, weil dies durchaus angebracht war; das muss ich einmal festhalten.

Herr Harden, zu Ihnen kann ich nur sagen: Da hat man gemerkt, der Wahlkampf ist eröffnet. Gleichzeitig kann ich feststellen: Thema verfehlt! Denn Sie haben ziemlich ausführlich über den kommu