Protokoll der Sitzung vom 17.09.2003

(Sigmar Gabriel [SPD]: Haben Sie das Herrn Stoiber auch schon mal ge- sagt?)

Insbesondere im früheren Zonenrandgebiet hat es über Jahre hinweg irreparable Verwerfungen gegeben, die jetzt nach und nach wirken. Wer in Helmstedt und in all den anderen Bereichen hinter die Fassaden des Mittelstandes schaut, stellt fest, dass dort Verwerfungen entstanden sind, die nicht mehr zu reparieren sind. Das ist das Ergebnis einer Politik, die im Ergebnis Niedersachsen benachteiligt hat.

Meine Damen und Herren, in der Presseerklärung der SPD finden sich weitere Erklärungen. Dort steht, Herr Gabriel: Wir dürfen in Zukunft nur noch dort fördern, wo die Arbeitslosigkeit am höchsten ist, egal ob das links oder rechts der ehemaligen Zonengrenze liegt. - Wie wahr! Dafür hätten Sie sich jahrelang einsetzen können, meine Damen und Herren. Das haben Sie aber nicht getan.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das haben wir getan! Das ist an der CDU ge- scheitert! Fragen Sie mal Herrn Stoi- ber!)

Die Entscheidung über die Streichung der GAMittel reiht sich ein in eine schier endlose Kette rot-grüner Fehlentscheidungen in Berlin: LkwMaut, Dosenpfand, verkorkste Steuerreform und vieles mehr. Für uns in Niedersachsen ist das ein weiterer Tiefschlag. Er verhindert Zukunftsinvestitionen, bewirkt Betriebsverlagerungen, die wir wirklich nicht vertragen können, und gefährdet Arbeitsplätze.

Meine Damen und Herren, nicht wenige im Lande sehen im Bundeskabinett eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme für zurückgetretene und abgewählte Ministerpräsidenten der SPD. Wer wundert sich dann noch über die Ergebnisse? Ich kann auch nicht verstehen, Herr Gabriel, dass Sie unbedingt noch dorthin wollen.

(Beifall bei der CDU - Sigmar Gabriel [SPD]: Da haben Sie Recht!)

Herr Kollege Hagenah, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir wollen gerne - so wie wohl alle Fraktionen hier im Hause - alles dafür tun, dass die Androhung, die GA-Mittel zu kürzen, zurückgenommen wird. Bei dem Verhalten dieser Landesregierung gehen uns allerdings die Argumente gegenüber unseren rot-grünen Freunden in Berlin aus.

(Bernd Althusmann [CDU]: Freunde? Parteifreunde! - Hermann Eppers [CDU]: Freunde machen so etwas nicht!)

Wer in den sechs Monaten, in denen CDU und FDP hier im Land regieren, wirklich jede Gelegenheit genutzt hat, um die Finanzprobleme des Bundes und der Länder zu erhöhen, darf sich nicht wundern, dass die Auswirkungen letztendlich auf Niedersachsen zurückfallen. Diese Landesregierung trägt mit Schuld an der Kürzung der GAMittel, weil sie es durch ihre ablehnende Haltung im Bundesrat z. B. gegenüber dem Steuervergünstigungsabbaugesetz

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

oder gegenüber dem Subventionsabbau, der notwendig ist, um die Steuerreform 2004 zu finanzieren, dem Bund unmöglich macht, die GAFörderung in der bisherigen Höhe weiter zu finanzieren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Hermann Eppers [CDU]: Mäßiger Beifall!)

Die Landesregierung agiert als Teil des Problems und nicht als Teil der Lösung. Insofern sind uns

gegenüber Berlin die Argumente für einen vernünftigen Ausgleich der Interessen des Landes Niedersachsen ausgegangen.

Kehren Sie in Ihrer Politik endlich um, und arbeiten Sie konstruktiv mit dem Bund zusammen. Bringen Sie die Haushalte in Bund und Ländern gemeinsam in Ordnung, anstatt mit Ihrer Blockadehaltung im Bundesrat ständig dazu beizutragen, dass der Bund gar nicht anders kann,

(Zurufe bei der CDU)

als an allen möglichen Stellen zu kürzen, um überhaupt noch verfassungsgemäße Haushalte hinzubekommen.

Sie können nicht auf der einen Seite mit Ihrer Blockademehrheit im Bundesrat den Sack zuhalten und auf der anderen Seite „Haltet den Dieb!“ schreien und beklagen, dass der Bund die Mittel kürzt. Das glaubt Ihnen in der Öffentlichkeit auch niemand mehr. Denken Sie immer daran: Wenn man mit einem Finger auf jemanden zeigt und sagt „Der hat die Schuld“, dann zeigen drei Finger auf einen selber. Das ist auch bei dieser Landesregierung bzw. bei Minister Hirche in Sachen Streichung der GA-Mittel der Fall.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt auch im Lande selbst schon über Jahre Probleme, was den Nachweis der sinnvollen Verwendung der GA-Mittel angeht. Das hat nicht nur der Landesrechnungshof dem Land, sondern das hat auch der Bundesrechnungshof dem Bund aufgegeben. Insofern müssen Sie, Herr Minister Hirche, ihre Hausaufgaben machen und eine transparente Förderung nachweisen, damit uns in Berlin nicht die Argumente ausgehen, wenn es darum geht, die GA-Förderung, zumindest solange es die EU noch zulässt, in einem angemessen Umfang wieder für Niedersachsen anlaufen zu lassen.

Wir werden uns dafür einsetzen. Den wesentlichen Beitrag dazu müssen allerdings die Damen und Herren auf der Regierungsbank leisten, denn ohne ihre Unterstützung im Bundesrat wird im Bund einfach nicht ausreichend Geld dafür da sein. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr. - Herr Kollege Oppermann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal zum Sachverhalt, Herr Dinkla. Sie haben gesagt, die GA-Förderung werde auf null gestellt. Das trifft nicht zu. Alle Verpflichtungsermächtigungen bleiben erhalten. Es fließen - das hat auch Herr Hirche in seinem Schreiben an den Kanzler dargelegt im Jahre 2004 weiterhin 40 Millionen Euro, im Jahre 2005 21,5 Millionen Euro und im Jahre 2006 13 Millionen Euro. Das heißt, die GA (West) wird abgebremst. Alle eingegangenen Verpflichtungen werden erfüllt.

(Hermann Dinkla [CDU]: Die sind aber bereits belegt!)

Sie konnten ohnehin nicht davon ausgehen, dass die GA über 2006 hinaus gezahlt wird; denn Sie haben ja noch vor einem Jahr in diesem Parlament argumentiert, die Landesregierung bereite sich nicht hinreichend auf das Auslaufen der Bundesund europäischen Wirtschaftsförderung vor.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Hört, hört!)

Bleiben Sie also bitte bei den Fakten!

Dass jetzt insgesamt 40 Millionen Euro weniger Wirtschaftsförderung vorhanden sind, weckt natürlich Ihren Kampfgeist. Aber vielleicht ist es auch nur Opportunismus nach dem Motto: „Wo wir selber sparen, da erwarten wir bei den Betroffenen Verständnis, aber da, wo andere, die auch kein Geld haben, sparen, da protestieren wir.“ - Ich finde, das ist keine glaubwürdige Politik. Damit kommen Sie auch nicht durch.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß nicht, ob Sie heute Morgen die Zeitung gelesen haben. In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung wurde über eine OECD-Studie berichtet. Die Überschrift dieses Artikels lautete aber nicht: „Subventionsabbau bremst Wirtschaftswachstum in Deutschland“, sondern da stand: „Bildungsabbau bremst Wachstum in Deutschland.“

(David McAllister [CDU]: Das haben Sie 13 Jahre hier gemacht!)

Die beiden Kernaussagen dieses Artikels waren: Erstens. In Deutschland wachsen die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung im OECD-Vergleich zu langsam. Zweitens. Wir haben zu wenig Hochschulabsolventen. - Herr Ministerpräsident, wir haben in Deutschland also nicht zu viel Wirt

schaftssubventionen, sondern wir haben zu wenig Zukunftsinvestitionen. Sie kritisieren die Streichung der 40 Millionen Euro Wirtschaftssubventionen beim Bund, streichen aber gleichzeitig unseren Hochschulen 40 Millionen Euro aus dem Etat.

(Beifall bei der SPD - Rebecca Harms [GRÜNE]: Genau genommen 60 Mil- lionen Euro!)

Sie jammern über Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu den fünf neuen Ländern, aber unsere Hochschulen sollen mit 40 Millionen Euro weniger gegenüber den Hochschulen in Bayern und BadenWürttemberg wettbewerbsfähig bleiben. Ich halte das alles für sehr doppelzüngig. Das, meine Damen und Herren, ist rückwärts gewandte Politik.

Herr Hirche, Sie müssen Ihre Hausaufgaben machen. Wenn uns die 40 Millionen Euro, die vom Bund kommen, fehlen, dann könnten wir mit der Innovations- und Förderbank mühelos mehrere hundert Millionen Euro Beteiligungskapital aktivieren. Aber wo ist die Innovations- und Förderbank? Sie sind jetzt sechs Monate im Amt und basteln daran herum, aber die Wirtschaft wartet immer noch auf das Ergebnis. Wo ist sie?

(Beifall bei der SPD)

Wenn es um die GA-Förderung geht, dann bitte ich Sie: Das sind doch zum Teil Subventionen mit der Gießkanne. - Wo haben denn Regionen, in denen Unternehmen - theoretisch – mit zwischen 7,5 und 28 % gefördert worden sind, jemals eine erfolgreiche Aufholjagd vollzogen? Nennen Sie uns doch einmal ein Beispiel! - Das sind Subventionen, die nicht regionale Wachstumskerne fördern, so wie wir es eigentlich mit unseren regionalen Wachstumsprojekten praktizieren. Vielleicht ist es deshalb auch sinnvoller, wenn Sie die 40 Millionen Euro Landesmittel, die Sie freibekommen, wenn die GA-Förderung ausgelaufen ist, demnächst für regionale Wachstumsprojekte einsetzen, damit wirklich die schwachen Regionen zielgerichtet gefördert werden und nicht alle Unternehmen in allen Förderregionen bei Erweiterungsinvestitionen den gleichen Fördersatz bekommen.

(Hermann Eppers [CDU]: Eine völli- ge Neuorientierung der SPD zur GA- Förderung!)

Herr Hirche, Sie sind doch der Apostel des Subventionsabbaus. Nur, wenn die Subventionen in

Ihrem Bereich gestrichen werden, dann fordern Sie das nicht, sondern dann kritisieren Sie das.

(Hermann Eppers [CDU]: Die sind doch nach Arbeitsmarktsituation dif- ferenziert!)

Diese Wirtschaftsförderung schafft kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Deutschland. Wo sind denn Ihre wirtschaftspolitischen Grundsätze? Darauf bin ich wirklich gespannt.

Es bleibt ein Problem. Das Problem ist das Fördergefälle. Dieses Problem hat übrigens auch Bundeskanzler Kohl miterzeugt, der nach der Wende noch acht Jahre, bis 1998, im Amt war. Herr Dinkla, wenn Sie darüber so einfach hinweggehen, dann ist Ihr Gedächtnis reichlich kurz. Damals ist in dem Bereich nichts passiert. In Ost und West ist immer mit sehr unterschiedlichen Präferenzen gefördert worden. Dieses Problem - insoweit gebe ich Ihnen Recht, Herr Wirtschaftsminister - müssen wir lösen. Es kann nicht sein, dass im Osten eine hohe Förderung gewährt wird und wir nur Betriebsverlagerungen erleben, die mit Wachstum überhaupt nichts zu tun haben. Wir setzen uns dafür ein, dass das bei der Neugestaltung der Wirtschaftsförderung auch auf Bundesebene gesehen und berücksichtigt wird.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Vielleicht erreichen wir, dass ein Förderkorridor festgelegt wird, und vielleicht bekommen wir Instrumentarien - die wir im Übrigen zum Teil schon haben, denn im grenznahen Bereich kann im Osten mit GA-Mitteln nichts gefördert werden, wenn der benachbarte Landkreis in Verbindung mit dem Wirtschaftsminister widerspricht. Sie können einmal sagen, wie oft Sie das bei Verlagerungsinvestitionen entlang der Grenze schon gemacht haben.

Wir setzen uns für eine zukunftsorientierte Wirtschaftsförderung ein und werden Ihnen ein Konzept für regionale Wachstumskerne vorlegen. Die Wirtschaftsförderung des Landes muss künftig dort stattfinden, wo das Wachstumspotenzial vorhanden ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)