Protokoll der Sitzung vom 17.09.2003

(Beifall bei der CDU)

Ich bedanke mich insbesondere bei den Mitarbeitern, die in den letzten Wochen und Monaten - seitdem klar ist, das auch auf die Staatstheater Kürzungen zukommen - daran mitgewirkt haben, dass die Kürzungsbeschlüsse so umgesetzt werden können, dass die künstlerische Qualität keinen Schaden nehmen wird.

Beim Staatstheater Hannover haben wir es mit einer ganz besonderen Situation zu tun; das wissen Sie, Frau Bührmann - als jemand, der seit vielen Jahren Kulturpolitik in diesem Land macht -, ganz genau. Wir haben dem Staatstheater für 2003 ein Budget von ungefähr 48 Millionen Euro gewährt. Ausgegeben wurden weit über 50 Millionen Euro. Es entstand ein Fehlbedarf von 3,5 Millionen Euro.

Dieser Fehlbedarf hat zunächst einmal noch nichts mit den Kürzungsbeschlüssen der Landesregierung zu tun. Gleichwohl haben wir ihn über den Nachtragshaushalt ausgeglichen. Anderenfalls, meine Damen und Herren, wäre die Staatstheater GmbH - wir haben es hier ja mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu tun, d. h. wir haben auch andere rechtliche Voraussetzungen zu beachten nicht mehr in der Lage gewesen, die Gehälter für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszuzahlen. Auch daraus ergibt sich für mich als dem Aufsichtsratsvorsitzenden eine ganz besondere Pflicht.

Dann haben wir allerdings gesagt, dass in den Jahren 2004 ff. Kürzungen vorgenommen werden müssen. Wie Sie alle wissen, haben wir das Budget auf 46,35 Millionen Euro festgesetzt. Das, meine Damen und Herren - und das hat nichts mit einem Ausspielen der Fläche gegen die Stadt zu tun -, ist immer noch mehr als das, was alle übrigen Theater in Niedersachen - freie Theater, Stadttheater und Staatstheater - zusammen bekommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vor diesem Hintergrund kann uns doch niemand ernsthaft den Vorwurf machen, wir würden die Hauptstadtrolle Hannovers bei diesem Thema nicht genügend beachten. Einen solchen Vorwurf zu erheben, liegt doch nun wirklich neben der Sache.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich weiter darauf hinweisen - auch das gehört zur Wahrheit -, dass die 3,5 Millionen Euro, mit denen wir den Fehlbedarf im laufenden Haushaltsjahr ausgeglichen haben, 50 % mehr sind

als das, was wir den vielen freien Theatern in Niedersachsen zur Verfügung stellen, die mit wenig Mitteln in der Fläche hervorragende Arbeit leisten.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen ehrlich sagen - das habe ich auch in einem persönlichen Gespräch getan -: Ich habe mich - dafür können Sie mich auch kritisieren - in der Frage, wo wir im Kulturbereich kürzen - wir kürzen dort im Vergleich zu anderen Bereichen übrigens unterproportional -, ganz bewusst dafür entschieden habe, zunächst die großen staatlichen Kultureinrichtungen mit Kürzungen zu konfrontieren. Damit wollte ich die vielen kleinen Einrichtungen im Land Niedersachsen, die mit viel ehrenamtlicher Arbeit und wenigen Mitteln exzellente Arbeit leisten, zunächst schützen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen - das habe ich gestern auch vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatstheater so zum Ausdruck gebracht -: Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatstheater mache ich keine Vorwürfe. Vorwürfe mache ich denjenigen, die in der Vergangenheit - z. B. dadurch, dass sie beim Staatstheater Hannover ständig nachgeschossen haben, wenn es mit seinem Budget nicht klar kam immer den Eindruck erweckt haben, dass dafür in diesem Land ausreichend Geld vorhanden sei. Meine Damen und Herren, das ist, wie wir alle wissen, nicht der Fall.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mit anderen Worten, Frau Bührmann: Diejenigen, die dafür die Verantwortung hatten, haben schlichtweg ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt.

(Ursula Körtner [CDU]: Richtig!)

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wer ist denn nun nicht in der Lage, sein Amt auszuüben?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Glocke des Präsidenten)

Seit vier Monaten stehe ich fassungslos vor einem bemerkenswerten Tatbestand: Im Staatstheater Hannover gibt es erst seit vier Monaten ein funktionierendes Controlling. Erst seit vier Monaten haben wir dort Kostentransparenz. Was ist denn die letzten 10, 15, 20 Jahre in dem Bereich geschehen? - Offensichtlich gar nichts.

(Ursula Körtner [CDU]: Beschä- mend!)

Herr Minister, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das Ganze ist im Übrigen kein singuläres Problem. Schauen Sie nach Stuttgart, schauen Sie nach Basel, schauen Sie nach Hamburg, schauen Sie nach Berlin! Ich darf einmal - dann komme ich auch zum Schluss - aus der Berliner Zeitung zitieren. Sie alle wissen ja, dass unsere ehemalige Kulturabteilungsleiterin dort als Staatssekretärin für Kultur zuständig ist. In der Berliner Zeitung vom 26. August diesen Jahres stand:

„Ratlos ging die neue Kulturstaatssekretärin Barbara Kisseler nach zweieinhalb Stunden Sitzung des Kulturausschusses in die Pause. ‚Was war das denn für eine Veranstaltung?‘, hörte man sie leise stöhnen. Die Frau aus Hannover ist erst seit zehn Tagen im Amt. Es war ihre erste parlamentarische Sitzung. Wir wissen nicht, wie Tagungen solcher Gremien in Hannover ablaufen, aber hier konnte sie schon einem Tollhaus beiwohnen.“

Meine Damen und Herren, das ist doch die Realität. Frau Kisseler merkt, was zurzeit in Berlin los ist. Andere merken es in Hamburg, in Stuttgart, in Köln. Wir müssen schlicht und einfach die Situation bewältigen, dass das Geld nicht mehr im Übermaß vorhanden ist und wir für solche Dinge nicht mehr die nötigen Mittel zur Verfügung stellen können, auch wenn ich dies gern tun würde. Ich würde gern mehr Geld für die Erwachsenenbildung, für die Hochschulen und für die Kultur zur Verfügung stellen.

Verehrter Herr Minister, die Realität ist, dass Sie die Redezeit erheblich überschritten haben.

Wir haben das Geld schlicht und einfach nicht. Das ist die Wahrheit. - Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. - Wir kommen zu

c) Bund streicht GemeinschaftsaufgabeMittel (West) - Herber Rückschlag für Zukunftsinvestitionen in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 15/415

Der Kollege Dinkla hat das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe-Mittel (West) ist für uns in Niedersachsen völlig inakzeptabel. Die Wirkung ist katastrophal. Im Ergebnis wird das Fördergefälle massiv erhöht. Je nach Betriebsgröße kann man, wenn man alles zusammenrechnet, von einem Fördervorteil von 40 % bis 60 % für die neuen Bundesländer ausgehen.

(Zuruf von der SPD: Das Geld ist nicht da!)

Rechne ich die steuerfreien Investitionszulagen noch dazu, ist der Fördervorteil noch höher.

In dem Zeitfenster 2004 bis 2007 bedeutet das für die alten Bundesländer neue Mittel von null Euro, während für die neuen Bundesländer ein Ansatz von 700 Millionen Euro als VE vorgehalten wird.

Ich bin der Letzte, der sich aus der Verantwortung für die deutsche Einheit wieder zurückziehen möchte. Ich möchte auch nicht den Konflikt zwischen Ost und West bzw. alten und neuen Bundesländer schüren. Aber ich sage mit Nachdruck: Mit dem jetzigen Eingriff der Bundesregierung wird das Verfassungsgebot der föderativen Gleichbehandlung massiv verletzt.

Es geht auch darum, den regionalen Konsens, der, Herr Plaue, ohnehin nur auf dünnem Eis steht, nicht auch noch durch solche zusätzlichen Maßnahmen massiv zu gefährden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, in Richtung EU ist das, was von der Bundesregierung zurzeit auf den Weg

gebracht wird, das völlig falsche Signal, weil es dort als Hinweis dafür aufgenommen werden muss, dass die westdeutschen Flächenländer eigentlich keine Förderung seitens der EU mehr brauchen. Und das angesichts der Tatsache, dass dort zurzeit über die Fortführung der EUStrukturfonds nach 2006 diskutiert wird! Ich glaube, da hat in Berlin jemand nicht zu Ende gedacht. Ich persönlich sehe das jedenfalls von der Außenwirkung her als schweren politischen Fehler an.

(Beifall bei der CDU)

Nun kann man ja über die Frage der Mischfinanzierungen diskutieren, und dieses Stichwort fällt ja auch gelegentlich. Mittelfristig mag es hier andere Lösungen geben, und für diese Diskussion sind wir von der CDU auch offen. Aber in der jetzigen Phase diese Finanzierung für die westdeutschen Flächenländer und damit auch für Niedersachsen abrupt zu kappen, halte ich für einen fundamentalen Fehler. Wir bleiben dabei, dass wir für eine Korrektur kämpfen müssen. Hoffentlich tun wir dies gemeinsam.

Meine Damen und Herren, ich habe wenig Verständnis dafür, dass die SPD-Fraktion Nebelkerzen in Form von Presseerklärungen wirft, in denen es, Herr Gabriel, u. a. heißt, dass die Landesregierung ihre Schulaufgaben zu machen habe - was die NBank und anderen Einrichtungen angehe - und dass es doch völlig nebensächlich sei, ob Unternehmer 10 %, 12 % oder 15 % Investitionszuschüsse bekämen. - Fragen Sie doch bitte die Unternehmen in den betroffenen Regionen!

(Sigmar Gabriel [SPD]: Die haben Eigenkapital!)

Die Lösung, die der Bund jetzt anstrebt, wird im Ergebnis massive Betriebsverlagerungen in die neuen Bundesländer bewirken.

(Beifall bei der CDU)

Wir kennen doch den kleinen Tiefbauunternehmer, der in den letzten Jahren abgezogen ist, oder - aktuelles Beispiel - den Helmhersteller, der jetzt in Magdeburg ansiedelt. Diese Betriebsverlagerungen sind das Ergebnis einer jahrelangen falschen Politik, die von der früheren SPD-Regierung ignoriert bzw., wenn Sie so wollen, akzeptiert worden ist. Ich meine, darüber muss man auch mal nachdenken.

(Zuruf von Thomas Oppermann [SPD])

Der frühere Ministerpräsident hat doch an den Kamingesprächen teilgenommen, Herr Oppermann. Er hat doch zugestimmt, auch dem letzten Solidarpakt.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Ach, Sie sind gegen den Solidarpakt?)

Bereits bei dem Paket hätten auch die Projekte und Probleme der westdeutschen Flächenländer mit eingebracht werden müssen. Das ist damals vergessen bzw. bewusst politisch ausgeblendet worden und wirkt jetzt negativ nach.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Haben Sie das Herrn Stoiber auch schon mal ge- sagt?)