Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Trotz zahlreicher Gespräche mit Verantwortlichen der Bundes- und Landesebene, trotz zahlloser Informationsveranstaltungen zum Vorhaben mit

Vertretern der Wasser- und Schifffahrtsdirektion und der Hamburg Port Authority ist die Sorge der Menschen vor Ort unverändert hoch und die Furcht um die Sicherheit der Deiche ungebrochen. Die Protestflut an Einwendungen im gerade eingeleiteten Planfeststellungsverfahren zeigt dies überdeutlich. Viele Hunderte von Einwendungen von betroffenen Landkreisen, Gemeinden, Organisationen, Vereinen, Verbänden, aber auch von Privatpersonen sind bis Anfang Mai eingegangen.

Mit einer Protestaktion „Fackeln auf dem Elbdeich“ am 18. März - ich habe gehört, dass auch Sie, Herr McAllister, dabei waren; auch ich war da - hatten trotz widriger Witterungsbedingungen Hunderte von Bürgerinnen und Bürgern ihren Widerstand gegen das Vorhaben am Deich deutlich gemacht. Auch die Presseberichte, die seit dieser Zeit nachzulesen waren, konnten die Beunruhigung der Gemüter nicht auflösen. So konnte man z. B. in der Zeit vom 18. Mai lesen: Hamburg lehnt sich ganz entspannt zurück. Herr Senator Uldall rechnet mit dem Einlenken von Wulff nach dem Wahltermin am 27. Februar. - Hier muss man eindeutig sagen: Wenn es um die Sicherheit der Menschen hinter dem Deich geht, darf es keine Wahltaktierereien geben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch die Äußerung, dass die Deichsicherheit oberste Priorität hat, widerspricht einer Aussage des Ministers vom 2. Juni, als er sagte, die Chance, über die Frage der Deichsicherheit die Elbvertiefung zu stoppen, sei sehr gering. Da habe ich gedacht: Das muss alle aufhorchen lassen. Aber er meinte: Bei der Verschiebung der Brackwasserzonen elbaufwärts, die Landwirtschaft und Obstbau bedroht, haben wir bessere rechtliche Möglichkeiten. - Ich denke, Deichsicherheit hat obere Priorität.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN und Zustimmung von Hans- Christian Biallas [CDU])

Ich hoffe jetzt sehr, dass die Landesregierung ausführlicher und eindeutiger, als das in der Antwort auf unsere Große Anfrage dargestellt worden ist, festlegt, was ihre Position zur Elbvertiefung ist, und dass sie den Forderungen z. B. des NABU oder aus der Stadt Winsen nachkommt und dass nicht allein das Kabinett über das Erteilen bzw. das Versagen des Einvernehmens entscheidet, son

dern das Parlament. Ich denke, Herr Sander, das wäre wirklich Politikmachen mit den Menschen. Dann könnten Sie sich auch nicht aus Gründen der Wahlkampftaktiererei an einer Entscheidung vorbeimogeln. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt hat Herr Minister Sander das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die im Titel der Großen Anfrage der SPDFraktion gestellte einfache Frage kann man genauso einfach beantworten - allerdings mit Nachdruck -: Die Landesregierung nimmt die Fragen, die mit der Elbe verbunden sind - sowohl an der Mittelelbe als auch an der Oberelbe - sehr, sehr ernst.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Die Unterelbe auch?)

Die Landesregierung wird alles in ihren Kräften Stehende tun, um unsere Landschaft mit ihren einzigartigen Lebensräumen und Landschaftselementen und der typischen Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten und zu schützen. Seltene Tierarten wie Seeadler, Fischotter und Biber sind in die Elbtalaue zurückgekehrt. Die Bestände des Weißstorchs haben sich stabilisiert und wachsen wieder. Fast das gesamte Spektrum der in der Elbe ursprünglich vorkommenden Fischarten ist zurückgekehrt oder hat sich in seinen Beständen erholt. Wir werden den erfolgreich eingeschlagenen Weg fortsetzen, mithilfe des Fischotterprogramms, des Weißstorchprogramms und anderer bewährter Instrumente die schützenswerten Gebiete und Arten an der Elbe zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Meine Damen und Herren, die Elbe ist aber nicht nur einer der herausragenden Naturräume, sondern auch kulturhistorisch ein bedeutsamer Siedlungsraum für die Menschen. Im Gegensatz zu vielen, die mich in der jüngsten Vergangenheit kritisiert haben, bin ich sehr oft vor Ort gewesen und habe den Menschen gut zugehört. Sie haben mir von den Zeiten berichtet, als man an der Elbtalaue einen Nationalpark errichten wollte. Sie, Herr Kollege Jüttner, hatten ja dann, als Sie Umweltminister wurden, die schöne Aufgabe, dies zu

korrigieren und einen anderen Weg einzuschlagen. Die Bevölkerung vor Ort, an der Elbe, hat ein allergrößtes Interesse an dem Schutz und der Erhaltung ihres heimatlichen Kultur- und Lebensraumes. Die Menschen haben aber auch einen Anspruch darauf, dass ihr Hab und Gut geschützt wird, und zwar insbesondere vor dem Wasser, vor den stark schwankenden Wasserständen des Elbestroms. Deshalb sind und bleiben der Schutz der Küste vor Sturmfluten und der Schutz der Menschen vor Hochwasser im Binnenland von elementarer Bedeutung. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Belange des Hochwasserschutzes, des Naturschutzes und - nicht zu vergessen - die wirtschaftlichen Belange der Landwirtschaft und der Industrie und die Belange der nachhaltigen Nutzung der Natur verbinden lassen. Dies muss auf der Grundlage der jeweils aktuellen Erkenntnisse und unter Beachtung des europäischen und des nationalen Naturschutzrechts geschehen.

Eines muss aber klar sein: Der Schutz der Menschen hat Vorrang.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Das ist meine Auffassung, und daran werde ich auch festhalten, insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten Strombaumaßnahmen wie auch der jetzigen Elbvertiefung.

Die Landesregierung hat sich zu dem Vorhaben schon frühzeitig, Frau Kollegin Somfleth, und eindeutig positioniert. Sie hat die Zustimmung zur Aufnahme des Vorhabens in den Bundesverkehrswegeplan bereits 2004 an die Erfüllung konkreter Bedingungen geknüpft, und dies zu einem Zeitpunkt, als Ihre Parteien, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, im Bund die entscheidenden Weichenstellungen für einen weiteren Ausbau der Elbe getroffen haben. Natürlich kennt die Landesregierung die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung der Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe. In dem gegenwärtigen Verfahren muss aber eindeutig und nachvollziehbar belegt werden, dass insbesondere die Deichsicherheit infolge des Ausbaus nicht beeinträchtigt wird. Hier haben wir ein großes Problem von Ihnen geerbt. Denn bei der letzten Fahrrinnenanpassung, im letzten Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahre 1999, gab es das Instrument der Beweissicherung. Deren Ergebnisse sind in der Folgezeit nicht abgearbeitet worden. So haben wir, insbesondere in der Umgebung von Otterndorf, das

große Problem, dass riesige Wattflächen abgespült worden sind. Die Landesregierung hat in den vielen Gesprächen, Frau Somfleth, mit Deichverbänden, aber auch in Gesprächen mit dem Hamburger Senat, dem Wirtschaftssenator, immer wieder darauf hingewiesen, dass die Beweissicherung abgearbeitet werden muss, und zwar vorher, damit die Menschen sehen, dass wir die entsprechenden Belange nicht in die nächste Planfeststellung - wenn sie überhaupt kommt - verschieben wollen.

Zu diesem Zweck werden wir möglichst in diesem Jahr Mittel bereitstellen, damit insbesondere in Otterndorf und Umgebung klar und deutlich wird, dass wir es mit den damaligen Beweissicherungsmaßnahmen ernst gemeint haben und dass wir deren Abarbeitung vor dem Planfeststellungsbeschluss durchführen. Die Landesregierung wird also auf der Grundlage der Unterlagen klar und deutlich prüfen; sie hat aber auch schon, nachdem das Verfahren eröffnet worden ist, klar und deutlich gesagt, dass die vorgelegten Unterlagen nicht für eine Genehmigung ausreichen. Das Land Niedersachsen hat - das wissen auch Sie - in seiner Stellungnahme, die bis zum 4. Mai gegenüber der Planfeststellungsbehörde erfolgen musste, deutliche Kritik zum Ausdruck gebracht.

Im Abschnitt zwischen Geesthacht und Schnackenburg steht der Schutz der Bürger vor extremen Hochwasserereignissen im Vordergrund. Bei den im April 2006 an der Elbe eingetretenen Schäden hat das Land schnell und unbürokratisch geholfen. Nun geht es darum, für zukünftige Ereignisse Vorsorge zu treffen. Die Landesregierung handelt. Bis zum 31. Dezember 2010 werden die vom Elbehochwasser 2002 zerstörten Hochwasserschutzanlagen wiederhergestellt sein. Dort, wo es keinen ausreichenden Hochwasserschutz gibt, werden wir dies im Rahmen unserer Möglichkeiten mit Landesmitteln, mit EU-Mitteln ebenfalls tun. Wir schaffen dort zusätzliche Retentionsflächen an der Elbe und an den Nebenflüssen,

(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Wie vie- le?)

wo es möglich, sinnvoll und mit den Menschen vor Ort umsetzbar ist. Bislang wurden Überflutungsflächen von ca. 80 ha geschaffen.

(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Wo?)

Weitere ca. 60 ha sind in der Planung. Dazu werden Sie sagen: Das ist zu wenig. - Aber, meine Damen und Herren, wir sind uns auch mit allen

Elbeministern darüber einig, dass Hochwasserschutzmaßnahmen am Oberlauf eines Flusses im Grunde genommen sehr viel sinnvoller sind als am Unterlauf.

Das von Ihnen angesprochene länderübergreifende Handeln wird hoffentlich jetzt insofern zum Durchbruch kommen, als der Staatsvertrag über die Flutung des Havelpolders endlich unterschrieben werden kann, weil nämlich Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern konkrete Vorschläge zur Kostentragung gemacht und damit einen entscheidenden Schritt zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen getan haben.

Wir müssen allerdings den Wasserstand an der Unterelbe weiter spürbar reduzieren. Daher brauchen wir die Polder am Unterlauf. Aber wir haben ebenfalls die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Hochwasser von Niedersachsen schadlos und schnell in die Nordsee abgeleitet werden können. Ich unterstütze darum die Bemühungen, das Abflussvermögen der Elbe durch den Rückschnitt von Gehölzen zu verbessern, wie es auch der Landtag in einem Entschließungsantrag vom 6. März 2007 beschlossen hat. Eine Bilanz der bisherigen Maßnahmen zeigt deutlich, dass man in diesem Zusammenhang nicht von einem Kahlschlag sprechen kann. Ich bin zuversichtlich, dass wir bei den weiteren Gesprächen mit der EU-Kommission auch sie vor Ort davon überzeugen können.

Meine Damen und Herren, all das zeigt: Die Elbe mit ihren Herausforderungen liegt bei dieser Landesregierung in guten Händen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nächste Rednerin ist jetzt Frau BertholdesSandrock von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich an den Ton der Kollegin Somfleth denke, der mir doch ein bisschen trauervoll erschien, muss ich sagen: Die Stimmung derer, für die ich spreche, ist nicht so negativ - im Gegenteil.

Zu Recht sprechen Sie in Ihrer Großen Anfrage, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Bedeutung des Biosphärenreservats an und betonen, dass es um ein nachhaltiges Miteinander von Mensch und Natur geht. Das heißt, wir haben die

Natur zu achten. Aber ich sage Ihnen auch ganz klar - das ist für Biosphärenreservatspolitik außerordentlich wichtig -: Wir achten die Natur. Aber der Mensch ist nicht grundsätzlich ein Störenfried, den und dessen Tun man am besten aus der Natur heraushält, weil er sie nur stört und kaputt macht.

Ebenfalls ganz wichtig ist - das wird leider häufig vergessen -: Das Biosphärenreservat ist eine Kulturlandschaft. Das ist sie dank der Eingriffe des Menschen geworden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die Maßnahmen, die wir nun ergreifen, dienen nicht dazu, diese Kulturlandschaft in eine Urlandschaft zurückzuführen. Wir wollen die Kulturlandschaft erhalten. In diesem Sinne handelt auch die Landesregierung.

Insofern ist es Unsinn, zu behaupten, die Landesregierung sei seit Regierungsantritt untätig gewesen. Das Gegenteil ist der Fall. Sonst hätten Sie sich nicht so oft darüber aufgeregt. Es ist eine Menge geschehen. Zunächst musste überhaupt erst eine arbeitsfähige und dialogbereite Struktur innerhalb der Verwaltung geschaffen werden. Es sind unendlich viele Einzelmaßnahmen ergriffen worden, und zwar möglichst im Konsens. Das ist die wirkliche Arbeit gewesen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Elberadweg ist ausgeweitet worden. Es gibt touristische Förderung in erheblichem Ausmaße auf beiden Seiten der Elbe. Wer 35 Fragen stellt, kann eigentlich auch noch ein paar mehr stellen. Ich frage mich: Warum fragen Sie nicht auch einmal, welche Maßnahmen die Natur gefördert haben und gleichzeitig die Menschen näher an die Natur bringen? - Der Minister hat den Biberlehrpfad und das Seeadlerprojekt angesprochen, die ganze Reihe „Natur erleben“, die Stork Foundation in Preten.

Das Seeadlerprojekt ist übrigens eine ganz interessante Sache. Das ist vielleicht auch für den Minister interessant: Wenn sich heute Vertreter des NABU mit einer Schulklasse ablichten lassen, die sich mit dem Seeadlerprojekt beschäftigt und damit das Biosphärenreservat zum Lernort macht, dann steht natürlich nicht dabei, wer diesem Seeadlerprojekt überhaupt erst zum Leben verholfen

hat. Ich erinnere mich noch an unsere Besuche damals.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Minister hat es erwähnt: Auch der Biber ist zurückgekehrt. Als der Entbuschungserlass kam, stand in der ElbeJeetzel-Zeitung als großes Zitat von den Naturschützern: „Minister tötet Biberbabys“. Inzwischen geht es dem Biber dermaßen gut, dass er bei allen Maßnahmen, die die Deichverbände ergreifen, um seine Schäden zu vermeiden, auf solche biberfreundlichen Maßnahmen trifft, dass er sie glatt ignoriert. Dies hören wir bei jeder Deichschau.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich finde, dies sollte Sie eigentlich beruhigen. Die letzten Notizen dieser Art fanden sich vor einer und vor zwei Wochen in der Elbe-Jeetzel-Zeitung.

Meine Damen und Herren, wir sprechen dank besserer Wasserqualität heute von einem enormen Fischreichtum in der Elbe. Das ist auch gut so. In diesem Zusammenhang erwähne ich, dass die Landesregierung - hier erkenne ich das an, was das Landwirtschaftsministerium tut - z. B. mit Aalbesatzmaßnahmen und Ähnlichem natürlich auch im Interesse der Angler zu einem deutlichen Fischreichtum beitragen will.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was Sie auch nicht kennen, ist Folgendes - dazu könnten Sie einmal Ihren Bundestagsabgeordneten fragen, von dem ich jetzt spreche -: Es werden außerordentlich werbewirksame Maßnahmen wie die Kür des „Freien Elbfischers“ unterstützt. Nach den Ministern Ehlen und Sander ist es jetzt ein SPD-Bundestagsabgeordneter, der seine Sache gut macht, weil er sie gern macht und weil sie sinnvoll ist. Dies nur einmal dazu!

Die Elbe ist also ein lebendiger Fluss geworden, wenngleich natürlich auch mit Problemen; das steht nicht in Abrede. Aber dieser Fluss ist auch deswegen lebendig geworden, weil die Menschen und die Politik - d. h. für Niedersachsen: diese Landesregierung - ihm eine Chance gegeben haben.