Protokoll der Sitzung vom 10.07.2007

Meine Damen und Herren, mit der Einführung von Studienbeiträgen in Höhe von 500 Euro pro Semester haben wir in Niedersachsen für mehr soziale Gerechtigkeit in der Bildungsfinanzierung gesorgt. Im Ergebnis belasten wir nicht die ärmeren Schichten, sondern die reicheren Schichten unserer Gesellschaft zugunsten der Schwächeren. Das wird auch die Evaluation in 2010 zeigen. Ungeachtet dessen, dass Sie, liebe SPD-Opposition, hier weiterhin bei Ihrer Haltung gegen Studienbeiträge bleiben und bei aller Polemik immer noch meinen, dass das die richtige Position ist, stellt sich ganz klar dar, dass es die CDU ist und immer war, die für die soziale Gerechtigkeit in diesem Land sorgt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun hat für die FDP-Fraktion noch einmal der Abgeordnete Professor Dr. Zielke das Wort.

Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil ich einiges zu dem sagen will, was Frau Andretta hier ausgeführt hat.

Sie reden davon, dass wir die Ingenieure aus Osteuropa oder aus China herbeiholen wollen. Dazu sage ich: Ja, wir wollen das, weil wir einen Ingenieurmangel haben. Diesen Ingenieurmangel haben wir aber nicht, weil es Studienbeiträge gibt, sondern den Ingenieurmangel gab es auch schon vorher.

(Zustimmung bei der FDP)

In Niedersachsen sind in den entsprechenden Fächern mehrere Tausend Studienplätze nicht besetzt. Sie können Bildung nun einmal nicht wie Nahrungsmittel nach dem Motto „Dann isst man das, und dann hat man das“ verteilen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Studierenden müssen dabei mitmachen. Wenn sie es nicht tun, dann können Sie so viele Studienplätze anbieten und so kostenlos, wie Sie wollen; denn dann kommt eben niemand. Wenn man die

Arbeitskräfte, die man braucht, im eigenen Land nicht findet und wenn offensichtlich zu wenige bereit sind, das entsprechende Angebot anzunehmen, muss man eben nach anderen Dingen Ausschau halten.

Natürlich haben wir als 68er-Generation kostenlos studiert; ich bin kein 68er.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Der ist ja einer von uns!)

Wir haben natürlich kostenlos studiert. Jawohl, wir haben einen Vorteil gehabt. Aber auf wessen Kosten? - Zum Beispiel auf Kosten dessen, dass das Land Niedersachsen jetzt 50 Milliarden Euro Schulden hat, die wir erst einmal abbauen müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Lassen Sie mich noch etwas jenseits dessen sagen, was von den Kolleginnen und Kollegen der Opposition angemerkt worden ist. Zur Zukunft unserer Hochschulen gehört auch ein viel engeres Maß an Zusammenarbeit, und zwar auf organisatorischer wie auf inhaltlicher Ebene und auch dauerhaft zwischen Hochschulen und unserer Wirtschaft. Es ist eigentlich bedauerlich, dass sich zu Zeiten der letzten Landesregierung die Firma VW entschlossen hat, eine eigene Hochschule, eine VW-Uni, zu schaffen, statt das Angebot bei den staatlichen niedersächsischen Hochschulen zu belassen. Man hat offenbar gedacht: Das können wir besser! - Wir haben uns jetzt auf den folgenden Weg gemacht: Wir sagen, dass die staatlichen niedersächsischen Hochschulen gut sind, und wollen sie optimieren. Das wird auch geschehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung erhält nun Herr Minister Stratmann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf das eingehen, was hier seitens der Opposition mit viel Empathie vorgetragen worden ist. Ich meine, dass es in diesem Hohen Haus niemanden gibt, der nicht so wie Sie dafür eintritt und dafür kämpft, dass wir gerade im Bildungsbereich Chancengerechtigkeit - Sie würden von Chancengleichheit sprechen - herstellen.

Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Ministerpräsidenten 1971 mit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz die bis dato geltenden Studienbeiträge mit dem Ziel abgeschafft haben, die Bildungsmobilität im deutschen Hochschulwesen zu verbessern. 40 Jahre später stellen wir auch fest - liebe Frau Andretta, Sie haben insoweit richtig zitiert -, dass sich die Bildungsmobilität, also die Zahl der Arbeiterkinder an Hochschulen, wie man früher gesagt hätte, bzw. die Zahl der Kinder aus bildungsfernen Schichten an Hochschulen, wie man heute sagt, nicht verbessert hat, sondern dass wir im internationalen Vergleich immer noch schlecht dastehen.

Meine Damen und Herren, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es Länder gibt, in denen der Anteil von Arbeiterkindern an den Hochschulen trotz Studiengebühren höher als in Deutschland ist. Das, was ich hier gerade gesagt habe, ist ein Zitat, und dieses Zitat stammt von Sigmar Gabriel.

(Jörg Bode [FDP]: Aha!)

Dem kann ich im Prinzip inhaltlich nichts entgegensetzen.

Meine Damen und Herren, die SPD hat es in der Tat versäumt, eine Debatte darüber zu führen, was soziale Gerechtigkeit heute bedeutet. Beispielsweise dürfen Studiengebühren kein Tabu mehr sein. Berufstätige Akademiker mit hohem Einkommen können nach ihrem Studium einen Beitrag leisten. Wer aufgrund einer guten Ausbildung mehr verdient, kann auch höhere Lasten tragen. Diese Aussage stammt von Ihrem ehemaligen SPDBundesvorsitzenden Matthias Platzeck. Sie wissen, dass ich eine Vielzahl von Zitaten anfügen könnte, in denen kluge Sozialdemokraten eingestehen, dass der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz von 1971 eben nicht zu einer Verbesserung der Bildungsmobilität geführt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, sind diejenigen gewesen, die in dem Zusammenhang, beispielsweise in den Debatten, die wir im Vorfeld der Einführung von Studienbeiträgen zum Thema Bildungsmobilität geführt haben, immer zu Recht eingeräumt haben, dass das Thema Bildungsmobilität nicht singulär an der Frage der Studienbeiträge festgemacht werden kann, sondern dass das Thema Bildungsmobilität beispielsweise schon damit anfängt, wie wir die frühkindliche Erziehung gestalten. Das fängt im Kindergar

ten und in der Schule an, und die Auswirkungen sind dann an den Hochschulen sichtbar. Hier führen Sie die Debatte umgekehrt, weil Sie der Meinung sind, dass Ihnen das Thema Studienbeiträge im Wahlkampf unter der Überschrift „Chancengerechtigkeit“ die eine oder andere Stimme zuführen würde. Meine Damen und Herren, so unseriös können wir nicht miteinander umgehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war jetzt aber böse!)

Lassen Sie mich noch einige wenige Eckpunkte ansprechen. Die Hochschulen brauchen mehr Geld. Wegen der Haushaltsnotstände, die wir nach wie vor haben, ist realistischerweise nicht damit zu rechnen, dass dieser Finanzbedarf komplett über die Steuer finanziert werden kann.

Das gegenwärtige System hat die Ungleichverteilung von Chancen eher zementiert. Das Hochschulstudium ist in den letzten Jahren gerade für Angehörige aus nichtakademischen Kreisen eher abschreckend gewesen.

Hinzu kommt: Die Steuern, mit denen die Hochschulen finanziert werden, stammen zu einem erheblichen Teil aus dem Aufkommen geringverdienender Arbeitnehmer. Lösungsvorschlag, meine Damen und Herren: moderate Studiengebühren, sozialverträglich. - Auch das, liebe Frau Dr. Andretta, waren eben nicht meine Sätze, wie Sie vielleicht gemerkt haben, sondern das sind Sätze, die aus einem Eckpunktepapier vom Oktober 1999 stammen, überschrieben mit „Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur Thomas Oppermann“. Thomas Oppermann hat damals schon erkannt, worum es geht; ihm war klar, dass wir uns dies nicht so einfach machen können.

Meine Damen und Herren, Folgendes freut mich besonders: In Zeiten wie diesen und angesichts unserer heutigen technischen Möglichkeiten ist Kommunikation für Politiker ein ganz entscheidendes Moment. Ich habe jetzt zum dritten Mal alle Studierenden in Niedersachsen angeschrieben und sie um Hinweise und Verbesserungsvorschläge gebeten, was die Allokation der Einnahmen anbelangt. Ich bin ganz ehrlich: Ich war gespannt, ob ich unter Umständen an jedem Tag 500 Mails zurückbekomme, die vor allen Dingen beleidigenden Charakter haben. Ich kann Ihnen sagen, dass nicht eine dieser Mails beleidigenden Charakter

hatte. Durch die Bank sind sehr konstruktive Vorschläge gemacht worden.

(Glocke des Präsidenten)

Die Studierenden freuen sich nicht alle; das will ich überhaupt nicht bestreiten. Wir hätten uns auch nicht gefreut, wenn wir monatlich 85 Euro hätten mehr bezahlen müssen. Aber ich glaube, dass von der breiten Mehrheit der Studierendenschaft anerkannt wird, dass diese Gebühr zu tatsächlichen Verbesserungen führt. Daher ist sie bereit, sich daran zu beteiligen, wenn es um den sinnvollen Einsatz der Mittel an den Hochschulen geht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass schon in wenigen Jahren selbst diese Opposition dieses Thema nicht mehr auf die Agenda setzt. Dann werden übrigens auch alle Wahlkämpfe gelaufen sein, und wir können wieder in eine ruhige und sachliche Debatte eintreten. Ich bitte Sie herzlich darum. Es geht hier um nicht mehr und nicht weniger als um die Finanzierung der Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder. Ich möchte, dass sie optimale Studienbedingungen vorfinden, damit sie den internationalen Wettbewerb bestehen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Früher stand in der Geschäftsordnung, dass man sich nach der Rede eines Regierungsmitglieds noch einmal zu Wort melden darf. Aber weil dies immer unklar war, sind die Geschäftsführer übereingekommen, dass nur dann, wenn die Redezeit durch die Landesregierung nicht wesentlich überschritten worden ist, eine zusätzliche Redezeit zuzulassen ist. Die Redezeit der SPD-Fraktion ist allerdings schon längst überschritten.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Scha- de!)

Meine Damen und Herren, es gibt also keine weiteren Wortmeldungen mehr zum Tagesordnungspunkt 2.

Der Abgeordnete Rickert hat sich zu einer Persönlichen Bemerkung nach § 76 der Geschäftsordnung gemeldet. - Herr Abgeordneter, Sie kennen den Inhalt dieses Paragrafen; ich brauche ihn nicht weiter vorzulesen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem Tagesordnungspunkt „Zusammenarbeit mit politischen Radikalen“ hat Kollege Bartling behauptet, die FDP-Fraktion im Rat der Stadt Oldenburg arbeite mit der PDS zusammen. Als Mitglied der FDP in Oldenburg weise ich dies entschieden zurück.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Was?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir gewinnen diese Debatten nicht, wenn wir ständig mit dem Finger auf andere zeigen.

(Beifall bei der FDP - Lachen bei der SPD - Zuruf von der SPD: Herr Strat- mann hat dies bestätigt!)

Herr Briese, wollen Sie eine persönliche Bemerkung machen? - Bitte sehr.

Als Mitglied des Rates der Stadt Oldenburg,

(Zuruf von der CDU: Wo ist denn die Anrede? - Es geht mit „Herr Präsi- dent“ los!)

dem Herr Rickert nicht angehört, erkläre ich, dass die FDP in Oldenburg mit der Linkspartei gemeinsam den Haushalt beschlossen hat und es dazu Vorgespräche gegeben hat.

(Aha! bei der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich rufe nun auf