Der volkswirtschaftliche Schaden durch Tabakkonsum wird durch die Bundesregierung auf 20 bis 80 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Der Schutz der Volksgesundheit ist nicht nur ein wichtiges Gut, sondern auch ein Verfassungsauftrag. Trotzdem ist es der Tabaklobby und anderen mächtigen Wirtschaftszweigen bis Anfang dieses Jahres gelungen, jede gesetzliche Regelung in Deutschland zu verhindern. Meine Damen und Herren, wenn es nach den Herren Wulff und Hirche gegangen wäre, dann hätte sich bis heute nichts daran geändert.
„Niedersachsens FDP schließt ein Ja der Landesregierung zu einem gesetzlichen Rauchverbot in Gaststätten aus.“
Meine Damen und Herren, genau das werden wir heute beschließen, vermutlich auch mit der Stimme von Herrn Hirche.
Noch dynamischer sind allerdings die wirklich unnachahmlichen Loopings des Herrn Ministerpräsidenten in dieser Frage. Der sogenannte Nichtrauchergipfel von Bund und Ländern wurde nach Hannover geholt. Gleichzeitig musste die zuständige Sozialministerin aufmerksam die Medien verfolgen, um bei dem täglichen Positionswechsel ihres Chefs immer auf der Höhe der Zeit zu sein.
„Hatte Wulff noch vergangene Woche bekunden lassen, dass er seiner Ministerin keineswegs in den Rücken
So steht es am 15. Februar in den meisten Zeitungen. Im Kern soll jeder Gastwirt selbst entscheiden, ob rauchfrei oder nicht. Was stören da die wehrlosen Beschäftigten? - Die müssten da ja nicht arbeiten.
Damit nichts anbrennt, nimmt Herr Wulff selbst vorsichtshalber weitgehend an der Sozialministerkonferenz teil. Danach allerdings überschlagen sich die Aussagen des nun als Robin Hood der deutschen Gaststättenfunktionäre völlig entfesselt auftretenden Ministerpräsidenten. Einige Beispiele: Neue Osnabrücker Zeitung vom 3. März:
(Norbert Böhlke [CDU]: Nicht immer nach hinten gucken, sondern nach vorne ausrichten! Nicht immer in der Vergangenheit herumsuchen!)
- Herr Böhlke, ich kann nichts dafür, dass Ihr Ministerpräsident einen solchen Amoklauf hatte. Ich zitiere das nur.
„Dennoch fällt auf, dass es die Niedersachsen gesundheitspolitisch ganz besonders vergurkt haben in der Raucherrepublik Deutschland.“
Wulff tanzte bundesweit wieder einmal aus der Reihe, ohne sagen zu können, warum eigentlich. Mit Ausnahme der Gastronomie hagelte es daraufhin bundesweit Proteste. Die Regierung sieht sich
gezwungen, ihren Gesetzentwurf vollständig zu überarbeiten. Aber selbst das geht in der Eile wieder schief. So titelt Die Welt am 25. April erneut:
Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident hatte sich hinreichend als Fähnchen im Wind entlarvt und zog es fortan vor, sich zumindest in der Öffentlichkeit zu diesem Thema nicht mehr zu äußern. In der Sache war dies übrigens sehr hilfreich. Die Regierung wollte das Gesetz nun geräuschlos und möglichst schnell vom Tisch haben.
Die SPD-Fraktion hatte bereits im September 2006 einen umfassenden Antrag mit dem Thema „Nichtraucher schützen - Jugendschutz verbessern“ vorgelegt. Wir wollten darin einen umfassenden Nichtraucherschutz, der Menschen davor bewahrt, sich unfreiwillig den Gesundheitsschädigungen des Tabakrauchs aussetzen zu müssen, wobei wir ein besonderes Augenmerk auf Kinder, Jugendliche und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen gelegt haben. Auf dieser Basis haben wir uns trotz der unrühmlichen Vorgeschichte der Landesregierung als Opposition konstruktiv in die Gesetzesberatung eingebracht.
Der im Ausschuss erarbeitete Kompromiss wird seine Praxistauglichkeit allerdings erst noch unter Beweis stellen müssen. Besonders wichtig waren uns die Regelungen für Kinderspielplätze, wobei die Gefahren dort vor allem vom Zigarettenmüll ausgehen, und in den Bereichen, in denen Lebensmittel offen verkauft werden, wie z. B. in Markthallen.
Gerne hätten wir auch Apotheken, Arztpraxen und nicht erfasste Einrichtungen der Jugendhilfe geschützt. Dennoch haben wir den Kompromiss daran genauso wenig scheitern lassen wie an der von CDU und FDP gewünschten Übergangsregelung im Vollzug des Gesetzes. Hier ist die Koalition erneut dem Gaststättenverband deutlich entgegengekommen: Bußgelder bei Verstößen gegen das Gesetz können erst ab 1. November 2007 erhoben werden. Gerade Äußerungen heute deuten darauf hin, dass maßgebliche Verbandsvertreter dies als Freibrief für Gesetzesverstöße verstehen und ihre Mitglieder offen zum Rechtsbruch aufrufen. Dieses, meine Damen und Herren, deutet darauf hin, dass Sie von Gesundheitsschutz nichts
verstanden haben. Ohnehin ist es ein Ding aus dem Tollhaus, wenn führende Verbandsjuristen deutlich machen, wie man mit Gesetzen in Deutschland umzugehen gedenkt.
Wir hoffen, dass diese Passage nicht eingebaut worden ist, um für den Ministerpräsidenten einen neuen Salto vorzubereiten. Sollte dieses so sein, verspreche ich Ihnen ab November eine lebhafte neue Debatte.
Die Deutsche Lungenstiftung hat gerade vergangene Woche auf aktuelle alarmierende Untersuchungen zum Rauchverhalten von Kindern und Jugendlichen hingewiesen. An dieser Studie waren 3 000 Schülerinnen und Schüler an Schulen in Hessen, Bayern und auch Niedersachsen beteiligt. Danach rauchen zwischenzeitlich 12 % der 11- bis 14-Jährigen. Jeder Zweite ist bereits ein starker Raucher.
Mit Verabschiedung dieses Gesetzes ist unsere Verantwortung nicht zu Ende, sondern sie beginnt. Wir erwarten von der Landesregierung eine bessere, regelmäßige gesundheitliche Aufklärung an unseren Schulen über die Folgen des Nikotins. Wir erwarten ein Verbot von Tabakwerbung in und an Gebäuden des Landes Niedersachsen. Wir erwarten den Verzicht von Sponsoring durch die Tabakindustrie bei Veranstaltungen des Landes Niedersachsen. Vor allem erwarten wir eine uneingeschränkte zeitnahe Durchsetzung dieses Gesetzes.
Meine Damen und Herren, uns ist klar, dass dieses Gesetz ohne den nahenden Landtagswahltermin so nie zustande gekommen wäre. In der Regierungs- und Fraktionsführung wollten Sie bei diesem für Herrn Wulff unangenehmen Thema Ruhe. Das verstehe ich. Allerdings bin ich mir sicher: Dieser Wunsch wird sich nicht erfüllen. Im Zweifel sorgt ein zusehends unberechenbarer und übertourender Ministerpräsident schon ganz allein für neue Verwirrung.
- Das ist nicht albern, wenn man Herrn Wulff gestern und heute hier im Parlament erlebt hat. Das war sehr eindrucksvoll.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist nicht durch diese, sondern trotz dieser Regierung zustande gekommen. Das hat der Sache gut getan. Von daher werden wir den Kompromiss heute so mittragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Nichtraucherschutzgesetz, das wir heute gemeinsam verabschieden wollen, sind wir als erstes Bundesland in Deutschland dabei, für einen wirksamen Schutz von Nichtrauchern und vor Passivrauchen zu sorgen. Es ist gut, dass alle Fraktionen zustimmen werden.
Das gesamte Prozedere des Gesetzesvorhabens ist allerdings nicht ganz einfach gewesen; denn wir haben hier gesetzlich Neuland beschritten. Das ist in der Beratung immer wieder deutlich geworden. Es geht nämlich in diesem Fall darum abzugrenzen, wo Private geschützt werden müssen und wo es öffentlich notwendig ist, Nichtraucher vor Gefahren von Passivrauchen zu schützen.
Es ist gut - das betone ich an dieser Stelle -, dass das Gesetz „Nichtraucherschutzgesetz“ und nicht „Rauchverbotsgesetz“ heißt. Auch das wurde in der Diskussion manchmal fast vermischt. Es geht hier nicht darum, das Rauchen bei uns in Deutschland zu verbieten. Wer erwachsen ist und weiß, dass Rauchen nicht gesund ist, kann sich dennoch bei uns frei dazu entscheiden, das zu tun, im privaten Bereich sowieso.
Weil wir wissen - darauf hat Herr Schwarz zu Recht hingewiesen -, dass Passivrauchen nachweislich sehr ungesund ist und gerade auch kindliche Organismen besonders stark schädigen kann, müssen wir genau dort eingreifen. Wir haben das als Niedersachsen schon getan, indem wir vor einiger Zeit Nichtrauchen in der Schule bereits zum Gebot erhoben haben. Da waren wir das erste Land.