Protokoll der Sitzung vom 12.09.2007

Wir werden das nicht durchgehen lassen, liebe Kollegen von der SPD. Wir erwarten Taten. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Parteifreund Müntefering nicht nur redet, sondern endlich auch handelt!

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Richtig!)

Lassen Sie nicht nur Herrn Bachmann hier im Plenum in dieser Frage die SPD als Wolf im Schafspelz darstellen, sondern sorgen Sie dafür, dass etwas passiert! Denn das Wasser, das Franz Müntefering bisher ausgeschenkt hat, ist halt ohne Sprudel, es prickelt nicht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Das Wort hat jetzt der Kollege Bachmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bode, als Sie vom „Wolf im Schafspelz“ sprachen, dachte ich, Sie reden von Herrn Schünemann. Das muss ich irgendwie missverstanden haben.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Da haben Sie falsch gedacht!)

Zunächst einmal ist eines Fakt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Es ist eine sehr schwierige Gemengelage, wenn man versucht, in der Diskussion über das Zuwanderungsrecht, bei der ersten Runde der Gesetzgebung und auch jetzt in der Aktuellen Stunde allen Anforderungen und Ansprüchen gerecht zu werden. Wir sollten hier keine Schuldzuweisungen vornehmen, ohne die Gründe für die Debattenlage zu nennen.

In einer Zeit mit immer noch hoher Arbeitslosigkeit, besonders Jugendarbeitslosigkeit, sollten Sie, Herr Bode, sich vielleicht an die eigene Nase fassen; denn Sie hätten hier in Niedersachsen noch genug Möglichkeiten, Entscheidendes zu tun. Aber Sie sitzen das weitestgehend aus.

(Zustimmung bei der SPD)

Bei einer hohen Arbeitslosigkeit unter älteren und auch jüngeren Menschen und einem hohen Anteil von Migrantinnen und Migranten, die bei uns leben, ist die Debatte über die Zuwanderung von Fachkräften sicherlich sinnvoll, weil im Einzelfall Bedarfe ergänzt werden können. Aber primär müssen wir doch daran arbeiten, dass wir denen, die in diesem Lande leben und keine Arbeit haben - da schlummern exzellente Talente -, die Chance auf

Ausbildung und auf Integration in den Arbeitsmarkt geben. Das war immer der Ansatz von Franz Müntefering.

(Zustimmung bei der SPD)

Auch diese Gründe müssen Sie einmal nennen. Wir haben über die Frage der schlummernden Talente gerade in der Ausländerkommission debattiert. Ihr Ministerpräsident äußert sich in gleicher Weise und sagt: „Da müssen wir etwas tun.“ Praktisch tun Sie aber zum Beispiel mit der Einführung von Studiengebühren das Gegenteil.

(Zustimmung bei der SPD - Wider- spruch bei der CDU und bei der FDP)

Sie verdrängen die, die an unseren Universitäten für die Entwicklungshilfe ausgebildet werden,

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Hat Ihr Re- denschreiber die Manuskripte ver- wechselt?)

mit der im Zuwanderungsrecht 1 enthaltenen Option der einjährigen Arbeitssuche, um hier auf dem Arbeitsmarkt Funktionen zu finden, von unseren Universitäten. Durch Ihre praktische Politik werden Talente verdrängt. Das ist der Widerspruch zwischen Ihrem Reden und Ihrem Handeln, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist hanebüchen!)

Und noch etwas möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen, Herr Bode: Wäre man bei der Runde über das Zuwanderungsrecht 1 damals den Vorschlägen der rot-grünen Bundesregierung gefolgt, hätten wir seit Jahren in Deutschland ein Punktesystem für die Bewertung geplanter Zuwanderung.

(Zustimmung von Georgia Langhans [GRÜNE])

Das ist an der CDU und der CSU gescheitert. Nennen Sie doch auch die Verantwortlichen, die die Zuwanderung Qualifizierter vor Jahren in die Tonne getreten haben!

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will der FDP nicht absprechen, dass sie in Fragen des Ausländerrechts und des Zuwanderungsrechts inhaltlich oft nahe an unserer Seite steht. Man kann mit der FDP darüber eher diskutieren kann als mit ihrem Koalitionspartner hier im Hause. Es reicht auch

nicht, wenn man ein Türschild auswechselt, Herr Schünemann. Sie nennen sich jetzt „Minister für Integration“, haben sich aber in der Vergangenheit einen Namen als „Minister für Abschiebung“ gemacht.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie haben es zu verantworten, dass mit obskuren Anhörverfahren in der ZASt Braunschweig - lesen Sie die Braunschweiger Zeitung - ein negativer Blick auf Niedersachsen gerichtet wird. Für die Menschen, die ernsthaft daran interessiert sind, als Fachkräfte zu uns zu kommen, ist das Klima in Niedersachsen nicht gut. Dann ist es kein Wunder, dass viele der offensichtlich auch von Ihnen gewollten Zuwanderer einen großen Bogen um unser Land machen. Wenn wir uns wirklich als Einwanderungsland bekennen wollen, dann muss die Ganzheitlichkeit von Ausländer- und Integrationspolitik auch mit einer humanitären Flüchtlingspolitik übereinstimmen. Nur dann haben wir auch die Chance der Akzeptanz, nur dann wird man Niedersachsen für ein integrationsfreundliches Land halten. Die Realität in diesem Land ist aber eine andere, und deshalb kommen viele Fachkräfte nicht in unser Land, sondern machen diesen großen Bogen.

Herr Schünemann, in aller Ernsthaftigkeit: Bevor Sie sich „Integrationsminister“ nennen können, müssen Sie erst einmal daran arbeiten, dass Sie das Schild „Minister für inhumane Flüchtlingspolitik“ loswerden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Knapp fünf Monate nach der letzten von der FDP-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde für mehr Zuwanderung von Hochqualifizierten versucht die Fraktion heute erneut, mit diesem Instrument das öffentlich zu verkünden, was sie in der Koalition mit der CDU in unserem Land nicht hinbekommt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es war auch beim letzten Mal fast rührend, Herr Bode - ich habe das Protokoll noch einmal nach

gelesen -, aber vor allem wenig glaubwürdig. Sie haben hier eben die Zahl von 48 000 unbesetzten Ingenieurstellen in Deutschland wiederholt. Beim letzten Mal haben Sie noch von den Vorteilen der hohen Ausländerquote in Baden-Württemberg für Wachstum und Innovation gesprochen. Es bleibt ein unauflösbarer Widerspruch für Sie, weil Sie andererseits durch den von Ihnen mitgetragenen Innenminister für die Abschreckungspolitik gegen Zuwanderung in Niedersachsen voll mitverantwortlich zeichnen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Opposition in der Koalition funktioniert nicht, vor allen Dingen nicht von diesem Podium hier vorne aus.

Sie haben durch Ihre gemeinsame Politik mit dem sogenannten Hochschuloptimierungskonzept, durch das viele Studienplätze verloren gegangen sind, und durch die Einführung der Studiengebühren voll mitzuverantworten, dass Niedersachsen gegenüber den anderen westlichen Bundesländern Wanderungsverluste insbesondere beim akademischen Nachwuchs hat.

In Ihrem Werben für mehr Zuwanderung und Qualifizierung geben wir Ihnen ja grundsätzlich recht. Da laufen Sie bei uns Grünen ohnehin alle offenen Türen ein. Aber sorgen Sie doch bitte zunächst einmal dafür, dass die Qualifizierten, die schon hier bei uns sind, von Herrn Schünemann nicht vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden und in vielen Fällen sogar zwangsweise wieder zurückgeschickt werden!

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

In der vorigen Debatte haben Sie gerufen: „Wer denn? Nennen Sie Beispiele!“ Da Sie selbst offenbar die Situation vieler Menschen in unserem Land gar nicht so genau kennen, will ich Ihnen kurz einige Schicksale, mit verursacht durch Ihre Politik, schildern:

Nehmen wir zum Beispiel ein Ehepaar aus dem Iran. Beide Eltern sind studierte Informatiker, Mitte 30. Sie haben sich Ende 2005 wegen ihrer Gefährdung als Christen im Iran in Niedersachsen um eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis bemüht. Ich wiederhole: Informatiker, Mitte 30. Im November 2005 lehnten Sie die Petition mit den Stimmen der CDU hier in diesem Hause endgültig ab. Fachkräftemangel war für Sie da kein Problem.

Oder nehmen wir ein bulgarisch-libanesisches Ehepaar aus Hemmingen, er Ingenieur, sie Zahnärztin, zwei Kinder - ein gelungenes Beispiel für Integration. Alle sprachen gut deutsch, waren hier in Schule und Vereinen sehr beliebt. Aber es wurde keine Arbeitserlaubnis gewährt, von der Anerkennung ihrer Abschlüsse ganz zu schweigen. Die Petition der Familie wurde im Oktober 2005 von der Mehrheit hier im Hause abgelehnt. Die Familie wurde nach Bulgarien abgeschoben.

Sie sorgen sich um Fachkräftemangel? - Machen Sie etwas hier im eigenen Hause!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Signale aus der Regierungskoalition von CDU und FDP zu einem neuen Verständnis von Zuwanderung und der Notwendigkeit verbesserter Anerkennung und Integration bleiben doch nur symbolische Gesten ohne Wirkung in der Breite, so z. B. der Unterbietungswettbewerb zwischen Herrn Schünemann und Herrn Hirche um die Einkommensgrenze zur Integration. 25 % weniger oder 50 % weniger sind kein Maßstab für sachgerechte Lösungen beim Einkommen zugewanderter Fachleute im Hinblick darauf, ob sie hierbleiben können.

Da bin ich schon eher bei dem von Ihnen eben zitierten Herrn Müntefering mit seiner Neupositionierung in der Bild am Sonntag. Das Punktesystem wie in Kanada oder Australien mit einer Zuwanderungskommission, die das steuert, hat sich bewährt. Dabei ist sinnvollerweise gar keine Einkommensgrenze nötig. So hat es auch Herr Müntefering, wenn man das Zitat weiterliest, gesagt. Dahin muss unser Weg gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Werfen wir hinsichtlich Ihrer Symbolpolitik noch einen Blick auf das Bemühen von Herrn Stratmann, einen Teil der Lorbeeren des Studienganges „Interkulturelle Bildung und Beratung“ an der Universität Oldenburg - zur Erhöhung der Berufschancen von hoch qualifizierten Migranten auf dem Arbeitsmarkt - für die Landesregierung zu reklamieren! Er war damit vor zwei Wochen gut in der Presse. Zunächst einmal ist das natürlich eine gute Sache, die bisher aber ohne Landesgeld allein über den Europäischen Flüchtlingsfonds finanziert worden ist. Zudem sind 24 Studierende im Verhältnis zu dem Problem, das wir haben - Ingenieurmangel, 48 000 unbesetzte Stellen -, natürlich nichts weiter als ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn die Landesregierung das Ange

bot nun ausbauen will, dann erwarten wir auch die Benennung konkreter Fördersummen und konkreter Ausbauziele, und zwar über den bisher über die EU gesicherten Finanzierungsrahmen - bis September 2008 - hinaus. Herr Bode, da müssen Sie etwas machen, und zwar ordentlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor wir auch in kommenden Aktuellen Stunden von der FDP als Opposition in der Koalition hier in Niedersachsen zu hören bekommen, was sie alles gerne machen möchte, aber in der Praxis nicht hinbekommt, empfehle ich ihr zunächst eine grundsätzliche Erneuerung ihrer tatsächlichen Politik im Segment „Zuwanderung und Integration“. Sonst bleiben das hier Fensterreden, die keinem nützen, aber viele Enttäuschungen bei denen verursachen, die Ihnen vielleicht zunächst noch glauben, was Sie hier sagen, Herr Bode. - Vielen Dank.