Protokoll der Sitzung vom 17.10.2007

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Bernd Althusmann [CDU]: Das sagt etwas über die Qualität des Kandida- ten!)

In dieser wirklich so wichtigen Frage geht es nicht einfach nur um Systeme, sondern es geht darum, wie wir die Bildungsqualität verbessern. Dazu habe ich nichts von Ihnen gehört; das ist schade.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben nahezu fünf Jahre Diskussionen über Bildungspolitik hinter uns. Die Opposition hatte immer wieder Interesse daran, eine neue Diskussion zur Schulstruktur anzuzetteln. Das ist Ihnen gelungen. Aber ich glaube nicht, dass Sie darauf stolz sein können.

(Zuruf von der SPD: Das sagen Sie einmal Herrn Wulff!)

Ich nutze erneut die Gelegenheit, für die FDPFraktion festzustellen: Entscheidend für den Erfolg im Bildungswesen sind zuerst die Antworten auf die Fragen: Mit welchem Personal erreiche ich die Schüler, und mit welchen Inhalten biete ich den Schülern etwas an, damit die Bildungsqualität verbessert wird?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist nicht in erster Linie die Frage: In welchem System tue ich das?

(Walter Meinhold [SPD]: Was hat denn Herr Wulff gesagt?)

Herr Meinhold, wenn ich die heutigen Kommentare in der Presse richtig interpretiere, dann stehen wir mit unserer Auffassung nicht alleine dar.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deshalb bedauere ich diese langwierige und zähflüssige Diskussion nicht nur, sondern ich halte sie für schädlich und falsch; denn sie wird auf dem Rücken der Kinder ausgetragen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ihnen liegt offensichtlich mehr an der politischen Wirkung als an Fragen: Wie gelingt es, Stärken unserer Kinder aus- und Schwächen abzubauen? Durch welche Maßnahmen verbessern wir eigentlich die Chancen unserer niedersächsischen Kinder auf dem Arbeitsmarkt? - Nun diskutieren wir erneut einen Antrag zur Schulstruktur.

Herr Schwarz, gestatten Sie eine Frage?

Nein. - Ich erinnere daran, dass wir von der FDP uns in den Koalitionsverhandlungen dafür ausgesprochen haben, den ca. 60 bestehenden Gesamtschulen Bestandsschutz zu gewähren. Insofern haben wir als FDP in dieser Frage überhaupt keine Berührungsängste.

Herr Ministerpräsident Wulff hat die Signale insbesondere in den Ballungsgebieten aufgenommen und dabei noch am vergangenen Mittwoch in Celle beim SLVN unmissverständlich deutlich gemacht, dass es in Niedersachsen beim gegliederten Schulwesen als Regelschule bleiben wird. Die FDP begrüßt diese Aussage. Das heißt nämlich nichts anderes, als dass in der Bildungspolitik in Niedersachsen Kurs gehalten wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Gleichwohl gibt es keine Veranlassung, sich in regional begrenzten Einzelfällen einer Diskussion um die Neugründung einer Gesamtschule zu verschließen - Einzelfälle deshalb, weil es schlicht nicht möglich ist, zwei Systeme parallel erfolgreich zu installieren. Allerdings steckt auch hier der Teufel im Detail. Wir wollen zwingend nicht die Bildungslandschaft dem freien Spiel der politischen Kräfte vor Ort überlassen.

(Heinrich Aller [SPD]: Oder dem Wettbewerb!)

Im ungünstigsten Fall, Herr Aller, hieße das nämlich, dass Bildung zum Spielball von ideologischen Machtkämpfen in Landkreisen und Städten wird, betrieben von fachfremden Kommunalpolitikern, die vermeintlich nur das Beste für ihre Gebietskörperschaften wollen und das Interesse des Kindes hintanstellen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Heinrich Aller [SPD]: Das ist ja un- glaublich! - Dorothea Steiner [GRÜ- NE]: Was sagen wir denn den Kom- munalpolitikern? - Glocke der Präsi- dentin)

Wir stellen fest, dass es zahlreiche Gesamtschulen gibt, die ihre Möglichkeiten nicht ausgeschöpft haben, wenn es um die Zügigkeit ihrer Schulen oder um die Errichtung von Außenstellen geht.

Richtig überzeugende Antworten auf diesen Umstand haben wir bisher kaum gehört.

(Heinrich Aller [SPD]: So definieren Sie Elternwillen? Das ist ja unglaub- lich!)

Die demografische Entwicklung ist zur Kenntnis zu nehmen. Wir sprechen uns dafür aus, eher Schulformen kooperieren zu lassen als einen Schulstandort zu schließen. Aber Voraussetzungen für die Einrichtung neuer Gesamtschulen müssen schon formuliert werden. Dazu sind einige Fragen zu berücksichtigen, beispielsweise: Werden durch Neugründungen bestehende Schulen in ihrer Existenz gefährdet? Liegt eine ausreichende Anzahl von Anmeldungen auch mit Perspektive für diese Schulform vor?

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Das ist ja interessant!)

Und, ganz wichtig: Wird die politische Entscheidung vor Ort im Einvernehmen mit Schule und Eltern mit einer deutlichen Mehrheit getroffen? - Das sind nur einige Fragen, die zu klären sind. Sind diese Fragen nicht geklärt, werden wir auch einer Gesetzesänderung nicht zustimmen.

Jetzt noch ganz kurz zum Stichwort „Elternwille“. Bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, verkommt dieser Begriff zur Floskel. Ihre Definition von „Elternwille“ ist doch sehr willkürlich. Zwar sind einige Anmeldezahlen für die Gesamtschulen in einigen Städten noch höher als das derzeitige Angebot. Aber es ist doch absolut lächerlich, daraus einen Elternwillen für die neunjährige Einheitsschule zu konstruieren, wie zu lesen war.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Am Rande sei übrigens bemerkt: Im Landkreis Diepholz haben wir im Bereich Weyhe einen interessanten Trend zu registrieren. Dort melden sich Kinder von der KGS ab oder werden abgemeldet und gehen zum Gymnasium. Was machen Sie eigentlich mit diesem Elternwillen?

Noch etwas. In der Gesamtschuldebatte im Juli dieses Jahres haben Sie moniert, dass es in 7 der 16 Bundesländer kein gegliedertes Schulsystem mehr gibt und dass zunehmend Bundesländer dazu tendieren würden, integrative Systeme zu schaffen. Nur Niedersachsen würde sich nicht bewegen, hatte Frau Eckel gesagt. Dabei führen

Sie immer wieder die PISA-Studie an, weil Sie dort die vermeintliche Heiligsprechung der Einheitsschule zu finden glauben. Sie wollen aber nicht wahrhaben, dass PISA zeigt, dass die Leistungen in den Bundesländern, in denen jahrelang die SPD regiert hat, am stärksten von der sozialen Herkunft abhängen und dass die Leistungen in den Bundesländern, in denen jahrelang schwarze oder schwarz-gelb geführte Landesregierungen amtieren, in Bayern oder in Baden-Württemberg, am wenigsten an die soziale Herkunft gekoppelt sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Schauen Sie doch bitte einmal ganz genau hin, wo Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus Arbeiterfamilien erfolgreicher lernen. Wer verdrängt hier eigentlich was?

Nach unserer Überzeugung erreicht man Bildungsgerechtigkeit, wenn man von den Kindern Leistung einfordert und sie entsprechend ihrer Begabung fördert. Es gilt aber weiterhin unsere Aussage: Entscheidend ist nicht in erster Linie das System, sondern sind die Fragen, wie es der Lehrkraft gelingt, den Zugang zu den Schülern und Schülerinnen zu finden, und welche Inhalte man anbietet, um den Nachwuchs insgesamt zukunftsfähig zu machen. - Da sind wir auf dem richtigen Weg. Wir können gerne über neue Gesamtschulen reden. Aber wir werden es nicht zulassen, dass ein zweites System etabliert wird, das die Vielfalt in unserer Schullandschaft verdrängt und kaputt macht. Wir wollen bei PISA weiter nach oben und nicht nach unten. Wenn ich mich nicht irre, ist auch das Elternwille.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Fazit, meine sehr verehrten Damen und Herren: Endlich Schluss mit der Schulstrukturdebatte.

(Walter Meinhold [SPD]: Der Minister- präsident hat damit angefangen!)

Vielfalt statt Einfalt in unserer Schullandschaft. Deshalb Verhinderung der Einheitsschule. Stattdessen eine niedersächsische Lösung mit Wettbewerb im Bildungswesen!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat sich Frau Steiner zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, in Ihren Aussagen zum Elternwillen und der Bewertung der Schüler und Schülerinnen hat mich ein Wort sehr hellhörig gemacht. Sie hatten „Schüler mit Perspektiven“ und „Schüler ohne Perspektiven“ genannt und gesagt, es gebe Schulen, in denen Schüler ohne Perspektiven aufgenommen würden, was Sie verhindern wollten. - Ich höre hier andeutungsweise, dass Sie die Misserfolge im gegliederten Schulsystem und die stabile Trennung noch zementieren wollen, indem Sie Schuleingangsprüfungen und Tests einführen, bevor Kinder z. B. das Gymnasium oder die Realschule besuchen. Das allerdings wäre genau der Weg in die extrem falsche Richtung, weil Sie die Abschottung dadurch noch verstärken würden. Ich möchte, dass Sie sich jetzt klar positionieren und sagen, dass Sie nicht nur keine Gesamtschulen und keine gemeinsamen Schulen wollen, sondern dass sie auch noch die Trennung durch die Einführung einer Eingangsprüfung zementieren wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt hat Herr Schwarz Gelegenheit, darauf anderthalb Minuten zu reagieren.

Verehrte Frau Präsidentin! Frau Steiner, ich habe in der letzten Woche Gelegenheit gehabt, mit Ihnen eine Podiumsdiskussion zu bestreiten. Auch da hatte ich festgestellt, dass Sie nicht richtig zuhören können. Heute bestätigen Sie meinen Eindruck.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn ich in diesem Zusammenhang über Perspektive spreche, dann heißt das, dass es für die neu einzurichtenden Schulen eine Perspektive geben muss und dass in diesen Schulen jeder Schüler und jede Schülerin eine Perspektive für die Zukunft hat. Ich finde, dass das nichts Verwerfliches ist, einfach dazu gehört und genau so sein muss.

(Jürgen Lanclée [SPD]: Das sind doch Selbstverständlichkeiten!)

- Aber nicht für Frau Steiner. Dann muss ich es ansprechen. - Ich habe an dieser Stelle mehrfach deutlich gemacht, dass wir ein Bildungswesen wollen, in dem Vielfalt und nicht das besteht, was Sie wollen. Sie wollen eine Einheitsschule für alle, bei der alle Eltern gezwungen werden, ihre Kinder in ein gemeinsames System zu stecken. Das wollen wir nicht. Wir wollen in der Frage die Richtung beibehalten, die wir eingeschlagen haben und die erfolgreich ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dorothea Steiner [GRÜNE]: Frage nicht beantwortet! - Unruhe)

Jetzt hat Herr Minister Busemann das Wort. - Bevor Herr Busemann redet, bitte ich die Abgeordneten, sich auf ihre Plätze zu begeben und die Stühle nicht in den Gang zu stellen.