Protokoll der Sitzung vom 18.09.2003

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Früher nannte man das „Gesamthoch- schule“! Da haben Sie das bekämpft!)

- Herr Jüttner, ich wusste, dass das kommen würde. Aber ich kann diesen Zwischenruf überhaupt nicht nachvollziehen. Denn nach meiner Erinnerung ging es bei Gesamthochschulen immer um eine inhaltliche Verzahnung und weniger um eine administrative Verzahnung. Gegen diese inhaltliche Verzahnung hat es heftige Diskurse gegeben. Ich bin mir sicher, dass sie heute vermutlich nicht mehr so heftig geführt würden, nicht zuletzt deshalb, weil wir auch durch den Bologna-Prozess neue Entwicklungen zur Kenntnis nehmen müssen.

Der zweite Bereich, den ich erwähnen möchte, bezieht sich auf die Verkürzung der realen Studienzeiten. Das hat auch etwas mit der Studienstrukturreform, von der ich eben gesprochen habe, und übrigens auch mit dem Thema Bachelor und Master - also mit dem Bologna-Prozess - zu tun. Die Profilbildung ist von mir bereits genannt worden.

Ein weiteres Thema, das mir wichtig ist und leider in der Kultusministerkonferenz noch keine Mehrheit gefunden hat, ist die Flexibilisierung der Lehrverpflichtungsregelung. Wer sagt uns denn eigentlich, dass es richtig sein muss, dass an Fachhochschulen 18 Stunden und an Universitäten acht Stunden Lehrdeputat abgeleistet werden müssen? Warum werden wir da nicht etwas flexibler? Schließlich gibt es in den verschiedenen Bereichen unterschiedliche Bedarfe.

Wir müssen uns auch mit der Frage befassen - auch das habe ich vorhin erwähnt -, ob wir noch zielgerecht für den Arbeitsmarkt ausbilden oder nicht mehr. Ein sehr heikler Punkt - das gebe ich durchaus zu - ist die Orientierung der Hochschulausbildung auf die berufliche Verwertbarkeit. Da plädiere ich für die atmende Hochschule. Es macht wenig Sinn, ganze Bereiche abzuschaffen, weil zurzeit die Nachfrage kaum vorhanden ist. Die Nachfrage entsteht womöglich in fünf Jahren und wir können darauf nicht reagieren. Das heißt, wir müssen in der Lage sein, auch darauf flexible Antworten zu finden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Frau Dr. Heinen-Kljajić.

Der bereits erwähnte Wissenschaftsrat empfiehlt für Hochschulstandorte eine Größe von mindestens 1 000 Studienplätzen und drei Studiengängen. Welche Fachhochschulstandorte will die Landesregierung verbindlich im Rahmen ihres Hochschuloptimierungskonzeptes auf die vom Wissenschaftsrat geforderte Größe ausbauen?

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist die sechste Frage in die gleiche Richtung! - Gegenruf von Enno Hagenah [GRÜNE]: Wir haben noch ein Dut- zend davon!)

Herr Minister!

Frau Kollegin, es ist mittlerweile noch viel schlimmer: Der Wissenschaftsrat sagt mittlerweile, es müssten sogar 1 500 Studienplätze sein. Das macht es für uns nicht einfacher, da alles viel Geld kostet und finanziert werden muss. Deshalb kann ich Ihre Frage nicht konkret beantworten - es tut mir Leid; ich würde sie gerne beantworten -, weil es stark davon abhängt, welche Mittel zur Verfügung stehen. Im Übrigen hängt es auch ein Stück weit davon ab, welche Beschlüsse wir jetzt im Rahmen des Hochschuloptimierungsprogrammes treffen. Ich kann Ihnen nur versichern, dass die Absicht - die wir immer formuliert haben - nach wie vor nicht in Frage gestellt worden ist, dass wir einen Ausbau der Fachhochschulen in Niedersachsen brauchen. Wir haben hier in diesem Hohen Haus schon die Diskussion zum Fachhochschulentwicklungsprogramm geführt. Wir halten an der Forderung fest, die Studienplatzzahl im Bereich der Fachhochschulen auszubauen. Diese Forderung steht allerdings - wie alle anderen Forderungen auch; das gehört zur Ehrlichkeit dazu - unter dem Haushaltsvorbehalt. So einfach ist das.

Eine zweite Zusatzfrage hat die Abgeordnete Frau Steiner.

Herr Minister, ich möchte noch einmal auf den Standort Vechta zurückkommen. Sie haben mich ja vorhin darüber aufgeklärt, dass man Recht hat, wenn man viele Wählerstimmen hat. Vor dem Hintergrund, dass Sie selbst gesagt haben, Vechta hat nicht zur Disposition gestanden und wird dies auch nicht, würde ich gerne von Ihnen wissen, wie sich das mit der Information durch einen Ministeriumssprecher verträgt, die außerordent-iche Kündigung des Konkordats werde intensiv geprüft. Ich meine, darauf können Sie doch konkret antworten.

Herr Minister!

Liebe Frau Kollegin Steiner, das sind Erfahrungen, die man als Minister, aber auch als Pressesprecher machen muss. Wenn man gefragt wird, ob ein Konkordat, ein Vertrag oder Ähnliches kündbar ist, dann hat man auf diese Frage wahrheitsgemäß zu antworten, nämlich mit Ja. Nichts anderes hat der Pressereferent im Ministerium für Wissenschaft und Kultur getan.

Zu Vechta will ich aber dennoch einen Satz sagen. Das Thema Konkordat ist allenthalben bekannt. Ich glaube aber, wir sind uns in diesem Haus darüber einig, dass wir bei der Lehramtsausbildung kaum Abstriche machen können. Vor dem Hintergrund der vorhandenen Kapazitäten im Lehramt bin ich sehr dankbar, dass wir Vechta haben. Wenn Sie ernsthaft dafür plädieren sollten - ich vermute, dass sich das ein bisschen hinter Ihrer Frage verbirgt -, den Standort Vechta aufzugeben, dann müssten Sie mir auch sagen, wohin ich mit den 1 600 Lehramtsstudenten soll - die dort ein wirklich gutes Studium absolvieren können -, ohne dass ich wieder erhebliches Geld in die Hand nehmen müsste, um dafür z. B. Kapazitäten an anderen Hochschulen zu schaffen. Dies wäre eine Forderung, die unabhängig von der seit Jahren laufenden Diskussion zu Vechta von niemandem wirklich verstanden werden könnte.

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Dr. Zielke.

Auf Empfehlung der Kultusministerkonferenz hat dieser Landtag im Einvernehmen mit der Landesregierung im Juni beschlossen, die Zulassung zu ZVS-beschränkten Fächern neu zu ordnen und weitgehend an die Hochschulen zu geben. Diese Initiative, die auf einen Beschluss der Kultusministerkonferenz zurückgeht, ist vor kurzem von der Bundesregierung gestoppt worden. Die Bundesministerin Frau Bulmahn hat erklärt, dass sie diesen Vorschlag der Kultusministerkonferenz nicht aufgreifen wird.

(Professor Dr. Hans-Albert Lennartz [GRÜNE]: Zur Frage!)

Wie gedenkt die Landesregierung jetzt weiter mit der Zulassung zu verfahren? Wird sie insbesondere den Staatsvertrag über die ZVS-Zulassung zwischen den Bundesländern fristgerecht kündigen, wie es in dem Beschluss vorgesehen war?

Herr Minister!

Ich habe dazu ja bereits vorhin meinen Unmut zum Ausdruck gebracht. Ich sage noch einmal: Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass, nachdem es nach einem so schwierigen Prozess innerhalb der Kultusministerkonferenz - an dem auch der Kollege Oppermann beteiligt war - zu einem einstimmigen Beschluss gekommen ist, dieser Beschluss mit verfassungsrechtlichen Hinweisen von Frau Bulmahn blockiert wird. Deshalb haben wir ganz klar gesagt: Es gibt jetzt eine Gegenäußerung des Landes Bayern gegen die Rechtsauffassung der Bundesbildungsministerin. Dieser Gegenäußerung schließen wir uns an. Wir halten an unserem Beschluss fest, das Modell 1, also eine 50-prozentige Auswahlquote, in Niedersachsen einzuführen. Alle weiteren Schritte - da bitte ich um Nachsicht machen wir davon abhängig, wie die Reaktionen auf die Gegenäußerung der Bundesbildungsministerin ausfallen.

Eine Zusatzfrage hat der Abgeordnete Wolfgang Wulf.

Herr Minister, ich habe zwei Fragen. Erstens. Wie verträgt sich eigentlich Ihr Bekenntnis zur Autonomie von Hochschulen mit der Tatsache, dass Sie im Haushaltsbegleitgesetz eine Ermächtigung des Kabinetts vorgesehen haben, per Kabinettsbeschluss Studiengänge aufheben zu können, ohne sich mit der betroffenen Hochschule zu verständigen?

Zweitens. Wie erklären Sie mir eigentlich die Wendepolitik der CDU-Fraktion, die sich noch vor Jahresfrist über Maßnahmen der Strukturveränderungen im Hochschulbereich, wie z. B. die Fusion der Fachhochschulen im Nordwesten oder die Schließung des Fachbereichs Informatik in Hildes

heim, empört hat - das sind Maßnahmen, die wir tatsächlich durchgeführt haben -, die aber jetzt - wie das bei Ihnen zum Ausdruck kommt - Strukturveränderungen fordert? Wir haben damals z. B. auch den Bologna-Prozess vorangetrieben und Bachelor- und Master-Abschlüsse gemacht. Auch das hat die CDU-Fraktion schwer gegeißelt. Mich interessiert, wie Sie erklären können, wie dieser Veränderungsprozess bei der CDU-Fraktion in der letzten Zeit zustande gekommen ist.

(David McAllister [CDU]: Das ist aber eine ausgedehnte Frage!)

Herr Minister!

Zunächst einmal zur Frage der Autonomie. Auch da bin ich wirklich ganz offen.

(Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])

- Herr Kollege Jüttner, das ist in der Tat ein Dilemma, in das man sehr schnell hineingerät. Ich halte an dem Prinzip “So viel Autonomie wie irgend möglich” fest. Es ist aber deutlich - das sagen uns die Hochschulpräsidenten -, dass sich natürlich dann, wenn man in Besitzstände eingreift - ohne das Eingreifen in Besitzstände geht es nicht; auch darüber sind wir uns, glaube ich, einig -, diejenigen, die die Besitzstände verteidigen, schnell miteinander verbünden und dass man dann auch als Hochschulleitung kaum Mehrheiten für ihre Vorschläge bekommt. Deshalb sind wir darum gebeten worden, im Haushaltsbegleitgesetz eine Ermächtigung zu schaffen, dass die Landesregierung da handeln kann, wo eine Hochschule nicht in der Lage ist, aus sich heraus das Erforderliche zu tun, wenn die Mehrheit derjenigen, die sich gegen die Hochschulleitung verbündet haben, Entscheidungen blockiert. Das ist der Grund dafür. Ich bin damit keineswegs glücklich, weil ich der Meinung bin, dass jede Hochschule selbst entscheiden muss, was richtig und was falsch ist, aber auch die Konsequenzen dafür tragen muss - die werden dann übrigens über den Wettbewerb geregelt.

Es ist auch interessant, dass ich in diesen Tagen mit vielen Protesten von Leuten konfrontiert werde, die einerseits immer das Schild der Autonomie sehr hoch gehalten haben, jetzt aber, wo persönli

che Betroffenheit vorhanden ist, zum Minister kommen und sagen: „Bitte, Minister, helfen Sie uns!“ Das ist ein gewisses Problem. Ich räume das ein. Aber ich weiß auch - auch wegen der Kürze der Zeit und weil wir uns vor fünf Jahren leider nicht zusammengesetzt und nicht versucht haben, diesen Prozess gemeinsam konsensual zu lösen -, dass wir jetzt nur wenige Monate Zeit haben, um zu kürzen und parallel Strukturveränderungen vorzunehmen. Das ist außerordentlich schwierig. Das heißt, ich habe nicht die Chance, auf Mehrheiten in allen Bereichen zu warten, sondern ich muss auch durchsetzungsfähig sein. Diese Voraussetzung haben wir mit dem Haushaltsbegleitgesetz geschaffen.

Was die anderen Fragen, insbesondere die Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven, anbelangt, muss ich sagen, dass die Kritiker damals Recht behalten haben. Ein Erfolgsrezept ist das niemals gewesen; das zeigen jetzt die Ergebnisse. Aber dennoch. Ich habe gesagt: Lieber Kollege Oppermann, das ist so entschieden. Ich habe keine Veranlassung, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wir machen das Beste daraus. - Ich bin übrigens auch sicher, dass auch wir jetzt Entscheidungen treffen werden - das lässt sich überhaupt nicht vermeiden, weil wir alle Menschen sind -, die sich nach einigen Jahren als nicht optimal, vielleicht sogar als falsch herausstellen werden. Das ist eben immer die Folge, wenn man viel zu entscheiden hat. Aber jede Entscheidung ist mir lieber, als gar nicht zu entscheiden, sich erneut zurückzulehnen und so zu tun, als käme da irgend jemand, der einem die Probleme abnimmt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine letzte Bemerkung: Ich möchte das alles nicht wieder aufwärmen, weil man irgendwann auch keine Lust mehr dazu hat. In der Tat ist es aber so, dass wir alle - selbst diejenigen, die sich über Jahre hinweg damit befasst haben - völlig erschrocken über die desolate Finanzlage waren, die uns dann schließlich dazu gezwungen hat, Dinge zu tun, die wir früher anders getan hätten, als wir noch geglaubt haben, es sei mehr Geld zu Verfügung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Thümler (Wesermarsch).

Ich ziehe die Frage zurück.

Okay. - Eine Zusatzfrage hat die Abgeordnete Frau Korter.

Herr Minister, Sie haben gerade die Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven angesprochen. Sie werden sich nicht wundern: Ich möchte natürlich wissen, wie Sie die Zukunftsaussichten für die Fachhochschule Elsfleth beurteilen. Möglicherweise wollte Herr Thümler das gerade auch fragen. Dann können Sie das gleich für uns beide beantworten.

Herr Minister!

Als sehr gut, Frau Kollegin.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Scherz- bold!)

Wir haben dort alle technischen Voraussetzungen geschaffen - -

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Das war jetzt endlich einmal ein Treffer!)

- Frau Harms, jetzt muss ich wirklich einmal sagen: Ich werde sehr konkret gefragt, wie ich die Zukunftsaussichten des Standortes Elsfleth beurteile, ich antworte dann darauf, und Sie sagen dann, ich sei ein Scherzbold. Auch vor dem Hintergrund der Investitionen, die wir dort getätigt haben - damit bin ich wieder bei meinem Kriterienkatalog von vorhin; der Simulator hat ungefähr 12 Millionen Euro gekostet -, sind alle Voraussetzungen dafür geschaffen worden, um dem Standort Elsfleth eine ganz hervorragende Zukunft zu sichern. Hinzu kommt, dass sich auch aus der Entscheidung dieser Landesregierung, die nötigen Mittel für den JadeWeserPort zur Verfügung zu

stellen, auch im maritimen Bereich für den Standort Elsfleth enorme Potenziale ergeben haben.

(Beifall bei der CDU)

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Frau Helmhold.

Ich ziehe zurück.