Protokoll der Sitzung vom 19.10.2007

In den letzten Jahren ist es damit der niedersächsischen Strafjustiz trotz des gestiegenen Verfahrensaufkommens gelungen, Strafverfolgung zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger konsequent und zügig zu betreiben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Die erste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Briese. Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Das war eine kleine Lehrstunde in Statistik, die wir heute Morgen genießen durften. Gestatten Sie mir eine kleine

Vorbemerkung. Wenn in der niedersächsischen Strafjustiz alles so wunderbar in Ordnung ist, dann verstehe ich die momentan große Unzufriedenheit des Niedersächsischen Richterbundes über die Strafjustiz nicht so ganz. Dort will man momentan zwar nicht mehr Selbstbestimmung, man will aber auf jeden Fall deutlich mehr Richterstellen, weil man mittlerweile am Limit der Leistungsfähigkeit angekommen ist und die Ausstattung der Strafjustiz in Niedersachsen mittlerweile als grenzwertig empfindet.

Jetzt stelle ich meine konkrete Frage: Ist es denn richtig, dass das Bundesverfassungsgericht vor Kurzem ein niedersächsisches Gericht stark gerügt hat, weil die U-Haft mittlerweile über drei Jahre andauert, ohne dass es zur Hauptverhandlung gekommen ist? Wie erklärt sich die Landesregierung diesen Fall, wenn denn die Strafjustiz angeblich so wunderbar ausgestattet ist?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Heister-Neumann. Bitte schön!

Die Daten und Zahlen, die ich Ihnen vorgetragen habe, gelten für Niedersachsen und somit landesweit. Sie sprechen Verfahren an, die am Landgericht in Hannover stattgefunden haben. Es ist zutreffend, dass das Verfassungsgericht hier eine Rüge erteilt hat.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Aha!)

- Ja, aha! So etwas findet immer wieder einmal statt. Man muss sich dann aber die Beschlüsse und die Gründe anschauen. Dabei stellt man fest, dass in Hannover eine Sondersituation herrscht, die auch darauf zurückzuführen ist - das ist mittlerweile auch kommuniziert worden, Herr Briese -, dass in der Landeshauptstadt spezielle, sehr komplexe und sehr problematische Verfahren anhängig sind und hier ein überaus hoher Anteil an Haftverfahren vorliegt. Vor dem Hintergrund hat sich diese Problematik speziell in Hannover ergeben. Zwischenzeitlich ist gegengesteuert worden, sodass ich davon ausgehe, dass dieses Problem ausgeräumt ist.

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Wenzel. Sie haben das Wort.

Frau Ministerin, hat es in Ihrer Regierungszeit über den Fall in Hannover hinaus, den Herr Briese nachgefragt hat, Freilassungen von Beschuldigten aus der U-Haft gegeben, weil der Zeitraum bis zur Hauptverhandlung unverhältnismäßig lang war?

Danke schön, Herr Wenzel. - Frau Ministerin Heister-Neumann hat das Wort.

Es hat diese Fälle gegeben.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Aha!)

- Aha. - Wenn man diese Fälle in einer Reihe von zehn Jahren betrachtet, entsprechen wir damit genau dem Durchschnitt der vergangenen Jahre.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ihr seid doch angeblich immer besser? Jetzt bin ich aber ein bisschen enttäuscht, Frau Kollegin!)

- Vor unserer Regierungszeit hat es deutlich mehr Fälle gegeben.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Wolf- gang Jüttner [SPD]: Dann ist ja alles wieder in Ordnung!)

Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Polat.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Um das Bild zu vervollständigen, würde mich noch Folgendes interessieren: Gibt es gegen niedersächsische Gerichte Untätigkeitsklagen?

Danke schön. - Frau Ministerin Heister-Neumann, bitte!

Das gibt es nicht.

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Korter.

Frau Ministerin, Sie haben vorhin die Zahlen der Strafverfahren gegen Jugendliche und junge Heranwachsende genannt. Gerade in diesem Bereich ist es besonders wichtig, dass die Zeit von der Verurteilung oder dem Spruch des Jugendrichters bis zum Strafantritt nicht zu lang wird, damit Jugendliche überhaupt noch wissen, wofür sie eine Strafe verbüßen müssen oder wofür sie einen Arrest bekommen. Ich frage Sie: Wie hat sich im Durchschnitt die Zeitspanne vom Spruch des Jugendrichters bis zum Arrestantritt bei Jugendlichen und jungen Heranwachsenden entwickelt, und wo liegt sie im Moment in Niedersachsen?

Danke schön, Frau Korter. - Für die Landesregierung Frau Ministerin Heister-Neumann.

Frau Korter, hinsichtlich der Zahlen muss ich aktuell insofern passen, als wir natürlich auf Fragen zur Strafverfolgung vorbereitet sind, aber nicht zur Strafverbüßung, also zu dem Part, den Sie mit der Zeitspanne zwischen Verurteilung und Strafantritt angesprochen haben. Ich kann Ihnen deshalb dazu jetzt nur allgemein etwas sagen. Die genauen Zahlen würde ich gerne nachliefern. Das ist kein Problem.

Allgemein kann ich dazu sagen, dass wir natürlich bemüht sind, die Zeit von der Verurteilung bis zum Strafantritt so kurz wie möglich zu halten, weil es wichtig ist, dass die Strafe auf dem Fuße folgt und das auch entsprechend empfunden wird. Wir haben aufgrund des vorrangigen Jugendstrafverfahrens, das ja zwischenzeitlich flächendeckend in Niedersachsen eingeführt worden ist, gerade in diesen Fällen sehr kurze Zeiten. Aber nicht alle Bereiche fallen in dieses vorrangige Jugendstrafverfahren. Ich glaube, in den anderen Fällen liegt

der Schnitt zwischen drei und vier Monaten. Die genauen Zahlen liefere ich gerne nach.

Herzlichen Dank. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Dr. Biester.

In der Veranstaltung mit dem Niedersächsischen Richterbund, über die der Kollege Briese berichtete, hat sich der Vorsitzende, Herr Possehl, ausgesprochen dankbar dafür gezeigt, dass 15 neue Richterstellen im Jahr 2007 eingestellt worden sind. Gleichwohl hat er darauf hingewiesen, dass es immer wieder einmal bei Gerichten besondere Belastungssituation geben kann, sei es durch Langzeiterkrankungen von Richtern, sei es durch Mammutverfahren.

Meine Frage: Wenn es im Laufe eines Jahres zu solchen konkreten Situationen an einem bestimmten Gericht kommt, was kann überhaupt das Justizministerium in solchen Situationen tun, um gegenzusteuern? Oder wer ist zuständig?

Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Heister-Neumann. Bitte schön!

Wir können natürlich nur gemeinsam mit Ihnen im Rahmen der Haushaltsberatung für das Folgejahr Personal zur Verfügung stellen. Wenn es zu besonderen Belastungssituationen in einzelnen Bereichen kommt, dann liegt die Zuständigkeit immer beim jeweiligen OLG, das einen internen Ausgleich realisieren muss.

Danke schön. - Die zweite und damit für ihn die letzte Zusatzfrage stellt Herr Kollege Briese.

Ich möchte noch einmal auf den Zusammenhang zwischen Strafverfolgung und Strafvollstreckung zu sprechen kommen. Ich habe dazu ja auch eine Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung gestellt. Das kann ich jetzt vielleicht vorziehen, weil das sehr gut in den Themenkomplex passt. Wie

erklären Sie sich, Frau Ministerin, die auf dem Niedersächsischen Jugendgerichtstag sehr massiv vorgetragene Beschwerde eines Jugendrichters in Niedersachsen, der sagte, in Niedersachsen sei die Zeit zwischen Urteil und Straf- oder Arrestantritt unverhältnismäßig lang, nämlich länger als sechs Monate, und deswegen mache die Strafe keinen Sinn mehr? Das hat er sehr massiv vorgetragen. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Danke schön, Herr Briese. - Für die Landesregierung Frau Ministerin Heister-Neumann.

Der Fall, den Sie beschrieben haben, dass es sieben Monate dauert, erscheint mir als absoluter Ausnahmefall.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Aber es kommt vor! - Ralf Briese [GRÜNE]: Noch eine Ausnahme!)

- Es wird immer aufgrund besonderer Bedingungen in Einzelfällen tatsächlich zu Ausnahmen kommen können. Wir haben in Niedersachsen zusätzliche Arrestplätze geschaffen. Wir haben gerade vor Kurzem - die Einweihung steht noch bevor - in Peine eine neue Arrestanstalt eingerichtet. Wir haben die anderen Bereiche modernisiert. Wir haben saniert. Wir haben in diesem Bereich sehr viel getan. Ich bleibe dabei: Das wird die Ausnahme sein, und die zeitliche Dauer wird sicherlich noch weiter zurückgehen.

Herzlichen Dank. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Hagenah.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben uns deutlich gemacht: Wenn in einem bestimmten Segment mehr Straftaten begangen worden sind, gab es auch mehr Strafverfolgung, und es wurden mehr entsprechende Urteile gefällt. Das hat uns nicht sehr erstaunt. Wir haben schon im Zusammenhang mit anderen Fragen gehört, dass die Richter durchaus anderer Ansicht sind als Sie, was die Belastungen angeht. Man sollte den Blick vielleicht

auch auf andere Maßnahmen werfen, die Sie zur Erlangung der Statistikzahlen, die Sie uns heute vorgetragen haben, vorgenommen haben.

Ich frage Sie deshalb, ob unter Ihrer Ägide, während Ihrer Zeit, an Gerichten Zivilkammern in Strafkammern umgewandelt worden sind und welche Auswirkungen dieses Herunterschrauben der Zahl von Zivilkammern letztendlich für die niedersächsische Wirtschaft und für die Bevölkerung hat.

Frau Ministerin Heister-Neumann, bitte schön!

Ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, auch anknüpfend an die Frage von Herrn Dr. Biester, dass die Personalbewirtschaftung in den einzelnen OLG-Bezirken natürlich Angelegenheit der OLGs sowie der entsprechenden Präsidien der Landgerichte und der übrigen Behörden ist. Vor dem Hintergrund der Struktur der Personalbewirtschaftung kann ich Ihnen nur sagen, dass das Niedersächsische Justizministerium die Aufgabe hat, im Zusammenhang mit der flächendeckenden Zurverfügungstellung von Personal die Gesamtsituation des Landes zu betrachten. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir im Bundesdurchschnitt hier in Niedersachsen wirklich sehr gut liegen und uns keinesfalls zu verstecken brauchen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Gab es solche Umwandlungen von Zivilkam- mern in Strafkammern?)

- Davon gehe ich aus. Ich weiß, dass das in Hannover der Fall gewesen ist. Es wird auch in anderen Bereichen so gewesen sein. Aber, wie gesagt: Das ist eine Personalbewirtschaftungsmaßnahme, die nicht vom Justizministerium durchgeführt, sondern die letztendlich von den Behörden vor Ort veranlasst wird.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Weil Sie nicht genügend Geld zur Verfügung stellen!)