Protokoll der Sitzung vom 19.10.2007

Von daher ist es so wichtig, dass sich die Seniorenpolitik diesem Thema widmet, und ich danke dafür, dass dieses Thema heute auf der Tagesordnung steht. Wir haben über die Frage zu diskutieren, was es bedeutet, unsere alten Menschen in die Mitte der Gesellschaft zu stellen. Wir müssen für eine Beteiligung von Senioren werben und aufzeigen, dass alte Menschen über enormes Wissen verfügen sowie Potenziale und Fähigkeiten haben, die für die ganze Gesellschaft eine großartige Ressource darstellen. Diese Ressourcen wollen und müssen wir nutzen. Wir müssen Tendenzen der Ausgrenzung Älterer ganz entschieden entgegentreten und deutlich machen, dass wir ältere Menschen als eine unendliche Bereicherung unserer Gesellschaft verstehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Altersdiskriminierung, meine Damen und Herren, hat keinen Raum. Wir sagen den älteren Menschen: Wir benötigten euer Wissen und eure Mitverantwortung. Wenn sie ihre Erfahrungen in Politik, Wirtschaftsleben oder Ehrenamt wirkungsvoll einbringen wollen, dann profitieren wir alle davon.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die demografische Entwicklung hat es notwendig gemacht, unsere bisherigen Konzepte in der Sozial- und Gesellschaftspolitik zu überprüfen. Wir müssen in allen Teilen der Gesellschaft darüber nachdenken, wie wir die Chancen des Alterns nutzen. So können wir im Ziel die Lebensqualität aller Generationen erhöhen. Konkrete Seniorenpolitik findet deshalb in der Sozial-, Gesundheits-, Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Kultur- und Wohnungsbaupolitik und damit überall statt. Ein japanisches Sprichwort sagt: „Die größte Kulturleistung eines Volkes sind zufriedene Alte.“

Die vielfältigen Aktivitäten der Landesregierung zeigen, wie dies in der Praxis aussieht: Wir werden das Freiwillige Jahr für Seniorinnen und Senioren ausweiten, wir werden eine seniorenpolitische Infrastruktur aufbauen. Ganz wichtig ist es, dass sich unsere Seniorinnen und Senioren künftig nicht in einem Behördendschungel verirren, wenn sie Hilfe und Beratung brauchen, sondern einen kompetenten Ansprechpartner vor Ort haben. Ich habe mir in letzter Zeit mehrere sehr gut funktionierende Seniorenservicebüros angeguckt, in denen auf der einen Seite Beratung in allen Altersfragen angeboten wird und auf der anderen Seite Begegnung stattfindet. Für besonders wichtig halte ich die Begegnung von Jung und Alt.

(Beifall bei der CDU)

Es hat mich sehr beeindruckt, dass mir dort ein älterer Herr sagte: Als vor drei Jahren seine Frau gestorben sei, mit der er viele Jahre lang verheiratet gewesen war, sei er in ein tiefes Loch gefallen; aber die Möglichkeit, in dem Seniorenservicebüro Kontakte zu knüpfen und Gespräche zu führen, habe ihm quasi das Leben wiedergeschenkt. Es ist unendlich wichtig, dass wir uns in Zukunft diesen Bereich genau ansehen und, aufbauend auf die guten Erfahrungen, die in den Kommunen und bei freien Trägern gemacht wurden, schrittweise Seniorenservicebüros in den Landkreisen als Anlaufstellen aufbauen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen das Niedersachsenbüro „Neues Wohnen im Alter“ eröffnen. Es ist wichtig, dass unsere Seniorinnen und Senioren eine gute Beratung bekommen, wie sie im Alter wohnen können.

Herr Schwarz, ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, hier Einzelfälle aufzuzählen. Hinter jedem Einzelfall steht zwar ein betroffener Mensch - das ist sicherlich richtig -; aber wir müssen in unserem Dialog uns dieser Frage gesamtgesellschaftlich widmen und gemeinsam darüber nachdenken, wie wir das neue Bild des Alterns zu einem Bild machen, das unsere Seniorinnen und Senioren sagen lässt, dass sie mitten in der Gesellschaft stehen. Es ist auch nicht hilfreich, wenn man Philipp Mißfelder zitiert. Im Gegenzug kann ich Frau Schüller zitieren, die im Schattenkabinett von Rudolf Scharping als Bundessozialministerin vorgesehen war. Sie hat in einem Buch mit dem Titel „Die Alterslüge“ geschrieben:

„Dass engagierte, mündige 16-Jährige keinen Einfluss haben, wohl aber faktisch längst unmündige 100-Jährige, ist kein Kriterium einer verantwortungsbewussten Demokratie, sondern ein Zynismus gegenüber der Jugend.“

Wir werden überall Beispiele dafür finden, dass man mit dem Alter nicht verantwortungsbewusst umgeht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns hier gemeinsam der Verantwortung bewusst sind, dieses Thema gemeinsam als ein ganz wichtiges begreifen und unsere Seniorenpolitik insbesondere auf den demografischen Wandel abstellen.

Ich habe mich damals sehr gefreut, als ich mit dem Unternehmerverband Einzelhandel Niedersachsen e. V. eine Vereinbarung abgeschlossen habe. Es ist immerhin ein erster Schritt, dass geprüft werden soll, ob Läden so ausgestaltet werden können, dass sie seniorinnen- und seniorengerecht sind. Das, was seniorengerecht ist, kommt letzten Endes altersübergreifend jedem Menschen zugute; denn wenn ein alter Mensch mit einem Rollator gut einkaufen kann, kann es eine junge Mutter mit Kinderwagen ebenso. Von daher ist Seniorenpolitik immer auch eine Politik für alle Generationen. Ich spreche mich ganz entschieden dafür aus, dass wir alle, Jung und Alt, gemeinsam eine gute generationengerechte Politik machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Frau Ministerin. - Die CDU-Fraktion hat um zusätzliche Redezeit gebeten; sie bekommt drei Minuten. Das Wort hat Herr Gansäuer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal danke ich Herrn Schwarz für diesen Antrag. Dieses Thema wird eines der wichtigsten in den nächsten 20, 30, 40 Jahren sein. Es ist ein bisschen schade, dass dieser Antrag kurz vor Toresschluss eingebracht worden ist; denn dieses Thema wäre es wert, länger diskutiert zu werden. Deshalb kann ich nur empfehlen, es zu Beginn der nächsten Legislaturperiode erneut aufzugreifen. Die Sache wird uns ohnehin einholen.

Wenn wir den Pulverdampf der jetzigen Zeit einmal wegwedeln, können wir feststellen, dass Herr Schwarz eine gute Rede gehalten hat, in der er auf vieles Richtige hingewiesen hat.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Mein Gott, es muss ja möglich sein, so etwas zu sagen. Hier geht es um ein ganz wichtiges Thema. Dass er Herrn Mißfelder aufgreift, ist klar; dass wir andere benennen könnten - die Ministerin hat es getan -, ist ebenso klar.

Herr Schwarz, eines stelle ich an dieser Stelle fest: In der Tradition der Christlich-Demokratischen Union basiert alles, was wir tun, auf der Vorstellung eines christlichen Menschenbildes. Ob wir dem immer gerecht werden, ist eine andere Frage. Dieses christliche Menschenbild bedeutet, dass der jüngere Mensch nicht mehr wert ist als der ältere, dass der Olympiasieger nicht mehr wert ist als der Behinderte und dass der Mensch mit einer dunklen Hautfarbe nicht weniger wert ist als der mit einer hellen.

Wenn man diese Grundüberzeugung hat - die im Übrigen seit 60 Jahren in unserem Grundsatzprogramm steht -, dann ist das, was Herr Mißfelder gesagt hat - auch wenn er sich dafür entschuldigt hat, was ich anerkennen will -, schlicht inakzeptabel. Das will ich klipp und klar sagen. Darum muss man nicht herumeiern.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich möchte Sie alle - insbesondere diejenigen, die ihre Arbeit in diesem Hause fortführen - an dieser

Stelle bitten, dieses Thema nicht nur an Einzelmaßnahmen aufzuhängen - darüber kann man sich immer unterhalten -, sondern es einmal viel grundsätzlicher zu betrachten. Die Frage, was wir mit unseren älteren Menschen tun, kann ja nicht dahin gehend beantwortet werden, dass wir alle gemeinsam bereit sind, sie sozusagen in einen geriatrischen Glaskasten zu stecken. Das wollen die älteren Menschen nämlich auch gar nicht. Herr Schwarz, darin sind wir uns einig. Wenn man mit ihnen spricht, dann stellt man fest, dass sie an der Gesellschaft, an der Politik und an der Bildung teilnehmen wollen. Sie haben einen hohen Bildungsanspruch, den sie auch wahrnehmen wollen. Sie wollen auch mitgestalten. Darum geht es. Sie dürfen nicht in einen geriatrischen Glaskasten gesteckt werden, sondern müssen in die Gesellschaft und die Auseinandersetzung in der Gesellschaft eingebunden werden. Dabei müssen sie ernst genommen werden. Darum geht es den älteren Menschen.

Lieber Herr Schwarz, wenn wir jetzt auf andere verweisen, so möchte ich einmal an dieser Stelle sagen - ich glaube, da gibt es auch keinen Streit -: Es wird immer so sein, dass die Regierungsvertreter sagen „Das, was wir machen, ist ganz toll“ und dass die Opposition sagt „Da fehlt aber dies und das und jenes“. Lassen wir jetzt einmal diese Spielchen beiseite. Es geht beispielsweise auch darum, was wir in unseren Kommunen in dieser Hinsicht tun. Es geht beispielsweise auch darum, dass in einer Satzung - die im Übrigen nicht wir, sondern Sie beschlossen haben - steht: Der Vorsitzende der Tschernobyl-Stiftung muss mit 70 Jahren sein Amt aufgeben. - Das ist für mich Altersdiskriminierung.

(Zustimmung bei der CDU)

Abgesehen davon weiß jeder, der diese Person kennt, dass er in der Lage wäre, dieses Amt hervorragend weiter auszuführen. Ich will an dieser Stelle gar nicht erwähnen, welche Leute insistieren, dass er es abgibt.

Wir müssen also viele Dinge mit bedenken. Ganz unangenehm für alle ist übrigens die Frage, wo Altersdiskriminierung überhaupt beginnt. Herr Jüttner, beginnt sie z. B. bei der Festlegung, dass hauptamtliche Bürgermeister ihr Amt ab einem bestimmten Alter nicht mehr wahrnehmen dürfen, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung dies vielleicht gerne hätte?

Ich kann nur dringend empfehlen: Machen Sie das nicht an Kleinigkeiten fest! Betrachten Sie es jenseits von dem politischen Dampf, der jetzt in diesem Kreis vorhanden ist, und betrachten Sie es bitte etwas grundsätzlicher! Das haben die älteren Menschen verdient. Man sollte sie ernst nehmen. Deshalb kann ich nur herzlich darum bitten, so zu verfahren. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die älteren Menschen zur Gestaltung einer humanen Gesellschaft brauchen. Es geht darum, ihnen diese Möglichkeit zu bieten. Deshalb ist diese Diskussion richtig und vernünftig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Gansäuer. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll sich mit diesem Antrag der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr beschäftigen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt vereinbarungsgemäß zusammen auf

Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen in Niedersachsen gesetzlich ermöglichen - Hochspannungsgleichstromkabel in Niedersachsen erproben - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/4104

und

Tagesordnungspunkt 30: Erste Beratung: Erdverkabelung in Niedersachsen ermöglichen - Ministerpräsident Wulff muss in die Verantwortung gehen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/4108

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Jüttner von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zahlreiche Mitglieder dieses Hauses haben in den letzten Wochen mit dem Thema Erdkabel sehr viel zu tun gehabt: als Teilnehmer an Podiumsdiskussionen, als Mitglieder von Gemeinderäten und Kreistagen. So mancher von uns hat sich festgelegt und den Bürgerinitiativen recht gegeben: Wir wollen in Niedersachsen Erdkabel bei der notwendigen zusätzlichen Verstärkung des Leitungsnetzes.

(Beifall bei der SPD)

Das hat uns dazu veranlasst, diesen Antrag einzubringen. Denn im Gegensatz zur Debatte, die bis zur Sommerpause stattgefunden hat, ist jetzt durch ein Gutachten, das im Auftrage des Bundesumweltministeriums erstellt worden ist, erstmalig landespolitischer Spielraum aufgemacht worden, den wir bis dahin miteinander nicht gesehen hatten. Deshalb haben wir letzte Woche diesen Antrag eingebracht, in dem wir fordern: Die Landesregierung soll umgehend einen Gesetzentwurf auf den Tisch legen, der erstmalig eine rechtliche Grundlage für eine Erdverkabelung in Niedersachsen schafft. Das war unser Wunsch vom Dienstag letzter Woche.

(David McAllister [CDU]: Das hat sie getan!)

Unser zweiter Wunsch im Antrag ist, die laufenden Raumordnungsverfahren auszusetzen, um dies auch praktisch auf den Weg zu bringen.

(Zustimmung bei der SPD)

In der Zwischenzeit gibt es einen neuen Sachstand - das ist richtig. Herr Wulff hat in der letzten Woche öffentlich einen Gesetzentwurf präsentiert, der zumindest in diese Richtung zielt. Meine Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit hatte ich in den letzten Monaten ein ganz neues Erlebnis: Wir sind geradezu bedrängt worden, diesen Gesetzentwurf gemeinsam mit den Mehrheitsfraktionen dieses

Hauses einzubringen. Herr Wulff hat mich direkt angesprochen, die Staatskanzlei und Herr Althusmann haben uns geschrieben. Mir ist dabei eingefallen: Als ich Herrn Althusmann vor zwei Wochen schriftlich gefragt habe, ob seine Fraktion - zur Unterstützung des Ministerpräsidenten - unseren Gesetzentwurf zum Thema Gesamtschule gemeinsam mit uns einbringt, hat er mir nicht einmal geantwortet, meine Damen und Herren.

(Bernd Althusmann [CDU]: Doch!)

- Zumindest hat er mir nicht schriftlich geantwortet.

(Bernd Althusmann [CDU]: Schriftlich nicht! Aber Sie haben ja eine Telefon- nummer angegeben, unter der ich an- rufen sollte!)

Als Parlamentarier mit langjähriger Berufserfahrung stelle ich fest: Wenn die Mehrheitsfraktionen einen bedrängen und mit ins Boot nehmen wollen, dann muss man hellhörig werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)