Jürgen Gansäuer
Sitzungen
15/18
15/37
15/39
15/45
15/51
15/53
15/63
15/64
15/69
15/90
15/91
15/92
15/108
15/113
15/127
15/130
15/132
Letzte Beiträge
Meine Damen und Herren, ich nutze jetzt dieses Instrument, weil es mir wirklich sehr unangenehm ist. Um 19.30 Uhr beginnt hier im Hause eine alte Traditionsveranstaltung. Es handelt sich dabei um keine Veranstaltung, die ich erfunden habe. Alle Landtagspräsidenten haben den Kontakt mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen gepflegt. Die Damen und Herren sind mit zwei Bussen aus Göttingen angereist. Ich befinde mich jetzt in einer scheußlichen Verlegenheit. Ich bitte um Verständnis. Vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die an dieser Veranstaltung interessiert sind, jetzt in den Leibnizsaal gehen und dafür von ihren Fraktionsführungen nicht ausgeschimpft werden. Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar dafür, wenn die Fraktionen das so mittragen würden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal danke ich Herrn Schwarz für diesen Antrag. Dieses Thema wird eines der wichtigsten in den nächsten 20, 30, 40 Jahren sein. Es ist ein bisschen schade, dass dieser Antrag kurz vor Toresschluss eingebracht worden ist; denn dieses Thema wäre es wert, länger diskutiert zu werden. Deshalb kann ich nur empfehlen, es zu Beginn der nächsten Legislaturperiode erneut aufzugreifen. Die Sache wird uns ohnehin einholen.
Wenn wir den Pulverdampf der jetzigen Zeit einmal wegwedeln, können wir feststellen, dass Herr Schwarz eine gute Rede gehalten hat, in der er auf vieles Richtige hingewiesen hat.
- Mein Gott, es muss ja möglich sein, so etwas zu sagen. Hier geht es um ein ganz wichtiges Thema. Dass er Herrn Mißfelder aufgreift, ist klar; dass wir andere benennen könnten - die Ministerin hat es getan -, ist ebenso klar.
Herr Schwarz, eines stelle ich an dieser Stelle fest: In der Tradition der Christlich-Demokratischen Union basiert alles, was wir tun, auf der Vorstellung eines christlichen Menschenbildes. Ob wir dem immer gerecht werden, ist eine andere Frage. Dieses christliche Menschenbild bedeutet, dass der jüngere Mensch nicht mehr wert ist als der ältere, dass der Olympiasieger nicht mehr wert ist als der Behinderte und dass der Mensch mit einer dunklen Hautfarbe nicht weniger wert ist als der mit einer hellen.
Wenn man diese Grundüberzeugung hat - die im Übrigen seit 60 Jahren in unserem Grundsatzprogramm steht -, dann ist das, was Herr Mißfelder gesagt hat - auch wenn er sich dafür entschuldigt hat, was ich anerkennen will -, schlicht inakzeptabel. Das will ich klipp und klar sagen. Darum muss man nicht herumeiern.
Ich möchte Sie alle - insbesondere diejenigen, die ihre Arbeit in diesem Hause fortführen - an dieser
Stelle bitten, dieses Thema nicht nur an Einzelmaßnahmen aufzuhängen - darüber kann man sich immer unterhalten -, sondern es einmal viel grundsätzlicher zu betrachten. Die Frage, was wir mit unseren älteren Menschen tun, kann ja nicht dahin gehend beantwortet werden, dass wir alle gemeinsam bereit sind, sie sozusagen in einen geriatrischen Glaskasten zu stecken. Das wollen die älteren Menschen nämlich auch gar nicht. Herr Schwarz, darin sind wir uns einig. Wenn man mit ihnen spricht, dann stellt man fest, dass sie an der Gesellschaft, an der Politik und an der Bildung teilnehmen wollen. Sie haben einen hohen Bildungsanspruch, den sie auch wahrnehmen wollen. Sie wollen auch mitgestalten. Darum geht es. Sie dürfen nicht in einen geriatrischen Glaskasten gesteckt werden, sondern müssen in die Gesellschaft und die Auseinandersetzung in der Gesellschaft eingebunden werden. Dabei müssen sie ernst genommen werden. Darum geht es den älteren Menschen.
Lieber Herr Schwarz, wenn wir jetzt auf andere verweisen, so möchte ich einmal an dieser Stelle sagen - ich glaube, da gibt es auch keinen Streit -: Es wird immer so sein, dass die Regierungsvertreter sagen „Das, was wir machen, ist ganz toll“ und dass die Opposition sagt „Da fehlt aber dies und das und jenes“. Lassen wir jetzt einmal diese Spielchen beiseite. Es geht beispielsweise auch darum, was wir in unseren Kommunen in dieser Hinsicht tun. Es geht beispielsweise auch darum, dass in einer Satzung - die im Übrigen nicht wir, sondern Sie beschlossen haben - steht: Der Vorsitzende der Tschernobyl-Stiftung muss mit 70 Jahren sein Amt aufgeben. - Das ist für mich Altersdiskriminierung.
Abgesehen davon weiß jeder, der diese Person kennt, dass er in der Lage wäre, dieses Amt hervorragend weiter auszuführen. Ich will an dieser Stelle gar nicht erwähnen, welche Leute insistieren, dass er es abgibt.
Wir müssen also viele Dinge mit bedenken. Ganz unangenehm für alle ist übrigens die Frage, wo Altersdiskriminierung überhaupt beginnt. Herr Jüttner, beginnt sie z. B. bei der Festlegung, dass hauptamtliche Bürgermeister ihr Amt ab einem bestimmten Alter nicht mehr wahrnehmen dürfen, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung dies vielleicht gerne hätte?
Ich kann nur dringend empfehlen: Machen Sie das nicht an Kleinigkeiten fest! Betrachten Sie es jenseits von dem politischen Dampf, der jetzt in diesem Kreis vorhanden ist, und betrachten Sie es bitte etwas grundsätzlicher! Das haben die älteren Menschen verdient. Man sollte sie ernst nehmen. Deshalb kann ich nur herzlich darum bitten, so zu verfahren. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die älteren Menschen zur Gestaltung einer humanen Gesellschaft brauchen. Es geht darum, ihnen diese Möglichkeit zu bieten. Deshalb ist diese Diskussion richtig und vernünftig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir stehen nur noch zwei Minuten Redezeit zur Verfügung, deshalb rede ich in aller Kürze.
Ich finde das, was Herr Briese hier gesagt hat, richtig, dass wir alle gemeinsam daran interessiert sind, die Dinge, um die es hierbei geht, wissenschaftlich aufzuarbeiten. Ich halte das nicht nur im Zusammenhang mit den Jahren von 1933 bis 1945 für richtig, sondern ich halte es auch an dieser Stelle für richtig.
Ich sage das auch mit einem großen historischen Respekt vor der Freiheitstradition der Sozialdemokraten, die ich immer hoch geachtet habe; das sage ich auch öffentlich. Umso mehr - das lassen Sie mich doch anfügen, verehrter Herr Briese, habe ich nie verstanden, dass man Honecker als einen zutiefst redlichen Mann bezeichnen kann. Wir sind uns sicherlich einig, dass diese Bewertung völlig inakzeptabel ist. Auch meine Partei kann, was die Ostpolitik oder was z. B. Franz Josef Strauß angeht, diesen oder jenen Fehler gemacht haben. Aber welche Partei könnte sich hier hinstellen und behaupten, sie hätte während der ganzen Zeit ihres Bestehens nie Fehler gemacht? Allerdings möchte ich doch darauf hinweisen, verehrter Herr Briese, dass wir trotz der Fehler, die vielleicht auch wir gemacht haben, immer daran festgehalten haben, dass Menschen, die hinter Stacheldraht und Mauer leben müssen, Befreiung verdient haben. Darauf sind wir sehr, sehr stolz. Das müssen Sie bitte verstehen und auch akzeptieren.
Lassen Sie mich das zum Abschluss sagen: In Weimar - ich vermute, Sie sind schon da gewesen - kann man, meine ich, gut die Verantwortung vor unserer Geschichte sehen. In Buchenwald haben bis 1945 die Nazis gemordet, und nachdem die Nazis raus waren, haben dort die Kommunisten gemordet. Und weil wir für die Zukunft beides in unserer Geschichte berücksichtigen müssen, demonstriere ich z. B. morgen aus tiefer Überzeugung gegen die NPD.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Damit es klar ist: Ich rede hier als Abgeordneter.
Man kann ja bestimmte Spannbreiten von - ich muss schon sagen - Heuchelei ertragen. Aber wenn es gewisse Grenzen überschreitet, ist das für mich nicht erträglich.
Es ist hier gefragt worden, was denn mit den Mitarbeitern ist, wenn geraucht wird. Ich bin ja nun - das ist bekannt - notorischer Nichtraucher. Das gilt im Übrigen nicht nur für Personen draußen, sondern das gilt auch für die Mitarbeiter hier im Hause.
Verehrte Frau Helmhold, jetzt muss ich doch einmal sagen: Das Präsidium hat beschlossen - -
- Ich stelle gleich eine Frage. Ich habe eine Minute Vorlauf. Wenn Sie mich jetzt nicht stören, dann stelle ich sie zu Ende, auch wenn es Ihnen nicht gefällt, was ich mir gut vorstellen kann.
Das Präsidium hatte das beschlossen, was Sie hier gefordert haben. Sie, Sie persönlich, haben im Auftrage Ihrer Fraktion einen Brief von Herrn Althusmann an mich schreiben lassen und mit dafür gesorgt, dass das Rauchverbot hier im Hause wieder rückgängig gemacht wurde und die Raucherecke eingeführt wurde.
Angesichts dessen kann ich nur sagen: Dieser Populismus, den Sie seit geraumer Zeit in dieses Haus einbringen, ist unerträglich. Das ist eine schlichte Heuchelei.
Damit ich den Vorgang jetzt formell richtig beende, frage ich jetzt die Ministerin, was sie davon hält. Sind Sie jetzt zufrieden?
Meine Damen und Herren, mir geht es nicht darum, dafür oder dagegen zu sein, sondern mir geht es nur darum, dass wir versuchen, hier eine ehrliche Debatte zu führen.
- Ja, aber für eine Minute ist das eine Debatte. Ich kenne mich mit der Geschäftsordnung ganz gut aus. Das dürfen Sie mir glauben, Herr Jüttner.
Erstens. Ich zitiere aus einem Brief des Kollegen Althusmann: Nach Rücksprache mit allen Parlamentarischen Geschäftsführern der im Landtag vertretenen Fraktionen sind wir inzwischen zu der Auffassung gelangt, dass zumindest eine Raucherecke in der Nähe der Cafeteria eingerichtet werden muss. - Also auch nach Rücksprache mit Ihnen und Ihrer Fraktion.
Zweitens. Frau Korter, Sie haben hier die Unwahrheit gesagt.
Ich muss Sie bezichtigen, die Unwahrheit gesagt zu haben. Sie haben hier vorhin erklärt, dass Sie schon immer dafür gewesen seien, dass der Landtag rauchfrei bleibt. Ich zitiere wörtlich aus Ihrem Brief: Ich erlaube mir daher heute den Vorschlag, im Plenarbereich des Landtages das Rauchen grundsätzlich zu untersagen, jedoch begrenzte Raucherbereiche auszuweisen. - Das meine ich mit „Heuchelei“, damit Sie genau Bescheid wissen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, dass ich noch einmal Stellung nehmen kann. Ich weise den Versuch zurück, die Dinge so darzustellen,
- ich habe eben auch ganz ruhig zugehört; das wird Ihnen doch auch möglich sein -, als hätte ich an irgendeiner Stelle die Unwahrheit gesagt. Ich habe aus Briefen zitiert.
Woran mir liegt, ist dies: Seit Monaten, seit ungefähr einem Jahr ist sich das Präsidium bei dieser ganzen Frage eigentlich sehr einig. Wogegen ich mich wehre, ist: Auf Druck der Parlamentarischen Geschäftsführer haben wir eine andere Regelung eingeführt, die Sie heute bekämpfen. Wenn Sie das alles mit etwas weniger Fanfarengetöse gemacht hätten und darum gebeten hätten, dass wir gemeinsam und sachlich darüber reden - -
- Ja! Sie haben mir gestern Morgen eine E-Mail geschickt, die ich um halb acht morgens geöffnet habe, in der Sie verlangen, dass ich die Raucherecke ohne Präsidiumsbeschluss beseitigen lasse, obwohl Sie vor einigen Monaten noch gesagt haben „Das hat er in alleiniger Machtvollkommenheit entschieden“. So geht es nicht, Frau Helmhold! Es geht darum, die Dinge korrekt zu machen.
- Frau Korter, Sie haben in Ihrem Brief nicht geschrieben, dass Sie ein Raucherzimmer möchten. Ich zitiere noch einmal:... jedoch begrenzte Rau
cherbereiche auszuweisen. - Das haben Sie geschrieben.
Meine Damen und Herren, wenn die Öffentlichkeit es möchte, dann kann ich das alles veröffentlichen.
Ich weise ebenfalls zurück, dass es zwischenzeitlich andere Erkenntnisse gegeben hat. Ich habe hier das Protokoll - das ich jetzt nicht zitiere - eines Gespräches mit den Parlamentarischen Geschäftsführern, das der Stenografische Dienst mitprotokolliert hat, in dem auch Sie sich zu dieser Frage geäußert haben, und zwar ganz eindeutig.
Frau Helmhold, ich sage Ihnen nur: Bei diesem Problem haben wir uns alle - das ist die schlichte Wahrheit - nicht mit Ruhm bekleckert. Aber Sie sollten nicht so tun, als seien Sie die Einzigen, die sich nicht bekleckert hätten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir liegt daran, einen Sachverhalt klarzustellen, den Herr Hagenah vorhin in einen völlig falschen Kontext gestellt hat. Ich beziehe mich auf die Veröffentlichung, wonach dieser PUA möglicherweise Kosten in Höhe von 200 000 Euro verursacht.
Ich darf daran erinnern: Wir haben den Einzelplan 01 im Präsidium erörtert, und wir haben ihn einstimmig verabschiedet. Ich habe in der Sitzung des Haushaltsausschusses - alle Kolleginnen und Kollegen waren dabei - im Namen des Präsidiums diesen Einzelplan 01 vertreten. Ich habe auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen darauf aufmerksam gemacht, dass in diesem Entwurf für den Einzelplan 01 keinerlei zusätzliche Sach- und Personalkosten für eventuelle Untersuchungsausschüsse oder andere zusätzliche Dinge enthalten sind. Das haben wir ganz sachlich erörtert. Darüber hat es auch keinen Streit gegeben.
Als klar war, dass der PUA eingesetzt wird, habe ich notwendigerweise dem Ältestenrat berichtet - wenn ich es nicht getan hätte, müssten Sie mir einen Vorwurf machen -, dass die Verwaltung ebenso wie ich davon ausgeht, dass das zusätzliches Geld kostet, das ich im Haushalt nicht habe. Meine Mitarbeiter - nicht ich, sondern diejenigen Mitarbeiter, denen wir alle sehr vertrauen und die außerordentlich qualifiziert sind; wenn ich Ihnen jetzt die Namen nennen würde, würden Sie das bestätigen - haben aufgrund bisheriger Erfahrungen mit Untersuchungsausschüssen Durchschnittszahlen angenommen. Das habe ich im Übrigen auch im Ältestenrat vorgetragen. Ich habe gesagt: Plus/minus kann das so und so viel kosten. - Nicht mehr und nicht weniger habe ich getan. Wenn ich es nicht getan hätte und anschließend zusätzliche Kosten entstanden wären, die möglicherweise entstehen können, dann hätten Sie mir das zu Recht vorgeworfen.
Ich habe an keiner einzigen Stelle die zusätzlichen Kosten als Argument gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses benutzt. Darauf lege ich großen Wert. Deshalb weise ich die Kritik - falls es eine gewesen sein sollte; ich weiß das nicht so ganz genau - im Namen aller zurück, die den Einzelplan 01 mit beraten und mit verabschiedet haben.
Eine solche Kritik ist völlig ungerechtfertigt und wendet sich eigentlich gegen die besten Mitarbeiter dieses Hauses.
Herr Kollege Wenzel, ich verstehe es nicht. Noch einmal: Der Entwurf für den Einzelplan 01 wurde im Präsidium einstimmig - auch mit der Stimme Ihrer Vertreterin - verabschiedet. Zum Zeitpunkt der Beratungen des Einzelplans 01 im Haushaltsausschuss stand überhaupt noch nicht fest, dass es den Untersuchungsausschuss geben würde. Die SPD hatte nämlich noch gar nicht zugestimmt. Deshalb war es auch gar nicht notwendig - es war mir zu dem Zeitpunkt auch gar nicht möglich -, eventuelle zusätzliche Kosten zu nennen.
Als die Einsetzung des Ausschusses aber feststand und die SPD den entsprechenden Beschluss gefasst hatte, habe ich - ich denke, das war verantwortungsvoll - im Ältestenrat vorgetragen, dass dadurch bestimmte Kosten entstehen. Das hat doch nichts damit zu tun, dass wir den Untersuchungsausschuss nicht wollen. Wir werden mit großer Sorgfalt - ich habe gemeinsam mit der Verwaltung die notwendigen personellen Weichen gestellt - die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses begleiten. Das ist doch gar keine Frage. Aber dass ein Untersuchungsausschuss natürlich auch Geld kostet, lässt sich nun wirklich nicht bestreiten; das tut mir furchtbar leid. Das hat auch mit den Einsparvorschlägen nichts zu tun. Den Einzelplan 01 haben Sie übrigens vorhin mit beschlossen; er wurde nämlich einstimmig verabschiedet. Sie haben einen Änderungsantrag ge
stellt, der im Haushaltsausschuss keine Rolle gespielt hat.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass wir eine solche Debatte führen. Hier geht es schließlich um viele Menschen, die auf uns schauen, um viele Betroffene, um viele, denen die Schicksale dieser Menschen nicht gleichgültig sind. Die Briefe, die ich bekomme, und die Gespräche, die ich mit den Kirchen führe, zeugen davon, mit welch großer Ernsthaftigkeit um diese Fragen gerungen wird. Ich möchte von mir aus noch einmal sagen - es gibt sicherlich unterschiedliche Bewertungen -: Die Art
und Weise, in der die Grünen dieses Thema behandeln, halte ich für allemal angenehm, auch wenn ich in vielen Fragen nicht der Meinung der Grünen bin. Die Tatsache, dass Frau Polat und Frau Langhans in den Kosovo gefahren sind, um sich über die wirkliche Situation der Menschen dort zu informieren, dann hier hergekommen sind und einen Bericht abgefasst haben, den ich leider noch nicht ganz lesen konnte, macht deutlich, dass sie sich mit der Problematik sehr ernsthaft befasst haben, auch wenn man am Ende möglicherweise zu unterschiedlichen Bewertungen kommt.
Verehrte Frau Merk, das, was Sie machen, führt aber zum Gegenteil. Das genau ist unser Problem.
Mit der Art und Weise, Herr Bachmann, in der Sie hier vortragen - Sie müssten sich das im Fernsehen vielleicht einmal ansehen -, schaden Sie Ihrem Anliegen eher, als dass Sie ihm nutzen. Ich muss das einfach einmal so deutlich sagen.
Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben. Ich war in der vorletzten Woche in Berlin und habe dort mit der EKD gesprochen. Wir haben unendlich viele Gespräche mit den Kirchen geführt. Alle Kollegen - egal, wo sie stehen - sind von dieser Problematik menschlich wirklich tief getroffen; denn niemandem macht es Spaß, selbst straffällig Gewordene abzuschieben, weil wir ganz genau wissen, dass in den jeweiligen Heimatländern im Zweifel viel schwierigere gesellschaftspolitische und sozialpolitische Bedingungen herrschen als bei uns.
Abschließend möchte ich noch eines sagen: Die Art und Weise, in der hier in „böse“ und „nicht böse“ unterteilt wird, wird der Sache und unserer Geschichte, verehrter Herr Jüttner, nicht gerecht. Jede Fraktion hier im Hause hat schon Regierungsverantwortung getragen. Verehrte Frau Polat, ich muss es einfach einmal so feststellen: Zu der Zeit, zu der Rot-Grün regiert hat, hat es sicherlich viel mehr Asylbewerber gegeben als heute. Das ist korrekt. Deshalb weise ich darauf auch gleich präventiv hin. Dennoch stimmt meine Feststellung: Es sind noch nie so viele Menschen abgeschoben worden wie zu der Zeit, als Sie mit an der Regierung beteiligt waren. Allein im Jahr 1993 waren es 4 720 Menschen. Im letzten Jahr waren es 1 336. Die Argumentation halte ich für reichlich platt. Sie reicht mir auch nicht; denn es geht hier, wie Sie richtig gesagt haben, um Einzelschicksale.
Ich bitte jetzt Sie alle, zunächst einmal den endgültigen Entwurf abzuwarten, um dann - bis auf einige Beiträge fand ich die heutige Diskussion ja auch in Ordnung - in Ruhe darüber zu reden, was an dem Entwurf abseits der Vorstellungen des Innenministers noch zu verbessern ist. Ich würde mich sehr darum bemühen, hier eine Einvernehmlichkeit herzustellen.
Eine letzte Bemerkung: Das Gesetz, das wir im Deutschen Bundestag gemeinsam beschlossen haben, ist von einem Mann aktiv begleitet worden. In seinem Vorwort heißt es, dieses Gesetz sei ein Sieg der Vernunft über die Parteitaktik. Das steht wörtlich so darin. In den bisherigen Debatten hier in diesem Hause habe ich davon aber leider nur sehr wenig gemerkt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, ich möchte Sie jetzt einmal ganz persönlich ansprechen. Sie haben hier Vorwürfe gegen mich erhoben. Sie gipfelten in der Begrifflichkeit des Zeigefingers. - Ganz nebenbei: Ihr Zeigefinger war optisch höher als meiner. - Ich muss Ihnen offen sagen: Ich weise das entschieden zurück. Bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen: Wer bei meiner Einlassung nicht bemerkt hat, dass ich hier versuche, Brücken zu bauen, der hat nun wirklich - Entschuldigung! - jede Sensibilität abgelegt, die vielleicht auch Politiker noch haben sollten.
Zweitens. Lieber Herr Jüttner, jeder in diesem Kreis weiß - das kann er bewerten, wie er will -, dass mein Engagement in meiner Kirche und für meine Kirche mein ganzes Leben geprägt hat.
Deshalb ist mir dieses Thema auch so wichtig. Daher sage ich Ihnen abseits meines Präsidentenamtes: Vor diesem Hintergrund wird mich niemand in diesem Hause daran hindern, zu solchen Fra
gen von diesem Pult aus Stellung zu nehmen, ganz davon abgesehen, dass alle meine Vorgänger - die Reden kann ich Ihnen gerne liefern - in anderen Fragen das Gleiche getan haben. So hat dies Rolf Wernstedt z. B. in schulpolitischen Fragen getan. Daran können wir uns alle erinnern. Ich will es jetzt einmal bösartig formulieren: Es wird Ihnen nicht gelingen, mir einen Maulkorb umzuhängen. Wenn es um solche Fragen geht, werde ich hier meine Meinung sagen. Das erwarten auch meine Wähler von mir.
Eine letzte Bemerkung. Verehrter Herr Jüttner, ich habe auf anderen Wegen schon gehört, was sich da so tut. Wenn Sie Kritik an meiner Amtsführung haben - bisher ist eine solche von Ihren Kolleginnen und Kollegen im Präsidium noch nicht geäußert worden -, dann lassen Sie es mich bitte wissen. Wir reden dann entweder persönlich darüber, oder Sie schreiben mir und wir reden dann darüber. Es ist mir sehr ernst damit, dass ich dieses Amt so ausübe, wie es alle meine Vorgänger getan haben. Abseits dieser Feststellung sei gesagt, dass Sie mir die Möglichkeit zur Darstellung meiner politischen Überzeugung insbesondere an dieser Stelle nicht dadurch werden nehmen können, dass Sie mir vorschreiben, wann ich hier zu reden habe.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern, anlässlich des Fußballlän
derspieles, wurde sie wieder aus tausenden Kehlen fröhlich, wie ich finde, und auch erfrischend mitgesungen: die dritte Strophe des Liedes der Deutschen, geschrieben von einem politisch Verfolgten und - das füge ich in diesem Kreis gerne hinzu - einem Niedersachsen aus Fallersleben.
Die Freude und die Unbeschwertheit im Berliner Olympiastadion waren wie eine Ohrfeige für die altlinken Antistimmungsspezialisten,
die das Lied, das Friedrich Ebert einmal als ein Lied der Freiheit bezeichnet hat, verächtlich als ein „furchtbares Loblied auf die deutsche Nation“ charakterisiert haben.
Meine Damen und Herren, die GEW-Nomenklatura kann es offensichtlich nicht lassen. Wo immer es möglich ist, wird alles Traditionelle und Historische so lange verzerrt, bis es der eigenen ideologischen Verbohrtheit entspricht.
Wer fröhlich ist, macht sich verdächtig, und das Bekenntnis zum eigenen Land setzt jeden noch so harmlosen Fahnenschwinger unter Nationalismusverdacht.
Die Verbissen- und Verkniffenheit, mit der die Vertreter der GEW gegen alles vermeintlich Nationale zu Felde ziehen, hat dabei schon etwas Pathologisches.
Es offenbart nämlich in Wahrheit ein zutiefst gestörtes Verhältnis zum eigenen Land. Daran ändert auch die heute Morgen veröffentlichte Entschuldigung des GEW-Vorsitzenden nichts, aber auch gar nichts.
Gott sei Dank, so mag mancher in diesen Tagen gedacht haben, wird die Fußballweltmeisterschaft von der FIFA und nicht von der GEW veranstaltet.
Man stelle sich das vor: Wer fröhlich ist, bekommt die rote Karte, wer die Nationalhymne mitsingt, erhält Stadionverbot, und wer am miesepetrigsten gucken kann, gewinnt ein Abendessen mit dem GEW-Vorsitzenden.
Wie auch immer, die Funktionäre dieser Gewerkschaft
können offensichtlich eine gute Nachricht innerlich nur deshalb verkraften, weil sie ständig in der sicheren Erwartung leben, dass es schon bald wieder eine schlechte geben wird. Die Behauptung jedenfalls, es handele sich bei dieser Organisation um eine Bildungsgewerkschaft, klingt in Wahrheit wie eine Verballhornung der deutschen Sprache.
Goethe hat einmal gesagt: „Einseitige Bildung ist keine Bildung.“ Der Mann hatte Geist; das kann man nicht bestreiten.
Nun ja, wir sind Gott sei Dank ein freies Land, in welchem man sogar das Lied der Deutschen sowie Schwarzrotgold nicht schön finden muss. Bei einer Organisation allerdings, die sich aus Lehrern zusammensetzt, sollte man jedoch abseits aller Meinungsverschiedenheiten im Einzelnen wenigstens erwarten können, dass sie historisch korrekt argumentiert.
Meine Damen und Herren, genau daran - lassen Sie mich das an dieser Stelle sagen - machen sich die Sorgen vieler Eltern fest. Sie sind nach diesem Vorgang nämlich nicht mehr sicher, ob ihre Kinder hinter den verschlossenen Klassentüren nicht unzulässig von diesen Leuten indoktriniert werden.
Dieses Lied z. B. in die Nähe der Nationalsozialisten zu rücken, ist - ich sage das mit Klarheit - eine Unverschämtheit.
Jeder, der sich mit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts historisch ein wenig befasst hat, weiß, dass das Lied von Hoffmann von Fallersleben in die Freiheitstradition der deutschen Geschichte gehört.
Erfreulicherweise gab es diese Tradition sowohl 1841, als das Lied geschrieben wurde, als auch am 9. November 1989, als die Berliner Mauer unblutig gestürzt wurde.
Auf eine andere Tatsache will ich in diesem Zusammenhang noch verweisen: Die dritte Strophe des Liedes der Deutschen hat Hitler nie singen lassen. Wie sollte er auch! Einigkeit und Recht und Freiheit lagen ihm, wie wir wissen, relativ fern. Er missbrauchte die erste Strophe, die aus guten Gründen eben nicht zu unserer Nationalhymne gehört.
Wenn wir entsprechend der Logik der GEW künftig auf die Nutzung aller kulturellen Errungenschaften in unserer Geschichte verzichten würden, die von den Nazis bedauerlicherweise vereinnahmt wurden, wäre dies nicht nur ein später Sieg Hitlers; vielmehr bliebe von unserer Kultur herzlich wenig übrig. Denn er hat fast alles missbraucht, was seinen Zielen diente. Bayreuth z. B. müsste man als erstes schließen. Ich möchte nur auf diese Konsequenz hinweisen.
Meine Damen und Herren, als Demokraten haben wir über alle Parteigrenzen hinweg gelernt, mit den guten und den bösen Epochen unserer Geschichte verantwortungsvoll umzugehen. Das wurde uns übrigens noch vor wenigen Tagen - hier sitzt eine Reihe von Zeugen - während unseres Besuches in Yad Vashem in Jerusalem ausdrücklich bestätigt.
Wir als Demokraten wissen, dass wir immer auf die Grenzziehung zwischen Patriotismus und Nationalismus - das will ich hier betonen - zu achten haben. Nach zwei Weltkriegen und einer gescheiterten Demokratie brauchen wir aber in diesem Zusammenhang keinerlei Nachhilfeunterricht von der GEW, ganz im Gegenteil.
Es ist aber in jeder Hinsicht völlig unsinnig, uns Deutsche auf Dauer an einem fröhlichen Bekenntnis zu unserem schönen Land, z. B. auch durch das Singen einer der friedlichsten Hymnen der Welt, hindern zu wollen. Auch in anderen Ländern werden die Hymnen übrigens mit großer Freude und Selbstverständlichkeit gesungen.
Die Benotung dieses Vorganges, um es einmal schulisch auszudrücken, kann jedenfalls nur lauten: GEW, setzen! Fünf!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich dankbar dafür, dass wir sehr sachlich über diese schwierige Lage reden.
Frau Polat, ich möchte auf eines eingehen, das Sie eingangs bemerkt haben und das auch Herr Bode schon aufgegriffen hat. Sie haben gesagt, die Familie sei in unserem Rechtssystem durch alle Raster gefallen. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf Ehre und Gewissen: Ich kenne keinen Fall, in welchem unsere Gerichte und das Bundesamt so oft geprüft haben wie in diesem. Man kann doch nicht sagen, die Familie sei durch ein Raster gefallen. Sie hat vor Gericht kein Recht bekommen, aber das geht Deutschen genauso wie Asylbewerbern.
Es liegen vier Asylanträge vor. Sie wurden übrigens in der Zeit gestellt, in der Sie hier und auch in Berlin Verantwortung getragen haben. Diese vier Asylanträge sind allesamt abgelehnt worden. Dann hat es fünf Verwaltungsgerichtsverfahren gegeben. Auf Ehre und Gewissen: Ich kenne keinen Menschen, der in seinem Leben jemals fünf Verwaltungsgerichtsverfahren durchgeführt hat. Alle Verwaltungsgerichte sind zu dem gleichen Urteil gekommen, nämlich: Es liegt kein Grund vor, hier ein Aufenthaltsrecht einzuräumen.
Meine Damen und Herren, ich muss noch eines sagen: Verehrte, liebe Frau Polat, welchen Eindruck haben Sie eigentlich von unserer Justiz? Sie macht doch nichts anderes, als die Gesetze, die wir beschlossen haben, z. B. auch das Ausländerrecht, umzusetzen. Sie ist auf die Einhaltung unserer Verfassung verpflichtet. Wenn wir meinen, dass die Gesetze nicht hinreichend sind, dann müssen wir sie ändern. Dann müssen Sie im Deutschen Bundestag Anträge stellen.
Verehrte Frau Merk, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Bei diesem Fall sollte man das auch tun. Ich akzeptiere ja, dass Sie anderer Meinung sind, aber wir müssen hier doch kultiviert diskutieren können, gerade wenn es um einen solchen Fall geht. Dürfen wir das, oder nicht? - Sonst setze ich mich wieder hin; das ist kein Problem.
- Das ist die Art und Weise, wie Sie so etwas behandeln.
Frau Merk, ich habe Ihrer Rede aufmerksam zugehört, was Sie in meinem Fall gerade nicht tun. Sie haben gesagt: Lesen Sie bitte die Stellungnahme des Bundesamtes. - Noch einmal: Zusätzlich zu den vier abgelehnten Asylanträgen und den fünf Verwaltungsgerichtsverfahren hat das Bundesamt im Januar noch einmal geprüft. Sie haben das richtig dargestellt. Diese Prüfung ist umfassend gewesen. Sogar das Auswärtige Amt wurde einbezogen, das in Syrien noch einmal geforscht hat. Das Auswärtige Amt hat einen Chef, der Sozialdemokrat ist und Niedersachsen kennt. Es konnte gar nicht intensiver geprüft werden. Im Übrigen wurde auch die Streitfrage, die jetzt aufgekommen ist, nämlich wie Frauen dort behandelt werden, geprüft.
Frau Merk hat gesagt, wir sollten uns die Unterlage des Bundesamtes angucken. Das habe ich getan, meine Damen und Herren. Darin steht: Die Anträge auf Abänderung der nach altem Recht ergangenen Bescheide vom Soundsovielten bezüglich der Feststellung zu § 53 Ausländergesetz werden abgelehnt. - Zu diesem Urteil kommt das Bundesamt.
Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen offen gestehen: Verehrte Frau Polat, es gibt kein Land auf der Welt - sonst nennen Sie es mir bitte! -, in dem Asylbewerber - ich sage: zu Recht - so viele Rechte haben wie in Deutschland. Es gibt kein anderes Land!
Jetzt einen abschließenden Satz zu der Frage der Kinder. Das ist eine Tragödie; darin bin ich mit Ihnen völlig einig.
- Herr Jüttner, lassen Sie mich doch ausreden!
Ich erwarte von jedem deutschen Staatsbürger, dass er sich an Recht und Gesetz hält. Es liegen
fünf Gerichtsurteile vor. Wollen wir jetzt mit einem Landtagsbeschluss allen Richtern - ich vermute, darunter sind auch ein paar Sozialdemokraten bestätigen, dass sie eine falsche Meinung gehabt haben? - Das können Sie doch nicht ernsthaft wollen!
Letzte Bemerkung. Die Frage, die wir bei diesen Fällen wirklich ernsthaft - -
- Wollen wir jetzt Klamauk machen, oder wollen wir ernsthaft über den Fall reden? - Ich bemühe mich ja darum, komme aber kaum zu Wort.
Die Frage, die sich hier ernsthaft ergibt - im Übrigen auch für andere Fälle -, ist: Müssen wir die Tatsache, dass Menschen so lange hier leben, unseren Gerichten und unseren Gesetzen zuordnen? Oder aber sind die Familien - einmal ganz abgesehen von dem Fall Kasem -, die von vornherein wissen, dass sie ausreisen müssen - dass sie ausreisepflichtig sind, wissen sie seit 1992 -, aber ihre Kinder nicht darauf vorbereiten, nicht die eigentlich Schuldigen? - Darüber sollten Sie einmal nachdenken!
Meine Damen und Herren! Die Argumente sind ausgetauscht. Ich möchte nur so viel sagen: Frau Merk, Sie unterliegen einem Irrtum; denn auch in dem neuen Recht sind bestimmte Tatbestände festgeschrieben, die einen Härtefall ausschließen. Dieser Fall fällt präzise darunter. Das Bundesamt hat das bestätigt.
Ich darf hier nicht als Präsident reden, aber ich sage das einmal aus meiner Abgeordnetenkenntnis heraus: Der Stenografische Dienst schreibt gerade die beiden Beschlüsse, die der Ältestenrat gefasst hat. Wir werden sie dann der Präsidentin geben. Wenn das Plenum wünscht, dass sie zur Kenntnis gegeben werden, wird sie sie vorlesen. So einfach ist es.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestatte mir die Bewertung, dass ich es eigentlich nicht gut finde, dass wir seit einer Reihe von Jah
ren so holzschnittartig über diese wichtigen Probleme reden. In Wahrheit gibt es kein Entwederoder, entweder Windenergie oder Solarenergie oder etwas ganz anderes, sondern es gibt nur beides. Dazu haben wir uns immer bekannt.
Lieber Herr Wenzel, ich muss Sie daran erinnern, dass es die von CDU und FDP geführte Landesregierung unter Ernst Albrecht war, die das Windenergieinstitut in Wilhelmshaven und das Solarinstitut in Emmerthal gegründet hat.
Das heißt, wir brauchen da wirklich keine Belehrungen, Frau Kollegin Langhans. Wir haben die Problematik schon viel länger begriffen, als es die Grünen überhaupt gibt; das muss ich Ihnen einmal sagen.
- Liebe Frau Steiner, ich stelle ganz sachlich fest - -
Nein, ich habe zu wenig Redezeit; ansonsten gern.
Ich stelle ganz sachlich und ruhig fest - da können Sie mir auch nicht widersprechen -: Deutschland hat die höchsten Energiepreise in Europa. Wenn das so ist, dann kann man nicht behaupten, dass dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden; das kann man nun wirklich nicht behaupten.
Deshalb kann ich nur sagen: Forschen ist ganz wichtig; da bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung. Umgekehrt muss aber ein anderes Primat gelten, nämlich, solange wir forschen und nicht den entscheidenden Durchbruch erzielt haben, Energie günstig anzubieten und nicht mit hohen Energiepreisen subventionierte Arbeitsplätze zu erhalten. Wenn man alle Subventionen nehmen würde, die man da hineinsteckt, dann könnte man viele Leute beschäftigen. Es geht also darum, Arbeitplätze zu schaffen, die sich auch rentieren. Auch darüber muss man reden; da gebe ich Ihnen völlig Recht.
Vor mir liegt ein Sonderdruck des Spiegel, der ja nun wirklich nicht verdächtig ist, der CDU nahe zu stehen.
- Doch? Das ist ja etwas ganz Neues, toll! - Der Spiegel hat das Ergebnis der Untersuchungen des Club of Rome - eine Institution, die, so glaube ich, weltweit wissenschaftlich völlig unbestritten ist und die mit Energieriesen und Ähnlichem nichts zu tun hat - veröffentlicht. Ich zitiere:
„Wir schlagen schweren Herzens vor, auch die Option auf die Kernspaltung offen zu halten, da diese vermutlich weniger gefährlich ist als die Verbrennung von Öl und Kohle.“
Meine Damen und Herren, das ist die Position, die meine Partei seit vielen Jahren innehat. Wir werden diese Position auch weiter verfolgen.
Ich will nur beispielhaft auf Folgendes hinweisen: In den Industriestaaten leben 20 % der Menschen. Sie verbrauchen aber 75 % der Energie. Wenn die Chinesen - letzte Woche hatte ich hier eine Delegation; wir haben darüber diskutiert - nur die Hälfte der Energie verbrauchen würden wie wir Deutschen, müssten sie entweder 2 000 Kohlekraftwerke oder 1 200 Kernkraftwerke bauen. Auf der Welt sind zurzeit 556 Kernkraftwerke in Betrieb. Das heißt, wenn das erreicht werden soll, was wir gemeinsam wollen, nämlich dass es in diesen Staaten eine wirtschaftliche und industrielle Erholung gibt, dann werden sie mehr Energie brauchen. Eine Bedarfsdeckung lässt sich mit Ihren Windmühlen nicht erzielen, auch wenn Sie es möchten.
Jetzt noch eine Bemerkung, die ich mir wirklich nicht verkneifen kann, zu den Sozialdemokraten; denn das Wort „Gorleben“ fällt immer wieder. Meine Damen und Herren, man kann seine Meinung ändern; das respektiere ich. Aber man kann nicht aus seiner eigenen Vergangenheit aussteigen, sondern muss die Konsequenz seiner ehemaligen Politik tragen, auch wenn es schwer fällt. Im Juli 1956 haben Sie einen Bundesparteitag über die Atomenergie gemacht. Ich zitiere aus Ihrem Beschluss:
„Die Atomenergie“
- steht darin
„kann zu einem Segen für hunderte von Millionen Menschen werden, die noch im Schatten leben.“
Ich zitiere den letzten Satz:
„In solchem Sinne entwickelt und verwendet, kann die Atomenergie entscheidend helfen, die Demokratie im Inneren und den Frieden zwischen den Völkern zu festigen. Dann wird das Atomzeitalter das Zeitalter werden von Frieden und Freiheit für alle.“
Das haben Sie beschlossen, meine Damen und Herren.
Auch wenn Sie Ihre Meinung geändert haben, müssen Sie die Konsequenz dieser von Ihnen gewollten Politik, z. B. auch in Bezug auf Gorleben, weiterhin tragen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Damit es nicht gleich Zwischenrufe gibt, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich hier als Abgeordneter rede. Das darf ich ja.
Ich möchte auf den Beitrag des Kollegen Gabriel eingehen. Ich werde das jetzt auch vom GBD klären lassen, damit die Dinge wirklich einmal klar sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mit meiner Auffassung Recht habe.
- Ich rede hier als Abgeordneter.
Meine Damen und Herren, ich will jetzt einmal Folgendes sagen: In den letzten Wochen hat es massive Kritik am Verhalten dieses Hauses gegeben. Frau Kollegin Merk, haben Sie den Eindruck, dass sich dieses Haus mit dem, was hier heute Morgen passiert ist, einen Gefallen getan hat?
- Ihre Zwischenrufe waren auch schon mal intelligenter.
Lassen Sie mich doch bitte ausreden, Frau Merk. Ich lasse Sie doch auch ausreden.
- Darf ich jetzt ausreden?
- Darf ich jetzt mal ausreden? Ganz einfach.
Wir haben - -
- Mein Gott, wir sind hier im Parlament, damit wir uns zuhören. Darf ich jetzt ausreden?
Wir haben eine Geschäftsordnung, die einstimmig beschlossen worden ist. Alle, die hier sitzen - Sie übrigens auch -, haben dieser Geschäftsordnung zugestimmt. In dieser Geschäftsordnung stehen einige wichtige Dinge darin. Da steht z. B.: „Für Zusatzfragen gilt § 45 Abs. 2 entsprechend.“ Den will ich jetzt aber nicht vorlesen. Ferner heißt es:
„Sie müssen zur Sache gehören und dürfen die ursprüngliche Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen.“
Der Gegenstand, um den es ging, habe ich hier in der Hand. Der heißt „Mangelhafte Unterrichtsversorgung im Landkreis und der Stadt Cuxhaven“. Ich stelle ganz sachlich, ohne jede Schuldzuweisung fest: Es ist weit von dem Thema abgewichen worden.
Jetzt kommt der zweite Punkt. Verfassungsrechtlich - das weiß Sigmar Gabriel natürlich sehr genau - kann niemand die Regierung daran hindern, über den Gegenstand, um den es hier geht, in ih
ren Antworten hinauszugehen. Selbst, wenn sie das getan haben sollte - ich nehme hier keine Bewertung vor -, war das ihr gutes Recht.
Es ist das gute Recht jedes anderen Abgeordneten, dies zum Anlass zu nehmen, darauf mit einer Frage einzugehen. Aber die Pflicht der Versammlungsleitung ist es, die Geschäftsordnung einzuhalten. Das ist der Punkt.
Nun kann ich damit aber auch Unrecht haben. Deshalb verständigen uns wir doch auf Folgendes, Frau Kollegin Merk: Ich bitte den GBD als Abgeordneter - denn jeder Abgeordnete hat das Recht dazu -, dazu Stellung zu nehmen. So einfach ist das.
Und jetzt tun Sie sich einen Gefallen, und hören Sie damit auf, dass wir in der Öffentlichkeit so einen Klamauk veranstalten, der mit dem Ansehen des Parlaments nichts mehr zu tun hat. Tun Sie sich selbst den Gefallen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es ausgesprochen sympathisch, dass der Kollege Gabriel auf seine eigenen Reden von früher hingewiesen hat. Sonst hätte ich ihn gebeten, sie jetzt noch einmal nachzulesen und mit dem Anspruch, den er jetzt erhebt, abzugleichen.
Im Übrigen müssen wir hier kein neues Fass aufmachen. Die Geschäftsordnung hat sich über Jahrzehnte hinweg bewährt. Sie hat unter sozialdemokratischen Regierungen und unter CDURegierungen gehalten, und sie wird auch künftig halten. Lesen Sie sie einmal genau durch! Nach § 78 Abs. 3 könnten Sie eine große Auswahl von Themen behandeln, da gibt es doch überhaupt kein Problem. Und wenn Sie ein bestimmtes Thema behandelt wissen wollen, dann wissen wir doch alle, wie das zu machen ist.
Mir geht es um Folgendes, Herr Kollege Gabriel: Ich beobachte seit einigen Wochen, dass die Fragestunde jedes Mal in Klamauk ausartet, und ich finde, damit tun wir uns keinen Gefallen. Ich sage nicht, wer daran Schuld hat. Aber Herrn Kollegen Wenzel und Frau Kollegin Helmhold möchte ich dann doch persönlich ansprechen. Dass Sie bestimmte Ansprüche an das Parlament formulieren, ist in Ordnung. Aber der erste Parlamentarier, der hier vom Rednerpult aus dem Parlament heraus getragen wurde, war ein Grüner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich kann ich ja nicht als Präsident, sondern nur als Abgeordneter sprechen. Ich nehme das Wort, um noch einige Bemerkungen zu machen.
Ich möchte zunächst auf die Ausführungen eingehen, die sich darauf bezogen, dass man sich, solange ein Verfahren nicht abgeschlossen ist, vor Urteilen hüten soll. Darauf haben alle aufmerksam gemacht, und das finde ich auch richtig.
Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen, die die entsprechenden Einzelheiten nicht kennen, an zwei Dinge erinnern. Vor Jahren - ich habe es eben noch zurückzuverfolgen versucht; ich kann es nicht mehr genau datieren - gab es hier einen Kollegen Röhrs. Dieser Kollege - ich kann darüber ganz freimütig sprechen - wurde kurz vor der
Landtagswahl bezichtigt, EU-Schiebereien gemacht zu haben. Daraufhin wurde er nicht wieder aufgestellt. Nach der Landtagswahl stellte sich heraus, dass die Vorwürfe völlig unberechtigt waren.
Ich will auch ein aktuelles Beispiel nennen. Weil es durch die Presse gegangen ist, kann ich auch dieses Beispiel hier ansprechen. Dem Kollegen Behr sind alle möglichen Dinge unterstellt worden. Ich habe mir die Berichte noch einmal angesehen. Es gab seitenlange Berichte mit schönen Fotos in den entsprechenden regionalen Zeitungen. Aber die Berichterstattung darüber, dass nichts war, umfasste dann nur noch drei oder vier Zeilen.
Ich möchte hier deshalb mit allem Freimut eine ganz herzliche Bitte aussprechen, ohne damit irgendeine Schelte verbinden zu wollen. Ich bitte die Menschen, die über uns berichten, ganz herzlich, dies mit einer Rücksichtnahme zu tun, die ausgeprägter ist, als es manchmal zum Ausdruck kommt, um es einmal ganz vorsichtig zu sagen.
Das Zweite, was ich sagen will, ist dies: Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen Fraktionsvorsitzenden. Wir haben zwei sehr gute Gespräche geführt. Ich glaube, es ist auch ein Signal, dass wir trotz aller persönlichen Meinungsunterschiede gesprächsfähig sind und uns vernünftig über die Dinge unterhalten können. Ich bedanke mich auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass sie wegen der Probleme, die wir haben, auch sonntags hierher kommen.
Das Dritte, was ich sagen will, ist: Ich habe in den letzten Wochen erlebt, dass alles Mögliche durcheinander gewürfelt wurde, dass Unvergleichbares verglichen wurde und manchmal auch vieles über einen Leisten geschlagen wurde.
Was den Kollegen Lenz angeht, so muss man sagen, dass man - dies war ja auch Gegenstand auf der Landespressekonferenz - Rechtsgegebenheiten akzeptieren muss. Der Kollege Lenz ist als Betriebsrat tätig und unterliegt damit anderen rechtlichen Voraussetzungen. Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, darauf hinzuweisen, dass man eine solche Beurteilung, wie sie abgegeben worden ist, dann nicht abgeben kann.
Ich möchte in diesem Zusammenhang allerdings doch eine ganz herzliche Bitte aussprechen, wobei ich hoffe, dass es mir gelingt, sie nachdenklich und ohne Vorwurf zu formulieren. Ich möchte ganz herzlich darum bitten - diese Bitte richtet sich an Sie, lieber Herr Lenz, aber auch an andere -, dass eine große Zahl von Betriebsräten, deren Arbeit ich achte, doch einmal Gelegenheit nimmt, über sich selbst nachzudenken und eine größere plurale Gesprächsbereitschaft gegenüber allen Parteien zu praktizieren. Ich habe nach meinem Amtsantritt hier entschieden - VW hatte den Phaeton konzipiert; ein, wie ich finde, tolles Auto -, dass wir dieses Auto fahren. Ich habe auch deshalb so entschieden, um VW in seinem Bemühen, am Markt Erfolg zu haben, zu unterstützen. Ich habe den Vorstandsvorsitzenden Pieschetsrieder angerufen und habe ihm angeboten, dass wir die Wagen zu gleichen Konditionen wechseln. Das habe ich auch in der Landespressekonferenz vorgetragen.
Weil dies eigentlich immer meine Art, mit Firmen umzugehen, war, habe ich dann darum gebeten, bei dem Besuch vorher ein Gespräch mit dem Betriebsrat zu führen. Meine Sekretärin hat angerufen. Sie hat am nächsten Tag einen Rückruf bekommen, und es wurde ihr schlicht mitgeteilt, dass man keine Zeit habe, sich mit dem Landtagspräsidenten zu unterhalten.
Meine Damen und Herren, dazu sage ich hier mit allem Freimut und ebenso offen, wie ich es auf der LPK auch getan habe, Folgendes. Dieses Unternehmen gehört nicht der SPD und nicht der CDU. Es ist aber ein für dieses Land existenziell wichtiges Unternehmen, von dem hunderttausende von Familien leben. Die Menschen, die dort im Vorstand oder im Betriebsrat sitzen, haben allen Parteien gegenüber gesprächsbereit zu sein. Darum geht es.
Sie können diesbezüglich im Übrigen auch den DGB-Bezirksvorsitzenden Niedersachsen, Herrn Tölle, fragen, mit dem ich mich über dieses Thema auch unterhalten habe.
Ich klage hier niemanden an. Ich bitte wirklich darum - nehmen Sie es mir doch ab! -, dass wir diese „Krise“ alle miteinander - damit meine ich nicht nur eine Partei - nutzen und uns die Frage stellen, wie wir mit diesem wichtigen Betrieb umgehen. Das ist meine herzliche Bitte.
Meine Damen und Herren, ansonsten darf ich hier noch mitteilen, dass wir am 10. Februar über die Dinge reden werden. Heute Morgen hat mir Herr Glück, der Vorsitzender der Präsidentenkonferenz der Länder ist - nicht weil er Präsident des Bayerischen Landtages ist, sondern weil er schlicht an der Reihe war -, mitgeteilt, dass er gestern mit Herrn Thierse gesprochen hat. Der Bundestag wird bis zum 2. Februar ein Gutachten auf den Tisch legen. Dieses wird er der Präsidentenkonferenz zuleiten. Meine Meinung ist, dass wir zumindest Standards festlegen müssen, an die sich alle halten. Es ist schon jetzt sichtbar, dass es quer durch die Parteien unterschiedliche Meinungen gibt. Ich setze darauf, dass wir die guten Gespräche - ich bin eigentlich auch ziemlich sicher, dass dies gelingen wird, auch wenn es hier und da unterschiedliche Meinungen gibt, lieber Herr Wenzel fortsetzen und zu einem Ergebnis kommen, das jedenfalls für alle besser ist als das, was wir jetzt haben. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ein paar Bemerkungen zu Ihnen machen, Frau Kollegin; denn Sie haben das Kosovo angesprochen. Nun muss ich Ihnen ganz offen sagen - es ist auch wegen der Kürze der Redezeit nicht möglich, das anders zu formulieren -: Sie haben deutlich gemacht, dass Sie vom Kosovo wirklich überhaupt keine Ahnung haben.
- Entschuldigen Sie bitte, Sie werden mir doch wohl zugestehen, dass ich vom Kosovo ein bisschen was verstehe. Das weiß auch jeder, außer Ihnen. Ich will Ihnen einmal Folgendes sagen: Ich habe dafür gesorgt, dass drei Studenten aus Pristina jetzt zwei Jahre an der Universität Hannover studieren können. Das ist wichtiger als die dummen Reden, die Sie hier in dieser Angelegenheit halten.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen in diesem Zusammenhang sagen: Was Sie hier über das Kosovo gesagt haben, ist eine Beleidigung aller Menschen im Kosovo, die sich bemühen, dieses Land aufzubauen. Die haben überhaupt kein Verständnis dafür, dass es hier Kosovo-Albaner gibt, die sich davor zu drücken versuchen, ins Kosovo zu gehen und zu helfen, die Schwierigkeiten dieses Landes zu überwinden. Sie müssen mal selber mit denen reden!
Jetzt eine letzte Bemerkung. Sie haben sich hier über die Beamten des Deutschen Büros in Pristina ausgelassen. Ich kenne die persönlich. Jetzt sage ich Ihnen Folgendes: Diese Beamten, jeder einzelne, sind von Ihrem Joschka Fischer ins Kosovo geschickt worden. Wenn Sie sich über die beschweren wollen, wenden Sie sich bitte an den Herrn Außenminister!
Meine Damen und Herren! Damit das jetzt klar ist: Ich entschuldige mich für den Begriff „dummes Zeug“. Das meine ich auch so.
Ich muss Ihnen das jetzt wirklich einmal ernsthaft sagen: Ich habe mein ganzes politisches Herzblut da hineingesteckt und habe die Kontakte ins Kosovo gegen manchen Widerstand auch aus diesem Hause bis heute, jetzt fast zwei Jahre lang, gepflegt. Wir haben vieles voreinander gekriegt. Warum wir nicht fahren konnten, aber im Februar mit einer kleine Gruppe fahren werden und auch im Juni, liegt darin begründet, dass die Leute im Kosovo bis hin zu UNMIK gesagt haben „Ihr könnt ruhig fahren“, aber das Außenministerium uns davor gewarnt hat. Die Verantwortung wollte ich nicht übernehmen. Die Situation heute ist eine ganz andere.
Sie helfen doch um Gottes Willen dem Kosovo nicht, wenn Sie trotz der Schwierigkeiten alle Leute, die im Kosovo helfen könnten, weil sie hier gut
ausgebildet sind, davon abhalten, dorthin zurückzukehren. Sie helfen den Leuten doch nicht!
Wenn ich im Februar die Reden mitnehmen würde - das sage ich Ihnen allerdings -, die Sie hier zum Kosovo gehalten haben, dann würden alle Leute, die ich da kenne, alle Parlamentarier, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen!
Herr Minister, ich bitte um Nachsicht, dass mir als geborenem Harzer diese Region besonders am Herzen liegt.
Ich will auch nicht Ost gegen West oder West gegen Ost ausspielen. Einige Faktoren, die für die Schwierigkeiten dort verantwortlich sind, haben Sie genannt. Ich möchte Sie nur fragen: Gibt es darüber hinaus auch Probleme wegen der unterschiedlichen Förderungsart und Förderungshöhe zwischen dem Ostharz und dem Westharz? Wenn es sie gibt, gibt es Möglichkeiten und Absichten Ihrerseits, hierzu Gespräche zu führen, damit diese Chancenlosigkeit, die dadurch im Westharz entsteht, aufgehoben wird?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich schätze das persönliche Engagement der Kollegin Langhans sehr - das will ich ausdrücklich betonen -, aber ich muss Ihnen auch sagen, dass die Darstellung doch ein bisschen sehr einfach war. Denn wenn es alles so einfach wäre, wie Sie es dargestellt haben, wäre es eigentlich kein Problem.
Ich will es auf den Punkt bringen, weil ich nur wenig Zeit habe: Wir haben 5 Millionen Arbeitslose.
Jeden Tag verlieren wir in Deutschland 1 000 Arbeitsplätze. Ich könnte ganz polemisch ausholen und fragen, wer dafür zumindest mitverantwortlich ist. Das lasse ich jetzt aber alles hintangestellt. Vor diesem Hintergrund jedoch sozusagen flächendeckend Arbeitserlaubnisse zu erteilen, darüber werden sich die Gewerkschaften und Arbeitnehmer sehr freuen. Als ich in Stadthagen bei der Firma OTIS vor den Arbeitnehmern gesprochen und hinterher mit ihnen diskutiert habe, kam dieses Thema auch hoch. Die sehen das völlig anders. Gehen Sie doch bitte mal dort hin und sprechen Sie mit den Leuten einmal über deren Nöte und über deren Probleme. Dann werden Sie plötzlich erleben, dass sie eine völlig andere Sicht haben. Im Übrigen weiß ich das auch aus den Diskussionen beim DGB. Also vergewissern Sie sich mal schnell. Wenn die Konkurrenz um Arbeitsplätze, die wir jetzt auch mit Polen und Tschechien austragen müssen, nun auch noch auf alle Asylbewerber ausgeweitet wird, dann kann ich Ihnen sagen: Gute Nacht in Deutschland! Dann wird es problematisch.
- Sie müssen nun einmal damit leben, dass dies auch ein Teil der Wahrheit ist, mit der wir umgehen müssen.
Zum Zweiten: Kosovo. Meine Damen und Herren, ich glaube, es gibt kaum jemanden in diesem Raum, der sich auch innerlich mehr für dieses Land engagiert, als ich es in den vergangenen eineinhalb Jahren gemacht habe. Ich wage zu behaupten, dass es auch nicht so viele gibt, die dieses Land besser kennen als ich, denn wir haben jede Woche miteinander Kontakt: mit dem Parlamentspräsidenten, mit dem Kultusminister und mit dem Präsidenten der Universität in Pristina. Ich habe viele Verbindungen zustande gebracht, die es vorher nicht gegeben hat. Deshalb - so glaube ich - kann ich darüber auch etwas sagen.
In diesem Land spielt sich eine Tragödie ab. Frau Langhans weiß das. Nach einem versuchten Völkermord durch Milosevic - wir wissen, dass das alles strategisch angelegt war; die Unterlagen liegen heute ja vor - haben wir Deutschen das erste Mal nach dem zweiten Weltkrieg für die Kosovaren wieder Krieg geführt. Das ist unsere Verantwortung. Man kann nicht Bomben werfen und sich anschließend aus der Verantwortung stehlen wollen.
Das will hier auch niemand. Deutschland hat für das Kosovo mehr Verantwortung als für jedes andere Land in Europa, denn wir haben dort Bomben geschmissen, wir haben geschossen und wir haben unsere Soldaten geschickt, die auch heute noch dort stehen. Deshalb bitte ich bei meinen Kritikern auch um Verständnis dafür, dass ich mich so engagiere, weil dies weit über die Tagesaktualität hinaus große Bedeutung hat.
Allerdings ist das, liebe Frau Langhans, was Sie jetzt beantragen - ich habe vorhin gerade noch einmal mit zwei Freunden aus dem Kosovo telefoniert -, genau das, was das Kosovo nicht braucht. Wir dürfen das Kosovo und die Kosovaren insgesamt nicht aus der Verpflichtung entlassen - was wir täten, wenn wir Ihrem Antrag zustimmen würden -, dass sie sich multiethnisch organisieren und zusammenleben müssen. Wenn Sie nämlich verhindern, dass es Rückkehrer auch aus ethnischen Minderheiten gibt, und wenn Sie ihnen dauerhaft eine Aufenthaltsgenehmigung gewähren, dann verhindern Sie das multiethnische Zusammenleben. Das Kosovo kann nur existieren, wenn sich die Bevölkerung innerlich bereitfindet, multiethnisch zusammenzuleben. Deshalb bin ich aus grundsätzlichen Erwägungen in diesem Fall dagegen. Wir können gerne noch einmal darüber reden.
Meine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren: Über das, was die Bundesregierung macht, würde ich mit Ihnen gerne einmal streiten. Dieses Land hängt seit fünf Jahren in einer Weise auf der Rolle, wie es international keinen Vergleich gibt. Das Folgende sage ich jetzt einmal, weil ich innerlich angefasst bin. Von Joschka Fischer, der sich sonst so gut zu verkaufen weiß, was ja sein gutes Recht ist, hätte ich mehr Engagement erwartet, damit dieser unheilvolle Zustand, in dem sich das Kosovo befindet, endlich einmal beendet wird. Deutschland sollte eine bessere Rolle spielen als die, die es bisher in den vergangenen Jahren gespielt hat.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gabriel, es ist Ihr gutes Recht, diesen Antrag zu stellen. Das ist gar keine Frage. Mit Blick auf diejenigen, die solche Verhandlungsführungen kennen, sage ich: Sie sollten sich gut überlegen, was Sie tun. Ich bleibe im Übrigen bei den beiden Ordnungsrufen - das ist überhaupt keine Frage -; denn ich habe mir das nicht leicht gemacht und habe sofort die Verwaltung gebeten zu prüfen, ob es nach den vorgegebenen Kriterien Ordnungsrufe sind oder nicht. Die Mitarbeiter, die Sie kennen - ich möchte diese jetzt nicht namentlich nennen -, haben dies bestätigt.
Ich möchte Ihnen aber noch etwas Weiteres sagen, weil ich über die Art und Weise, wie hier Debatten geführt werden, wirklich verbittert bin: Wenn wir schon - wie beim letzten Mal - auf Ihre Bitte hin im Ältestenrat darüber reden, dann sollten Sie wenigstens auch kommen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf das Verständnis, von dem Sie eben gesprochen haben, will ich etwas sagen. Die SPDFraktion hat ihren Antrag mit „CDU Niedersachsen muss Grenzen gegen Rechtspopulismus klar ziehen“ überschrieben. Herr Kollege Gabriel, ich bedanke mich ausdrücklich für die geradezu diakonische Fürsorge, die in dieser Aufforderung zum Ausdruck kommt.
Meine Damen und Herren, wer die Geschichte der Union auch nur annähernd kennt, sollte eigentlich wissen, dass es einer solchen Fürsorge nicht bedarf,
denn die Union hat unsere freiheitliche Demokratie nach Krieg und Gewaltherrschaft wie keine andere Partei in Deutschland mitgestaltet und geprägt.
Der Gründer der CDU, Konrad Adenauer, hat einmal gesagt, dass die Union ihre Identität ganz wesentlich aus dem Widerstand gegen Hitler schöpfe. Diese Aussage ist auch nicht verwunderlich. Konrad Adenauer ist nach seiner Absetzung als Oberbürgermeister von Köln durch die Nazis zum ersten Mal im Juni 1934 verhaftet worden. Das Beweismaterial gegen ihn reichte jedoch nicht aus. Nach seiner Freilassung sperrte man ihm sein Gehalt und beschlagnahmte sein Haus.
Über diese Zeit schreibt er:
„Ein guter Freund von mir, ein jüdischer Mitbürger, brachte mir aus freien Stücken Geld. Das war wirklich ein Lichtblick in einer so schweren Zeit.“
Nach dem 20. Juli 1944 wurden dann erst er und danach auch seine Frau verhaftet.
- Dass Sie nicht einmal in der Lage sind, mit Würde über einen solchen Punkt zu diskutieren, ist wirklich schlimm und offenbart, was Sie mit Ihrem Antrag eigentlich bezwecken.
Nach dem 20. Juli 1944 wurden dann erst er und danach auch seine Frau verhaftet. Die Verhöre und Peinigungen der Gestapo hat Konrad Adenauers Frau nicht ertragen können. Sie beging aus schrecklicher Verzweiflung zwei Selbstmordversuche und starb 1948 an den Folgen der GestapoTorturen. Am Tag ihrer silbernen Hochzeit waren Adenauer und seine Frau im selben Gefängnis untergebracht, ohne dass sie es wussten.
Aufgrund außerordentlich glücklicher Umstände wurde Adenauer im März 1945 freigelassen. Im gleichen Monat baten fünf französische Kriegsgefangene, die aus einem Gefangenenlager entwichen waren, um Unterschlupf. Adenauer verbarg sie unter Einsatz seines Lebens bis zur Ankunft der amerikanischen Truppen in seinem Keller.
Ein Weiteres: Im Juni 1945, also acht Wochen nach der Kapitulation Deutschlands, gründeten 35 Frauen und Männer die CDU in Berlin. 17 von ihnen kamen aus dem KZ, und zwei saßen in Plötzensee und wären erhängt worden, wenn die Rote Armee sie nicht rechtzeitig befreit hätte. In ihrem Gründungsaufruf heißt es:
„Erschüttert stehen wir an den frischen Gräbern unserer Toten. Wir vergessen unsere Kriegsgefangenen nicht. Auf den Trümmern unserer Häuser, unserer Dörfer und Städte gedenken wir in menschlicher und christlicher Verbundenheit der gleichen Opfer der Völker um uns, und wir geloben, alles bis zum Letzten auszutilgen, was dieses ungeheure Blutopfer und dieses namenlose Elend verschuldet hat, und nichts zu unterlassen, was die Menschheit künftig vor einer solchen Katastrophe bewahrt.“
Meine Damen und Herren, das ist die Geschichte der Christlich Demokratischen Union in Deutschland. Das ist für sie bis heute prägend.
Auf diese Geschichte sind wir stolz, Herr Kollege Gabriel, so wie die Sozialdemokraten zu Recht auf einen Mann wie Otto Wels stolz sein können - im Übrigen können nicht nur die Sozialdemokraten auf ihn stolz sein. Dieses Vermächtnis lassen wir uns von niemandem infrage stellen. Dabei geht es nicht um eine Beschränkung der Meinungsfreiheit. Jeder kann in unserem Lande Gott sei Dank frei seine Meinung sagen. Mitglied der CDU kann aber eben nur jemand sein, der keine Geschichtsklitterung vornimmt, der die Einmaligkeit des Holocaust nicht leugnet, und der nicht versucht, nicht Aufrechenbares miteinander zu verrechnen.
Im Übrigen, meine Damen und Herren, wird in Deutschland in einigen Kreisen zurzeit offensichtlich etwas durcheinander gebracht. Die wahren Konservativen sind eben nicht rückwärts gewandt, und sie sind schon überhaupt keine Antisemiten,
sondern die wahren Konservativen treten dafür ein, was immer gelten muss: Freiheit, Demokratie, Menschenwürde und vielleicht sogar Nächstenliebe. Allen, die kritisch nachfragen, sage ich: Es ist gut, dass wir hinsichtlich unserer Abgrenzung nach links und rechts aufeinander Acht geben. Das Thema aber ist zu ernst, als dass wir es zum Anlass für vordergründige Verdächtigungen nehmen sollten. Die CDU jedenfalls hat in diesem Zusammenhang keinen Bedarf an Nachhilfeunterricht. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was heißt "Oh!"? Es wurde nachgefragt. Jetzt versuche ich zu antworten, und Sie rufen in Ihren Reihen "Oh!".
Zunächst einmal bin ich, offen gestanden, Frau Kollegin, ziemlich fassungslos über Ihre Rede und auch darüber, wie Sie leichtfertig Menschen wie Hermann Kues verdächtigen, den ich seit Jahrzehnten kenne, dessen Auffassung ich kenne,
der am letzten Samstag genau das Gegenteil erklärt hat. Hier sitzen mindestens ein Dutzend Kollegen, die auf unserem Bezirksparteitag waren. Sind Sie sich denn eigentlich bewusst, was Sie hier sagen, wenn Sie solche Menschen anklagen?
Wenn Sie irgendwelche Papiere herausziehen, dann in Gottes Namen! Aber fragen Sie doch einmal nach! Sie klagen hier einen Mann an, der hoch angesehen ist, der sich übrigens mit Frau Nickels immer bemüht, diese Themen im Deutschen Bundestag zu besprechen, die im Deutschen Bundestag zusammen eine Gebetsrunde machen. Sie können doch nicht glauben, dass Frau Nickels mit einem Mann verkehren würde, den Sie hier so beschrieben haben. Sie müssen sich dafür entschuldigen. Das ist doch unerhört.