Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Kein Einvernehmen des Landes zu einer weiteren Vertiefung von Unter- und Außenelbe, wenn … - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/4178

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Unruhe)

- Sobald es leiser geworden sein wird, wird er reden.

(Anhaltende Unruhe)

- Sie müssen noch einen Augenblick warten, Herr Klein, bis diejenigen, die den Saal verlassen wollen, dies auch getan haben werden. - Könnten diejenigen, die nicht zuhören wollen, bitte den Saal verlassen, auch bei der SPD-Fraktion! - Jetzt haben Sie das Wort, Herr Klein.

Schönen Dank, Frau Präsidentin! - Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt unseres Antrags stehen vor allen Dingen die rechtlichen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit dem erforderlichen Einvernehmen, das das Land erteilen kann. Die Frage, ob Elbvertiefung ja oder nein, ist aber nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine politische - ich behaupte sogar, eine machtpolitische - Frage. Die Zurückhaltung der Landesregierung in dieser politischen Diskussion ist völlig unverständlich und kann eigentlich nur als taktisches Verhalten interpretiert werden. Wer immer nur auf ein Verwaltungsverfahren wie die Planfeststellung verweist, die im Moment läuft, will doch offensichtlich seine Meinung zur Sache selbst verschweigen. Ich kann ein Verwaltungsverfahren wie das Planfeststellungsverfahren eigentlich nur akzeptieren, wenn ich vorher im Grundsatz dem Projekt zugestimmt habe. In dieser politischen Diskussion geht es für mich eindeutig um eine Frage des Bedarfs, nicht um eine Frage des Verwaltungsrechts; hier geht es um politische Weichenstellungen.

Vor dem Hintergrund des Baus des Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven ist dies eine politische Diskussion, die auch Niedersachsen interessieren sollte. Etwas versteckt führt diese Landesregierung diese Diskussion ja auch, z. B. auf der gemeinsamen Konferenz der Küstenwirtschaftsminister

jüngst in Wilhelmshaven.

Ich frage mich natürlich: Wie sollen die Menschen an der Elbe und ich die Ergebnisse dort eigentlich interpretieren, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die Elbvertiefung? Minister Hirche betont in trauter Eintracht mit seinen Kollegen aus Bremen und Schleswig-Holstein sowie Herrn Uldall aus Hamburg das gemeinsame Engagement bei der Sicherung der seewärtigen Erreichbarkeit der norddeutschen Seehäfen. Herr Minister, dieses gemeinsame Interesse mit Herrn Uldall in dieser Frage sollten Sie uns aber schon noch einmal erklären. Der Hamburger Hafen ist nachweislich mit allen Schiffen auch ohne Elbvertiefung gut erreichbar; dies gilt ebenfalls für die 8 000-TEU-Klasse, die das Baggern angeblich

erforderlich macht. Damit muss man auch alle Horrorszenarien über Einbrüche bei der Hamburger Wirtschaft und bei den Arbeitsplätzen ins Reich der Fantasie verweisen. Das sind reine Zweckbehauptungen, die von Hamburg nie plausibel dargelegt und schon gar nicht belegt wurden. Es gibt also keinen wirtschaftlichen Grund, 350 Millionen Euro für die Erstinvestition und jährliche Folgekosten in Millionenhöhe zum Fenster hinauszu

schmeißen. Es stünde der Landesregierung gut an, auch darauf einmal hinzuweisen.

Auch verdient es eine politische Würdigung durch die Landesregierung, dass durch niedersächsische Behörden und das Bundesamt für Naturschutz dargelegt wird, dass die vorgelegten Planunterlagen lücken- und fehlerhaft und wenig objektiv sind und die zugrunde gelegten Daten mangelhaft, falsch und veraltet oder unbrauchbar sind.

(David McAllister [CDU]: Was sagt der Bundesverkehrsminister dazu?)

Wir haben deshalb in unseren Antrag die Forderung aufgenommen, dass die Landesregierung Bedarf und wirtschaftliche Effekte der Elbvertiefung durch eigene unabhängige Gutachten prüfen lässt.

Wer all diese manipulierten Aussagen unwidersprochen hinnimmt, wird mitschuldig. Er leistet Beihilfe beim Betrug der Menschen an der Tideelbe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, im Hauptteil geht es uns um die Kriterien, die zur Versagung des Einvernehmens führen werden, und darum, sie klar zu benennen. Diese Klarstellung ist die Landesregierung bis heute mit juristisch verbrämten, fadenscheinigen Argumentationen, die nicht überzeugen können, schuldig geblieben. Tenor ist immer, man wolle und dürfe keine Vorabentscheidung treffen. Das erwarten wir aber auch gar nicht. Meine Damen und Herren, es kann aber nicht politisch oder juristisch nachteilig sein, das Koordinatensystem, an dem man seine Entscheidungen ausrichtet, vorher deutlich zu benennen.

(David McAllister [CDU]: Das tun wir doch!)

Im Gegenteil. Das sorgt für eine transparente Entscheidung und damit für mehr Akzeptanz und Vertrauen bei den Betroffenen. Es konfrontiert die Antragsteller frühzeitig mit den Anforderungen des

Landes. Insofern kann man dabei sogar von einer Optimierung des Genehmigungsverfahrens sprechen.

Die Erhaltung der Deichsicherheit gehört zu den wasserwirtschaftlichen und landeskulturellen Interessen des Landes und ist damit einvernehmensrelevant. Wir haben die wichtigsten Parameter für die Deichsicherheit aufgeführt. Es handelt sich um die Erhöhung des Tidehubs, um den Anstieg der Sturmflutwasserstände, um die Erhöhung der

Strömungsgeschwindigkeit und um zusätzliche

Belastungen durch Wind- oder Schiffswellen, die sich durch tieferes Wasser ergeben können. Wir erwarten eine klare Positionierung der Landesregierung in der Frage, ob solche vertiefungsbedingten Veränderungen auch als relevant für die

Deichsicherheit angesehen werden und deshalb ein Einvernehmen ausschließen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf die Bedeutung der sogenannten Sockelstrecke hinweisen. Bei der letzten Elbvertiefung - das wird vielen wohl noch im Gedächtnis sein - wurde von allen Fachleuten und übrigens auch von Hamburg geradezu beschworen, dass diese lang gestreckte Erhebung in der Flusssohle der Elbe keinesfalls abgetragen oder beeinträchtigt werden dürfe. In speziellen Expertenanhörungen wurde darauf verwiesen, dass damit erhebliche, unkalkulierbare Risiken verbunden wären. Keine acht Jahre später spielt das alles keine Rolle mehr. Da kann dieses hemmende Element angeblich ohne nachteilige Folgen beseitigt werden. Sie müssen zugeben, dass alle, die über einen gesunden Menschenverstand verfügen, spätestens hier hellhörig und misstrauisch werden müssten.

Inhalt und Zeitpunkt unseres Antrages haben - das sage ich ganz deutlich - selbstverständlich etwas mit dem Wahltermin zu tun. Der Eindruck verstärkt sich, dass die Landesregierung vermeiden will, noch vor dem Wahltermin eine klare Aussage zum Thema Deichsicherheit zu machen. Das ist den Menschen vor Ort nicht länger zuzumuten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben ein Recht, vor der Wahl zu erfahren, wie die Landesregierung ihre Interessen insbesondere zur Deichsicherheit wahren wird.

(Christian Dürr [FDP]: Hören Sie doch einfach zu!)

Weil wir dieses Ziel nicht erreichen können, wenn dieser Antrag erst den Ausschüssen und dann dem Papierkorb der Diskontinuität überwiesen

wird, beantragen wir heute die sofortige Abstimmung. Da wir das Thema seit Monaten diskutieren und niemand, der seine Aufgaben hier ernst

nimmt, sagen kann, dass er noch nicht informiert ist, bedarf es wohl auch keiner weiteren Erörterung. Es geht heute schlicht und einfach darum, endlich Farbe zu bekennen. Dazu fordere ich Sie auf. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Klein. - Nächster Redner ist Herr Dammann-Tamke von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der heutige Antrag zum Thema Elbvertiefung steht am Ende einer ganzen Reihe von Anträgen zu diesem Thema während dieser Wahlperiode. Ersparen Sie mir, auf konkrete inhaltliche Aspekte einzugehen, da es keinerlei neue Gesichtspunkte in dieser Sache gibt und die Positionen längst ausgetauscht sind. Ich möchte auf die politische Komponente eingehen. Denn der wiederholte Versuch, dies zu einem Landtagswahlthema zu machen, wie eben auch von Herrn Klein angedeutet, dient nicht der Sache, sondern ist meines Erachtens geeignet, das Vertrauen in die Politik weiter zu beschädigen.

(Zustimmung von Bernd Althusmann [CDU])

Ich will das gern erläutern. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat das Verfahren zur Aufnahme einer weiteren Fahrrinnenanpassung frühzeitig

betrieben. Im September 2004 hat das Bundeskabinett den uneingeschränkten Planungsauftrag für die Hauptuntersuchung der Unter- und Außenelbe erteilt. Ziel und Gegenstand der Hauptuntersuchung war die Erstellung der erforderlichen Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren. Damals, Herr Kollege Klein, hatten wir noch eine rot-grüne Bundesregierung mit einem Ihnen wohlbekannten Parteifreund aus Niedersachsen als Bundesumweltminister, dem aufgrund von Stellungnahmen seines damaligen Ministeriums, aber auch als ehemaligen niedersächsischen Abgeordneten und Minister mit Sicherheit bekannt sein musste, dass die in Ihrem Antrag formulierten Spiegelstriche

ausdrücklich zutrafen. Herr Trittin hat gewusst, dass die aktuell geplante Vertiefung einen der bisher umfangreichsten und schwerwiegendsten Eingriffe in die Unter- und Außenelbe darstellen würde.

Er hat gewusst, dass schon die letzten Ausbaumaßnahmen 1999 und 2000 nicht prognostizierte Auswirkungen gehabt haben, die die Deichsicherheit z. B. durch verstärkte Vorlandserosion geschwächt haben. Er hat gewusst, dass eine abschließende Beurteilung der Auswirkungen der letzten Elbvertiefung angesichts der noch laufenden Beweissicherungsverfahren nicht möglich sein würde, da die Auswirkungen der letzten Ausbaumaßnahmen völlig überlagert werden. Und er hat abschließend gewusst, dass eine angemessene und vollständige Kompensation der letzten Fahrrinnenvertiefung gemäß naturschutzrechtlicher

Eingriffsregelung bis heute nicht erfolgt ist.

Der damalige Bundesverkehrsminister Dr. Manfred Stolpe hat anlässlich eines Besuchs im Landkreis Stade im August 2004 von einer - seines Erachtens - der wichtigsten Maßnahmen in der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes gesprochen. - So weit zu den Urheberrechten, meine Damen und Herren, zu dem im Moment laufenden Verfahren.

Der Nachfolger im Bundesverkehrsministerium,

Herr Tiefensee, sagte bei seinem Besuch im März 2007 in Stade, dass man wieder zu einem vertrauensbildenden Verfahren zurückkehren müsse. Des Weiteren sprach Minister Tiefensee laut TageblattBerichterstattung von einer gigantischen Aufgabe des Interessenausgleichs, die vielleicht parallel zum Planfeststellungsverfahren in Form einer Mediation abgearbeitet werde.

Exakt ein halbes Jahr später, bei einem äußerst unglücklichen Auftritt in Otterndorf und der Ankündigung, den Bedarf erneut prüfen zu lassen, gibt es ein promptes Dementi der eigenen Staatssekretärin.

(David McAllister [CDU]: Frau Roth!)

Vertrauensbildung, meine Damen und Herren, ist das sicherlich nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von der Sozialdemokratie, die Menschen an der Unterelbe wissen sehr genau, dass dieses

Thema parteipolitisch völlig ungeeignet ist, um sich hier besonders zu profilieren;