Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die FDP-Fraktion hat Herr Riese das Wort. Herr Riese, ich erteile es Ihnen.
Viele Landtagsdrucksachen haben es nun einmal an sich, dass sie ein eher trockenes Material ausbreiten. Selten bin ich so beim Lesen ins Schmunzeln geraten wie bei der Drucksache zu dem Antrag „Kulturförderung - Quo vadis?“.
Der Grund für meine Erheiterung liegt natürlich darin, dass ausgerechnet die SPD es ist, die uns heute die Kulturförderung im Lande Niedersachsen erklären will. Die Pointe kommt wie in jedem unterhaltsamen Papier ziemlich zum Schluss, nämlich da, wo Sie von der exzellenten Kulturpolitik der vergangenen Jahre sprechen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich muss Ihnen schon sagen, dass der Entschließungsantrag, wie er hier vorliegt, reichlich dünn ist. Frau Bührmann, Sie haben zwar im mündlichen Vortrag noch eine ganze Menge Butter bei die Fische gegeben; das ist so eine gute Sache. Aber so, wie der Antrag vorliegt, bietet er bestenfalls Stoff für eine Kleine Anfrage. Das muss man schon sagen.
Außerdem haben Sie keine Ahnung, was Sie da beschlossen haben. Daher werde ich Ihnen Ihre eigene Kulturpolitik jetzt an einigen Beispielen der
vergangenen Jahre erläutern. Ich habe oft den Eindruck gehabt, dass, wie Max und Moritz mit Witwe Boltes Hühnern Gabriel und Oppermann als das Traumpaar der niedersächsischen Kulturpolitik mit den Kultursubjekten und -einrichtungen umgegangen sind, denn da war oftmals die Stimmung:
Und ihr Hals wird lang und länger, ihr Gesang wird bang und bänger. Jedes legt noch schnell ein Ei, und dann kommt der Tod herbei.
Ich durfte zu Anfang der 90er-Jahre in der Ostfriesischen Landschaft, die heute schon berechtigt von dieser Stelle für ihre guten Strukturen gerühmt worden ist, mitarbeiten und über die Verteilung der Mittel des seinerzeit vorliegenden Landesprogramms im Facharbeitskreis Musik mitberaten. Das war ein sehr schönes Beispiel dafür, wie vor Ort die Kompetenz derjenigen, die etwas von der Sache verstehen, in die Verteilung der Mittel eingebunden wurde. Es war eine schlanke, eine kostengünstige Struktur, weil wir ehrenamtlich gearbeitet haben und noch nicht einmal die Fahrtkosten ersetzt bekommen haben. Das war auch ganz gut so. Die Empfänger der Zuwendungen waren am Ende immer ganz zufrieden.
Zu einem Teil der Kulturpolitik der vergangenen Jahre gehört auch Ihr unbarmherziges Einschneiden in die Finanzmasse des Gemeindefinanzausgleiches, weil das vielfach dazu geführt hat, dass vor Ort die freiwilligen Aufgaben betroffen waren und Bibliotheken und Musikschulen in diesem Lande geschlossen worden sind.
(Heinrich Aller [SPD]: Das korrigie- ren Sie ja jetzt im kommunalen Fi- nanzausgleich! Sie packen jetzt or- dentlich etwas drauf!)
Sie haben Landeseinrichtungen wie z. B. Museen budgetiert, ohne ihnen ein Budget zu lassen. Ein geordneter Aufbau von Sammlungen kann so nicht mehr stattfinden. Außerdem fehlen auch die Mittel, mit eigenem Budget Drittmittel einzuwerben. Ge
ben Sie uns ein bisschen Zeit. Dann haben wir den Haushalt so weit in Ordnung, dass wir das hinkriegen.
Sie haben es nicht fertig gebracht, die Landesmusikakademie zu finanzieren. Auch das ist eine Sache, die noch ansteht und die wir miteinander machen werden.
Ich muss an dieser Stelle meiner Freude Ausdruck darüber verleihen, dass Sie hier so viel Gegenwind entfachen. Das stärkt den Redner, wie Sie wissen.
Frau Bührmann kommt sicherlich nachher noch zu Wort. Ich möchte jetzt gerne meinen Faden fortspinnen.
Ich möchte nämlich an dieser Stelle insbesondere den Minister loben, der sich hier schon relativ früh zu Wort gemeldet hat und angedeutet hat, mit welcher Besonnenheit er mit den Verbänden reden und wie er die vielen vorliegenden Konzepte zur Neuordnung der Kulturförderung in einen Diskurs einbeziehen wird. Gemeinsam und in partnerschaftlichen und freundschaftlichen Beratungen sollten wir einen guten, einen schlanken Weg finden, der sicherstellt, dass die knappen Mittel in die Aufgaben und nicht in die Verwaltung fließen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Rebecca Harms [GRÜNE]: Das war jetzt der partnerschaftliche Auf- schlag?)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.
Federführend soll der Ausschuss für Wissenschaft und Kultur sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen sowie der Ausschuss für Inneres und Sport. Meine Damen und Herren, wer
damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Somit ist der Antrag an diese Ausschüsse überwiesen worden.
Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Zusammenlegung Arbeitslosenhilfe - Sozialhilfe - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/381
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einem einheitlichen Leistungsrecht, dem ALG II, verfolgt das Ziel, die Eingliederungschancen für alle Erwerbslosen nachhaltig zu verbessern. Dabei geht es insbesondere um eine Verbesserung der Vermittlung, Qualifizierung, der sozialen Betreuung, der Vernetzung der Hilfen von Langzeitarbeitslosen vor Ort mit den Hilfesystemen der Kommunen, der Wohlfahrtsverbände und anderen. Ziel ist ebenso, die Kommunen von den Kosten der Arbeitslosigkeit zu entlasten, denn die Sozialhilfe ist eine Leistung, die ursprünglich nur für den Einzelfall vorgesehen war und nicht zum Ausgleich kollektiver Massenrisiken.
Nach unserem Verständnis ist die Finanzierung der neuen Leistung, des so genannten Arbeitslosengeldes II, grundsätzlich vom Bund zu übernehmen, und dieser muss auch Träger der neuen Leistung sein. Mit der von der CDU/FDP im so genannten niedersächsischen Weg geforderten Kommunalisierung der Arbeitslosigkeit tut man weder den Kommunen noch den Betroffenen einen Gefallen. Dieser Weg ist ein Irrweg. Die Kommunen wollen ihn deswegen partout nicht gehen. Vertreten durch den Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund und den Niedersächsischen Städtetag, lehnen diese die Verantwortung für die Übernahme der Langzeitarbeitslosen zu Recht ab. Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Frau Petra Roth, allzu großer Nähe zu SPD und Grünen sicherlich gänzlich unverdächtig, hat dies am Dienstag noch einmal eindrucksvoll bestätigt. Die Städte könnten allenfalls Kooperationen anbieten, betonte Frau Roth,
und wörtlich: „Sind wir denn der letzte Mülleimer des Staates, in den alles reingepackt wird?“ Deutlicher kann sie es wohl sie nicht sagen. Recht hat sie! Dr. Stefan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, sagt: Die Vermittlung aller Langzeitarbeitslosen von den Kommunen zu erwarten, wäre für die Langzeitarbeitslosen und für die Städte eine verheerende Perspektive. - Da hat er Recht. Man kann nämlich den Kommunen nicht, wie Sie es wollen, die politische Verantwortung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit allein übertragen.
Diese hätten 5,5 Millionen Personen in 2,6 Millionen Haushalten zu betreuen und entsprechende Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Wenn Arbeitslosigkeit ein kommunalpolitisches Thema wird und womöglich kommunale Wahlkämpfe bestimmt, würde der Bund aus seiner politischen Verantwortung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit entlassen, und das wollen wir sicherlich nicht.
Die Lösung der beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Probleme ist eine nationale Aufgabe, denn die Arbeitsmarktpolitik muss im Zusammenhang mit den nötigen wirtschaftspolitischen Steuerungsinstrumenten gesehen werden, und die liegen eben nicht bei den Kommunen. Eine bundesfinanzierte Hilfe sorgt im Übrigen auch für den Ausgleich zwischen den Regionen, die von Arbeitslosigkeit besonders betroffen sind. Dazu kommt noch, dass bei Ihrem Modell einer Alleinzuständigkeit der Kommunen der hässliche Webfehler auftritt, dass die Finanzierung der ganzen Angelegenheit überhaupt nicht gesichert ist. Ich glaube kaum, dass die erforderliche Verfassungsänderung zu erreichen ist.
Ziel des ALG II ist auch, Hilfen für alle Erwerbslosen aus einer Hand anzubieten, Schnittstellen zu vermeiden und die Verschiebebahnhöfe zwischen den Leistungssystemen zu beenden. Mit der Kommunalisierung der Langzeitarbeitslosigkeit würden Sie dieses Ziel allerdings konterkarieren, denn es gäbe wieder Arbeitslose erster und zweiter Klasse, es gäbe wieder Stigmatisierungen der von den Kommunen betreuten Arbeitslosen zweiter Klasse und eine dadurch erschwerte Integration in den Arbeitsmarkt. Den Arbeitslosen zweiter Klasse nämlich stünden die Instrumente der aktiven Ar
beitsmarktpolitik der Bundesanstalt für Arbeit nicht zur Verfügung. Gerade dies aber, der Zugang aller Erwerbslosen zu allen Fördermaßnahmen, ist ein ganz großer Vorteil der vorgesehenen Reform. Davon profitieren viele Menschen, denen dieser Zugang bislang verwehrt war, insbesondere auch Frauen.
Bei Ihrem Modell wäre auch eine überregionale Vermittlung kaum noch möglich, da die kommunalen Instrumente naturgemäß auf den örtlichen Wirkungskreis der Gebietskörperschaften beschränkt bleiben, was gerade bei kleineren Landkreisen zu erheblichen Problemen führen dürfte.
Wir finden es weiterhin wichtig, dass die Leistungen unter Berücksichtigung des Bedarfsdeckungsgrundsatzes so weit wie möglich pauschaliert werden. Dabei sind die Ergebnisse der vom Bund und von den Ländern begonnenen Modellprojekte, die auch in Niedersachsen zur Pauschalierung von Sozialhilfeleistungen laufen, einzubeziehen. Die Pauschalierung der neuen Leistungen ist ein wichtiger Beitrag, um Arbeitssuchende aus den entwürdigenden und zeitraubenden Behördengängen der Sozialhilfe zu befreien. Diese werden zukünftig mehr Eigenverantwortung und mehr familiengerechte Angebote haben, um mit verbesserten Hinzuverdienstmöglichkeiten schrittweise die eigene Existenzsicherung wieder aufzubauen. Außerdem entfällt bei einer pauschalen Regelung ein hoher Bürokratieaufwand, der wiederum Ressourcen für Betreuungsleistungen freisetzen wird. All dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer bedarfsorientierten Grundsicherung. Was wir allerdings auch in Zukunft brauchen, ist die Beibehaltung des Sozialhilfesystems als Bezugssystem für die im ALG II gewährten Leistungen. Hieran wollen wir im Gegensatz zu manchen anderen Bundesländern festhalten.
Inzwischen hat unsere Bundestagsfraktion in weiteren Verhandlungen durchgesetzt, dass die Unterhaltspflicht für Verwandte ersten Grades entfallen wird. Es wird auch keine Verordnungsermächtigung des Bundesarbeitsministers zur Definition von Erwerbsfähigkeit geben. Das ist sehr gut so.
Der Anspruch auf ALG II soll auch für Ausländerinnen und Ausländer mit nachrangigem Arbeitsmarktzugang gelten.
Erbracht werden soll die neue Leistung durch die Job-Center. Hier arbeiten Mitarbeiterinnen der Bundesanstalt für Arbeit und der örtlichen Träger der Sozialhilfe und Beschäftigung zusammen. Wir wissen, dass die kommunalen Beschäftigungsgesellschaften über einen reichen Erfahrungsschatz in der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen und über eine teilweise ausgezeichnete Infrastruktur verfügen. Deshalb wollen wir vertraglich sicherstellen, dass die Kooperation in den Job-Centern dauerhaft, vertraglich abgesichert und gleichberechtigt, sozusagen auf gleicher Augenhöhe erfolgt. Dies kann z. B. in Form von gemeinnützigen GmbHs unter Einschluss Dritter geschehen. Hierüber würden insbesondere auch die erforderliche und wünschenswerte Einbindung der langjährig gewachsenen örtlichen Trägerstrukturen zur lokalen Beschäftigungsförderung in das neue Gesetz gewährleistet und die Vernetzung für Arbeitslose vor Ort mit den Hilfesystemen der Kommunen, der Wohlfahrtsverbände und anderer gesichert.