Tagesordnungspunkt 39: Erste Beratung: Bewegter Kindergarten - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/391
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass Sie es alle wissen: Bildungsinitiative bedeutet auch immer Bewegungsinitiative. Wenn wir also den Bildungsauftrag in unseren Kindergärten stärken wollen - und das haben wir bereits beschlossen -, heißt das in der logischen Konsequenz auch, dass dort eine grundlegende und eben auch eine intensive Bewegungserziehung stattzufinden hat.
Mit Sicherheit können wir alle Beispiele aufzählen, wo bereits eine entsprechende Bewegungserziehung stattfindet. Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich die motorischen Leistungen der Kinder in den vergangenen Jahren zum Teil dramatisch verschlechtert haben. Untersuchungen zeigen, dass sich die konditionellen und koordinativen Fähigkeiten der Kinder innerhalb von 20 Jahren um 10 bis 20 % - das muss man sich einmal
vorstellen - verschlechtert haben. Fast jedes fünfte Kind hat Übergewicht, und über 40 % der Kinder leiden unter Konzentrationsproblemen.
Vor diesem Hintergrund sind wir zum Handeln aufgerufen. Nach den Ergebnissen der aktuellen Child-Studie leiden Kinder in Deutschland bereits im Grundschulalter unter Beschwerden - auch das ist vielleicht für viele von uns unvorstellbar -, die eigentlich als Alterserscheinungen gelten, wie z. B. Übergewicht, Altersdiabetes, Haltungsschäden. Mehr als 40 % der Grundschüler klagen über Kopfschmerzen, knapp 20 % der untersuchten Kinder leiden unter Rückenschmerzen.
Wenn wir davon ausgehen, dass diese Beschwerden erst in der Schule auftreten, sind wir schief gewickelt. Das fängt tatsächlich schon im Babyalter an. Man muss sich nur einmal überlegen, wie Babys heute transportiert werden: in Sitzschalen oder Babysafes. Viele Bewegungsmöglichkeiten, die früher, als Sie alle noch klein waren, selbstverständlich waren, gibt es eben heute nicht mehr. Das zeigt auch der so genannte „MOT 4 - 6“, ein Test, der in Kinderarztpraxen und für die Schuleingangsuntersuchungen durchgeführt wird und in dem z. B. folgende Fertigkeiten geprüft werden: einen Ball auffangen, eine Treppe schnell heraufgehen, wieder herunterspringen, auf einer schmalen Mauer balancieren, auf einen Baum klettern, auf unebenem Untergrund das Gleichgewicht halten. Sie alle hier im Hause konnten das früher, die Kinder von heute leider nicht mehr.
Nicht nur deshalb ist es wichtig, dass wir uns mit dieser Thematik auseinander setzen, sondern auch, weil u. a. die Hirnforscher festgestellt haben, dass auch die geistige Entwicklung durch Bewegung beeinflusst wird. Wir haben in unserer Fraktion darüber diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass hier an erster Stelle die Eltern gefordert sind. Sie müssen den Wert der Bewegung wieder erkennen und hervorheben. Wenn aber Kinder in einigen Familien diese Herausforderungen nicht in einem angemessenen Maße erfahren da sind wir uns einig -, dann müssen wir als Politiker dort, wo wir eingreifen können, nämlich bei Kindergärten, Grundschulen und Schulen, entsprechend tätig werden.
- Sehr schön, Herr Jüttner. - Ein Ja habe ich schon gehört. Das war das Ja zu einer grundlegenden Bewegungserziehung. Sie, Herr Jüttner, und Ihre Fraktion geben mir Recht. Sie sagen auch Ja zu den Ausbildungskonzepten für die Erzieherinnen und Erzieher. - Ja, er nickt. Gut.
Herr Jüttner, ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Sie auch zum dritten Punkt Ja sagen, nämlich zu einer Allianz zwischen den Kindertagestätten und den Sportvereinen,
denn ich gehe davon aus, dass Sie genau so wie wir dem Phänomen Bewegungsmangel entgegengehen wollen. Wir wollen gemeinsam Prophylaxe pur betreiben und Bewegung in den Vordergrund stellen. Insofern bin ich mit Blick auf den dritten Punkt davon überzeugt, dass der Landessportbund, die Ärztekammer Niedersachsen und die Kassenärztliche Vereinigung mitmachen werden. Es gibt schon ein Konzept im Bereich der Grundschulen. Wir müssen bei den Kindergärten aber noch stärker ansetzen. Gerade in diesem Bereich können wir mit sehr wenig Geld unheimlich viel machen. Nutzen Sie also mit uns gemeinsam die Chance. Stimmen Sie unserem Antrag zu.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Bewegter Kindergarten“ - so der Titel des Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, mit dem Sie das wichtige Thema der Kindertagesbetreuung aufgreifen. Die Landesregierung wird erstens gebeten - Frau Vockert, Sie haben es gesagt -, die Bewegungserziehung auszubauen. Darin sind wir uns sicherlich einig. Es wird kaum einen Abgeordneten/eine Abgeordnete geben, der/die diesem Vorschlag nicht zustimmen wird.
Aber dann wird es schon strittig. Ob man dafür aber Übungsleiterscheine braucht, sollten wir meiner Meinung nach die Expertinnen und Experten der kommunalen und der freien Träger fragen. Darüber kann im Ausschuss debattiert werden.
Bemerkenswert ist Ihre dritte Forderung. Ich erinnere einmal an die Zeiten, in denen Sie Modellprojekte noch als nicht besonders wegweisend bewertet haben. Wir sollen also der Forderung zustimmen, dass die Landesregierung in diesem Bereich Pilotprojekte/Modellprojekte auf den Weg bringt. Die Frage, die sich hier stellt, lautet: Soll dies mit oder ohne finanzielle Unterstützung des Landes geschehen? - Im Haushalt jedenfalls ist nichts dafür vorgesehen. Dafür beabsichtigen Sie allerdings, die Mittel für die Projekte, die die Sportjugend und andere Jugendverbände in Niedersachsen zum Thema Bewegung im Kindergarten über den Niedersächsischen Kinder- und Jugendplan durchführen, ganz auf null zu setzen. Vielleicht können wir uns hierüber ja einigen. Wir bringen einen Änderungsantrag ein, damit diese Impulsprogramme zum Thema Bewegung in Kindergarten und Schule auch weiterhin aufgelegt werden können.
So weit zum Antrag. Nun aber noch etwas Grundsätzliches. „Bewegter Kindergarten“ - wie ist diese Entschließung zu verstehen? - Wir hatten schon in der letzten Legislaturperiode vor genau einem Jahr einen fraktionsübergreifenden Antrag zum Thema Ausbau und Qualifizierung im Bereich der Kindertagesbetreuung beschlossen. Er beinhaltete umfassend die Themen Betreuung, Bildung, Erziehung, Qualitätssicherung, quantitativer Ausbau, Weiterentwicklung des Bildungsauftrags, Sprachförderung und vieles andere mehr.
Meine Damen und Herren, wir sind uns sicherlich darüber einig, dass die Wichtigkeit dieser Themen unbestritten ist. Das Konzept zur Sprachförderung hat die Landesregierung aufgegriffen. Das ist auch gut so. Ich hoffe, dass die anderen wichtigen Themen trotz der Betonung des Themas „bewegter Kindergarten“ nicht in den Hintergrund rücken. Ich hoffe, dass diese Themen weiter in der Diskussion bleiben. Der bewegte Kindergarten ist nicht schlecht, aber das KTH-bewegte Kultusministerium wäre noch besser. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn Sie ganz ruhig sind, mache ich es auch ganz kurz. Fangen wir aber mit Stillsitzen an. Ich möchte meinen Beitrag etwas abkürzen, weil der Antrag sehr gut ist und keinen großen Anlass zum Streit bietet. Meiner Meinung nach sollten wir uns in der Analyse einig sein. Heute begucken wir uns die Kindertagestätten, für die heute der Kultusminister und nicht mehr die Sozialministerin oder der Sozialminister zuständig ist. Wir könnten das Thema Bewegung auch im Hinblick auf unsere Schulen diskutieren. Unterm Strich: Die jungen Leute, die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Kinder in den Kindertagesstätten bewegen sich schlicht und ergreifend zu wenig. Dazu brauchen wir gar nicht erst großartig Gutachten einzuholen; das ist unübersehbar. Wenn Sie mir eine etwas schlichte Formulierung zugestehen wollen, dann möchte ich sagen: Die Kinder versteifen und verfetten in den Kindertagesstätten und in den Schulen. Es gibt dafür vielfältige Ursachen, wie etwa unaufmerksame Elternhäuser, zu viel Fernseh- und Videogucken, zu langes Sitzen vor dem PC, abgelenkt sein, zu wenig Zuwendung erfahren, auch in den Kindertagesstätten. Es wird schlicht und ergreifend zu wenig gemacht. Von daher sollten wir in der Analyse sagen: Wir sind uns einig, Leute, da muss Bewegung hinein. Dafür ist der Kultusminister dann ja auch immer der richtige Mann.
Über das Thema Bewegung in den Kindertagesstätten und in den Schulen möchte ich gern im Zusammenhang diskutieren. Wir müssen dabei auch immer über das Ernährungsverhalten miteinander reden, die Eltern aufklären und die Kinder entsprechend anleiten. Sie wissen, was damit gemeint ist. Die Frage ist jetzt aber, welche Konzeptionen dahinter stehen oder was wir diesbezüglich vorhaben. Über geeignete Maßnahmenkataloge können wir im Ausschuss reden. Was dort entwikkelt wird und umgesetzt werden kann, muss aber nicht immer nur ein Thema von Haushalt und mehr Geld sein. Jedenfalls brauchen wir Konzepte, die genau darauf abzielen, möglichst in Zusammenarbeit mit Sportvereinen - ich sage das ganz offen die Bewegungserziehung als festen Bestandteil der vorschulischen Bildung in allen Kindertagesein
richtungen zu installieren und langfristig auszubauen. Jedes Kind in einer niedersächsischen Kindertagesstätte sollte davon profitieren können und damit schon in ganz jungen Jahren die sportliche Betätigung als festen Bestandteil des täglichen Lebens für sich verinnerlichen.
Es ist ja nicht so, dass nichts passiert wäre. Seit 1995 führen wir in Niedersachsen eine - wie man sagt sehr erfolgreiche Zusammenarbeit von Schulen und Sportvereinen durch. Weit mehr als 8 000 Kooperationsmaßnahmen haben seitdem stattgefunden. Das eine ist die große Zahl, das andere ist, dass gesagt wird: Das war wohl nicht genug; es muss mehr passieren. Soll ja auch. Von der Zusammenarbeit haben beide Seiten bisher profitiert. Das wird auch positiv beschrieben.
Die Sportvereine haben ein hohes Interesse daran, möglichst viele Kinder und Jugendliche an sich zu binden. Das akzeptiere ich sogar; denn das ist auch Nachwuchsförderung, also einverstanden. Wir können den Vereinen zugestehen, dass es für die Gesellschaft insgesamt gut ist, wenn sie Nachwuchs haben. Wir als Staat, die Träger von Schulen und Kindertagesstätten und auch die Sportvereine können miteinander präventive und andere allgemein fördernde Maßnahmen durchführen. Für mich ist es eine logische Konsequenz, dass die Sportvereine und die Kindertagesstätten in Zukunft mehr als bisher zusammenarbeiten. Das ist insbesondere deshalb notwendig, weil die aufgezeigten Bewegungsdefizite und Krankheitsgefährdungen bei den Kindern schon vor Eintritt in die Schule vorliegen. Das setzt ja bei den Elternhäusern ein.
Ich lege größten Wert darauf, dass die Bildung in den Kindertagesstätten einen höheren Stellenwert erhält und mehr Inhalt und Beachtung findet. Darüber, Frau Trauernicht, gab es in den letzten Jahren ja einen Dissens. Sie haben allzu viel von Betreuung in den Kindertagesstätten gesprochen, wir aber von Bildung. Ein gesunder Geist und ein gesunder Körper gehören irgendwo zusammen. Derzeit bin ich mit den Trägern der Kindertagesstätten dabei, einen Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im vorschulischen Alter zu entwickeln, um damit die Qualitätssicherung in diesem Bereich landesweit und trägerübergreifend zu ermöglichen. Ich habe einen sehr guten Gesprächsstand mit allen Trägern der Kindertagesstätten. Wir befinden uns auf einem guten einvernehmlichen Weg.
den, weil die körperliche Entwicklung mit der geistigen Entwicklung untrennbar einhergeht und gleichermaßen verpflichtend gefördert und gefordert werden muss.
Um es an dieser Stelle abzukürzen: Wir sind dran am Thema. Ich sehe mich in der Lage, schon in wenigen Monaten ein tragfähiges Konzept vorzulegen und mit Ihnen zu diskutieren. Wenn jetzt abseits vom tagespolitischen Streit ein gutes Gesamtkonzept insbesondere auch über den Ausschuss entwickelt wird, dann sollten wir versuchen - wir haben das gerade in diesem Bereich schon sehr oft miteinander hinbekommen -, ein tragfähiges gemeines Konzept zu erarbeiten und in die Kindergärten schlicht und ergreifend mehr Bewegung zu bringen. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Busemann, mir ist jetzt nicht so ganz klar geworden, ob das ein Sportverein-Nachwuchsförderungsprogramm oder ein Kindertagesstätten-Qualifizierungsprogramm war. Es war wohl eher das Erstere.
- Ich glaube, ich bin immer freundlich zu Ihnen. Die Koalitionsfraktionen bitten die Landesregierung, die Bewegungserziehung in den Kindertagesstätten weiter auszubauen. Wir haben diesen Erziehungs- und Bildungsauftrag, und wir nehmen ihn ernst. Auch den Bewegungsauftrag werden wir gemeinsam ernst nehmen. Unsere Kinder brauchen und wollen mehr Anstrengungen für ihr kognitives, motorisches, musisches und soziales Lernen. Das kann und muss in einem verbindlichen Bildungsplan umgesetzt werden, wie er von der alten Landesregierung Ende Januar - wenn ich mich richtig erinnere - auf den Weg gebracht worden ist.
Ich verstehe die jetzigen Regierungsfraktionen nicht, dass sie das nicht im Rahmen dieses Bildungsplans tut. Es wird einfach ein Aspekt herausgegriffen und schnell in einen Antrag formuliert. Das ist Aktionismus, um zu dokumentieren, dass Sie etwas bewegen.
Meine Damen und Herren, ich meine, dieser Antrag hat einen anderen Hintergrund. Sie haben nämlich das Vorhaben „Bildungsplan“ um 290 000 Euro gekürzt, das ist eine 54-prozentige Kürzung. Für mich heißt das, dass Sie anscheinend vorhaben, den niedersächsischen Bildungsplan für die Kindertagesstätten allmählich ad acta zu legen.
Ich weiß nicht, wie Sie es mit dem Resthaushaltsvolumen hinkriegen wollen, für die Kinder etwas qualitativ Gutes auf die Beine zu stellen.
Sie versuchen, so zu argumentieren: Seht her, wir tun doch etwas für unsere Kinder in Niedersachsen. Aber Sie machen genau den Fehler, den Sie Frau Trauernicht immer vorgeworfen haben: einzelne Modellprojekte. Sie haben immer gesagt, Frau Trauernicht überziehe das Land damit. Wollen Sie jetzt genau dasselbe machen? - Das wäre schön dumm, wenn man das fünf Jahre lang kritisiert hat.