(Elke Müller [SPD]: Was machen Sie dagegen? - Gegenruf von Ursula Körtner [CDU]: Rot-Grün muss weg in Berlin!)
Deswegen hat beispielsweise auch die Landesregierung gehandelt. Ich finde, die Aktion der Staatskanzlei, die gemeinsam mit Verbänden und mit der Arbeitsverwaltung mehr als 1 200 zusätzliche Plätze eingeworben hat, war vorbildlich.
Auch in Niedersachsen haben nicht alle Jugendlichen eine Lehrstelle. Wir haben in Niedersachsen heute per Saldo 700 junge Menschen, die noch keinen Ausbildungsplatz haben
(Sigmar Gabriel [SPD]: Zählen Sie mal die Maßnahmen dazu! - Rebecca Harms [GRÜNE]: Haben Sie noch ei- ne Zahl zu denen, die in staatlichen Maßnahmen ausgebildet werden?)
bzw. in schulischen Maßnahmen untergebracht sind. Allein die Aktion der Staatskanzlei hat 1 200 zusätzliche Ausbildungsplätze gebracht. Ich meine, das ist schon anerkennenswert.
Genauso wie Kollege Rösler finde ich bis heute überhaupt keine Erklärung dafür, warum die Gewerkschaften nicht ausbilden.
Das sind doch diejenigen, die es angeschoben haben. Sie sollten doch als erste im eigenen Betrieb ausbilden. Man muss doch das vorleben, was man von anderen fordert.
(Rebecca Harms [GRÜNE]: Stellen Sie mal für Ihr Büro Auszubildende ein und verzichten Sie auf Doppel- diäten! Das wäre gut!)
Herr Gabriel, wir haben den SPD-Bundesparteitag natürlich gut verfolgt. In der „Tagesschau“ konnte man von Ihnen hören: Mein Eindruck ist, dass wir den Kontakt zu den Leuten verloren haben.
Dazu kann ich nur sagen: Damit haben Sie Recht. Ihre Analyse stimmt. Gehen Sie doch mal zu den Leuten in die Betriebe.
Reden Sie mit dem Tischler, mit dem Bäcker, mit dem Fleischer, und fragen Sie die, was auf dem Ausbildungsmarkt los ist. Dann werden die Ihnen sagen: In unserem Gewerbe haben wir leider nicht alle Ausbildungsplätze besetzen können, weil das nicht modern und nicht „in“ ist für die jungen Leute. Die werden Sie fragen: Gabriel, dafür willst du uns noch zusätzlich mit einer Ausbildungsplatzgabe
(Sigmar Gabriel [SPD]: Wenn einer ausbildet, muss er doch keine Abgabe zahlen! Was erzählen Sie für einen Blödsinn?)
Es gibt Betriebe, die ihre Ausbildungsplätze im kaufmännischen Bereich nicht besetzen können, weil die Bewerber aufgrund ihrer schulischen Leistungen z. B. in Mathe und in Deutsch nicht für eine solche Lehrstelle geeignet sind.
Was passiert eigentlich mit den 10 % Hauptschülern, die in den letzten 13 Jahren Ihrer Regierung ohne irgendeinen Abschluss von der Schule abgegangen sind? Die neue Landesregierung hat reagiert. Wir haben die Hauptschule in den Mittelpunkt unseres Handelns gestellt, um Chancengleichheit herzustellen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD - Sigmar Gabriel [SPD]: Sie haben den Mathe- Unterricht gekürzt!)
Mit der Zwangsabgabe will die Bundesregierung insgesamt ungefähr 8 Milliarden Euro bei den Betrieben zusätzlich abschöpfen. Ich sage Ihnen: Diese 8 Milliarden Euro werden zusätzlich dazu beitragen, dass die Lohnnebenkosten in Deutschland weiter steigen, dass Schwarzarbeit zunimmt wird und dass Unternehmen in Insolvenz gehen werden.
Mit der Zwangsabgabe schaffen Sie nicht einen einzigen neuen Ausbildungsplatz. Deswegen bitte ich Sie: Packen Sie das zusammen - Sie haben von Ihrem Wirtschaftsminister selbst gehört, wie unsinnig das ist -, schieben Sie das in eine untere Schublade und denken Sie sich ja nichts Neues aus für die Auszubildenden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo ist der eigentliche Kern des Problems im Ausbildungsbereich? - Ich meine, ein Kern ist, dass nur noch weniger als 30 % der Betriebe ausbilden. Die Zahl dieser Betriebe hat in der Tendenz schon in den letzten 15 Jahren immer weiter abgenommen, nicht erst unter Rot-Grün. Wir haben schon in der Vergangenheit Kapazitäten für überbetriebliche Ausbildungsbereiche aufbauen müssen. Das Maß an überbetrieblicher Ausbildung aber ist längst erreicht. Es darf nicht mehr Staat in der Ausbildung geben. Das Gewicht muss wieder stärker bei den Betrieben liegen.
Das zweite Problem ist, dass wir ein großes Ungleichgewicht zwischen den Betrieben haben, dass insbesondere im Bereich der kleinen und mittleren Betriebe, etwa im Handwerk, eine Ausbildungsquote von 7 %, manchmal 8 % existiert, während diese im Bereich der großen Betriebe nur 3 % beträgt. Das ist eine Ungerechtigkeit, eine ungleiche Belastung der Betriebe, die zusätzlich zu der bestehenden Ungleichbelastung der Betriebe hinzukommt, die ausbilden oder die gar nicht ausbilden. An diesem Punkt muss die Politik ansetzen. An diesem Punkt müssen wir für Gerechtigkeit und für gleiche Start- und Wettbewerbsbedingungen in unserer Wirtschaft sorgen.
Herr Rösler, es ist ein Schlechtreden des Standortes, wenn Sie hier behaupten, dass drei Viertel der Betriebe in der Bundesrepublik, die nicht ausbilden, praktisch vor der Insolvenz stünden.
Diese Generalamnestie, die die FDP und auch die CDU den Betrieben, die nicht ausbilden, erteilt, ist völlig aus der Luft gegriffen, ist völlig unhaltbar und ist eine Bestrafung derjenigen, die ausbilden.
der Wirtschaft erreichen. Insoweit müssen wir stärker zusammen stehen. Ich rate Ihnen: Denken auch Sie über Instrumente nach, wie wir Betriebe mehr dazu motivieren können, auszubilden. Nur mit Rundreisen und freundlichen Worten werden wir das Problem nicht lösen. Denn, Herr Hoppenbrock, nicht nur der Saldo von 700 jungen Menschen ohne Ausbildungsplatz in Niedersachsen muss uns angehen, sondern das tatsächliche Defizit von über 2 000 Jugendlichen, die keine Ausbildung erhalten. Sie haben in Ihrer Rede gesagt, dass die 1 300 jungen Menschen, die in diesem Saldo von 700 jungen Menschen nicht vorkommen, selbst Schuld seien und auch Bäcker hätten werden können. Ich sage Ihnen dazu: Wenn ich als Jugendlicher in Wolfsburg wohne und den Ausbildungsplatz in Leer angeboten bekomme, dann bin ich nicht so flexibel, und vielleicht weiß ich von diesem Ausbildungsplatz auch gar nichts. Dieser Generalverdacht gilt nicht. Sie dürfen auch die mehr als 4 500 Jugendlichen, die in diesem Jahr erneut in Maßnahmen hineingenommen worden sind, um sie staatlicherseits aus dem Lehrstellenmarkt herauszunehmen, nicht unter den Tisch fallen lassen.
Wir haben eine riesige Bugwelle an Jugendlichen, die betriebliche Ausbildung suchen. Sie wissen, wie ungleich schwieriger es für überbetrieblich ausgebildete Jugendliche ist, in der Wirtschaft Fuß zu fassen, als das für betrieblich ausgebildete Jugendliche gilt.
Derzeit zahlen wir jährlich 6 Milliarden Euro staatlicherseits für Ausbildung; 14 Milliarden Euro kommen von der Wirtschaft. Ich meine, dass dieses Verhältnis nicht stärker zulasten des Staates umverteilt werden darf.
Vor diesem Hindergrund ist es auch völlig falsch, Herr Rösler, wenn Sie sagen, dass die Ausbildungsplatzumlage dazu führen würde, dass der Faktor Arbeit stärker belastet würde. Im Gegenteil! Die Umlage führt doch dazu, dass innerhalb der Wirtschaft umverteilt wird. Der Faktor Arbeit ist, über alles gesehen, genauso belastet wie vorher.
nicht den Verdacht nährt, der Staat würde sich über die Ausbildungsumlage zusätzliche Einnahmen sichern. Ich meine, dass wir dadurch das Vertrauen der Wirtschaft erlangen werden, dass diejenigen, die nicht ausbilden, wissen, wo ihr Geld bleibt, und diejenigen, die ausbilden, entlastet werden.
Wir wollen als Grüne, dass z. B. diese Ausbildungsumlage für alle Betriebe gleich hoch ist - im Sinne der Gleichheit zwischen großen und kleinen Unternehmen - und dass Unternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben - also Förderung des Handwerks, der kleinen Betriebe -, von der Ausbildungsplatzabgabe gänzlich freigestellt werden. Ich meine, dass das die FDP doch sehr erfreuen müsste. Aber was macht die FDP? - Sie schlagen durch Herrn Brüderle im Bundestag vor, 3 000 Euro, steuerfinanziert, für jeden Ausbildungsplatz zu zahlen. Das ist mehr Staat, meine Damen und Herren.
Das ist nicht Markt, das ist nicht Ausgleich zwischen den Betrieben, die ausbilden, und denen, die nicht ausbilden. Ich glaube, dass das tatsächlich die Wirtschaft anreizende Instrument die Umlage ist, die die Grünen vorschlagen. Ich bitte Sie, die Debatte mit uns konstruktiv weiterzuführen. Vielen Dank.