Protokoll der Sitzung vom 21.11.2003

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon bedauerlich, dass es Proteste und Demonstrationen sowie Trauerflaggen an Rathäusern

brauchte, bis Rot-Grün den Handlungsbedarf bei den Gemeindefinanzen erkannt hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die FDP-Fraktion kämpft im Gegensatz zu Ihnen, Herr Gabriel, schon seit Jahren für eine grundlegende Gemeindefinanzreform und eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie wollen den Kommunen das Geld wegnehmen!)

Der Situationsbeschreibung in dem gemeinsamen Antrag von Ihnen und den Grünen kann man ja noch zustimmen. Aber dann hört es schlagartig auf. Es geht darum, die Finanzausstattung der Gemeinden nachhaltig zu verbessern. Dann muss man auch daran denken, dass es erforderlich ist, das Wachstum zu fördern und Belastungen von Bürgern und Wirtschaft zurückzunehmen. Wenn Sie aber in Ihrem Antrag Steuern auf Leasingkosten, Zinskosten, Mieten, also auf Ausgaben und Kosten der Unternehmen statt auf deren Gewinne einfordern, dann werden Sie genau das Gegenteil erreichen. Wie soll denn ein Unternehmen, das Verluste schreibt, diese Zahlungen noch verkraften?

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Sie werden vielmehr die Pleitewelle noch beschleunigen.

Auch die von Ihnen vorgeschlagene neue Steuer für Freiberufler ist nur ein schlechter Scherz. Sie wissen genau - Herr Aller hat das auch vorgetragen -, dass die Mehrheit der Freiberufler diese Steuer gar nicht bezahlen müsste. Stattdessen soll es ein kompliziertes Prüfverfahren geben, das eingeleitet wird, das keiner versteht, das unnötig Zeit und Geld kosten wird.

Das Schließen von Steuerschlupflöchern, das Sie einfordern, ist gut und richtig. Aber Sie können das doch nicht über Teilaspekte des Gewerbesteuerrechts regeln. Sie müssen ein neues Steuersystem schaffen, eine grundlegende Steuerreform, und so die Steuerschlupflöcher schließen. Da wären wir bei Ihnen und würden mitmachen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Es ist sogar so, dass Ihnen die FDP in diesem Bereich einige Arbeit abgenommen hat. Wir haben

einen kompletten Gesetzentwurf, unseren Berliner Entwurf, vorgelegt: ein komplett neues Steuergesetz mit Steuersätzen von 15, 25 und 35 %. Schlupflöcher gibt es darin nicht mehr. Stimmen Sie dem FDP-Entwurf einfach zu, oder sagen Sie es Herrn Schröder, wenn Sie ihn das nächste Mal sehen. Deutschland geht es dann besser - so einfach wäre das.

(Zuruf von Sigmar Gabriel [SPD])

Leider - das höre ich schon - werden Sie das wohl nicht tun, Herr Gabriel. So bleibt uns also nur Stückwerk. Auch eine richtige Gemeindefinanzreform werden wir dann zum nächsten Jahr im Vermittlungsausschuss nicht hinkriegen. Der einzige Ausweg aus dieser Situation ist der Weg, den die Niedersächsische Landesregierung geht, nämlich eine Notfallhilfe für die Kommunen im Jahr 2004. Dies wird durch die Absenkung der Gewerbesteuerumlage auf 20 %

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

und die Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Kommunen auf mindestens 3 % erreicht. Die nachhaltige Reform muss dann im Jahr 2005 geschafft werden. Hier gibt es auch nur eine richtige Lösung: einerseits eine weitere Erhöhung des Umsatzsteueranteils - nach Ansicht der FDP-Fraktion wäre ein Umsatzsteueranteil von 11,5 % erforderlich -, andererseits die Abschaffung der Gewerbesteuer und stattdessen die Einführung eines Heberechts auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Damit es zu keinen weiteren Steuerbelastungen kommt, muss der Tarif vorher entsprechend gesenkt werden. Mit diesem heberechtsbezogenen Einkommensteuerrecht für die Kommunen

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

erfüllen wir auch die Forderungen der CDULandtagsfraktion, die hier eben gestellt worden sind. Wir schaffen einen Wettbewerb in den und zwischen den Kommunen im Steuer- und Finanzsystem. Das schafft eine engere Bindung zwischen Bürgern, Wirtschaft und Kommunalpolitik.

Aber das alles wird nicht reichen. Es müssen auch im Bund die den Kommunen gemachten Vorschriften, die zu Belastungen führen, auf den Prüfstand. Entweder werden sie abgeschafft, und die Kommunen bekommen an dieser Stelle die Freiheit der Selbstverwaltung zurück, oder die Kosten werden vom Bund übernommen. Dafür ist es dann auch erforderlich, dass nicht nur in Niedersachsen

das strenge Konnexitätsprinzip angewandt wird - sprich: Wer bestellt, der muss bezahlen -, sondern auch auf Bundesebene.

(Glocke des Präsidenten)

Wir bedauern es daher außerordentlich, dass im letzten Monat der Antrag der FDP-Fraktion im Bundestag, der genau dieses Konnexitätsprinzip einforderte, von den anderen Fraktionen abgelehnt worden ist. So können wir nicht mit unseren Kommunen umgehen. Ich bitte Rot-Grün daher eindringlich: Überdenken Sie intensiv Ihren Weg, treten Sie an unsere Seite, und helfen wir gemeinsam den Kommunen aus der Krise.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Abgeordnete Wenzel.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Rösler ist leider nicht anwesend. Herr Kollege McAllister, ich muss feststellen, dass genau in diesem Punkt - der Gemeindefinanzreform - diese Koalition zwischen CDU und FDP völlig handlungsunfähig ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Diese beiden Reden haben bestens dokumentiert, dass es keine gemeinsame Position dieser Koalition gibt.

Liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, es gibt viele von Ihnen, die seit vielen Jahren, seit Jahrzehnten Kommunalpolitik machen. Der Kollege Hiebing, so habe ich gelesen, macht seit mehr als 20 Jahren Kommunalpolitik in seinem Rat und in seinem Kreistag.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Guter Mann!)

Viele von Ihnen haben in der Gemeinde oder im Kreistag angefangen, Politik zu machen, und vertreten heute ihre Gemeinde im Landtag. Ich empfinde es als etwas verwunderlich, dass Sie sich so von den Kollegen von der FDP-Fraktion vorführen lassen. Was hier passiert, ist doch eine Ungeheuerlichkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Wenzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rolfes?

Gerne, wenn ich mit meinen Ausführungen zum Ende gekommen bin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, was uns hier als Sofortprogramm präsentiert wird, ist doch nichts anderes als der Versuch, die Handlungsunfähigkeit dieser Koalition zu kaschieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - David McAllister [CDU]: Das haben Sie schon dreimal gesagt! Le- gen Sie doch einmal eine andere Platte auf!)

- Lieber David McAllister, wenn das anders ist, wenn das, was ich hier sage, nicht stimmen sollte, dann bitte ich Sie: Gehen Sie in die Bütt, und machen Sie deutlich, dass die CDU-Fraktion dazu steht, den Kommunen jetzt - in diesem Herbst unter die Arme zu greifen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - David McAllister [CDU]: Das werden wir im Vermittlungsausschuss machen!)

Im Dezember steht im Bundesrat die Diskussion über die Gemeindefinanzreform an. Dann ist die Zeit der Entscheidung gekommen. Wenn Sie jetzt sagen „Wir brauchen ein kleines Sofort- und Notprogramm, und dann reden wir über die große Finanzreform für 2004, 2005, 2006“, und wenn Sie sich so vorführen lassen, dann diskutieren Sie einmal mit Ihren Kollegen in den Räten und Kreistagen darüber, was dann mit den kommunalen Haushalten los ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Minister Walter Hirche: Wir las- sen uns die Wirtschaft von Ihnen nicht kaputtmachen! - Gegenruf von Re- becca Harms [GRÜNE])

- Herr Hirche, dann können wir auch das Thema nach einmal ansprechen. Sie meinen,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

eine bestimmte Klientel verteidigen zu müssen. Dafür opfern Sie die Kommunen und lassen sie über die Klinge springen. Das ist doch das Thema!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der FDP und von der CDU - Gegenrufe von den GRÜ- NEN und von der SPD)

Herr Hirche, wenn Sie die Sache ehrlich meinen, dann sprechen Sie jetzt mit Ihren Leuten, und lassen Sie uns darüber nachdenken, wie wir im Dezember zu einer Lösung kommen, die den Kommunen dient, die auch im Sinne dessen ist, was z. B. der Städtetag mit seinem Präsidium, mit Frau Roth an der Spitze, mit Herrn Schmalstieg an der Spitze, parteiübergreifend für notwendig hält. Das wäre ein Weg, der im Dezember gegangen werden kann. Ich hoffe, dass wir hier alle gemeinsam zueinander finden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Landesregierung hat sich zu Wort gemeldet. Herr Minister Möllring, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Wenzel, was Sie hier vorgeführt haben, ist nun wirklich kontraproduktiv gewesen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das war wunderbar!)

- Wenn Sie die Argumente nicht nach ihrem Inhalt, sondern nur nach der Lautstärke gewichten, dann war es wunderbar, aber man sollte auch ein bisschen auf die Inhalte achten.