Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich deutlich machen: Auch wenn uns die Hinterlassenschaft der Vorgängerregierung vor schier unlösbare finanzielle Probleme stellt, werden wir den Weg gehen, der den Menschen in Niedersachsen wieder das Vertrauen in die Politik zurückgibt. Wir werden den Menschen in diesem Lande auch im Bereich der Pflege wieder Verlässlichkeit und Vertrauen geben. Dazu - dies betone ich noch einmal - ist die Änderung des Pflegegesetzes der erste Schritt in die richtige Richtung. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Neuen Presse stand am 30. Juli dieses Jahres: „Verbände warnen: Pflege erstickt in Bürokratie. Tausend Seiten regeln Umgang mit Patienten.“ Genau das ist das, was wir vorgefunden haben, und genau das ist das, was wir nicht wollen. Als wir in der neuen Regierung angetreten sind, haben wir gesagt: Wir wollen auch im Bereich der Pflege möglichst bald eine Verbesserung herbeiführen. Das haben wir sehr zügig getan. Wir haben reagiert und eine Novelle vorgelegt.
Das alte Pflegegesetz war ein bürokratisches Monster, das die Pflege nicht erleichtert, sondern erschwert hat. Die Mittel waren außerdem gedeckelt, wie hier schon gesagt worden ist. Alle wollten die Novelle. Es gibt auch eine breite Zustimmung zu dem, was jetzt vorliegt.
Was ist nun im Einzelnen vorgesehen? Ich werde noch einmal kurz auf einige Punkte eingehen. - Ein Grundsatz lautet: ambulant vor stationär. Das kommt jedem von uns zugute, weil die meisten Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben wollen. Das wird damit ermöglicht. Hier greift künftig auch die Förderung der Investitionsaufwendungen, und zwar in drei Bereichen: erstens bei den Pflegediensten mit leistungsbezogenen landeseinheitlichen Investitionskostenpauschalen ohne Budgetierung - das ist jetzt neu analog dem Stand vor dem 1. Januar 2002, zweitens bei den Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen - teilstationär - und drittens bei der Kurzzeitpflege sowie der eingestreuten Kurzzeitpflege, die für die Angehörigen sehr wichtig ist; sie haben dann nämlich die Möglichkeit, sich zu erholen, indem sie die von ihnen zu Pflegenden dort vorübergehend unterbringen. Dafür fällt der so genannte BAZ weg. Das Geld wird aber nicht, wie hier ebenfalls schon gesagt worden ist, einfach nur gestrichen, sondern in diesem Fall wird das Geld den Kommunen und damit den Sozialhilfeträgern zur Verfügung gestellt. Der § 13 des Niedersächsischen Pflegegesetzes wird jetzt in das Quotale System überführt. Das heißt, dass die Träger der Sozialhilfe vor Ort pro Bewohner/Bewohnerin in der stationären Pflege natürlich höhere Aufwendungen haben, aber aus den bisherigen Ansätzen des § 13 des Niedersächsischen Pflegegesetzes wird das Ganze ausgeglichen. Die Einrichtungen treffen dann entsprechende Vereinbarungen mit den Kommunen. Das heißt, Entscheidung und Geld sind künftig vor Ort. Auf die Notwendigkeiten kann zum Wohle der zu Pflegenden und damit zum Wohle aller flexibler reagiert werden. Wir trauen den Kommunen zu, dass sie das vernünftig machen.
Nach dem Bundessozialhilfegesetz besteht die Möglichkeit, die Angehörigen an den Kosten zu beteiligen. Auch darauf wurde schon hingewiesen. Das betrifft jetzt 800 Personen. Die Ministerin hat aber gesagt, dass 43 000 Menschen von der Stärkung der ambulanten Pflege profitieren. Daraus ergibt sich ein Verhältnis von 1 : 53. Ich bin der Meinung, das rechtfertigt sehr wohl, den Schwerpunkt hier zu setzen.
Insgesamt gibt es eine erhebliche Verschlankung. Es sind verschiedene Paragrafen ganz abgeschafft worden, z. B. die §§ 2, 8 zum Teil, 12, 13, 20, 21 oder 23. Verschiedene Paragrafen sind völlig weg, und wir haben damit einige Seiten beseitigt.
Die Pflegeberichterstattung ist vereinfacht worden. Wir geben mehr Zeit für die Pflege. Es ist eine kontinuierliche Marktbeobachtung eingeführt worden, die jederzeit eine flexible Reaktion auf die Erfordernisse ermöglicht. Das heißt, wir haben weniger Bürokratie, mehr Flexibilität, eine Stärkung der ambulanten Pflege und auch frauenpolitisch etwas erreicht, denn 75 % der zu Pflegenden sind Frauen. Es wurde also viel Gutes erreicht. Man kann diesem Gesetzentwurf zustimmen, und ich bitte Sie, das zu tun.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit den geplanten Änderungen des Niedersächsischen Pflegegesetzes tut man den Pflegebedürftigen im Lande und auch den Trägern der Pflegeeinrichtungen weiß Gott keinen Gefallen. Nachdem dieser Entwurf offensichtlich partout in Rekordzeit durch die Gremien gebracht werden sollte, gab es eine öffentliche Anhörung lediglich der kommunalen Spitzenverbände. Diese hatten erwartungsgemäß an der 1 : 1-Umsetzung ihrer Forderungen nichts auszusetzen. Dagegen haben Sie auf eine Anhörung der Trägerverbände wohlweislich verzichtet, denn deren Ablehnung wäre zu deutlich ausgefallen. Das wollten Sie sich offensichtlich nicht anhören.
Frau Jahns, es ist ja wohl unmöglich, dass Sie eine öffentliche Anhörung der Verbände ablehnen und uns stattdessen die schriftlichen Stellungnahmen zur Verfügung stellen und das sozusagen als Großtat preisen, dass wir uns das durchlesen dürfen. Das wundert mich aber sehr.
Sie betreiben mit dem, wie Sie hier argumentieren, in weiten Teilen Etikettenschwindel, z. B. wenn Sie erklären, dass hier ambulante vor stationärer Pflege gefördert würde. Sie nehmen zwar die Deckelung der Investitionskosten aus dem ambulanten Bereich weg, aber Sie stärken nicht die ambulante Pflege. Kein Pflegebedürftiger bekommt doch deswegen auch nur einen Euro mehr Geld für das,
was er an Pflegeleistung bekommt. Da muss man z. B. an die Dynamisierung der Leistungen im Pflegeversicherungsleistungsgesetz gehen. Heute bleiben die Menschen bei Pflegebedürftigkeit ohnehin schon so lange wie möglich zu Hause; das ist bereits so. Die Verweildauern in den Heimen werden immer kürzer, die Menschen werden immer kränker, und kein Mensch geht ins Heim, weil die Ambulanz zu teuer oder der stationäre Bereich billiger wäre. Das stimmt einfach nicht. Wenn Sie etwas für die Stärkung der häuslichen Pflege hätten tun wollen, dann hätten Sie endlich zügig die Voraussetzungen für die Anerkennung der niedrigschwelligen Betreuung der an Demenz Erkrankten verabschieden sollen. Damit wäre den Betroffenen und ihren Angehörigen wirklich geholfen.
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz werden nicht nur die Probleme der ambulanten Pflege nicht gelöst, sondern Sie schaffen auch noch neue im stationären Bereich. Durch die Abschaffung des Pflegewohngeldes werden mindestens 8 000 Menschen zusätzlich in die Sozialhilfe gedrängt. Das widerspricht eindeutig den sozialpolitischen Intentionen des Pflegeversicherungsleistungsgesetzes. Genau dies sollte nämlich damit verhindert werden.
Wenn das Land künftig keine stationären Einrichtungen mehr fördert, dann hat das große Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft von Trägern.
Die geplanten Änderungen führen nämlich zu einer großen Rechtsunsicherheit. Teilweise haben Träger wegen der unsicheren Finanzierung Investitionen bereits zurückgestellt.
Meine Damen und Herren, einen weiteren Etikettenschwindel betreiben Sie bei dem Bürokratieabbau. Es hat doch keine Pflegekraft eine Minute mehr Zeit für die Pflege, wenn der BAZ abgeschafft wird. Das können Sie nur Menschen erzählen, die die Realität von Pflegeeinrichtungen nicht kennen. Ganz im Gegenteil: Sie bauen einen Berg von neuer Bürokratie auf. 1 300 Einrichtungen müssen jetzt jeweils einzeln Verträge mit den jeweiligen Sozialhilfeträgern schließen. Das müssen Sie im Schweinsgalopp machen, weil Sie nämlich unbedingt heute, am 10. Dezember 2003,
Weil das nicht geht, haben einige Landkreise bereits angekündigt, dass sie um 10 % verminderte Abschlagszahlungen machen. Das gibt für die Träger große Probleme. Die Schiedstellen rechnen mit einer Flut von Schiedstellenverfahren. Und das bezeichnen Sie als Bürokratieabbau? - Das können Sie wirklich nur jemandem erklären, der nicht Bescheid weiß. Das Land zieht sich komplett aus seiner Verpflichtung zur Vorhaltung einer pflegerischen Infrastruktur zurück. Das ist nicht in Ordnung. Sie entlassen sich sozusagen aus dieser Verpflichtung.
Ich komme gleich zum Schluss. - Weiterhin müssen wir konstatieren, dass der Landkreistag bereits angekündigt hat, dass er künftig für Sozialhilfeempfänger maximal noch Zweibettzimmer bereitstellen wird. Das ist eine erhebliche Verschlechterung für die Menschen im Lande. Ein Mindestmaß an Intim- und Privatsphäre - auch für Sozialhilfeempfänger - ist eine Frage von Menschenwürde und Menschenrecht. Beides greifen Sie hier mit Ihrem Vorschlag an. Sie haben alle diese Bedenken nicht widerlegen können. Sie heben bei der Abstimmung die Hand für eine Verschlechterung der Pflege alter Menschen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Blüm‘sche Pflegeversicherung als vierte Sozialversicherungssäule war ein Kompromiss zwischen Bund und Ländern. Dabei sollten die laufenden Kosten über die Versicherung bezahlt werden und die Investitionskosten über die Länder. Ziel war und ist es, Menschen, die plötzlich vom Lebensri
siko Pflegebedürftigkeit getroffen werden - das kann jeden von uns zu jeder Zeit betreffen -, nicht automatisch in die Sozialhilfe abrutschen zu lassen.
Hier in Niedersachsen passiert jetzt nichts anderes, als dass Sie alle Heimbewohner, die bisher Pflegewohngeld bezogen und keine unterhaltspflichtigen Angehörigen haben, zum Sozialamt schicken. Das sind in Niedersachsen mindestens 8 000 Pflegebedürftige. Der Grundgedanke der Pflegeversicherung wird damit in Niedersachsen ad absurdum geführt. Ob es tatsächlich nur 8 000 Leute sind, wird sich zeigen; das würde nämlich bedeuten, dass von den rund 20 000 Empfängern von Pflegewohngeld bereits 12 000 entweder unterhaltspflichtige Angehörige haben oder schon in die Sozialhilfe abgerutscht sind.
Als der Landtag unter der SPD-geführten Landesregierung am 13. Dezember 2001 die Begrenzung des Pflegewohngeldes auf 550 Euro beschloss, um die Wettbewerbsspirale der Investoren auf Staatskosten einzudämmen, stellte die Kollegin Pawelski für die CDU fest:
„Dennoch wagen Sie es, durch die Kappungsgrenze beim Pflegewohngeld viele Empfänger in stationären Einrichtungen dem Sozialamt auszuliefern, sie zu Bittstellern zu degradieren. Alte Menschen werden nun zu Bittstellern beim Sozialamt!“
Meine Damen und Herren, heute finden die CDUFraktion und die Regierung überhaupt nichts dabei, alle Menschen, die Pflegewohngeld beziehen, zu Bittstellern beim Sozialamt zu machen. Die Verlierer dieses Gesetzes sind eindeutig die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen. Die Pflegekassen stellen dazu fest:
„Damit werden nach In-Kraft-Treten dieser Vorschrift weit über 1 000 unterhaltspflichtige Angehörige zur Zahlung der Investitionsaufwendungen aufgefordert. Oft haben sie sich bereits in der Vergangenheit unter großem körperlichen und psychischen Einsatz aufgeopfert und ihre pflegebedürftigen Angehörigen in der Häuslichkeit versorgt.“
darum, unklare Rechtszustände zu beenden und Bürokratie abzubauen. Bislang hat die Sozialministerin trotz dieser Ankündigungen weder ein Konzept zum Bürokratieabbau vorgelegt noch gegenüber dem Bundesgesetzgeber oder den Pflegekassen eine wie auch immer geartete Initiative gestartet. Weder im Land noch in den Einrichtungen wird Bürokratie abgebaut. Zu diesem Ergebnis kommen sogar die eigentlichen Verfasser des Gesetzes, nämlich die kommunalen Spitzenverbände. Sie haben in der Anhörung festgestellt:
„Es ist deshalb nicht angebracht, von erheblichen Verwaltungsvereinfachungen zu sprechen, die dann eventuell auch noch finanzielle Auswirkungen im Verhältnis auf die Kommunen und das Land nach sich ziehen könnten.“
„Wir erwarten, dass der Abschluss dieser Vereinbarung noch aufwändiger sein wird als das bisher schon sehr komplexe System der Pflegeversicherung.“
Als die Ministerin erkannte, dass dieses Argument alleine nicht ausreichte, wurde ein neues nachgeschoben. Seit neuestem meint die Regierung erkannt zu haben, dass viele pflegebedürftige Menschen aus Kostengründen ins Heim gingen, statt eine mögliche ambulante Versorgung zu wählen.
Meine Damen und Herren, dies ist nicht nur Unsinn, sondern dies ist auch zynisch. Kein Mensch in diesem Land geht freiwillig in Dauerpflege.
Tatsache ist, dass das durchschnittliche Eintrittsalter von Heimbewohnern mittlerweile bei 82 Jahren liegt und die durchschnittliche Verweildauer nur noch zweieinhalb Monate beträgt. Das bedeutet, dass die Altenheime zusehends hospizähnliche Einrichtungen werden.
stationär gepflegt werden, dann ist klar, dass der ambulante Bereich kaum noch gesteigert werden kann. Bei den anderen Personen ist der stationäre Bereich aufgrund der besonderen Schwere der Pflege unabdingbar.