Protokoll der Sitzung vom 10.12.2003

Zusammengefasst komme ich zu dem Ergebnis: Sie setzen auf Gesetzesverschärfung. Sie missbrauchen das Instrument der Gesetzgebung; denn Sie können für diese Verschärfungen keine Erfahrungswerte bringen, aus denen heraus Sie die Erforderlichkeit der Veränderungen begründen können.

Sie sind angetreten mit dem Schwerpunkt „innere Sicherheit und Stärkung der Kommunen“. Was haben Sie erreicht? - Die Polizeibeschäftigen sind massiv vergrätzt. Etliche Landkreise haben Sie mit Ihrer geplanten Regelung zur Abschaffung von Polizeiinspektionen vor den Kopf gestoßen. Fachleute und auch Polizeipraktiker halten die Regelungen im Polizeigesetz für überflüssig oder gar für rechtswidrig.

Abschließend noch zur Position der FDP. Für meine Begriffe räumen Sie Ihre letzten liberalen Positionen, und zwar zum einen bei der vorbeugenden Telefonüberwachung, zum anderen aber auch, wenn Sie faktisch auf Durchführung einer Evaluierung verzichten. Von „Entschärfung durch die FDP“ kann keine Rede mehr sein. Die CDU mag sich über Ihr Einschwenken auf CDU-Positionen ja freuen. Ich aber sehe Ihr Verhalten als politische Tötung auf Verlangen an. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Herr Innenminister hat jetzt das Wort.

(David McAllister [CDU]: Herr Minis- ter, jetzt bitte die Wahrheit!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für diese Landesregierung und für mich

persönlich als Innenminister ist ein Ziel klar: Wir wollen dieses Land sicherer machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dafür ist ein Bündel von Maßnahmen notwendig. Die Grundlage dafür ist, dass wir ein Polizeigesetz schaffen, das modern ist, das auf die neuen Herausforderungen reagiert und das vor allem auch effektiv ist. Was die Regierungsfraktionen hier vorgelegt haben, ist - so kann man mit Fug und Recht sagen - das modernste und effektivste Polizeigesetz in Deutschland, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - David McAllister [CDU]: Sehr gut!)

Das ist von den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern auch durchaus schon anerkannt worden. Es ist, meine ich, gut, dass wir nicht nur von anderen abschreiben, sondern auch einmal für andere beispielgebend sind. Das ist im Bereich der inneren Sicherheit sicherlich ganz wichtig.

Meine Damen und Herren, endlich ist die öffentliche Ordnung wieder ein zu schützendes Rechtsgut im Polizeigesetz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, Herr Kollege Bartling, wie Sie hier gestanden haben, als wir auch die Zulassung kommunaler Verordnungen beantragt haben. Cuxhaven war seinerzeit beispielgebend. Sie haben damals hier gesagt, dass dies im Lande in Zukunft nicht Schule machen sollte. Die Bezirksregierung in Lüneburg hatte dies durchaus befürwortet. Nachdem andere dies aber machen wollten, haben Sie gesagt, dass dies auf jeden Fall nicht mehr stattfinden sollte. Jetzt, meine Damen und Herren, herrscht Rechtsklarheit. Für uns ist die öffentliche Ordnung ein schützenswertes Rechtsgut.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie sagen, es habe vielleicht auch appellativen Charakter, dann will ich das nicht bestreiten. Was ist denn so schlimm daran, wenn wir den Menschen in unserem Lande sagen, dass wir für öffentliche Ordnung und auch für Sauberkeit eintreten? - Das, meine Damen und Herren, ist wichtig und hat auch etwas damit zu tun, dass sich in den Städten keine Kriminalität entwickelt.

(Beifall bei der CDU)

Dass Sie das schmerzt, kann ich mir sehr gut vorstellen, weil Bundesratsminister Trittin im Jahr 1993, als das Polizeigesetz geändert worden ist, gesagt hat: Endlich wird die Polizei an die Kette gelegt.

(David McAllister [CDU]: So war das! Damit ist jetzt Schluss in Niedersach- sen! - Wolfgang Ontijd [CDU]: Wir ha- ben die Ketten jetzt gesprengt!)

Das, meine Damen und Herren, beseitigen wir jetzt Gott sei Dank wieder.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dass Sie hier sogar Ihren SPD-Kollegen aus anderen Bundesländern bezüglich des Ordnungsbegriffs einen Vorwurf machen, kann ich überhaupt nicht verstehen; denn in 13 Bundesländern ist der Ordnungsbegriff inzwischen selbstverständlicher Bestandteil der jeweiligen Polizeigesetze. Endlich wieder auch in Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU)

Wir schließen aber nicht nur diese Lücke im Polizeigesetz, sondern wir reagieren auch auf Herausforderungen gerade der letzten Jahre. Das ist sicherlich auch wichtig. Meine Damen und Herren, wenn es erforderlich ist, handeln wir sofort, erarbeiten die notwendigen Eingriffsbefugnisse und ändern das Gesetz zu diesem Zweck entsprechend. Das ist meiner Ansicht nach notwendig.

Meine Damen und Herren, wir werden daher das niedersächsische Polizeigesetz auch durch die Einführung der präventiven Telekommunikationsüberwachung optimieren. Sie wissen, dass gerade Straftäter und potenzielle Straftäter die modernen Kommunikationsmöglichkeiten nutzen. Es ist doch so, dass gerade über Handys, über den Austausch von SIM-Karten und Prepaid-Karten konspirativ Straftaten vorbereitet werden. Darauf müssen wir reagieren. Für mich ist es schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass nicht auch die Polizei alle technischen Möglichkeiten wie die Telekommunikationsüberwachung einschließlich des Einsatzes des IMSI-Catchers nutzen soll, um gerade im Bereich der Organisierten Kriminalität, der Bandenkriminalität oder auch im Bereich terroristischer Bedrohungslagen erkannte Gefahrensituationen bereits im Vorfeld konkreter Strafermittlungsverfahren effizient bekämpfen zu können.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der Chef des LKA, Herr Butte, hat es gesagt - ich habe es das letzte Mal zitiert -: Es macht einfach keinen Sinn, dass man der Polizei erst Rechte gibt, wenn das Opfer vielleicht sogar schon getötet worden ist. Wir müssen doch der Polizei bei einer Situation, wenn es um Organisierte Kriminalität oder um einen Terrorismusverdacht geht, rechtzeitig die Möglichkeit geben, an Informationen zu kommen, damit es gar nicht zu Opfern kommt. Darum geht es, und um nichts anderes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich muss Sie daran erinnern, was Sie 1997 ins NGefAG hingeschrieben haben. Ich verweise ausdrücklich auf die Regelung des so genannten großen Lauschangriffs, die Sie 1997 aufgenommen haben. Die Eingriffvoraussetzungen für den tiefer in die Persönlichkeitsrechte eingreifenden Lauschangriff sind doch die gleichen, wie wir sie jetzt für die Telekommunikationsüberwachung formuliert haben. Wenn Sie sich das ansehen, so finden Sie genau die gleichen Formulierungen.

Meine Damen und Herren, da muss ich Sie doch fragen, warum Sie jetzt, wo Sie in der Opposition sind, diese Formulierung wieder wegnehmen wollen. Haben Sie eine andere Sicherheitslage? - Ich meine, die Sicherheitslage ist sogar noch schlechter als 1997. Da müssen Sie sich fragen lassen, warum Sie jetzt, wo Sie in der Opposition sind und diese Verantwortung nicht mehr haben, so etwas kritisieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Bartling und die Kollegen von der SPDFraktion, dann haben Sie - übrigens zusammen mit Bayern noch in Ihrer Regierungszeit am 22. November 2001 einen Antrag im Bundesrat eingebracht, in dem es um Einreiseverbote ging. In diesen Antrag haben Sie die Formulierung aufgenommen, dass ein Einreiseverbot dann ausgesprochen werden soll, wenn Tatsachen die entsprechende Annahme rechtfertigen. Meine Damen und Herren, genau das schreiben wir jetzt in das Gesetz. Mit der Formulierung „wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ haben Sie also eine Bundesratsinitiative dergestalt gemacht, dass jeder abgewiesen werden soll. Wenn Sie jetzt behaupten, jeder solle abgehört werden, ist das paradox,

und Sie wissen, dass das die Unwahrheit ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Rebecca Harms [GRÜNE]: Quatsch!)

Wenn ich höre, dass das verfassungswidrig sei, muss ich sagen, dass wir hier wirklich unabhängige Experten im Landtag haben. Der GBD hat das sehr sorgfältig geprüft und hat es in keiner Weise beanstandet.

(Zuruf von der SPD)

Sie wissen, dass diese Regelung auch in einem anderen Bundesland längst Gesetz ist, und es ist dort überhaupt nicht angegriffen worden.

Meine Damen und Herren, deshalb sollten Sie die Bürger nicht verunsichern, sondern sollten die Wahrheit sagen. Es geht um die Schwerstkriminalität, es geht darum, an Informationen zu kommen. Es geht nicht darum, jeden Tag jemanden mit der Telefonüberwachung zu überziehen, sondern vielleicht in Extremfällen um zwei, drei oder vier Fälle im Jahr. Mir geht es doch darum, dass der Staat die Möglichkeit hat, vorausschauend zu ermitteln. Das ist das, was Sie leider Gottes nie berücksichtigt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Bartling, muss ich Sie denn erneut daran erinnern, wie das mit der Rasterfahndung war? - Sie sollten doch nun wirklich einsehen, dass es peinlich gewesen war, dass man dieses Instrument innerhalb von drei oder vier Wochen in das Gesetz aufnehmen musste. Ich hatte gedacht, dass das nun wirklich überwunden sei, weil Sie während der Beratungen im Innenausschuss sogar noch die Möglichkeit der Videoaufzeichnung - die wir immer wieder beantragt hatten und von der Sie gesagt hatten, dass sie überhaupt nicht infrage käme nachgeschoben hatten.

Meine Damen und Herren, wir brauchen ein Polizeigesetz, das die Polizei in die Lage versetzt, auch Straftaten aufzuklären, aber vor allen Dingen Straftaten zu verhindern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte mir als Innenminister nicht vorwerfen, ich hätte etwas aus ideologischen Gründen nicht in das Gesetz hineingeschrieben. Deshalb haben wir jetzt ein Polizeigesetz, das effektiv ist, das modern ist und das

sich bei der Hausforderung gerade in der jetzigen Zeit auch tatsächlich bewähren wird.

Meine Damen und Herren, ich bin den Fraktionen von CDU und FDP dankbar, dass wir dieses Gesetz hier heute verabschieden. Damit wird dieses Land sicherer.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die allgemeine Aussprache.

Bevor wir zu den notwendigen Abstimmungen kommen, teile ich Ihnen mit, dass Frau Kollegin Modder, die als Berichterstatterin vorgesehen war, ihren Bericht dankenswerterweise zu Protokoll gegeben hat. Vielen Dank.

(Zu Protokoll:)

In der Drucksache 599 empfiehlt Ihnen der federführende Ausschuss für Inneres und Sport mit den Stimmen der Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, den Gesetzentwurf mit den aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Änderungen anzunehmen. Dieses Votum wird auch vom mitberatenden Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen getragen.