Protokoll der Sitzung vom 10.12.2003

Dabei hatte sich insbesondere der SPDFraktionsvorsitzende in sehr emotionaler Weise geäußert und war im Vorfeld durch Pressestatements sogar vor einem Vergleich mit Enteignungen unter dem Hitler-Regime nicht zurückgeschreckt.

(Zurufe von der CDU: Pfui!)

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPDFraktion hat sich heute Morgen ebenfalls kritisch zu diesem Verhalten geäußert. Die inzwischen auf gemeinsamen Wunsch aller Fraktionen erfolgte Anhörung sollte zu einer Versachlichung der Diskussion führen. Auch der Zeitplan war mit allen so vereinbart. Es ist also falsch, wenn man im Nachhinein darstellt, es sei durchgepeitscht worden. Es war einvernehmlich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Während die Fraktionen von CDU und FDP die Anhörung genutzt haben, um ihrem eigenen Gesetzentwurf mit den vorliegenden Änderungsanträgen den letzten Schliff zu geben, haben die Oppositionsfraktionen die Ausschussberatungen vor der Abstimmung verlassen. Auch jetzt, bei der abschließenden Beratung im Plenum, ist der Vizeersatzreservekanzlerkandidat in spe Sigmar Gabriel mit seiner Fraktion abgetaucht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Rebecca Harms [GRÜNE]: Können Sie das noch einmal sagen?)

Frau Tinius, Herr Plaue - um Herbert Görgens von der „Wochenshow“ einmal zu zitieren: „an die Geräte zuhause“ - und geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der SPD, hier möchte ich Ihren verstorbenen Parteifreund Herbert Wehner zitieren. Denn schon der hat gesagt: Wer rausgeht, der muss auch wieder reinkommen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Oder wollen Sie die politische Arbeit, für die Sie gewählt worden sind, ganz einstellen?

Mit dem vorliegenden Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP liegen die konstruktive Auswertung aller wesentlichen Eingaben und die Optimierung des Gesetzesvorhabens vor. Demnach wird sichergestellt, dass die studiotechnische Abwicklung der regionalen Fensterprogramme in Niedersachsen erfolgt, dass sich die Landesmedienanstalt als zukünftig größter Finanzier der nordmedia im Rahmen ihrer Aufgaben nach

§ 39 MedienG an Unternehmen beteiligten kann und dass die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Besetzung der Versammlung der Landesmedienanstalt praktikabler gehandhabt wird.

Keinen Änderungsbedarf sehen wir nach der Anhörung bei der Verkleinerung und Zusammensetzung der Landesmedienanstalt. Deshalb können wir auch dem Antrag der Grünen nicht zustimmen. Im Gegenteil: Die Sinnhaftigkeit der Verkleinerung wurde mehrfach betont. Auch hinsichtlich der Zusammensetzung ergibt sich nach der Anhörung kein Änderungsbedarf, da noch einmal deutlich geworden ist, dass der Gesetzgeber einen ganz erheblichen Spielraum hat, der durch unsere Entscheidungen nicht ausgeschöpft wird. Weder ist der Gesetzgeber gebunden, die Versammlung ausschließlich nach den Kriterien gesellschaftlicher Relevanz zusammenzusetzen, noch ist deren Definition vorgegeben. Vielmehr obliegt es nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich der Entscheidung des Gesetzgebers, in welcher Weise die gesellschaftliche Relevanz zu bestimmen ist.

Das bereits seit dem Frühsommer dieses Jahres in punkto Beteiligung politischer Parteien vorbeugend eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung bei der Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG vorgenommen wird, hat Herr McAllister schon bei den ersten Beratungen am 30. Oktober aus dem Focus zitiert. Ich will nur einmal beispielhaft anführen, wie eine solche Regelung aussehen könnte. Wenn also die Gesellschafter der Verlagsgesellschaft mit Ausnahme der dd_vg eine Radio Madsack 1 GmbH & Co. KG gründen würden, die dann von Herrn Sandmann die Anteile an Radio ffn übernehmen würde, dürfte das Problem nach Auffassung der FDP-Fraktion gelöst sein. Von einer Enteignung ist hier keine Spur.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Ausschusses zu folgen und dem Gesetzentwurf mit den Änderungen zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Das Wort hat die Justizministerin.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen, wenn ich für die Landesregierung ebenfalls Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf bzw. zur Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses signalisiere. Aus Sicht der Landesregierung sind die vorgeschlagenen Änderungen des Mediengesetzes notwendig und sinnvoll, und es gibt auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, wie es seitens der Opposition behauptet worden ist. Diesen Aspekt möchte ich in meinen Ausführungen noch einmal etwas vertiefen.

Rundfunk ist ein Medium, dem sehr viel Einfluss innewohnt. Rundfunk informiert nicht nur, sondern er wählt auch aus der Fülle der Informationen aus. Er kommentiert diese Informationen und trägt damit erheblich zur Meinungsbildung in der Bevölkerung bei. Der Rundfunk ist daher Medium und Faktor. So hat das Bundesverfassungsgericht einmal die herausragende kommunikative Bedeutung des Rundfunks beschrieben. Es hat hieraus das Gebot der Staatsfreiheit und Unabhängigkeit des Rundfunks hergeleitet. Rundfunk soll die Vielfältigkeit der Themen und Meinungen aufnehmen und wiedergeben, die in der Gesellschaft insgesamt eine Rolle spielen. Deshalb ist die Beteiligung von politischen Parteien an Rundfunkveranstaltern immer problematisch, selbst dann, wenn sie nur mittelbar erfolgt. Die Begründung für die Änderung des § 6 Abs. 3 des Niedersächsischen Mediengesetzes macht überzeugend klar, dass das Gesetz in seiner bisherigen Fassung hier nicht ausreichend war. Die Änderungen sollen Lücken schließen, gerade für die mittelbaren Beteiligungen. Diese gesetzgeberischen Defizite gilt es im Interesse der Unabhängigkeit des privaten Rundfunks in Niedersachsen zu beseitigen.

Die Koalitionsfraktionen haben dies durchaus mit Augenmaß getan, denn im Vergleich zu anderen Ländern, in denen jegliche mittelbare Beteiligung einer politischen Partei oder Wählergruppe zu einem privaten Rundfunkveranstalter oder zur Versagung der Zulassung führt, sieht der vorliegende Gesetzentwurf eine Bagatellklausel vor. Die hier gewählte 10-prozentige Klausel als Versagungs

schwelle ist nicht zu niedrig gegriffen, sondern dient gerade der Stärkung der Unabhängigkeit des privaten Rundfunks in Niedersachsen. Anders als in anderen Bundesländern, wo lediglich geringfügige mittelbare Beteiligungen erlaubt sind - in dieser Formulierung -, haben wir in Niedersachsen eine feste Grenze gewählt, damit auch jeder weiß, woran er ist.

Bei den Beratungen des Gesetzentwurfs ist häufig gefragt worden, wie sich die Bagatellgrenze von 10 % begründen lässt. In diesem Zusammenhang ist häufig darauf verwiesen worden, dass das Gesellschaftsrecht lediglich Grenzen von 25 bzw. 50 % kennt, wenn es um den Einfluss von Gesellschaftern auf das Unternehmen geht. Diese Argumentation verkennt aber, dass Rundfunkveranstalter nicht ohne weiteres mit anderen Wirtschaftsunternehmen verglichen werden können, weil es nicht um den in den Beschlüssen der Organe messbaren Einfluss auf eine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern vielmehr um einen schwer zu definierenden Einfluss auf ein Meinungsbild geht, das vom Rundfunkveranstalter produziert wird. So nennt § 26 des Rundfunkstaatsvertrags beispielsweise eine Grenze von 30 % Zuschaueranteil, bei der bereits vorherrschende Meinungsmacht vermutet wird. Nach § 26 Abs. 5 des Rundfunkstaatsvertrags genügt ein Zuschaueranteil von 10 %, um einen Rundfunkveranstalter im Interesse der Meinungsvielfalt zu einer so genannten Sendezeit für unabhängige Dritte zu verpflichten.

Insofern passt sich die gewählte Bagatellgrenze für mittelbare Parteienbeteiligung von 10 % sehr wohl in diese Bestimmungssystematik ein. Wer hierin eine kalte Enteignung sieht, wie Herr Gabriel es offenbar beschreibt - Frau Harms hat es eben auch angesprochen -, verkennt den Regelungsgehalt des Gesetzentwurfs völlig. Die derzeitigen Zulassungen, Frau Harms, laufen für die von einer Änderung etwa betroffenen Veranstalter in einem Fall erst 2006 und in zwei anderen Fällen erst Mitte des Jahres 2010 aus. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Beibehaltung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für private Investoren.

Insgesamt bleiben damit keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der vorgeschlagenen Beschränkung der mittelbaren Beteiligung von Parteien an Rundfunkanstalten. Die Landesregierung sieht daher mit Interesse der von der SPD-Fraktion angekündigten Überprüfung durch den Staatsgerichtshof entgegen.

Ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Novelle, die vorgesehene Verkleinerung der Landesmedienanstalt, ist nicht nur unter politischen, sondern auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten diskutiert worden. Die Gründe für eine Verkleinerung der Versammlung der Landesmedienanstalt liegen auf der Hand. Wenn Sie einmal einen Blick in das Mediengesetz selbst werfen, so werden Sie mit mir fragen, weshalb denn ein solches Gremium zur Bewältigung der ihm gesetzten Aufgaben 42 Mitglieder stark sein muss.

(David McAllister [CDU]: Richtig!)

Der Niedersächsische Landesrechnungshof, meine Damen und Herren, hat schon seit Jahren die im Vergleich zur Aufgabe unangemessene Größe und Schwerfälligkeit dieses Organs der Landesmedienanstalt gerügt. Die im Gesetzentwurf nunmehr vorgesehene Reduzierung der Zahl der Mitglieder gewährleistet weiterhin die Vielfalt der Zusammensetzung und führt darüber hinaus endlich zu einem effektiven Entscheidungsorgan. Es verwundert deshalb auch nicht, wenn die Zielsetzung der Novelle in diesem Punkt fast ungeteilten Beifall bekommen hat.

Kritisiert wurde, dass der Gesetzentwurf eine Verkürzung der Amtszeit der Versammlung der Landesmedienanstalt in der gegenwärtigen Besetzung um ein Drittel vorsieht. Der Verkürzung der laufenden Amtsperiode stehen jedoch keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Sie ist vielmehr notwendig, damit durch eine zeitnahe Zurückführung auf eine angemessene Größe die Arbeit der Versammlung gestärkt wird und künftig zugleich unnötige Kosten durch ein zu großes Gremium vermieden werden.

Sie, meine Damen und Herren - zumindest die derzeit noch verbliebenen Abgeordneten der Opposition hier im Landtag -, haben trotz der Mahnungen des Rechnungshofs nichts getan, um das Notwendige in Gang zu bringen. Es wäre sträflich, noch weiter zu warten. Vielmehr sind die angestrebten Verbesserungen zügig umzusetzen. Diesen mutigen Schritt haben die Koalitionsfraktionen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gewagt.

Zusammenfassend lässt sich aus Sicht der Landeregierung feststellen, dass die Änderung des Niedersächsischen Mediengesetzes sinnvoll und notwendig ist und dass der uns vorliegende Entwurf einer Änderung des Niedersächsischen Mediengesetzes auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung

standhalten wird. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Harms, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die Beratungszeit kurz gewesen ist, haben wir dennoch die Mühe nicht gescheut, Ihnen heute Änderungsanträge zu diesem Gesetzentwurf zu unterbreiten. Ich will mich in der Aussprache auf die beiden wichtigsten Bereiche konzentrieren, die für uns in diesem Gesetz eine Rolle spielen und zu denen wir die Vorschläge der Regierungskoalition strikt ablehnen.

Ich spreche zunächst zu der SPD-Beteiligung an Medienunternehmen. Bisher ist in dieser Debatte an keiner Stelle deutlich gemacht worden, wie die Sozialdemokraten in Niedersachsen durch ihre Beteiligungen Einfluss auf Berichterstattung genommen haben. Solange Sie darüber nichts sagen, können Sie auch Ihre Befürchtungen und die Konsequenzen, die Sie daraus ziehen wollen, nicht aufrechterhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, selbst wenn Sie jetzt eine Bagatellegrenze von 10 % für indirekte Beteiligungen einführen: Wenn denn Einfluss genommen werden sollte oder genommen worden ist, warum sollte sich das bei einer Beteiligung von 10 % ändern? Ich kann Ihnen wieder nur das sagen, was ich schon zu Beginn der Beratungen als Verdacht geäußert habe: Sie wollen in die wirtschaftliche Betätigung der Sozialdemokraten eingreifen, Sie wollen diese wirtschaftliche Betätigung unterbinden, u. a. deshalb, weil Ihnen als CDU und FDP solche Einnahmemöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Ich halte Ihr Vorgehen für unvereinbar mit dem, was hier in Niedersachsen und in der Bundesrepublik Recht und Gesetz ist,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und ich bin sehr gespannt auf die Klage, die von der SPD-Fraktion im Bundestag angestrengt werden wird. Ich hoffe, dass danach wieder Recht und Gesetz in Niedersachsen gelten.

Im Zusammenhang mit Einflussnahme haben Sie immer wieder behauptet, das Ziel dieses neuen Gesetzes sei es, mehr Staatsferne, mehr Politikferne zu erreichen. Wenn wir uns jetzt aber anschauen, was Sie in der Versammlung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt unter der Überschrift „Verkleinerung“ anrichten, dann stellen wir fest, dass das das Gegenteil von Politikferne und Staatsferne ist. Während in der alten, größeren, Versammlung 14 % Parteienvertreter gesessen haben, werden in der neuen Versammlung 20 % Parteienvertreter sitzen, und der Einfluss der Regierungspartei wird zusätzlich gestärkt, weil Sie in Zukunft darauf bestehen, doppelt so viele Sitze zu haben wie andere Parteien.

Der Einfluss der Bürgergesellschaft, also der Gruppen in unserer Gesellschaft, die parteipolitisch nicht so klar zu fassen, aber immer wichtiger sind, wird zurückgefahren. Umwelt-, Naturschutz und Verbraucherschutz werden nicht mehr so wichtig genommen, die Interessen von Flüchtlingen fallen unter den Tisch, Journalisten werden in ihrer Beteiligung eingeschränkt, Kultur und Bildung sollen zugunsten des Einflusses der Regierungsparteien eine nachgeordnete Rolle spielen.

Lassen Sie mich ein Fazit ziehen, auch wenn Sie, Herr McAllister, darüber nur lachen können: Ich finde es schon ziemlich bedauerlich, dass gerade unter der Führung von so jungen Leuten wie Ihnen und Herrn Rösler nur ganz traditionelle Gruppen, in denen sich Macht konzentriert, platziert werden, nämlich Arbeitgeber, der Deutsche Gewerkschaftsbund,

(David McAllister [CDU]: Was haben Sie denn gegen Gewerkschaften? Das ist ja unerhört!)

Beamte, Handwerker und Bauern. Es ist für mich ausdrücklich ein Problem, dass der DGB darin vertreten ist, aber ver.di, die Vertretung der Medienberufe und Journalistinnen und Journalisten nicht berücksichtigt werden soll.

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Der DJV ist doch dabei! Was reden Sie denn da!)

- Welches ist die größte Medien- und Journalistengewerkschaft in der Bundesrepublik?

(David McAllister [CDU]: Der DGB kann doch ver.di einen Sitz abgeben!)

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen meine Position schriftlich vorgelegt, und ich weiß, dass Sie hierzu etwas anderes behaupten. Meines Erachtens geschieht mit diesem Mediengesetz nichts anderes, als dass in der Medienpolitik ein ungeheurer Schub nach Rechts organisiert wird. Aber damit sind Sie sich ja in jeder Hinsicht treu.

(Beifall bei den GRÜ- NEN - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege McAllister, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, drei Fraktionen im Landtag, das hat auch etwas für sich.