Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

- Ich weiß nicht, ob Sie die Organisation nicht kennen. Dann müssen Sie sich einmal damit befassen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dann ist es also überhaupt nicht völlig abwegig, was der Landesfeuerwehrverband fürchtet, dass er nämlich eines Tages mit grünen Autos durch die Gegend fahren soll. Meine Damen und Herren, das sind Dinge, die nur skurril wirken.

Ich will Ihnen aber auch im Hinblick auf den Haushalt noch eines sagen. Wir haben z. B. über die Veränderung der Polizeiorganisation gehört, dass an der Spitze dieser Direktionen in Zukunft B-besoldete politische Beamte stehen sollen. Wie Sie das mit dem Haushalt und mit den Schwierigkeiten des Haushalts irgendwie in Einklang bringen wollen, ist aus meiner Sicht nicht ganz nachvollziehbar. Wie Sie die Einrichtung hochbezahlter, höchstbezahlter neuer Stellen dort mit diesem Haushaltsplan in Einklang bringen wollen, meine Damen und Herren, können Sie niemandem erklären.

(Beifall bei der SPD)

Aus meiner Sicht gehen Sie einen falschen Weg bei dieser Polizeireform, meine Damen und Herren. Die Sorge, die ich habe, will ich Ihnen gerne noch einmal darlegen. Wir haben positive Erfahrungen mit der Organisation der Polizei gemacht. Dass wir positive Erfahrungen gemacht haben, lassen diese Zahlen deutlich werden, denen ich nicht immer bis auf das letzte Komma glaube. Aber die statistischen Zahlen zeigen in der Entwicklung durchaus Positives. Das hat auch damit zu tun, dass anscheinend eine Organisation vorhanden ist. Das Lösen der Polizei aus den zivilen Bezügen, das Sie vornehmen, halte ich für einen sehr problematischen Weg. Wir haben diese enge Verbindung zwischen Bezirksregierungen und Polizei. Auch auf der Kreisebene haben wir - jedenfalls im Großen und Ganzen - die Übereinstimmung von kommunaler und von polizeilicher Organisation. Das hat sich in der Vergangenheit bewährt. Sie geben dies auf. Das halte ich für nicht sachgerecht. Wenn Sigmar Gabriel gestern von einer Blaupause gesprochen hat, dann nährt das den Verdacht, dass Sie wieder ein anderes Bild von Polizei auf den Weg bringen wollen, wo stringent, von der Spitze bis ins letzte Kommissariat, nur Polizei agiert.

Ich bin wohl nicht verdächtig, Herr Kollege Schünemann, unseren höheren Polizeiführern gegenüber besonders misstrauisch zu sein. Aber die schnelle, schneidige Entscheidung ist immer einfacher, als wenn ich noch ein ziviles Pendant, z. B. in

Gestalt der Bezirksregierung oder auch der Landkreise, dabei habe. Deswegen bin ich in Sorge, dass Sie ein ganz anderes Bild von Polizei haben und dies auf Dauer durchsetzen wollen, und zwar auch mit solchen Sprüchen Ihres Koalitionspartners, eine Art Hilfspolizei einrichten zu wollen. Ich halte das für einen fatalen, für einen falschen Weg.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will es aber nicht alleine bei der Polizei belassen, sondern ich will auch noch einige wenige Worte zur Bezirksregierung sagen. Der Fraktionsvorsitzende der CDU hat gestern noch einmal sehr deutlich gesagt: Das ist nun unser Königsweg. Weg damit. - Aber das sagt eben auch, was Sie gemacht haben. „Weg damit“ war die Entscheidung. Was daraus folgt, ist nie bedacht worden. Deswegen stehen Sie heute vor Problemen, die Sie vorher nicht gesehen haben. Aber damit lassen wir Sie zunächst einmal alleine. Machen Sie mal weiter; wir werden das begleiten und uns angucken, was daraus wird. Denn Sie lassen sich auch durch die besten Argumente nicht davon abhalten.

Ein letztes Wort vielleicht noch zu den Sportgeschichten, weil auch das in dieses Ressort fällt. Es ist schon interessant festzuhalten, was man vorher sagt und nachher macht. Kurz vor der Wahl wurde vom Ministerpräsidenten gesagt:

„Die gesetzlich verankerten Zuwächse in der Sportförderung muss es geben. Die Gesellschaft kann etwa in den Bereichen Gesundheit und Soziales durch den Sport sparen. Sie sollte nicht am Sport sparen. Der Sport braucht verlässliche Partner. Wenn unsere Verfassung jetzt fordert, dass Land und Kommune den Sport schützen und fördern müssen, dann darf es kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss Selbstverpflichtung sein. Deshalb hat die Sportförderung in Niedersachsen nicht bei jeder Haushaltsklausur wieder auf die Kürzungsliste zu kommen. Eine CDU-geführte Landesregierung steht deshalb nachdrücklich für Planungssicherheit der Sportförderung und damit zu den Verpflichtungen des Lotterieund Wettwesengesetzes.“

(Axel Plaue [SPD]: Wahlbetrüger!)

Das Haushaltsbegleitgesetz, meine Damen und Herren, steht im deutlichen Widerspruch zu den zitierten Versprechungen.

(Beifall bei der SPD)

Die dem Landessportbund zur Verfügung gestellten Mittel werden de facto um 10 % gekürzt. Bezieht man die von der CDU für 2004 versprochene Steigerung der Sportfördermittel und die Kürzungen der außerschulischen Sportförderung ein, ergibt sich eine Kürzung sogar um 18 %. Um das in jeder Plenarsitzung nachweisen zu können, brauchen wir in Niedersachsen keinen Lügenausschuss. Wir brauchen Sie nur mit dem zu konfrontieren, was Sie vorher einmal gesagt haben.

(Starker Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Abgeordneten Dr. Lennartz das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gebe, mache ich Sie darauf aufmerksam, dass in diesem Saal ein Handyverbot gilt. Es hat heute Morgen in der Debatte jetzt zum dritten Mal ein Handy geklingelt. Ich werde das nicht weiter hinnehmen.

Herr Lennartz, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Biallas, Sie haben eben in Ihrer Rede darauf hingewiesen, dass sich die Polizei leider auf ihre Kernaufgaben beschränken müsse. Deswegen haben Sie ja gestern mit Ihrer Mehrheit den Ordnungsbegriff wieder ins Polizeigesetz aufgenommen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben heute vielleicht schon den Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen gelesen, in dem steht, dass die Polizeibeschäftigten über ihren obersten Dienstherrn verärgert sind, weil sie meinen, jetzt zu viel Zeit damit zu verschwenden, dass sie Kaugummis oder Kippen auflesen müssten. Ich kann jetzt das Faible des Innenministers, Herrn Schünemann, für die DNA-Analyse besser verstehen, denn das wäre doch ein geeignetes Instrument, um beispielsweise Kaugummis, die auf den ersten Blick herrenlos auf der Straße liegen, identifizieren, den Täter zurückverfolgen und dann sei

ner gerechten Sanktion von wohl 10,22 Euro beim Kaugummi zuführen zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Lennartz ist jetzt für DNA-Tests bei Kaugummis! Ein guter Vorschlag!)

Aber jetzt zur konkreten Sache, zum Haushalt des Innenministeriums: Alle müssen sparen, das ist die stereotype Ansage der Landesregierung. Ja, den Ehrenamtlichen werden die knappen Mittel gestrichen, beispielsweise dem Niedersächsischen Flüchtlingsrat,

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Der ist aber nicht ehrenamtlich!)

aber für die Polizei ist noch Geld da. 1 000 zusätzliche Polizeianwärterinnen und -anwärter können finanziert werden, und einen IMSI-Catcher brauchen Sie auch zusätzlich und unbedingt, vier zusätzliche Polizeipräsidenten als politische Beamte in der Größenordnung der Besoldung B 3 - kein Problem, vier zusätzliche Polizeidirektionen mit entsprechender Infrastruktur, mit Gebäuden usw. auch kein Problem. Und was bringt die so genannte Polizeireform, und warum überhaupt? Weil innere Sicherheit eine Schicksalsfrage ist, wie der Leitartikel der Hannoverschen Allgemeinen vom 8. Dezember pathetisch formuliert, oder wegen Ihrer Festlegung, die Bezirksregierungen abzuschaffen? Jetzt wird klar, dass das nicht der ausschlaggebende Grund ist, denn wegen der Abschaffung der Bezirksregierungen brauchen Sie kein Landespolizeipräsidium. Genauso wenig müssten Sie die Zahl der Polizeiinspektionen auf der Landkreisebene reduzieren. Mit dieser Maßnahme der Reduzierung brüskieren Sie Teile der kommunalen Familie. Plötzlich sind nicht mehr alle Gebietskörperschaften gleich wichtig.

Darüber hinaus werden die Polizeidirektionen zu Gemischtwarenläden. In Zukunft soll die Polizei nicht mehr nur für ihre Kernbereiche verantwortlich sein, nein, sie soll auch den Katastrophenschutz, die Rettungsdienste, den Zivilschutz und die Feuerwehr verantworten, ja sogar für die Spielbankenaufsicht zuständig werden. Ihre unüberlegte Entscheidung zur ersatzlosen sofortigen Abschaffung der Bezirksregierungen rächt sich jetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Überhaupt nicht!)

Was ist von Ihren Sonntagsreden bei Festveranstaltungen der Feuerwehr noch zu halten? Ist diese eindeutig zivile Aufgabe des Brandschutzes bei den vielen Ehrenamtlichen und den kommunalen Gebietskörperschaften nicht mehr in guten Händen? Wo bleibt Ihre Kommunalfreundlichkeit hier?

Sehr geehrter Herr Minister, Sie werden inkonsequent und unglaubwürdig, auch in der Verwaltungsreform. Statt in einem etwas längeren Zeitraum die Voraussetzungen für Kommunalisierung zu schaffen, nämlich eine ehrliche Kreis- und Funktionalreform mit dem Ziel einer Regionalisierung in Niedersachsen anzugehen, haben Sie den Rütlischwur getan: die Landkreise so lassen, wie sie sind. - Selbst Ihnen wohlgesonnene Journalisten kritisieren: „Längst wäre eine Gebietsreform fällig gewesen....“. - Und: „Alles wird neu - ist Niedersachsen dann unregierbar?“ - Klaus Wallbaum in der Hannoverschen Allgemeinen vom 27. November. Aber nicht genug damit: Statt eine systematische Konzeption für die Landesregierung zu entwickeln, kochen einzelne Minister - ich meine hier die Herren Ehlen und Sander - ihr eigenes Süppchen der Verwaltungsreform unter dem Logo „Ressortegoismus“ und tanzen Ihnen als Stabsstelle der Landesregierung auf der Nase herum.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister, wenn Sie innerhalb des Kabinetts nicht genügend Autorität haben - wir nehmen das mit Interesse zur Kenntnis -, dann muss der Ministerpräsident seine vornehme Zurückhaltung bezüglich seiner vornehmsten Aufgabe, diese Landesregierung zu führen, aufgeben und das verpönte Wort von der Chefsache rufen.

(Wilhelm Heidemann [CDU]: Ihre Wahrnehmung ist falsch, Herr Len- nartz!)

Sonst läuft diese Landesregierung Gefahr, an der zugegebenermaßen schwierigen Aufgabe der Staatsmodernisierung zu scheitern.

Da wir in der Haushaltsdebatte sind, ein letzter Blick auf das Sparen. Ich zitiere:

„Festzuhalten bleibt für den Augenblick, dass die Sparleistungen, die auf fast 7 000 entbehrliche Stellen beziffert worden sind, sich in den nächsten Jahren nur zu geringen Teilen verwirklichen lassen. Kommt es zu 1 000 tatsächlichen Abgängen, wäre schon

viel getan. Damit liefert die Verwaltungsreform längst nicht das, was sie leisten müsste.“

Herr Minister, ein hartes Urteil für Sie, umso mehr, als es von Helmut Rieger kommt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Bilanz: Ihre großen Projekte innere Sicherheit und Verwaltungsreform sind ins Schlingern geraten, Ihre Sparbemühungen sind unzureichend. Sie können froh sein, dass im ersten Jahr noch keine Zeugnisnoten erteilt werden. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Bode das Wort. Ich erteile es ihm.

(Zurufe bei der SPD: Jetzt zur Frei- heit!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Haushaltsdebatte in dieser Woche ist vor allem von einem entscheidenden Kriterium gekennzeichnet, nämlich dem unbedingten Willen dieser Koalition zur Konsolidierung der Finanzen.

(Beifall bei der FDP - Elke Müller [SPD]: Ich dachte, dem zur Freiheit!)

Die Koalition hat das unglaubliche Sparvolumen von 1,5 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Das ist ein für die Vorgängerregierung scheinbar unvorstellbar großer Betrag, zumindest als Einsparung und nicht als Ausgabenerhöhung.

(Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)

Das spiegelt sich auch im Haushalt des Bereiches Inneres wieder. Der Kollege Biallas hat es soeben kurz ausgeführt, und Sie haben es soeben hier auch bestätigt: Für die Koalition ist der Bereich Inneres ein Schwerpunkt, der besonders mit Finanzmitteln ausgestattet wird. Wir haben, da wir von Ihnen so wenig Geld hinterlassen bekommen haben - außer Schulden ist da ja nichts gewesen -, nichts anderes zu tun, als Schwerpunkte zu setzen. Mit dem Wenigen, was wir haben, müssen wir sinnvolle Sachen tun. Ich möchte insoweit als

Erstes eine wichtige Investition herausstellen, nämlich die Einrichtung der Abteilung Verwaltungsmodernisierung im Innenministerium unter der Führung von Sonderstaatssekretär Meyerding. Für die FDP stellt die Verwaltungsmodernisierung die zentrale Aufgabe, den zentralen Baustein dieser Legislaturperiode dar. Ich möchte an dieser Stelle den römischen Staatsmann Cicero zitieren, der hierzu zutreffend formulierte:

„Der Staatsdienst muss zum Nutzen derer geführt werden, die ihm anvertraut sind, und nicht zum Nutzen derer, denen er anvertraut ist.“