Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

„Der Staatsdienst muss zum Nutzen derer geführt werden, die ihm anvertraut sind, und nicht zum Nutzen derer, denen er anvertraut ist.“

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Elke Müller [SPD]: Das sollte sich die FDP einmal zu Herzen nehmen!)

Genau nach diesem Motto handelt die Gruppe Verwaltungsmodernisierung. Damit ist auch die Botschaft der FDP klar formuliert: Die Verwaltungsmodernisierung soll im besten und klaren Sinne des Wortes zu einer modernen, zu einer effizienten und vor allem zu einer bürger- und wirtschaftsfreundlichen Verwaltungsstruktur führen, also zu weniger Staat und mehr Niedersachsen. Eines unterscheidet die jetzige Verwaltungsreform aber von allen Vorgängerkommissionen: Die Koalition macht Ernst. Mit uns wird es keine Kommissions- und Diskussionsrunden oder -klubs geben. Es wird unverzüglich gehandelt. Das beflügelt auch die Arbeit der Gruppe Verwaltungsmodernisierung.

(Widerspruch bei der SPD)

Bereits im Jahre 2004 wird dies erste Früchte tragen. Das werden Sie auch an der ersten Maßnahme sehen. Im Jahre 2004 wird die Verwaltungsebene Bezirksregierung bzw. die Mittelinstanz nicht mehr vorhanden sein. Die Vorgehensweise - darauf lassen Sie mich besonders hinweisen - ist einleuchtend und auch richtig. Zuerst werden alle Aufgaben auf den Prüfstand gestellt und so weit, wie es geht, abgeschafft.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Aufgabenkritik, die Deregulierung, ist das vorderste Ziel der Verwaltungsreform, weil so die Menschen merken werden, dass wir ihnen wieder etwas mehr Freiheit zurückgeben.

(Lachen bei der SPD - Zuruf von der SPD: Da ist sie, die Freiheit!)

Die verbleibenden Aufgaben werden so weit wie möglich privatisiert. Nur was von privaten Anbietern nicht angeboten werden kann, darf vom Staat ausgeführt werden. Mehr privat, weniger Staat das ist unser Leitmotiv.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn dann noch Aufgaben verbleiben sollten, werden sie vordringlich dort wahrgenommen, wo die größte Bürgernähe ist, nämlich in der Kommune, beim Bürger vor Ort. Nur der Restbereich der Aufgaben soll dann neu und effizient in der Landesverwaltung organisiert werden. Mit dieser Vorgehensweise schaffen wir Zukunftschancen und eliminieren langfristig die Personalkosten- und Fixkostenfalle des Landeshaushaltes. Jeder Euro, den die Gruppe Verwaltungsmodernisierung kostet, ist eine gute Investition in Niedersachsens Zukunft. Dabei verstehen wir diesen Prozess nicht als eine einmalige, auf das Jahr 2004 oder die Mittelinstanz bezogene Aufgabe. Es ist ein dauerhafter Prozess, der nachhaltig weitergeführt werden muss. Das erste Zwischenstadium, der erste Schritt, kann nur der Abbau der Mittelinstanz sein. Wir werden den Prozess - darauf können Sie sich freuen - weiterführen.

Ich werde Ihnen auch gleich aufzeigen, wie dies für die sonstige Landesverwaltung funktioniert und wie dies dauerhaft zu einer Entlastung des Haushaltes führen wird. Ich kann Ihnen diese Wirkung am Beispiel des Umweltministeriums mit Minister Sander zeigen, der insoweit mit gutem Beispiel vorangeht.

(Beifall bei der FDP - David McAllister [CDU]: Richtig!)

Im Umweltministerium wurde bereits eine Aufgabenanalyse vorgenommen, die über den Bereich der Bezirksregierungen hinausgeht. Unter den aufgezeigten Vorgaben hat das Umweltministerium erkannt, dass das NLÖ aufgelöst werden kann. Die Aufgaben des NLÖ werden dann in die Vollzugsebene der Fachverwaltungen übernommen, nämlich in die Gewerbeaufsicht und in den Betrieb NLWK. Man führt also Theorie und Praxis zusammen, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weiter noch: Die Gewerbeaufsicht wird zu dem zentralen Ansprechpartner für die niedersächsischen Betriebe ausgebaut werden, und es wird hier kurze Entscheidungsstränge für die Unter

nehmen geben. Wir als FDP wünschen dann in den Gewerbeaufsichtsämtern einen einzigen Ansprechpartner für jedes Unternehmen, der alle Genehmigungsfragen abwickelt, oder auf Englisch: One face to the customer. - Das minimiert die Kosten der Verwaltung, das fördert die Unternehmen. So sieht liberale Politik aus.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Minister Schünemann ist aber auch der Kommunalminister, und zwar ein guter, wenn ich mir diese persönliche Bemerkung einmal erlauben darf.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAllister [CDU]: Das musste einmal gesagt werden!)

Denn das größte Problem der Kommunen liegt in den wegbrechenden Finanzmitteln begründet. Wir als Land haben im Haushalt 2004 - Sie wissen, woran das liegt; denn Sie haben schon die Karten „Wir sind schuld“ dabei - nicht die Möglichkeit, erhöhte Zuweisungen in den Finanzausgleich einfließen zu lassen.

Es müssen also andere Lösungen für die Kommunen gefunden werden. Das heißt, wir müssen uns ebenfalls mit dem Problem der flüchtigen Hauptfinanzierungsquelle der Kommunen auseinander setzen, nämlich der Gewerbesteuer. Finanzminister Möllring hat hier zutreffend gesagt: Die Gewerbesteuer ist eine tote Steuer, eine sterbende Steuer. - Wer also die Gewerbesteuer revitalisieren will, der betätigt sich als Totengräber der Kommunen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Was? Sa- gen Sie das auch zu Hause in Ihren Kommunen?)

Der einzige Ausweg ist der, den die Landesregierung im Bundesrat geht, nämlich ein Nothilfeprogramm für das Jahr 2004, die Absenkung der Gewerbesteuerumlage auf 20 % - auch wenn das für den Landeshaushalt schmerzhaft sein wird - und die Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Kommunen auf mindestens 3 %.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Zulasten des Landes!)

Die nachhaltige Reform wird dann zum Jahr 2005 geschafft werden müssen. Hier gibt es nur eine Lösung: einerseits die Abschaffung der Gewerbesteuer und stattdessen eine völlig neue Finanzierung der Kommunen, eine weitere Erhöhung des

Umsatzsteueranteils auf unserer Meinung nach 11,5 % und andererseits die Einführung eines Heberechts auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Damit es da zu keinen Mehrbelastungen kommt - Sie bzw. Ihr Fraktionsvorsitzender haben das ja gestern bereits falsch ausgeführt -, wird vorher selbstverständlich der Tarif der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer gesenkt werden müssen. Wir schaffen so auch eine engere Bindung zwischen den Kommunen, ihren Bürgern und der Wirtschaft vor Ort.

(Beifall bei der FDP)

Das alles wird aber nicht reichen. Auch alle kommunalen bzw. den Kommunen vorgegebenen Standards und Vorschriften müssen auf den Prüfstand. Entweder sie werden abgeschafft und den Kommunen wird die Freiheit zur Selbstverwaltung zurückgegeben, oder die Kosten werden übernommen. Dabei ist es völlig egal, um welchen Bereich es geht – ob die Sozialhilfe, die Jugendhilfe, die Schülerbeförderung, die Kindertagesstätten usw., alles muss auf den Prüfstand. Ich bin schon besorgt, wenn man hören muss, dass die Übergabe der Verantwortung an die Kommunen mit Begriffen wie „vogelfrei“ oder „Willkür der Kommunen“ begleitet wird. Sie wollen uns doch bestimmt nicht weismachen, dass bei Wegfall der Vorschrift über die Art der Beschulung oder die Höhe der Kleiderhaken in Kindertagesstätten der Notstand ausbrechen wird.

(Zurufe von der SPD)

Wir vertrauen unseren Kommunalpolitikern und glauben, dass wegen ihrer Kreativität vor Ort der Wegfall von Vorschriften sogar bessere Lösungen zu geringeren Kosten bewirken wird.

(Zurufe von der SPD - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Die werden nervös!)

- Die sind ja schon die ganze Debatte über nervös.

(David McAllister [CDU]: Die sind fer- tig!)

Das wollen wir tun. Wir fordern unseren Kommunalminister Schünemann auf, hier weiterzudenken und den Weg für unsere Kommunen frei zu machen.

Abschließend möchte ich mich auch dem Bereich der inneren Sicherheit und der Polizei widmen. Herr Kollege Biallas hat schon ausgeführt, dass

auch die Polizei schmerzhafte Einschnitte mit hinnehmen muss.

Herr Abgeordneter Bode, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Meine Redezeit läuft leider stark dem Ende zu. Andere Fraktionskollegen von mir wollen auch noch reden. Ich beantworte diese Frage aber gerne gleich beim Kaffee.

Nachdem wir durch einen Antrag der Fraktion nicht nur die sächliche Ausstattung verbessert haben, haben wir der Polizei auch gestern mit dem SOG neue Instrumente an die Hand gegeben.

(Uwe Harden [SPD]: Absolut liberal war das! - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Sie wird sie verantwortungsbewusst einsetzen. Für die FDP ist klar, dass sich die Polizei in Niedersachsen auf die Bereiche der Schwer- und Alltagskriminalität konzentrieren wird. Eine Beschäftigung mit Bagatellen und das Aufsammeln von Kaugummis im öffentlichen Straßenraum sollten wir den Kommunen und den Reinigungsdiensten überlassen.

Die Polizei sollte sich verstärkt um den Bereich Wirtschaftskriminalität und Vermögensermittlungen kümmern. Hier loben wir als Liberale ausdrücklich die Entscheidung von Innenminister Schünemann, ab dem nächsten Jahr in jeder Polizeiinspektion Vermögensermittler einzurichten. Damit wird der Polizei auch ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung gelingen, indem sie die von der Organisierten Kriminalität durch Straftaten angehäuften Vermögenswerte dem Landeshaushalt zuführt.

Als weiterer Meilenstein - Sie haben das eben auch schon angesprochen, Herr Lennartz; Sie haben es nur nicht richtig beurteilt - ist die Polizeireform zu werten. „Aus der Not eine Tugend machen“ ist hier das Motto. Da wir keine ausreichende Finanzausstattung haben, um die erforderlichen Polizeistellen zu schaffen, haben wir in diesem Jahr nur 250 zusätzliche Anwärter einstellen können. Das heißt, wir mussten aus der restlichen Organisation weiteres Personal für den eigentlichen Polizeidienst am Bürger und auf der Straße freistellen. Dies wird durch eine sehr effiziente Polizei

reform erreicht. Die Polizei wird in der Fläche gestärkt. Sie haben es genau anders herum gemacht, Herr Minister a. D. Bartling. Wir werden durch diese Reform 200 Beamte zusätzlich für den Dienst am Bürger freistellen können. Das ist eine enorme Leistung. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Langhans das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich angesichts der Kürze der Zeit gleich in medias res gehen. Die gebetsmühlenartig wiederholte Aussage vom Zwang zum Sparen hat offensichtlich da ihre Grenzen, wo es um Abschreckung, Ausgrenzung und Diskriminierung von Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und –bewerbern geht. Das Aufnahmelager Bramsche wird zukünftig 200 Personen mehr aufnehmen müssen. Dafür werden deutlich mehr Personalkosten in den Haushalt eingestellt. Wenn mehr Menschen in einem Lager untergebracht werden, meine Damen und Herren, dann sollte man davon ausgehen, dass auch die Verpflegungskosten entsprechend steigen müssten. Aber weit gefehlt! Sie fahren die Erstattung für Lebensmittel drastisch zurück unter dem Motto „Wer schlecht wohnt, der kann auch schlecht leben“.

Mit dem Abschieben von Flüchtlingen in Sammellager und mit ihrer Abschottung von der Außenwelt bedienen Sie Vorurteile von Teilen in der Bevölkerung, die auch heute noch Migranten als Belastung oder gar als Bedrohung unserer Gesellschaft ansehen.

Meine Damen und Herren, Sie scheuen keine Mehrkosten für den Abschiebetransport von Asylbewerberinnen und -bewerbern und Flüchtlingen. Sie setzen Ihre Politik der Diskriminierung fort, indem Sie den Kommunen 10 % der Erstattungen für die Aufnahme von Flüchtlingen kürzen. Dabei handelt es sich um Aufgaben, die die Kommunen für das Land erfüllen. - So viel zum wiederholt vorgetragenen Stichwort „Konnexitätsprinzip“. Der Städtetag hat seine ablehnende Haltung - wie übrigens auch schon zu der Beibehaltung der Wertgutscheine - sehr deutlich gemacht.