Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Steiner, Sie leiten Ihre Anfrage mit einem Zitat ein, das Sie als mein bekanntes Credo bezeichnen: „Wir machen Politik für den Menschen.“

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Und dann würzen Sie Ihre Anfrage mit der Frage, inwieweit denn frühere Landesregierungen Politik gegen den Menschen gemacht haben und wann der Umweltminister das glaubhaft nachweist. Sehr geehrte Frau Steiner, die Liste wäre sehr lang. Ich will Ihnen einen Fall konkret benennen. Wie man mit den Menschen in der Elbtalaue verfahren ist - sie bekamen Gott sei Dank vor einem Gericht Recht -, ist ein typisches Beispiel dafür, wie wir es nicht machen dürfen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Im Übrigen bezieht sich das nicht nur auf die Politik der vorherigen Landesregierung, sondern auch auf die Politik von Rot-Grün und insbesondere von Frau Künast und Herrn Trittin.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn wir beide - das gilt genauso für alle Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament -, nicht Politik für die Menschen machen wollten, hätten wir hier wahrlich nichts zu suchen. Das kann es also nicht sein, was uns trennt. Aber möglicherweise, Frau Steiner, ist die Antwort auf die Frage, auf welchem Weg wir am besten dorthin kommen, das Trennende.

Mein Weg besteht nicht darin, den Naturschutz als Monstranz vor mir herzutragen und die Menschen in der Überzeugung eigener Unfehlbarkeit, die ja bei Ihnen häufig vorhanden ist, mit Gesetzen und Verordnungen zu deckeln. Das gibt es mit uns nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Steiner, mein Weg – so wäre es richtig zitiert – besteht darin, dass ich Politik mit den Menschen machen möchte. Das heißt, dass ich die Menschen dabei mitnehmen möchte. Sehr geehrte Frau Steiner, Politik mit den Menschen können Sie nur hinbekommen, wenn Sie ihnen die Chance geben, die Ziele des Naturschutzes nicht nur zu verstehen, sondern sie auch mitzutragen. Das ist die Akzeptanz, die ich meine.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die brauchen wir vor allem bei denen, die für den Naturschutz als Eigentümer oder Bewirtschafter von Flächen wichtig sind. Genauer: Von den Flächen, die wir als Kernflächen - darüber sprechen Sie ja auch sehr gerne - oder die wir wegen ihrer Brückenfunktion brauchen, um den Naturschutz in unserem Land dauerhaft auf eine solide und verlässliche Grundlage zu stellen.

Frau Steiner, das hat nun wahrlich überhaupt nichts mit der Notwendigkeit eines staatlichen Umweltschutzes zu tun. Es hat aber sehr viel damit zu tun, noch viel mehr Menschen zum Partner staatlichen Umweltschutzes zu machen.

Nun noch ein Wort zur Ausweisung von Naturschutzgebieten: Der finanzielle Spielraum des Landes ist außerordentlich knapp. Die bestehenden rechtlichen Bindungen können wir nicht ändern. Das sind die Grenzen für die Entscheidung, welche Prioritäten gesetzt werden sollen.

Dazu sage ich: Mir ist es wichtiger, die Werterhaltung bei den vorhandenen Naturschutzgebieten abzusichern, als weitere kostenträchtige Naturschutzgebiete auszuweisen. Wenn wir sie nicht pflegen können, dann brauchen wir sie auch nicht auszuweisen.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig! - Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dazu gibt es allerdings eine Einschränkung: Niedersachsen ist - wie alle anderen Bundesländer auch - verpflichtet, die Anforderungen aus der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU zu erfüllen. Das wird geschehen - allerdings im Verhältnis 1 : 1 und nicht mehr.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das heißt, wir werden nicht in die Rolle eines vermeintlichen Musterschülers schlüpfen, indem Qua

lität durch Quantität - wie Sie es immer fordern ersetzt wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Sigmar Gabriel [SPD]: Aber meinen Nationalpark lasst ihr in Ruhe!)

- Herr Kollege Gabriel, den Nationalpark lassen wir in Ruhe. Wir werden ihn weiterentwickeln.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Sehr schön! Vielen Dank!)

Wenn wir das gemeinsam mit der Opposition machen, dann werden wir auch gemeinsam erfolgreiche Umweltpolitik betreiben. Dazu lade ich Sie immer wieder ein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU und Zustimmung von Sigmar Gabriel [SPD])

Frau Steiner, dort aber, wo EG-rechtlich Ausweisungen von Naturschutzgebieten unumgänglich sind, wollen und werden wir dies - hören Sie bitte zu - in enger Kooperation mit den betroffenen Grundeigentümern machen. Das ist uns wichtig. Das ist auch wieder Politik mit den Menschen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Steiner, damit Sie mich ganz klar verstehen: Wir werden dafür sorgen, dass außerhalb der Natura-2000-Gebiete nur noch diejenigen Naturschutzgebiets-Verfahren zum Abschluss gebracht werden, in die bereits umfangreiche Vorarbeiten investiert wurden und die bereits die öffentliche Beteiligung durchlaufen haben.

Meine Damen und Herren, dieses vorangestellt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die finanzpolitische Hinterlassenschaft der früheren Landesregierung verlangt auch eine Neuordnung der Umweltverwaltung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das geht nicht ohne Einschnitte, ohne den Abbau von Aufgaben, ohne Privatisierung und Kommunalisierung.

Für die verbleibenden Landesaufgaben muss eine möglichst optimale Struktur gefunden werden. In Zahlen bedeutet das den Abbau von 400 Stellen im Umweltbereich. Allerdings hatten wir Ihnen das auch bereits gestern gesagt.

(Ursula Körtner [CDU]: Das vergessen die so gerne!)

Vielleicht hätten Sie dann nach meiner Rede die Frage nicht mehr stellen sollen. Daran wird auch die Naturschutzverwaltung beteiligt sein.

Wichtig ist - den Beweis werden wir Ihnen innerhalb von drei Jahren bringen -, dass die Qualität der Naturschutzarbeit in Niedersachsen darunter nicht leidet. Wir werden die Ehrenamtlichen vor Ort stärken und nicht die Institutionen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir stärken auch die Selbstverwaltung der Kommunen, indem sie, da sie näher am Objekt sind, ein Schwergewicht der Naturschutzaufgaben übernehmen sollen. Die beim Land verbleibenden Kernaufgaben des Naturschutzes müssten dann in Strukturen eingebunden werden, in denen sie mit höchstem Wirkungsgrad bearbeitet werden können. Da aber noch nicht alle Reformvorschläge auf dem Tisch liegen, kann ich hier und heute noch nicht wesentlich konkreter werden.

Zu 2: Nein – unter Berücksichtigung des einleitend Gesagten.

Zu 3: Der Tourismus hat als Wirtschaftsfaktor für die Regionen und im Hinblick auf die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger Niedersachsens und der Gäste des Landes einen hohen Stellenwert für die zukünftige Politik der Landesregierung. Um die vielen bereits bestehenden Möglichkeiten zum Naturerleben in Schutzbereichen besser publik zu machen, wurden im Umweltministerium die wichtigsten Angebote zusammengestellt und veröffentlicht. Nähere Informationen finden Sie im Internet bei www.reiseland-niedersachsen.de

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Frage, ob die staatliche Naturschutzverwaltung in der Vergangenheit einen ausreichenden Beitrag für die Entwicklung des Tourismus geleistet hat, wird insbesondere auch im Rahmen des Verwaltungsmodernisierungsprozesses geprüft werden. Sie kann deshalb derzeit nicht abschließend beantwortet werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Herr Kollege Janßen. Bitte schön!

Herr Minister Sander, Sie sprachen soeben davon, dass Sie einen Großteil der Aufgaben des bisher staatlich vollzogenen Naturschutzes kommunalisieren wollen. Ich frage Sie vor diesem Hintergrund: Welche Aufgaben halten Sie im Einzelnen für kommunalisierbar?

Herr Minister!

Das werden wir - wie ich bereits sagte - noch abklären. Ich will Ihnen aber einige Beispiele nennen, die ich mir schon jetzt vorstellen könnte: z. B. die Ausweisung von Naturschutzgebieten, wenn es notwendig wäre, aber insbesondere auch die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten. Die Liste ließe sich aber noch verlängern.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Das ist schon jetzt ihre Aufgabe!)

Danke schön. - Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Kollege Meihsies.

Herr Minister Sander, ich habe mit Interesse Ihre Ausführungen zum Thema „Wir machen Politik für den Menschen“ gehört. Ich selbst habe in Lüneburg rund 15 Jahre lang einen Grünflächen- und Forstausschuss geleitet.

(Bernd Althusmann [CDU]: Ist nichts dabei herausgekommen?)