Protokoll der Sitzung vom 22.01.2004

Die fossilen Energieträger und die Kernenergie werden deshalb zumindest bis Mitte dieses Jahrhunderts die Grundlage der globalen Energieversorgung bleiben.

Die Kernenergie deckt derzeit ein Sechstel des Weltstromenergiebedarfs. Sie behaupten zu Unrecht, die Kernkraft sei in Europa ein Auslaufmodell. Derzeit sind in 33 Ländern der Welt 411 Leistungsreaktoren in Betrieb, 213 - also mehr als die Hälfte davon - in Europa und davon wiederum 141 in acht Staaten der Europäischen Union.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wir brau- chen aber eine Technik, die die Men- schen auch akzeptieren!)

Die Kernkraftkapazität wird sich weltweit weiter erhöhen. Derzeit sind 32 neue Kernkraftwerke in Betrieb. Trotz des rot-grünen Störfeuers hat das französisch-deutsche Unternehmen Framatome ANP im Dezember letzten Jahres den Auftrag zum Bau eines fünften Kernkraftwerks in Finnland erhalten.

(Walter Meinhold [SPD]: Das finden Sie gut!)

- Das finde ich gut, und das findet im Übrigen auch die Bundesregierung gut.

(Beifall bei der CDU - Christian Dürr [FDP]: Das ist Klimaschutz, Herr Meinhold!)

Dort wird übrigens ein von dem deutschen Unternehmen Siemens und Framatome gemeinsam entwickelter neuer europäischer Druckwasserreaktor installiert werden.

Ob Sie es nun wollen oder nicht, meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen: Viele Länder der Welt, auch Europas und insbesondere Osteuropas werden mit oder ohne deutsche Sicherheitstechnologie weiter auf Kernkraft setzen.

(Walter Meinhold [SPD]: Ohne die Endlagerfrage geklärt zu haben!)

Unbeschadet unterschiedlicher Einschätzungen hinsichtlich der Verantwortbarkeit der Risiken der Kernenergienutzung stimmen beide Seiten darin überein, dass deutsche Kernkraftwerke und sonstige kerntechnische Anlagen auf international hohem Sicherheitsniveau betrieben werden. So steht es in der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen. SPD und Grüne nennen diese Vereinbarung einen Konsens. Die Stromwirtschaft nennt das allerdings eher einen Modus Vivendi.

In dieser Vereinbarung wird im Übrigen auch festgestellt, dass die bisher gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben nicht entgegenstehen und dass die Zeit des Moratoriums dazu genutzt werden soll, die bestehenden Zweifel des BMU auszuräumen bzw. zu erhärten.

Deswegen hat das Niedersächsische Umweltministerium auch das schon angesprochene Symposium veranstaltet. Als ein Ergebnis dieses Symposiums kann festgestellt werden: Bis heute gibt es keine neuen Erkenntnisse, auch nicht im Bericht des AK End, die eine technisch-geologische Eignung des Salzstockes Gorleben als Endlagerstandort ausschließen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Erkundigen Sie sich mal in Schweden, wie die das machen!)

Stattdessen hat der Arbeitskreis auftragsgemäß ein wenig praktikables und politisch durch die rotgrüne Bundesregierung schon vorgegebenes Konzept zur Errichtung eines Endlagers nicht in Gorleben, sondern irgendwo anders und in ferner Zukunft erarbeitet. Als frühester Zieltermin wird das Jahr 2030 genannt, also ein Zeitpunkt, zu dem gemäß des politisch erpressten Modus Vivendi alle deutschen Kernkraftwerke bereits abgeschaltet sein sollten.

Es ist doch ganz offenkundig: Die Einberufung des AK End und das Erkundungsmoratorium sind rein politisch motiviert. SPD und Grüne wollen gar keine Lösung der Endlagerfrage,

(Walter Meinhold [SPD]: Doch!)

jedenfalls nicht, bevor sie deutsches Know-how in Sachen Sicherheitstechnologie, Kernkraft und die damit zusammenhängende Wirtschaftskraft zugrunde gerichtet haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: So ist das!)

Das Fehlen eines Endlagers soll offenkundig nur als Begründung für die vermeintliche Nichtverantwortlichkeit der Kernenergie herhalten. Deswegen versuchen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, uns hier Ihre trojanischen Antragspferde unterzuschieben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie wollen keinen zügigen Neubeginn, und Sie wollen auch keine Verantwortung übernehmen. Nein, Sie wollen die Lösung der Endlagerfrage möglichst lange politisch zwischenlagern.

(Beifall bei der CDU)

Der AK End hat einen technischen Kriterienkatalog und ein politisches Verfahren für eine neue Standortsuche vorgeschlagen. Insbesondere der Kriterienkatalog wird nach abgeschlossener Erkundung auch in die ergebnisoffene Beurteilung des Salzstockes Gorleben eingehen können. Im politischen Verfahren sollen gemäß AK End nach einer breiten Diskussion mit der interessierten Öffentlichkeit und mit allen Beteiligten einvernehmlich der Kriterienkatalog und das Sachverfahren festgelegt werden.

Wer auch nur ein klein bisschen Menschenverstand und Lebenserfahrung hat, der weiß, dass das in keinem Fall einvernehmlich gehen wird. Das ganze Verfahren ist erkennbar so angelegt, dass es zu keinem Ergebnis führen kann. Das halten wir für unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Unter- stellung! - Rebecca Harms [GRÜNE]: Hätten Sie die Empfehlungen des AK End gelesen, würden Sie das nicht behaupten!)

Verantwortliches Handeln heißt aber auch, das durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehende Risiko der permanenten Klimaschädigung nicht nur zu erkennen, Frau Harms, sondern es auch zu reduzieren. Es ist daher notwendig und richtig, die Nutzung der regenerativen Energiequellen weiterzuentwickeln. Hier müssen Deutschland und die anderen Industrienationen vorangehen; denn nur sie haben überhaupt die notwendigen technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen.

Aus umweltpolitischer und wirtschaftlicher Sicht steht fest, dass die Kernenergie nicht nur wesentlich zum Klimaschutz, sondern auch zur technischen Versorgungssicherheit und zu wirtschaftlich vertretbaren Strompreisen beiträgt. Die Grundlage für eine technisch sichere, nachhaltige und zugleich wirtschaftliche Energieversorgung kann nur ein ausgewogener Energieund Energiekostenmix sein.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Daran ist doch überhaupt nichts wirtschaftlich! Das ist der blanke Hohn! Da ist so viel an Subventionen reingeflossen, das ist kaum zu glauben! - Gegenruf von Wilhelm Heidemann [CDU]: Ruhe!)

Gerade weil wir stärker auf regenerative Energien setzen wollen, ist und bleibt die Kernenergie ein unverzichtbarer Bestandteil im Energie- und Energiekostenmix.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Gefah- ren kommen bei Ihnen nicht vor!)

Deshalb werden wir uns die Option der friedlichen Nutzung der Kernenergie auch weiterhin offen halten.

Ihre Ausstiegspolitik, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, gefährdet den Aufstieg der regenerativen Energien geradezu und führt Deutschland in eine wirtschafts-, energie- und umweltpolitische Sackgasse.

(Beifall bei der CDU - Dorothea Stei- ner [GRÜNE]: Das ist ja etwas ganz Neues!)

Ich sehe auch gar keinen Grund, weshalb Sie sich darüber so aufregen, dass wir in diesem entscheidenden Punkt unterschiedlicher Auffassung sind.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das ist schon eine existentielle Frage!)

Auch Sie müssen sich dazu bekennen, dass Demokratie nun einmal daraus besteht, dass aus Minderheiten Mehrheiten werden können und dass bisherige Mehrheiten zu Minderheiten werden.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen!

Ich komme sofort zum Schluss.

Dies war ein Zitat eines Herrn Gabriel aus dem Jahr 2000, hier im Landtag gesprochen zu einem Antrag der CDU-Fraktion zum Thema Energiekonsens, Ausstieg aus der Verantwortung.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Bekennen Sie sich zur Demokratie! Die CDU, die FDP und die von ihnen repräsentierte Mehrheit lehnen Ihre beiden Trojaner ab. Wir werden deshalb der verantwortungsvollen Ausschussempfehlung zustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Kollege Dürr hat das Wort. Bitte schön!

(Walter Meinhold [SPD]: Jetzt geht’s los!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich Ihnen an drei Punkten deutlich mache, warum FDP und CDU die Anträge von SPD und Grünen ablehnen werden, möchte ich noch einige Worte an die Opposition im Zusammenhang mit diesem Thema richten.

Sie reden hier immer davon, dass die FDP der Freiheit zu wenig Beachtung schenke. Ich möchte Ihnen einmal etwas über einen zweiten Begriff sagen, der für Liberale auch sehr wichtig ist, Herr Meinhold, weil er nämlich die andere Seite derselben Medaille darstellt: die Verantwortung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn ich sehe, wie Sie hier zwar immer „Freiheit“ in den Raum rufen, aber überhaupt nicht verstanden haben, dass auch Verantwortung dazu gehört, dann braucht man sich über das Verhalten von Rot-Grün in der Endlagerfrage überhaupt nicht mehr zu wundern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

So viel kollektive Verantwortungslosigkeit bei einem solch wichtigen Thema kann einen einfach nur erschrecken, meine Damen und Herren.