Protokoll der Sitzung vom 23.01.2004

(Beifall bei der FDP)

Ich freue mich, hier feststellen zu können, dass Niedersachsen in dieser Frage nicht blockieren, sondern im Gegenteil den Kompromiss vorantreiben wird.

Am besten wäre es, wenn sich die anderen Fraktionen dem Kompromissvorschlag der FDP-Fraktion anschließen könnten. Die Aufnahme der „Zuwanderung“ würde nämlich vielen, die nicht unter tatsächlicher Verfolgung leiden, sondern lediglich aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen, eine Perspektive bieten. Sie müssten dann nicht versuchen, über die Hintertür mit einem Asylantrag bei uns unterzukommen. Außerdem kann es sich unsere Gesellschaft auf die Dauer auch nicht leisten, auf eine qualifizierte und gesteuerte Zuwanderung zu verzichten.

Frau Langhans, auf den ersten Blick erweckt Ihr Antrag den Anschein von Lauterkeit und von Wirtschaftlichkeit. Leider jedoch nur auf den ersten Blick! Denn bei genauer Betrachtung zeigt sich eine Vielzahl rechtlicher und tatsächlicher Hemmnisse, die eine Umsetzung nicht in Betracht kommen lassen und die - falls wir die Ziele Ihres Antrages umsetzen würden - in der Konsequenz sogar das Gegenteil bedeuten würden. Deshalb ist Ihr Antrag bezüglich der Wirtschaftlichkeit leider eine Mogelpackung.

Der Unterbringung von Asylsuchenden im sozialen Wohnungsbau steht zunächst einmal das Asylverfahrensgesetz entgegen. Sie sollten sich einmal § 53 anschauen und genau studieren, welche Formen der Unterbringung dort vorgesehen sind. Dann werden Sie merken, dass Ihr Antrag in diesem Punkt nicht umgesetzt werden kann.

Meine Damen und Herren, das Land ist verpflichtet, Asylsuchende und Flüchtlinge aufzunehmen und nach den im Asylverfahrensgesetz und in

weiteren Vorschriften normierten Standards zu betreuen. Wenn das Land in der Vergangenheit die Kommunen in Anspruch genommen hat, dies zu tun, dann doch nur deshalb, weil die landeseigenen Kapazitäten nicht ausgereicht haben, um den Strom der Asylbewerber zu bewältigen. Gleichwohl ist und bleibt die Betreuung und die Unterbringung von Asylsuchenden eine originäre Aufgabe des Staates, also des Landes. Deshalb ist es bei sinkenden Zahlen doch nur vernünftig, zunächst die landeseigenen Kapazitäten voll auszuschöpfen, bevor man die Kommunen in die Pflicht nimmt. Welchen Sinn hätte es denn, Frau Langhans, teure Landeseinrichtungen leer stehen zu lassen und die Kommunen für die Unterbringung zu bezahlen?

Es müssen aber auch noch andere Erwägungen bedacht werden. So bietet eine zentrale Unterbringung die Möglichkeit der Rückkehrberatung und der Information über eine Rückkehrförderung. Diese Angebote sind insbesondere deshalb wichtig, weil die Quote der Negativentscheidungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sehr hoch ist. Solche Beratungsangebote lassen sich aber nur in landeseigenen Liegenschaften, also zentral, wirksam und qualifiziert verzahnen.

Wenn wir schon keine andere rechtliche Möglichkeit haben - weil es ein Zuwanderungssteuerungsund -begrenzungsgesetz eben nicht gibt -, sollten wir den Menschen, die bei uns aus wirtschaftlichen Gründen Zuflucht suchten, wenigstens schnell eine Entscheidung und eine neue Perspektive in ihren Heimatländern bieten. Dies kann nur dann kompetent erfolgen, wenn es in zentralen Einrichtungen vorgehalten wird.

Frau Langhans, wenn Sie schon den vielzitierten Bericht des Rechnungshofs ins Spiel bringen, dann bitte ich Sie ganz ernsthaft, ihn in Gänze zu lesen und nicht nur die zwei Zeilen zu erwähnen, die Ihnen gerade passen. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass das Konzept, das jetzt in Bramsche umgesetzt werden soll - und das er ja auch eingefordert hatte -, das richtige und das kostengünstigste ist.

Zu denken gegeben hat mir, als Sie von menschenverachtenden Zuständen gesprochen haben. Frau Langhans, Sie waren im letzten Jahr in Bramsche. Wenn Sie dort Dinge entdeckt haben, die menschenunwürdig sind, warum haben Sie das dann nicht gleich vor Ort gesagt? Dann hätte man

das sofort abstellen können. - Aber dort war nichts Menschenunwürdiges. Von daher sollten Sie so etwas auch nicht sagen.

Meine Damen und Herren von den Grünen, ich bitte Sie, ziehen Sie Ihren Antrag zurück. Wenn Sie es wirklich ernst meinen, dann stellen Sie konkrete Änderungsanträge zu dem gerade in der Beratung befindlichem Gesetzentwurf - das wäre der richtige Weg -, und unterstützen Sie des Weiteren die FDP und die Niedersächsische Landesregierung beim Ringen um ein Zuwanderungssteuerungs- und -begrenzungsgesetz. Rufen Sie Ihre Freunde in Berlin an, damit sie die Blockadehaltung in den entsprechenden Beratungen aufgeben und wir vorankommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat der Kollege Bachmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Anmerkung vorweg: Es war schon angenehm, dass Frau Ross-Luttmann zu dem Antrag gesprochen hat. Sie wissen, was ich meine. Mit Ihnen kann man über diese Fragen wenigstens sachlich diskutieren, und die Emotionen bleiben draußen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Ich ha- be doch gar nichts gesagt!)

- Sei du mal ganz ruhig. Dich meine ich nämlich.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den Grünen)

Wir sind zwar nicht in allen Punkten einer Meinung, aber es gibt gleichwohl viel Übereinstimmung. Darin stimme ich dem Kollegen Bode auch zu. Er sieht die Blockierer allerdings auf der falschen Seite. Ich nämlich sehe, dass es bestimmte Landesregierungen und die größte Oppositionsfraktion im Bundestag sind, die sich nicht auf die notwendigen Lösungen zu bewegen. Frau RossLuttmann, viele der von Ihnen angesprochenen Fragen wären lösbar, wenn auch Sie konstruktiv an einem Zuwanderungsgesetz mitarbeiten würden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich komme nun auf den Antrag zu sprechen. Allerdings führen wir, wenn solche Anträge vorliegen, immer eine umfassende Grundsatzdebatte über die Migrationsproblematik. Das ist auch gar nicht zu verhindern.

Hier jedoch geht es um sehr konkrete Dinge. Ich bin meinen Vorrednerinnen und Vorrednern sehr dankbar dafür, dass sie schon die notwendige Differenzierung vorgenommen haben. Man kann nämlich nicht alle, die zu uns kommen, über einen Kamm scheren. Es gibt Kontingentflüchtlinge, es gibt Asylbegehren, die berechtigt sind, und es gibt die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. Es kommt sicherlich auch vor, dass das Instrument der Asylgewährung ausgenutzt wird, aber die Anzahl der Fälle dürfte relativ gering sein. Sie hingegen tun so, als wenn das der Regelfall wäre.

Sie haben auch richtig beschrieben, dass der Landesrechnungshof feststellt, dass die Zahlen rückläufig sind - das sind Fakten - und dass diese rückläufige Tendenz auch anhält. Deshalb brauchen wir auch eine neue Bedarfsberechnung und müssen wir uns darüber unterhalten, ob wir in den zentralen Aufnahmestellen Überkapazitäten haben.

Insofern kommt der Antrag zum richtigen Zeitpunkt, und wir werden uns mit ihm auch konstruktiv auseinander setzen.

Herr Bode hat auch Recht, dass ein Teil Ihrer Forderungen in dem zurzeit in der Beratung befindlichen Aufnahmegesetz zu regeln wäre.

Aber genau da, Herr Bode, ist ein Richtungswechsel festzustellen; ich will sogar von einem Paradigmenwechsel sprechen. Sie wollen nunmehr die vorrangig zentrale Unterbringung nach der Aufnahme stärken und die dezentrale Unterbringung in den Kommunen zur Ausnahme machen, obwohl dort die Integration sicherlich effektiver ablaufen würde; die Kollegin Langhans hat das beschrieben. Da es dort keine Isolation gibt, bestehen dort nämlich echte Integrationschancen.

Wir sehen also die Gefahr, dass Sie ausschließlich auf zentrale Einrichtungen abstellen wollen. Das ist zumindest der Geist des Gesetzentwurfs. - Genau dies haben Ihnen die Wohlfahrtsverbände und andere in der Anhörung ja auch „um die Ohren gehauen“. Sie haben sich dort eine vernichtende Kritik eingefahren. - Und in den Fällen, in denen Sie dann doch die dezentrale Unterbringung ermöglichen wollen, wollen Sie die Kostenerstattung

zeitlich begrenzen und das Konnexitätsprinzip nicht voll anwenden. Das haben Ihnen die Kommunen zu Recht „um die Ohren gehauen“. - So weit zu Ihrer Glaubwürdigkeit in der Frage Konnexitätsprinzip.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Ausländerkommission, die bei diesem Gesetzentwurf mitberatend ist, hat eine weise Mehrheitsentscheidung getroffen, die aufgrund der Geschäftsordnung - weil die Vertreter der Koalitionsfraktionen dagegen gestimmt haben - leider nicht den Charakter einer Empfehlung hat. Sie hat mit den Stimmen aller anderen beschlossen, an die Landesregierung zu appellieren, den unzureichenden und von der Zielsetzung her falschen Gesetzentwurf zurückzuziehen. Nach meiner Meinung wäre es der richtige Weg, die Beratungen von vorne zu beginnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will eines deutlich machen. Auch wenn wir es für erforderlich halten, mit der Integration so früh wie möglich zu beginnen, glauben wir nicht, dass wir an zentralen Aufnahmeeinrichtungen vorbeikommen. Das ist Fakt. Das haben wir in unserer Regierungsverantwortung so gehandhabt.

Frau Langhans, ich halte es für falsch, in der grundsätzlich richtigen Debatte in einen Antrag schon explizit das Schließen einer Einrichtung hineinzuschreiben. Ich meine nicht, dass das umsetzbar ist. Am Ende des Diskussionsprozesses müssen wir entscheiden, dass wir die vier Standorte im Lande erhalten.

Ich will hier kein Horrorszenario aufbauen. Dieses Land muss aber vorbereitet sein, dass es wieder einmal anders sein kann. Wer schließt denn aus - ich hoffe, das tritt nie ein -, dass unverantwortlich Handelnde auf dieser Welt erneut Kriege anzetteln und auslösen und dass es dadurch wieder zu Vertreibung und Flucht kommt? Dann müssen wir unserer Verantwortung gerecht werden. Für einen solchen Eventualfall müssen wir aus humanitären Gründen vorbereitet sein. Das Thema ist also differenziert zu betrachten.

Personen, bei denen sich im Asylverfahren Rückführungshindernisse, die in der Person oder in den Herkunftsländern begründet liegen, abzeichnen,

sodass die Integration so früh wie möglich einzuleiten ist, oder die unter Härtefall- oder Altfallregelungen fallen, müssen wir so früh wie möglich dezentral unterbringen. Herr Schünemann, da bewegen Sie sich ja Gott sei Dank wirklich ein bisschen. Ich hoffe, Sie machen das auch in aller Konsequenz weiter. In den Fällen - daraus mache ich kein; Frau Langhans, im Prinzip waren wir uns da auch einig -, in denen feststeht, dass ein dauernder Aufenthaltsstatus nicht erreichbar ist, wäre es ein Fehler, Hoffnungen auf dezentrale Unterbringung zu wecken. Ich meine, so differenziert müssen wir es betrachten. Dazu sind wir als Fraktion auch weiterhin bereit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir werden vernünftig prüfen, wir werden über die Frage der Kapazitäten sprechen müssen, und wir müssen über diesen tendenziösen Geist dieses Aufnahmegesetzes reden. So kann es auf keinen Fall verabschiedet werden. Insofern ist dieser Entschließungsantrag parallel zur Gesetzgebung genau zum richtigen Zeitpunkt eingebracht.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Die ei- nen sagen so, die anderen so!)

Ich finde es gut, Herr Kollege Biallas, dass wir uns darauf verständigt haben, dass der Innenausschuss des Landtags Friedland besuchen wird, und dass sich die Ausländerkommission darauf verständig hat, Bramsche zu besuchen. Vielleicht sollten wir Ortstermine mit diesen beiden beteiligten Gremien auch noch in Oldenburg und Braunschweig anschließen. Dann werden wir nach einer sachlichen Debatte, den Menschen dienend und damit auch humanitäre Gesichtspunkte berücksichtigend, einen vernünftigen Beschluss parallel zum Gesetzgebungsverfahren schaffen können.

In diesem Sinne wird sich die SPD-Fraktion an diesem grundsätzlich richtigen Weg der Grünen, aber mit ein paar Differenzierungen - Frau Langhans, ich hoffe, das ist deutlich geworden - beteiligen. Wir freuen uns auf die Ausschussberatungen. Damit wir alle Fachinstrumente und alles Fachwissen einbeziehen können, beantrage ich für meine Fraktion die Beteiligung der Ausländerkommission als mitberatendem Gremium.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort hat der Minister Schünemann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einleitend auf zwei Dinge eingehen, die hier angesprochen worden sind: zum einen die Blockade und zum anderen die Zuwanderung.

Ich bin ja im Vermittlungsausschuss bzw. in der Arbeitsgruppe. Ziemlich sicher bin ich mir, dass unter Vermittlung von Herrn Stadler von der FDP zwischen CDU und SPD relativ schnell eine Einigung herbeizuführen ist. Das Problem ist aber, dass der Kollege Beck von den Grünen nicht einen Millimeter abweicht.

(Georgia Langhans [GRÜNE]: Das stimmt!)

Wie kann es denn sein, dass man sich im Prinzip nicht einen Millimeter bewegt, wenn man auf Kompromisse setzt? Kompromisse setzen voraus, dass man gemeinsam aufeinander zugehen muss. Auf die Forderungen gehen wir ja teilweise schon ein. Insofern hoffe ich, dass die Blockade aufgelöst wird und wir bis zum Sommer eine vernünftige Regelung schaffen können.

(Beifall bei der CDU)

Der andere Punkt, der hier angesprochen worden ist, ist das Aufnahmegesetz. Es wurde behauptet, wir hätten dort eine Interessenquote eingesetzt. Das ist nicht so. Wir haben so gerechnet, wie wir das beim strikten Konnexitätsprinzip in der Zukunft haben werden. Wir haben kleine, große und mittlere Städte als Beispiel genommen. Natürlich können wir nicht die Kosten erstatten, die am höchsten sind, sondern nur in den Fällen, in denen es am kostengünstigsten gemacht wird. Das haben wir als Modellberechnung vorgelegt. So muss es in der Zukunft auch sein. Anders wird es nicht machbar sein.