Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung: Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/790

Der Gesetzentwurf wird von dem Abgeordneten Wenzel eingebracht. Herr Wenzel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dutzende von Gesetzen hat der Landtag beschlossen, seit der Ministerpräsident von diesem Platz seine Regierungserklärung abgegeben hat. Aber, meine Damen und Herren, ein Gesetz war nicht dabei: das Gesetz zur Verankerung des Konnexitätsprinzips in der Niedersächsischen Verfassung. Zufall? Wohl kaum. Ein kompliziertes und umfangreiches Gesetz? - Nein, das ist auch nicht der Fall. Keine

Zweidrittelmehrheit? - Das wäre eigentlich kein Grund für den Verzicht auf eine eigene Initiative.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hinter dem Verzicht auf einen eigenen Gesetzentwurf steckt mehr. Dahinter stecken offenbar auch politisches Kalkül und der Versuch, eine ganze Reihe von Gesetzen durch den Landtag zu bringen, die den eigenen politischen Ansprüchen in Bezug auf das Konnexitätsprinzip nicht gerecht werden.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das stimmt nicht!)

Sehr geehrte Damen und Herren, der Ministerpräsident hat hier einen Anspruch wie einen Popanz vor sich her getragen:

(Reinhold Coenen [CDU]: Na, na, na!)

Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen. - Ein einfacher Grundsatz, den jede und jeder versteht. Dieser Grundsatz würde mehr Verlässlichkeit und mehr Verantwortung in das politische Handeln bringen. Gesetze zulasten Dritter, meine Damen und Herren, mögen zwar kurzfristig Beifall bringen, aber zu viele Gesetze von dieser Sorte legen die Axt an die Wurzel unserer Demokratie, die kommunale Selbstverwaltung.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: So machen die das in Berlin, nicht wahr?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP, Ihre Schulreform kostet die Kommunen einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Kosten für Umzüge, Umbauten und Neubauten werden nicht erstattet. Ihre Schulreform ist eindeutig ein Projekt zulasten Dritter.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Kürzlich, lieber David McAllister, wurde unsere Vorsitzende sogar von einem Ihrer Parteikollegen angesprochen, und zwar von Landrat Hans Eveslage, der eine Resolution seines Kreistages übersandt hat. Darin wurde gefordert, dass sich das Land insbesondere an der Finanzierung der Kosten „angemessen“ - so stand es dort - zu beteiligen habe, die den Kommunen bei der Umsetzung der Schulstrukturreform entstünden.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Hört, hört!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP, es ist doch schon bemerkenswert, wenn sich Ihr ehemaliger Kollege Eveslage in seiner Verzweiflung an die grüne Fraktion wenden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN - Oh! bei der CDU und der FDP)

- Immerhin hat der Kreistag Cloppenburg einen eindeutigen Beschluss gefasst, und offensichtlich hat er ja einen Grund gehabt, warum er bei der Schulreform diese Grundsätze verletzt sah.

Ich komme jetzt noch zum Aufnahmegesetz, das hier demnächst ja auch zur Beschlussfassung ansteht. Im Haushaltsausschuss hat das Innenministerium versucht, uns weiszumachen, dass die Kommunen dabei keine zusätzlichen Lasten zu tragen haben. Aber die Wahrheit war das nicht. Mindestens 10 % sollen die Kommunen tragen. Zwischen Referentenentwurf und Gesetzentwurf haben Sie nur die Begründung für diesen erneuten Griff in die Kassen der Kommunen gewechselt.

Auch bei der Verwaltungsreform stehen Entscheidungen an, die für die Kommunen sehr teuer werden könnten.

Sehr geehrte Damen und Herren, bevor wir über weitere Gesetze diskutieren, wollen wir das Konnexitätsprinzips in der Niedersächsischen Verfassung verankern. Wenn die Regierungskoalition ganz im Gegensatz zu ihrem bisherigen Vorgehen in dieser Frage im Einzelfall eine Verschärfung einschlägiger Formulierungen gegenüber unserem Entwurf wünschen sollte, wären wir die Letzten, die sich diesem Wunsch verschließen würden, Herr McAllister.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Grundsätze des Urteils des Staatsgerichtshofs wollen wir nicht außer Kraft setzen. Artikel 57 der Niedersächsischen Verfassung regelt den übertragenen Wirkungskreis, Artikel 58 den eigenen Wirkungskreis. Der Staatsgerichtshofs hat eine Eigenquote im übertragenen Wirkungskreises grundsätzlich für zulässig erklärt. Er hat aber auch darauf aufmerksam gemacht, dass hier Mittel aus dem eigenen Wirkungskreis in Anspruch genommen werden müssen, wenn die Synergieeffekte nicht ausreichen, um die Eigenquote zu decken. Das sei, so der Staatsgerichtshof, nur zulässig, wenn den Kommunen darüber hinaus eine freie Spitze bliebe. - Sie alle wissen aber, dass die freie Spitze

im Moment in fast allen Kommunen eine Fata Morgana ist.

(Reinhold Coenen [CDU]: Sie vermi- schen einiges!)

- Wir können es ja noch einmal gemeinsam nachlesen.

Deutlich geworden ist aber auch, dass Artikel 58 eine Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen erlaubt, wenn sich beide in einer sehr schwierigen Haushaltslage befinden. Insofern wird hier klar, dass jede neue Regelung durchaus ihre Grenzen hat. Das ist uns bewusst.

Sehr geehrte Damen und Herren, damit wird aber auch deutlich, dass der zum Zeitpunkt des Urteils geltende Rechtsrahmen mit dem horizontalen und vertikalen kommunalen Finanzausgleich in Einklang zu bringen war. Es kann daher nicht angehen, dass der Abschaffung der Frauenbeauftragten mit Blick auf das Konnexitätsprinzip das Wort geredet wird. Dieses Argument greift hier nicht.

Frau von der Leyen ist leider nicht da. Vielleicht könnte sie auf diese Argumente bei Gelegenheit noch einmal zurückgreifen, um sich in ihrer eigenen Fraktion besser durchsetzen zu können.

(David McAllister [CDU]: Der zustän- dige Minister ist da!)

Die Abschaffung eines Großteils der kommunalen Frauenbeauftragten lässt sich nicht mit dem Konnexitätsprinzips begründen.

(David McAllister [CDU]: Ihre Argu- mentation wird jetzt widersprüchlich!)

Allenfalls ist denkbar, Herr McAllister, dass Sie die Mehrkosten, die den Kommunen durch eine achtjährige Amtszeit der Bürgermeister im Bereich der zusätzlichen Pensionskosten entstehen werden, hiermit kompensieren wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber diesen politischen Kuhhandel haben Sie zu verantworten,

(David McAllister [CDU]: Wer hat dir das denn aufgeschrieben?)

völlig jenseits der Debatte über das Konnexitätsprinzip.

Sehr geehrte Damen und Herren, unsere Gesetzesänderung bezieht sich auf künftige Entwicklungen. Das heißt, für künftige Veränderungen muss das Konnexitätsprinzip voll greifen, und künftige Mehrbelastungen der Kommunen müssen voll ausgeglichen werden. Das gilt gemäß unserer Formulierung sowohl für den übertragenen als auch für den eigenen Wirkungskreis.

Einen besonderen Problemkreis stellt die Wirkung von bundes- und europarechtlichen gesetzlichen Regelungen dar. Soweit eine gesetzliche Regelung des Bundes oder der Europaebene einer Umsetzung durch Landesgesetz bedarf, würde dies aber gegebenenfalls eine Ausgleichspflicht des Landes nach sich ziehen. Das Land wäre daher gut beraten, bereits zum Zeitpunkt der Beratung im Bundesrat auf eine genaue Analyse der entstehenden Kosten für die verschiedenen Bereiche der kommunalen Selbstverwaltung bzw. des Staates zu drängen und für Transparenz zu sorgen. Volle Sicherheit gegen einseitige Belastung ist damit aber nicht gegeben. Letztlich bliebe dies einer eindeutigen Konnexitätsregelung im Grundgesetz vorbehalten.

Sehr geehrte Damen und Herren, die vorgeschlagene Änderung der Verfassung soll nicht zu neuen aufwändigen Verfahrensregelungen führen. Regelungen zum Konsultationsverfahren können zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung getroffen werden. Entsprechend wird beispielweise auch in Bayern verfahren. Die neuen Formulierungen in der niedersächsischen Verfassung werden insbesondere für Selbstdisziplin des Landes sorgen. Sie bringen außerdem Transparenz über die Wirkung einzelner Gesetze.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Situation unserer Kommunen lässt kein Abwarten mehr zu. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass CDU und insbesondere auch FDP im Bundesrat eine Verbreiterung der Gewerbesteuer verhindert und den Kommunen damit Einbußen bei den Steuereinnahmen beschert haben.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr gut!)

Das Konnexitätsprinzip muss in die Verfassung, noch bevor die Umsetzung der Verwaltungsreform kommt. - Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Bäumer das Wort.

(David McAllister [CDU]: Das, was Herr Wenzel gesagt hat, muss jetzt hier mal richtig gestellt werden!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass die Fraktion Bündnis 90/die Grünen mit diesem Antrag ein Thema aufgreift, von dem wir schon sehr lange reden: das Konnexitätsprinzip und den Konsultationsmechanismus.

(Zuruf von der SPD: Sie liefern nur nichts!)

Noch größer ist meine Freude darüber, dass es auch bei den Grünen nicht länger als unanständig betrachtet wird, sich die Bayern zum Vorbild zu nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Respekt, meine Damen und Herren, das können und sollten Sie öfter machen. Konnexität bedeutet, dass Aufgaben und Ausgaben stets miteinander zu verknüpfen sind. Wer anderen staatlichen Ebenen eine Aufgabe überträgt, muss auch für die notwendigen Finanzmittel sorgen. Wer bestellt, bezahlt. Diese altbekannte Regel gilt nicht nur im unten im Leineschloss-Restaurant, sondern sie hätte schon seit längerem für die Politik in Niedersachsen und in Deutschland gelten müssen.

(Beifall bei der CDU)