Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

Nur, meine Damen und Herren, dass diese Lösung von der sozialdemokratischen Fraktion heute, im Jahre 2004, vorgeschlagen wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn die alte, von der SPD getragene Regierung hat es in den letzten Tagen ihrer Amtszeit immer abgelehnt, die Chancen des § 245 b zugunsten der Landwirtschaft zu realisieren.

(Beifall bei der CDU)

Die vielfachen Wünsche aus dem ländlichen Raum, das Land möge die Sieben-Jahres-Frist gemäß diesem Paragrafen nicht anwenden, wurde von der alten, von der SPD getragenen Landesregierung nicht nur nie in Betracht gezogen, sondern ausdrücklich abgelehnt. Klasse hätte ich es gefunden, wenn nicht Sie, Herr Harden, sondern Ihr Fraktionskollege, der damals für dieses Gebiet zuständige Innenminister Heiner Bartling, die Anwendung des § 245 b hier nun gefordert und auch begründet hätte. Er hätte sich zu 100 % revidieren müssen. Denn noch mit Datum vom 1. Dezember 2002, also zwei Monate vor Pensionierung der alten Landesregierung, hatte Bartling die Nutzung der Chancen des § 245 b für Niedersachsen ausdrücklich verweigert.

Einem Samtgemeindebürgermeister schrieb der damalige Innenminister - ich darf dies mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren; ich beschränke mich auf den letzten Absatz seines Briefes -:

„Aufgrund meiner bisherigen und der vorstehenden Ausführungen bitte ich Sie um Verständnis für die Entscheidung der Landesregierung, auch unter den von Ihnen dargestellten Gesichtspunkten von der Möglichkeit des § 245 b Baugesetzbuch keinen Gebrauch zu machen.“

Selbst von dieser, der schlechteren Lösung des Problems, wollten Bartling & Co. zu der Zeit, wo sie das hätten ändern können, keinen Gebrauch machen.

(Zuruf von der CDU: So sind sie!)

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ob der 180-Grad-Schwenk, Ihr totaler Sinneswan

del durch die Wahrnehmung der Realitäten des flachen Landes, durch Ihre Erfahrung vom 2. Februar 2003 oder durch unseren Entschließungsantrag erzeugt worden ist, soll uns letztendlich egal bleiben. Wir freuen uns, dass Sie den Intentionen unseres, des weitergehenden CDU-FDP-Antrages vom März 2003 aufgenommen haben und damit bewirken, für ein geschlossenes Bild des Landtages bei diesem Thema zu sorgen. Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Einsicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich darauf hinweisen, dass in der Ehrenloge der Botschafter der Republik Ungarn, Seine Exzellenz Herr Dr. Sándor Peisch, und der Honorarkonsul der Republik Ungarn, Herr Dr. Axel SchultzePetzold, Platz genommen haben. Ich heiße Sie im Landtag herzlich willkommen

(Beifall im ganzen Hause)

und wünsche Ihnen einen angenehmen und vor allen Dingen informationsreichen Aufenthalt in Niedersachsen.

Nächster Redner ist Herr Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das kann der doch gar nicht mehr toppen! - Friedrich Kethorn [CDU]: Aber er versucht es immer wieder!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Politik hat die Aufgabe, die Regeln unseres Zusammenlebens möglichst befriedend zu gestalten. Sie tut das in der Regel, indem sie sich erstens informiert und beraten lässt, indem sie sich zweitens mit den Betroffenen unterhält und sie anhört und indem sie dann drittens eine Entscheidung trifft, die die unterschiedlichen Interessen abwägt, ausgleicht und das Ganze am gesellschaftlichen Gemeinwohl orientiert. So ist die Theorie.

Ich kann zu diesem Punkt feststellen: Gelegentlich gelingt es, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Hier ist es jedenfalls aus meiner Sicht so gelaufen. Wir hatten das Problem, dass einige Landwirte die Sieben-Jahres-Frist versäumt haben, und hatten auf der einen Seite die Interessenlage, hier indivi

duell zu helfen und sich darüber hinaus auch für die Erhaltung alter Bausubstanz im ländlichen Raum einzusetzen und auch angepasste Entwicklungsperspektiven im ländlichen Raum einzuräumen. Wir hatten auf der anderen Seite die städtebaulich geprägte Interessenlage, auf eine weitere Zersiedlung zu verzichten, und ferner die Interessenlage, keine weiteren Umweltbelastungen in den ländlichen Raum zu bringen, und das Interesse, das gemeindliche Planungsrecht zu sichern.

Das Ganze ist in einem CDU-Antrag aufgenommen worden, der erst einmal ein bisschen übers Ziel hinausging, uns aber immerhin die Anhörung brachte, die uns dann auch eine Lösung beschert hat, die ich als menschliche Lösung bezeichnen würde, die sich sowohl von Paragrafenreiterei als auch von Beliebigkeit positiv absetzt.

Vor diesem Hintergrund meine ich: Dieses Projekt ist gelungen. Fast könnte man dazu gratulieren. Ich glaube aber, das wäre ein bisschen hoch gegriffen, weil dann einige Medien vielleicht nicht ganz zu Unrecht auf den Gedanken kämen, dass wir bei unseren politischen Zielen und vor allen Dingen bei der Art und Weise, wie wir sie erreichen, sehr bescheiden geworden sind. Deswegen belasse ich es bei einem einfachen „Weiter so!“ und danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Harden hat noch einmal das Wort.

Herr Klein, Sie haben eine versöhnliche Tonart vorgegeben. Wir haben das ganze Thema ja auch sehr freundschaftlich behandelt.

Herr Beckmann, nur noch zur Aufklärung: Das Baugesetzbuch sieht in § 245 b für die Länder die Möglichkeit vor, die Sieben-Jahres-Frist auszusetzen. Das bedeutet nicht, dass die Landesregierungen diese Aufgabe haben, sondern das ist eine Aufgabe für den Landesgesetzgeber. Vielleicht können wir so weit gehen, zu sagen: Sie haben keinen Antrag gestellt, und wir haben diesen Antrag nicht abgelehnt bzw. konnten ihn auch nicht ablehnen, weil Sie ihn nicht gestellt haben.

Jetzt die Schuld hin und her zu schieben, halte ich für falsch. Wir haben noch ein gutes Dreivierteljahr Zeit, diese Alt- und Härtefälle zu beheben, und ha

ben eine Möglichkeit gefunden, dafür sorgen zu können, dass zukünftig Härtefälle nach Möglichkeit nicht eintreten. Ich meine, wir sind dabei auf einem richtig guten Weg.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung zur Drucksache 706. Ich rufe auf:

§ 1. - Unverändert.

§ 2. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung zur Drucksache 58. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag für erledigt erklären möchte, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Mittagspause und guten Appetit. Wir sehen uns um 15 Uhr wieder.

Unterbrechung: 12.56 Uhr.

Wiederbeginn: 15 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5: Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (NKomZG) - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 15/340 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 15/785

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Annahme mit Änderungen.

Berichterstatter ist der Abgeordnete Coenen. Herr Coenen, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe den Bericht zu Protokoll.

(Zustimmung bei der CDU)

(Zu Protokoll:)

In der Drucksache 15/785 empfiehlt Ihnen der federführende Ausschuss für Inneres und Sport, den Gesetzentwurf mit den aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Änderungen anzunehmen. Diese Empfehlung ist mit den Stimmen der Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP bei Stimmenthaltung des Vertreters der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ergangen. Im mitberatenden Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen ist die Empfehlung mit den Stimmen der Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der CDU und der SPD und gegen die Stimme des Vertreters der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschlossen worden.

Es hat in den Ausschussberatungen Einverständnis darüber bestanden, dass es mittlerweile dringlich ist, das alte Zweckverbandsgesetz durch ein modernes Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit abzulösen. Auch das politische Grundkonzept dieses Gesetzes ist einhellig gebilligt worden. Aus der Beschlussempfehlung sehen Sie, dass der Gesetzentwurf in einer ganzen Reihe von Punkten redaktionell, klarstellend und das Gesetz systematisierend geändert worden ist. Darauf will ich im Rahmen meines Berichts nicht eingehen, denn dies wird Gegenstand des ausführlichen schriftlichen Berichtes sein. Ich will nur drei inhaltlich bedeutsame Punkte ansprechen, die in den Ausschussberatungen vertieft diskutiert worden sind.

Zum ersten Punkt: Es entspricht den Anregungen der kommunalen Spitzenverbände wie der Auffassung des Innen- und Rechtsausschusses, dass nicht nur in der Zweckverbandsversammlung, sondern auch im Verwaltungsrat einer gemeinsamen kommunalen Anstalt die Hauptverwaltungsbeamten der beteiligten Kommunen „geborene“ Mitglieder sein sollten. Entsprechend sind nun § 3 Abs. 4 und § 11 Abs. 1 formuliert.

Zum zweiten und dritten Punkt: Im Rahmen der Anhörung hat sich der Landeselektrizitätsverband

gegen die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 9 ausgesprochen, nach der bei Zweckverbänden mit mehr als zwei Mitgliedern die Verbandsordnung „die Voraussetzungen der Kündigung eines einzelnen Mitgliedes und die Grundlagen der darauf folgenden Auseinandersetzung mit dem ausscheidenden Mitglied“ bestimmen muss. Der Verband hat sich weiter für eine Streichung des § 20 Abs. 3 ausgesprochen. Diese Vorschrift verbietet bei der Anpassung der Verbandsordnungen der in § 20 Abs. 1 genannten Zweckverbände Klauseln, die die Kündigung der Mitgliedschaft „durch unangemessene formelle oder materielle Voraussetzungen“ erschweren oder verhindern, und sie räumt der Kommunalaufsichtsbehörde die Möglichkeit ein, solche unangemessenen Klauseln zu ändern. In beiden Vorschriften hat der Landeselektrizitätsverband eine unzulässige Einengung der Gestaltungsmöglichkeiten der am Zweckverband beteiligten Kommunen gesehen. Diesen Vorstellungen haben sich die Ausschüsse nur zum Teil anschließen können:

Im Hinblick auf § 9 Abs. 2 Nr. 9 muss es beim Entwurfstext bleiben. Die Ausschüsse folgen dem übereinstimmenden und überzeugenden Votum der Vertreter des Ministeriums für Inneres und Sport und des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, dass es nach der Rechtsprechung Fälle gibt, in denen ein Verbandsglied aus besonders wichtigen Gründen aus einem Zweckverband ausscheiden können muss, auch wenn die anderen Verbandsglieder nicht einverstanden sind. Wenn das so ist, muss die Verbandsordnung zumindest für diese Fälle Vorschriften darüber enthalten, nach welchen Regeln sich die Kündigung und die nachfolgende Auseinandersetzung vollzieht.

§ 20 Abs. 3 soll gestrichen werden. Ein entsprechender Beschluss des federführenden Ausschusses ist mit den Stimmen der Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gefasst worden.