Protokoll der Sitzung vom 19.02.2004

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hamburg möchte bis 2010 vier weitere Liegeplätze für Großcontainerschiffe bauen und arbeitet massiv an einer Elbvertiefung auf 16 m. Schon 2006 möchte man mit dem Bau beginnen. Die FDP in Niedersachsen mag sich nicht so recht klar dagegen aussprechen. Es zeugt schon von einem überkommenen Weltbild, wenn Herr Minister Hirche erklärt, eine weitere Elbvertiefung sei ökonomisch wünschenswert, nur die Deichsicherheit dürfe nicht gefährdet werden.

Herr Hirche - er ist leider nicht da -, das eine wird ohne das andere nicht zu haben sein, es sei denn, man betoniert die Ufer der Elbe zu. Dies aber würde zum einen ziemlich teuer, und zum anderen würde das der Unterelbe ökologisch den Todesstoß versetzen. Sie müssen also zur Kenntnis nehmen - vielleicht hört er es ja an anderer Stelle -, dass nicht alles, was denkbar ist, auch machbar ist und dass es in der Umwelt Rahmenbedingungen gibt, die auch ein FDP-Minister nicht aushebeln kann.

Auch der für das Thema Elbvertiefung zuständige Landtagsabgeordnete Riese von der FDP hat sich in der letzten Debatte zu diesem Thema, die wir im Parlament im November des vergangenen Jahres geführt haben, nicht geäußert. Herr Riese hat schlicht und ergreifend nichts zu diesem Thema gesagt.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Wo ist er eigentlich?)

- Herr Riese ist jetzt auch nicht da. Schade.

Der im November im Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP gefasste Beschluss ist nicht wirklich hilfreich, lässt er doch durch die Formulierung, dass Niedersachsen nicht einseitig die Lasten einer weiteren Elbvertiefung tragen dürfe, manches Hintertürchen offen.

Dabei ist die Situation eindeutig. Eine weitere Elbvertiefung ist schon aufgrund der Deichsicherheit nicht zu verantworten. Bereits jetzt sind die Deiche an zwei Stellen massiv gefährdet und drohen zu versacken. Aber auch wegen der Verschlickung der Elbnebengewässer und wegen der ökologischen Folgen - ich nenne hier nur die Sauerstoffzehrung und den Verlust von Flachwasserzonen, die für die Reduzierung der Nährstoffeinträge von immenser Bedeutung sind - ist ein solches Vorha

ben für Niedersachsen schlicht und ergreifend nicht akzeptabel.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist die Stoßrichtung unseres Antrages. Ich gehe davon aus, dass zumindest CDU und SPD diesen Weg mitgehen werden. Sonst würden Sie sich, meine Damen und Herren, unglaubwürdig machen. Vor der Wahl hat nämlich Herr McAllister landauf, landab verkündet, mit der CDU werde eine weitere Elbvertiefung nicht kommen. Und Herr Wolfkühler hat in der November-Sitzung für die SPD erklärt, er wolle auf Herrn Bundesminister Stolpe einwirken, der nämlich die Elbvertiefung unterstützt hat.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Aber im richtigen Sinne einwirken!)

- Das hoffe ich doch. - Die Unterstützung unseres Antrages sollte Ihnen, meine Damen und Herren, eigentlich auch aus anderen Gründen leicht fallen. Hamburg braucht die Elbvertiefung nicht so dringend, wie hier vorgegeben wird. Hamburg braucht sie nur dann, wenn Hamburg gegen Wilhelmshaven anrüsten will.

Schon seit 1981 können nicht alle Frachtschiffe Hamburg tidefrei erreichen. Gleichwohl brummt der Hafen. Im Jahre 2003 hat Hamburg - bei jährlich überdurchschnittlichen Steigerungsraten - erstmals die 6-Millionen-TEU-Grenze im Containerverkehr überschritten.

Eines, meine Damen und Herren, stimmt allerdings: Eine weitere Elbvertiefung würde Hamburgs Marktchancen, große Containerschiffe auch der übernächsten Generation abfertigen zu können, deutlich erhöhen. Dies aber ginge zu Lasten des JadeWeserPorts. Damit - da hat Herr Oppermann Recht gehabt - graben wir Wilhelmshaven das Wasser ab.

Das haben die Fraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der letzten Wahlperiode im Übrigen gemeinsam auch so gesehen, nachzulesen in dem gemeinsamen Änderungsantrag zu Drs. 14/2435. Darin heißt es:

„Der Landtag stellt fest, dass mit der Entscheidung für den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven gesamtökonomisch betrachtet die Begründung für eine erneute Vertiefung der Elbe entfallen ist.“

Der Antrag fiel dann der Diskontinuität anheim. Aber er war doch immerhin ein gemeinsames Bekenntnis.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Auch der CDU!)

Herr Minister Hirche ist immer noch nicht da; darum will ich es anders formulieren. Wenn Herr Minister Hirche im Gegensatz dazu meint, dass der JadeWeserPort selbst dann toll laufen wird, wenn Hamburg weiter aufrüstet, dann muss ich ihn fragen, woher er eigentlich diese Gewissheit nimmt. Bei den Bedarfsanalysen ist die Weiterentwicklung der Kapazitäten von Hamburg und auch die anderer Häfen nicht berücksichtigt worden. Allein wegen des zunehmenden Containerverkehrs darauf zu bauen, auch Wilhelmshaven werde adäquat bedient, ist blauäugig. Die Waren können auch in Rotterdam oder in Hamburg landen. Rotterdam hat nun einmal kurze Wege ins Ruhrgebiet, auch per kostengünstigem Binnenschiff, und Hamburg liegt näher an Mittelosteuropa.

Mit den Signalen in Richtung Hamburg, eine Elbvertiefung sei ökologisch prinzipiell möglich, man müsse nur das lästige Probleme der Deichsicherheit lösen, und die Elbvertiefung sei ökonomisch objektiv sinnvoll, will der Wirtschaftsminister in Wirklichkeit seine schwächelnde FDP in Hamburg über die 5-%-Hürde hieven.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das wird ihm nicht gelingen!)

Niedersachsen erweisen Sie damit einen Bärendienst, Herr Minister.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Hans-Dieter Haase [SPD]: So etwas nennt man „Geschäft zulasten Dritter“! - Zuruf von der CDU: Sie ha- ben nicht immer Recht, aber diesmal ist es so!)

- Das ist nett! - Die CDU und auch Ministerpräsident Wulff sind hier gefordert, für Klarheit zu sorgen. Die Menschen an der Unterelbe dürfen nicht weiter verunsichert werden. Verzichten Sie zum Wohle Niedersachsens wenigstens bei der Hamburg-Wahl auf Wahlkampfhilfe für die FDP; das wäre ja schon einmal was.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unterstützen Sie unseren Antrag, und schöpfen Sie alle Möglichkeiten politischer und rechtlicher

Art aus, um eine weitere Elbvertiefung zu verhindern. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bevor ich Herrn Oetjen das Wort erteile, möchte ich, um Irritationen vorzubeugen, Herrn Minister Hirche für gut eine Stunde entschuldigen. Er hat einen dringenden Arztbesuch. - Ich erteile Herrn Oetjen das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zwar kann der Kollege Hirche nicht hier sein. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass der Kollege Sander als hier angesprochener Fachminister sehr qualifiziert zu Ihrem Antrag wird Stellung nehmen können.

Wir haben in diesem Hause bereits mehrfach über die Frage einer weiteren Vertiefung der Unterelbe diskutiert. Dabei stellte sich stets heraus, dass es in dieser Frage sehr große Einigkeit gibt.

Nachdem die Unterelbe im Jahre 2000 auf 15 m unter Seekartennull vertieft wurde, hat die Freie und Hansestadt Hamburg im Jahre 2002 einen Antrag für eine weitere Fahrrinnenanpassung der Unterelbe gestellt. Das ist der Grund für unsere heutige Diskussion.

Für die FDP-Fraktion stelle ich hier heute fest - ich hoffe, das ist eindeutig -: Bevor von der Freien und Hansestadt Hamburg keine belastbaren Ergebnisse über die Auswirkungen der letzten Elbvertiefung vorliegen, kommt eine weitere Fahrrinnenanpassung für uns nicht in Frage.

(Beifall bei der FDP)

Grund für diese Ablehnung, Herr Kollege Janßen, sind die in Ihrem Antrag aufgeführten möglichen Beeinträchtigungen des Deichsystems, der Deichsicherheit und des Ökosystems. Gerade die Deichsicherheit hat aus Sorge um und aus Verantwortung vor den Menschen, die hinter diesen Deichen leben, allerhöchste Priorität. Nicht minder wichtig aber sind die möglichen Auswirkungen auf das Ökosystem der Elbe und ihrer Nebenflüsse. Hier seien nur die Stichworte Verschlickung und Verschiebung der Brackwasserzone oder - nicht zu vergessen - der sich ändernde Tidenhub genannt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle aber auch fest, dass das Land Niedersachsen ein erhebliches Interesse daran haben muss und hat, dass der Hamburger Hafen als Wirtschaftsstandort prosperiert. Die Arbeitsplätze von mehr als 30 000 Niedersachsen hängen direkt oder indirekt mit dem Hamburger Hafen zusammen. Damit ist dies einer der größten Arbeitgeber für unsere Mitbürger im Hamburger Umland, aber auch niedersachsenweit. Allein aus diesem Grunde dürfen wir eine Elbvertiefung nicht kategorisch und für alle Zeiten ablehnen.

Dennoch ist mein Fazit: Solange nicht geklärt ist, welche Auswirkungen die letzte Elbvertiefung hat - die Hamburger haben bereits einen Zwischenbericht vorgelegt, aber der Endbericht steht noch aus; darauf warten wir -, und solange nicht geklärt ist, welche möglichen Auswirkungen eine weitere Elbvertiefung haben würde - auch diesbezüglich haben die Freunde in Hamburg eine Bringschuld -, können wir als FDP einer Elbvertiefung nicht zustimmen. Wir werden uns kritisch, aber konstruktiv mit dem Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg auf eine weitere Elbvertiefung auseinandersetzen und dabei stets die Interessen Niedersachsens und der niedersächsischen Bürger im Vordergrund sehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Um das deutlich zu sagen: Eine einseitige Belastung Niedersachsens und der Bürger Niedersachsens bei einer möglichen weiteren Elbvertiefung darf es nicht geben und wird es mit der FDP auch nicht geben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Hans-Dieter Haase [SPD]: Wenn du die Hintertür noch zumachst, ist es in Ordnung!)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Somfleth das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Diese Elbvertiefung ist definitiv die letzte.“

(Zuruf von der CDU: Welche?)

Diese markigen Worte des Vertreters des Hamburger Senats vor etwas mehr als sechs Jahren bei einer gut besuchten Informationsveranstaltung

in Hamburg-Wilhelmsburg im dortigen Bürgerhaus habe ich immer noch in den Ohren.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Der gehört der SPD an!)

Zu dieser Veranstaltung waren damals die betroffenen Gemeinden der Elbanliegerlandkreise – das sind nicht nur die Landkreise Stade und Cuxhaven, sondern auch der Landkreis Harburg – eingeladen. Vonseiten der kommunalen Vertreter sind deren Bedenken mehr als deutlich geäußert worden. Aber um die Konkurrenzfähigkeit des Hamburger Hafens, der – das haben auch wir eingesehen – ein wichtiger Jobmotor für die Metropolregion Hamburg ist und vielen tausend Niedersachsen einen guten, sicheren Arbeitsplatz bietet, im europäischen Wettbewerb nicht zu gefährden, hat das Land Niedersachsen sein Einvernehmen zu der letzten Fahrrinnenanpassung erteilt.

Diese Maßnahme, deren langfristige Auswirkungen bisher immer noch nicht bekannt sind, war 1999 gerade abgeschlossen, als im Jahre 2001, also kaum zwei Jahre später, die Diskussion um eine weitere Elbvertiefung in Hamburg aufflackerte. Nun ging es um den tideunabhängigen Zugang für die geplante neue Containerschiffgeneration, für Schiffe mit einer Länge von 380 m und einer Breite von 55 m. Als Ende März 2001 im Zusammenhang mit der Initiative für einen gemeinsamen Tiefwasserhafen der drei norddeutschen Küstenländer Niedersachsen, Bremen und Hamburg von den drei Regierungschefs eine Erklärung zur norddeutschen Hafenpolitik abgegeben worden ist, entstand bei uns im Landtag wieder Unruhe.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass der damalige Umweltminister Wolfgang Jüttner in der Debatte über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sehr deutlich gemacht hat, dass eine weitere Vertiefung der Elbe für Niedersachsen kein Selbstgänger sei. Er hat erläutert, dass der Küstenschutz einer der wenigen Punkte ist, über die bei einem Wasserstraßenausbau Einvernehmen mit dem Land hergestellt werden muss. Deshalb werde von niedersächsischer Seite die Erhaltung der Deichsicherheit bei allen anstehenden Prüfungen eine ausschlaggebende Rolle spielen. Fachleute müssten vor Ort die Frage klären, welche Folgen eine weitere Glättung der Flusssohle hat, ob die Sturmfluten dann schneller und höher auflaufen würden und welche Folgen die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit für die Deichfüße und das Deckwerk haben werde. Neben der Deichsicherheit müsse aber auch die ökologische Vertret

barkeit eingehend geprüft werden. Nur wenn sich eine Unbedenklichkeit dieser Maßnahme erkennen lasse, werde Schritt für Schritt das ordnungsgemäße Planungsverfahren nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeit und nach dem Bundeswasserstraßengesetz abgearbeitet werden.

Aus ökologischer Sicht wurden schon im Vorfeld des Hamburger Antrags kritische Stimmen laut. So hat die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe bereits im August 2001 vehement ihre Bedenken gegen eine weitere Vertiefung der Unterelbe geäußert, weil diese u. a. im Widerspruch zur neuen Europäischen Wasserrahmenrichtlinie steht, die das Ziel hat, die Gewässer der EU in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Ein erneutes Ausbaggern der Elbe hätte jedoch zur Folge, dass mehr Salzwasser in den Fluss getragen wird und sich somit die Sauerstoffprobleme verschärfen.