Protokoll der Sitzung vom 20.02.2004

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf dieses freiwillige und ehrenamtliche Engagement können wir zu Recht stolz sein. Es bildet das feste Fundament für den Zusammenhalt in der Nachbarschaft, im Stadtteil, in der Stadt, im Landkreis sowie in unserem Land. Ich sage für die SPD-Landtagsfraktion ganz deutlich: Angesichts der Finanzsituation auf allen staatlichen Ebenen - in der Kommune, im Land und im Bund - ist die Erledigung dieser Arbeit durch Professionelle nicht denkbar, geschweige denn finanzierbar. Es wäre auch gar nicht wünschenswert, weil auch viel an persönlichem Herzblut, an Freundschaften, aber auch an Einsatz für die Gemeinschaft verloren gehen würde. Hier wird eine unverzichtbare, wertvolle Arbeit für uns alle geleistet. Hier werden gewaltige Integrationsleistungen erbracht - für junge Menschen, für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger und für sozial Benachteiligte. Kinder und

Jugendliche, die sich im Bereich der Jugendarbeit und von Sportvereinen am gesellschaftlichen Leben beteiligen, sind weniger anfällig für Fehlentwicklungen. Es ist eben so: Der Sportverein macht immun gegen negative Begleiterscheinungen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Fundament dieses sozialen Niedersachsen ist jedoch in Gefahr. Die geplante Streichung der steuerfreien Übungsleiterpauschale im so genannten Steuerkonzept von Friedrich Merz ist ein Schlag ins Gesicht von zehntausenden Übungsleiterinnen und Übungsleitern im Land.

(Beifall bei der SPD - Heiner Bartling [SPD]: Das stimmt!)

Wir brauchen in Niedersachsen eigenverantwortliche Bürgerinnen und Bürger. Daher ist es nur recht und billig, dass für bestimmte freiwillige Tätigkeiten steuerfreie Aufwandsentschädigungen ausbezahlt werden können. Steuerlich begünstigt ist derzeit die nebenberufliche Tätigkeit als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer, Jugendleiter, Ferienhelfer und die Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen. Die Übungsleiterpauschale, meine Damen und Herren, ist eine sozialdemokratische Erfolgsstory. Von Willy Brandt in den 70erJahren mit 100 DM eingeführt, unter Helmut Schmidt auf 200 DM erhöht, wurde sie unter Gerhard Schröder nach 20 Jahren des Stillstands auf 300 DM monatlich angehoben und in einen Steuerfreibetrag umgewandelt. Das heute gültige Gesetz wurde im Bundestag gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP beschlossen und legt einen Betrag von 1 848 Euro fest.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe viele Kolleginnen und Kollegen dieses hohen Hauses erlebt, die diese Regelung bei Veranstaltungen gelobt und eine Aufstockung gefordert haben - so auch der heutige Ministerpräsident und stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU. Er wird das sicherlich nachlesen. In einem Interview mit dem Niedersächsischen Fußballverband hat Herr Wulff eine Erhöhung der Übungsleiterpauschale auf 2 400 Euro gefordert. Auch im Landeswahlprogramm der CDU werden rosige Zeiten für ehrenamtliches Engagement und die gesellschaftliche Arbeit von Vereinen in Aussicht gestellt. Dass sich davon in der Koalitionsvereinbarung nichts wiederfindet, liegt wohl nur daran, dass es angesichts von klaren Wahlversprechen keines weiteren Wortes mehr bedurfte.

Doch leider, meine Damen und Herren, sieht die Realität anders aus. Im Bundesparteitagsbeschluss der CDU wird die Beseitigung sämtlicher Steuervergünstigungen - also auch der Übungsleiterpauschale - gefordert. Dieser unter Mitwirkung von Herrn Wulff gefasste Beschluss steht in einem eklatanten Widerspruch zur Förderung des Ehrenamtes und des Sports. Die Damen und Herren von CDU und FDP haben bereits mit dem von ihnen zu verantwortenden Landeshaushalt den Verdienstausfall bei der Inanspruchnahme von Arbeitsbefreiung zu Zwecken der Jugendförderung gestrichen und damit ehrenamtlichem Engagement in der Kinder- und Jugendarbeit Schaden zugefügt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie befinden sich mit diesem Handeln in einer gewissen Kontinuität. Auf dem 33. Landessporttag am 30. November 2002 in Braunschweig hatte der damalige Oppositionsführer versprochen, die von der SPD gesetzlich verankerte Aufstockung der Mittel für die Sportförderung unangetastet zu lassen.

(Zustimmung von Heiner Bartling [SPD])

Die Gesellschaft könne durch den Sport sparen, sie solle aber nicht am Sport sparen - so seine damalige Aussage.

(Heiner Bartling [SPD]: Sehr richtig!)

Diese hat er in Kenntnis der realen Haushaltssituation des Landes gemacht - oder er hat Herrn Möllring damals nicht zugehört. In einer schriftlichen Stellungnahme an den Landessportbund liest es sich wie folgt:

„Eine CDU-geführte Landesregierung steht deshalb nachdrücklich zur Planungssicherheit in der Sportförderung und damit zu den Verpflichtungen des Lotterie- und Wettwesengesetzes.“

Anstatt die versprochenen Zuwächse zu gewährleisten, hat die schwarz-gelbe Landesregierung die Sportförderung drastisch zusammengestrichen.

(Jörg Bode [FDP]: Oh!)

Das ist aus Ihren vollmundigen Versprechungen geworden.

Meine Damen und Herren, dass auch der Sport angesichts der Haushaltslage seinen Beitrag trägt, wenn auch mit Schmerzen, zeigt doch nur, dass

Solidarität schon immer ein Prinzip im Sport war und auch in Zukunft bleiben wird.

(Beifall bei der SPD)

Aber Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP, können und werden wir unsere Kritik an dem eklatanten Widerspruch zwischen Ihren Wahlversprechen und Ihrer realen Politik nicht ersparen. Was wir jetzt brauchen, meine Damen und Herren, ist nach der Solidarität der Sportverbände im Land die Solidarität mit den Sportvereinen und den ehrenamtlich Tätigen in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag „Keine Steuervereinfachung zulasten von Ehrenamt und Vereinen - Die Übungsleiterpauschale erhalten!“ soll der Niedersächsische Landtag ein Zeichen setzen - ein Zeichen und Bekenntnis für zehntausendfaches freiwilliges soziales Engagement, für Zusammenhalt und Solidarität in unserem Land. Dieses klare Signal aus Niedersachsen lautet: Hände weg von der Übungsleiterpauschale!

(Beifall bei der SPD)

Wir verbinden das mit dem Dank und der hohen Anerkennung für ehrenamtlich Tätige.

Meine Damen und Herren, bewährte Strukturen müssen erhalten und ausgebaut werden. Wir brauchen mehr freiwilliges Engagement, mehr ehrenamtlichen Einsatz. Das, meine Damen und Herren, ist der Rückhalt in unserem sozialen Niedersachsen. Es ist zwar richtig, dass dann, wenn jeder an sich denkt, an alle gedacht ist. Aber dieser liberale Grundsatz grenzt die schwachen und hilfsbedürftigen Menschen aus und steht eben nicht für unser Modell von Solidarität und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

(Hermann Eppers [CDU]: Der Spruch geht aber anders!)

Wir erwarten von der Niedersächsischen Landesregierung und vom stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden und Ministerpräsidenten Christian Wulff ein klares Bekenntnis zum ehrenamtlichen Engagement und zum Erhalt der Übungsleiterpauschale. Aus diesem Grunde hoffe ich auf eine einstimmige Beschlussempfehlung im Sinne der Betroffenen in unserem Land. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Helmhold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bürgerschaftliches freiwilliges Engagement ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine solidarische Gesellschaft. Ein solches Engagement kann nicht oft genug gewürdigt werden. Weil es für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft so unentbehrlich ist, sind Bund, Länder und Gemeinden ebenso wie der zweite und dritte Sektor in der Pflicht, förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir brauchen Voraussetzungen, die ein solches Engagement stärken. Dazu gehört selbstverständlich auch eine finanzielle Würdigung. Die Steuerfreibetrag für Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder und Betreuer oder aus vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten und der nebenberuflichen Pflege alter und kranker Menschen ist im Jahr 1999 von der rot-grünen Bundesregierung auf 1 848 Euro angehoben worden. Damit wurde u. a. langjährigen Forderungen des Deutschen Sportbundes wie auch des Bundesmusikrates entsprochen.

Nun hat Ende letzten Jahres Herr Merz seine Vorschläge zur Steuerreform präsentiert. Diese wurden vom CDU-Bundesvorstand, dem Herr Ministerpräsident Wulff angehört, im Prinzip mit kleinen Änderungen übernommen. Unter dem Deckmäntelchen der Steuervereinfachung ist vorgesehen, viele Steuerbefreiungen und -vergünstigungen ersatzlos zu streichen, u. a. den § 3 des Einkommensteuergesetzes und damit die so genannte Übungsleiterpauschale.

Meine Damen und Herren, was von den MerzVorschlägen insgesamt zu halten ist, ist spätestens dann völlig klar geworden, als das Kopfpauschalenmodell von Herzog auf dem Tisch lag und ein sozialer Ausgleich über das Steuersystem eingefordert wurde. Dabei ist Ihnen natürlich klar, dass durch Ihre Konzepte vor allem der wohlhabende Teil der Gesellschaft entlastet werden soll. Bei Merz ist kein Platz für Soziales. Bei Merz gibt es keine Förderung ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements. Merz ist Murks, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: Murks war das mit der Maut! - Zuruf von der CDU: Lieber Merz als Marx!)

Meine Damen und Herren, eine Vereinfachung des Steuersystems halten auch wir für dringend erforderlich. Wir werden diese Vereinfachung auch vorantreiben, aber doch bitte mit sozialer Verantwortung. Wenn Sie, meine Herren und Damen von der CDU, tatsächlich nennenswert Steuervergünstigungen hätten abbauen wollen, dann hätten Sie dies Ende letzten Jahres im Vermittlungsausschuss tun können. Unsere weiter gehenden Vorschläge z. B. zur Eigenheimzulage und zur Pendlerpauschale sind aber blockiert worden.

Es ist eine wichtige Aufgabe, Bürgerinnen und Bürger zu motivieren, sich gesellschaftlich zu engagieren, und darüber hinaus diejenigen, die dies tun, nach Kräften zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund passt es einfach nicht, einerseits im Lande mit Orden herumzulaufen und diese für ehrenamtliches Engagement zu verteilen - ich glaube, die CDU-Fraktion hat neuerdings eigene Orden erfunden, die Sie verteilen -, andererseits aber gleichzeitig ein Steuersystem zu propagieren, nach dem genau diese Menschen, die Sie dann auszeichnen, die geringen Aufwandsentschädigungen, die sie für ihren bürgerschaftlichen Einsatz erhalten, auch noch versteuern sollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Landtag ist gefordert, dafür zu sorgen, dass die Landesregierung hier gewachsene Strukturen, die das Engagement stärken, aus parteitaktischem Kalkül auf Bundesebene nicht leichtfertig aufs Spiel setzt. Es darf nicht zugelassen werden, dass hier mit doppelter Zunge geredet wird und am Ende engagierte Bürger benachteiligt werden und soziales Kapital in unserem Land vernichtet wird. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Dr. Stumpf das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Viereck, zunächst einmal zu Ihnen und Ihren Verquickungen mit der Haushaltsbera

tung. Ich sage jetzt noch einmal, was ich schon im Rahmen der Haushaltsplanberatungen zum Thema Sportförderung gesagt habe. Seit dem Wahlkampf hat sich etwas Entscheidendes geändert, nämlich die Geschäftsgrundlage. Wir sind davon ausgegangen, dass der Haushalt so seriös ist, wie Sie ihn damals dargestellt haben.

(Widerspruch bei der SPD)

Das, was wir schließlich vorgefunden haben, hat leider gewisse Schritte erfordert. Ich habe das damals gesagt. Ich persönlich und auch meine Freunde in den Fraktionen von CDU und FDP haben es nachdrücklich bedauert, dass wir diesen Schritt gehen mussten. Von daher möchte ich Sie bitten, diese alten Kamellen in Zukunft nicht mehr aufzuwärmen, sondern beim Aktuellen zu bleiben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Der Antrag, den Sie, meine Damen und Herren auf der linken Seite dieses Hauses, gestellt haben, hat ja auch eine etwas andere Zielrichtung. Ich erinnere daran, dass wir in diesem Hause in der Vergangenheit zahlreiche Beratungen über die Ehrenamtlichkeit durchgeführt haben. Dabei gab es sehr, sehr viel Einvernehmen. Grundsätzlich haben wir die ehrenamtliche Tätigkeit gemeinsam gewürdigt und hochgehalten. Jetzt aber legen Sie hier einen Show-Antrag vor, mit dem Sie die gemeinsame Plattform nachdrücklich verlassen.

Ich möchte daher zu Beginn etwas erklären, damit Sie sogleich unsere Position erfahren. Wir - das ist die CDU hier in Hannover und in Berlin - sind nach wie vor der Auffassung, dass die ehrenamtliche Tätigkeit eine tragende Säule unserer Gesellschaft ist

(Beifall bei der CDU - Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Das muss sich aber auch auswirken!)

und den Staat in seiner heutigen Form eindeutig stärkt. Nehmen Sie das bitte so zur Kenntnis. So ist es. So handeln wir, und so empfinden wir.

Bei uns in der CDU hat das Ehrenamt gerade im Sport und in der Jugendarbeit eine lange Tradition, an der wir auch in Zukunft festhalten werden. Nehmen Sie das zur Kenntnis. Wir werden nicht schwächen, geschweige denn zerstören, was die Lebensqualität in unserem Lande nachweislich positiv beeinflusst hat und auf das wir zukünftig bei

der Gestaltung unseres Staates auch bauen werden, weil das ehrenamtliche Engagement - ich glaube, diesbezüglich sind wir nach wie vor nicht auseinander - einen wesentlichen Anteil am sozialen Gleichgewicht in unserer Gesellschaft hat.

(Beifall bei der CDU)