Protokoll der Sitzung vom 10.03.2004

Wir haben in Niedersachsen positive Erfahrungen mit der Metropolregion Hamburg gemacht. Die Metropolregion Hamburg hat es geschafft, nicht nur Kreis- und Gebiets-, sondern auch Landesgrenzen zu überwinden. Trotz des Respekts vor der Unabhängigkeit und Selbständigkeit einzelner Kommunen haben wir es geschafft, im Norden in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen und Hamburg ein gemeinsames Denken, ein gemeinsames Handeln in die Politik der beteiligten Akteure hi

neinzubringen. Das wollen wir auch für das Dreieck Hannover/Braunschweig/Göttingen erreichen.

Braunschweig, Wolfsburg, Salzgitter sind international bedeutsamer Standort für Fahrzeugbau und Verkehrstechnik. Braunschweig ist Bewerber um die Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2010 und hätte damit die Chance, neben seinem bereits bestehenden Profil als Forschungs- und Universitätsstadt auch im kulturellen Bereich einen deutlichen Schritt nach vorne zu gehen. Göttingen ist bekanntermaßen internationales Wissenschaftszentrum besonderer Prägung, eine der erfolgreichsten und angesehensten Universitäten in Deutschland. Hannover schließlich ist bedeutender Messe-, Industrie- und Dienstleistungsstandort. Gerade die Messe CeBIT 2004 - nächste Woche ist Hannover wieder Gastgeber vieler Menschen aus aller Welt ist ein idealer Ort, wo der Ministerpräsident am 18. März im Rahmen einer Veranstaltung seine weiteren Gedanken zur Metropolregion Hannover/Braunschweig/Göttingen vertiefen und öffentlich bekannt machen will.

Es ist ein Prozess, der von unten nach oben wachsen soll. Wir wollen ausdrücklich alle interessierten Kommunen und handelnden Akteure mitnehmen. Die Landesregierung wird diesen Prozess aller interessierten Beteiligten aktiv unterstützen und begleiten. Viele Detailfragen sind noch offen. Aber wir sind auf einem guten Schritt auch dank der Initiative aus der Staatskanzlei.

Wir als CDU empfinden uns als Anwalt der Fläche. Wir stehen für unsere lebenswerten Gemeinden und Samtgemeinden in Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber wir wissen, gerade weil wir zum großen Teil aus der Fläche kommen, dass unser Land auch von der Vitalität unserer Städte und insbesondere unserer Großstädte lebt. Deshalb wollen wir unsere großstädtischen Regionen, die in einem internationalen Wettbewerb stehen, besser positionieren. Wir wollen, dass sich neben Hamburg in Niedersachsen eine weitere Metropolregion etabliert und sich diesem Wettbewerb stellt.

Deshalb senden wir als CDU-Landtagsfraktion ein deutliches Signal der Unterstützung an die Staatskanzlei und an alle handelnden Akteure in Hannover, Braunschweig, Göttingen und in allen anderen Kommunen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt der Kollege Oppermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat den EXPO-Städtekreis erwähnt. Wenn wir heute über die Metropolregion Göttingen/Hannover/Braunschweig diskutieren, dann ist das in der Tat ein spätes, aber schönes und nachhaltiges Ergebnis der EXPO. Aber es ist gleichzeitig auch ein bisschen Ironie der Geschichte, dass einige - nicht alle - von denen, die die EXPO in Hannover mit Häme und Spott begleitet haben, jetzt die Metropolregion abfeiern wollen.

(Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: So ist es! - Bernd Althusmann [CDU]: Uns meinen Sie damit nicht!)

Was kennzeichnet eine Metropolregion? - Eine Metropolregion braucht industrielle Kerne, sie braucht industrielle Substanz, sie braucht starke Dienstleister, sie braucht gute Wissenschaft und moderne Technologie. Das haben wir in der Metropolregion. Aber ich muss Sie darauf hinweisen, dass das nicht selbstverständlich ist. Diese herausragenden Eigenschaften sind gefährdet. Ich habe nur wenig Zeit und will das deshalb lediglich an drei Beispielen aufzeigen.

Erstens. Die ländlichen Räume verlieren ihre industrielle Basis. Die Metropolregion besteht nicht nur aus den drei kleinen Metropolen Hannover, Braunschweig und Göttingen, sondern auch aus den ländlichen Räumen dazwischen. Herr McAllister, Sie haben gesagt, Sie sind der Anwalt der Fläche. Wenn ich sehe, was im Weserbergland passiert, wenn ich sehe, was im Harz passiert, dann kann ich nicht erkennen, dass das metropolitane Züge trägt. Das gleicht eher einer Entindustrialisierung der ländlichen Räume. Das gleicht zwischen diesen Städten eher einer späten Realisierung der Morgenthau-Vorstellungen als einer Metropolregion.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, dass Sie sich persönlich um Otis kümmern wollen. Ich hoffe, Sie nehmen zur Kenntnis, dass wir - anders als Sie vor gut zwei Jahren - keinen Entschließungsantrag in den Landtag einbringen, um Sie dazu aufzufor

dern. Wir erwarten allerdings auch, dass Sie jetzt in Ruhe und auch erfolgreich in dieser Sache arbeiten.

Zweitens. In Braunschweig, Göttingen und Hannover hatten wir in den Jahren 2000, 2001 und auch 2002 eine bundesweit überdurchschnittliche Gründungsdynamik in neuen Technologien. Wenn Sie hinschauen, was in den letzten zwölf Monaten passiert ist - Herr Hirche, ich weiß nicht, ob Sie das einmal getan haben -, dann werden Sie feststellen, dass wir im letzten Jahr in diesem Städtedreieck Göttingen/Hannover/Braunschweig keine einzige Neugründung im Biotech-Bereich hatten. Keine einzige mehr! Die Gründungsdynamik ist zum Erliegen gekommen.

(Zurufe von der CDU)

Wenn Sie eine Metropole bauen wollen, dann müssen Sie diese Gründungsdynamik wieder in Gang setzen und dann müssen Sie sich darum kümmern, Herr Hirche. Ich sehe noch nichts davon.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Ach!)

Drittens. Die Metropolregion ist in der Tat eine der stärksten Forschungsregionen Europas. In Braunschweig, Hannover, Göttingen und Wolfsburg arbeiten mehr Wissenschaftler als im Großraum München. Da können wir in der Tat konkurrenzfähig werden. Wenn das eine Stärke ist, die diese Metropolregion auszeichnet, dann müssen wir diese Stärke entwickeln. Aber was machen Sie? - Von den 40 Millionen Euro, die die Hochschulen einsparen müssen, entfallen 32 Millionen Euro auf die Metropolregion. Ist das etwa ein Antrittsgeschenk für die Metropolregion?

(Beifall bei der SPD)

Ist das die Devise „Stärken stärken“? - Ich glaube, Sie tun da das Gegenteil.

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Wir stehen zu der Metropolregion. Das ist ein gutes Konzept. Wir müssen aber aufpassen, dass das, was der Ministerpräsident beim IHKNeujahrsempfang angekündigt hat - nämlich eins plus eins plus eins ist deutlich mehr als drei -, auch umgesetzt wird und dass wir am Ende nicht weniger als drei haben.

(Zuruf von David McAllister [CDU])

- Das hat er gesagt. Das ist ein wörtliches Zitat. Er hat gesagt: Wenn drei zusammenarbeiten, dann ist das deutlich mehr als drei. Ich kann das gerne noch einmal im Einzelnen erläutern, wenn das nicht gleich klar geworden ist.

(David McAllister [CDU]: Das müssen Sie mir auch erläutern!)

Die Metropolregion darf aber eines nicht werden - darauf werden wir achten, Herr McAllister -: Sie darf keine Fassade werden, hinter der Sie industriepolitische Passivität und eine technologiepolitische Nullnummer verstecken. Darauf werden wir achten.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Lehmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Metropolregion Hannover/Braunschweig/Göttingen wird ein weiterer Meilenstein für ein weiteres Wachstum bei uns in Niedersachsen sein. Wir haben es ja schon im ersten Jahr unserer Regierungstätigkeit bzw. der Tätigkeit unserer Landesregierung geschafft, das Wirtschaftswachstum in Niedersachsen wieder nach vorn zu bringen. Ich glaube, hier werden für diese Entwicklung weitere Grundsteine gelegt.

Die Metropolregion fasst - das ist hier schon gesagt worden - ungefähr 4 Millionen Menschen in Niedersachsen und vor allem deren Leistungspotenziale zusammen. Das ist etwa die Hälfte der Bevölkerung Niedersachsens. In diesem Gebiet können wir eine erhebliche Zusammenballung verzeichnen. Es gibt dort wichtige Städte, nämlich Hannover als internationaler Messeplatz sowie als Dienstleistungs- und Industriestandort, Göttingen als internationales Zentrum der Geistes- und Naturwissenschaften und die Stadt und Region Braunschweig als Forschungsstandort Nummer eins in den Bereichen des Fahrzeugbaus, der Verkehrstechnologie, der Luft- und Raumfahrt und der Biotechnologie mit vielen Forschungseinrichtungen des Bundes und des Landes sowie als zweitgrößter Bankenplatz in Deutschland. Das muss hier, glaube ich, noch einmal klar herausgestellt werden.

Diese Städte konkurrieren mit vielen anderen Städten und Regionen in Deutschland, z. B. RheinRuhr, Rhein-Main, Berlin und Hamburg. Wir haben das heute Morgen schon gehört. In einem immer stärker wachsenden Europa konkurrieren sie auch mit vielen Regionen außerhalb der Landesgrenzen. Diesen Wettbewerb kann man nur gemeinsam erfolgreich gestalten.

Nach der EU-Osterweiterung liegt unsere Metropolregion mitten in Europa. Hier kann zwischen Helsinki und Lissabon sowie zwischen Dublin und Warschau eine Region als Zentrum des Handels und der Wissenschaften entstehen. Wenn man sich einmal vor Augen führt, welche Chancen sich hier bieten, dann ist es richtig, die Initiativen, die auch von den in Rede stehenden Großstädten ausgegangen sind, zu unterstützen.

Die Wolfsburg AG und das Projekt „Region Braunschweig“, das von der Landesregierung richtigerweise gefördert wird, sind gute Beispiele für ein erfolgreiches Zusammenfügen regionaler Stärken. Wenn wir uns die Möglichkeiten der Metropolregion Hannover/Braunschweig/Göttingen vor Augen führen, die ich eingangs genannt habe, dann wird ganz klar, dass wir hier mitten in Europa eine ganz starke Region gestalten können.

(Beifall bei der FDP)

Hier werden aber nicht nur die Einrichtungen von Wirtschaft und Wissenschaft zusammengebracht, sondern auch kulturell gibt es hier sehr viele Angebote: im Bereich der Staatstheater und der Museen mit internationalem Ruf. Ich bin sehr dankbar für den Hinweis des Kollegen McAllister darauf, dass die Stadt Braunschweig eine sehr aussichtsreiche Bewerberin für die Kulturhauptstadt Europas 2010 ist.

Eine ideale Ergänzung findet dadurch statt, dass wir hier die weichen Standortfaktoren und die wirtschaftlichen Stärken zusammenführen. Es gibt ein Nebeneinander von technischem und wirtschaftlichem Know-how und Lebensqualität in einer großen Metropolregion. Diese Gemeinsamkeit macht stark. Das ist keine neue Erkenntnis. Richtig und wichtig ist aber, dass diese Landesregierung auf dem Weg der Stärkung der drei genannten Großstädte weitergeht. Dies wird auch zum Nutzen des ländlichen Raumes sein; denn es wird nicht nur in den Städten gearbeitet, sondern auch darum herum, z. B. im gesamten Zulieferbereich. Die Menschen, die in den Städten arbeiten, kommen auch

aus dem ländlichen Bereich. Mit der erfolgreichen Wirtschaftspolitik unseres Ministers Walter Hirche werden wir es schaffen, dass auch im ländlichen Bereich vernünftig gearbeitet werden kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Das Wort hat der Kollege Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was der europäische Kunstbegriff „Metropolregion“ für Sie, Herr McAllister, mit „Innovation“ zu tun hat, ist bislang nicht verständlich. Das einzig Innovative, das wir bisher feststellen können, ist, dass diese Landesregierung, die ja eigentlich regionskritisch ist und sich auch zur Region Hannover immer nur sehr distanziert geäußert hat, jetzt endlich das umsetzt, was die alte Landesregierung und der Arbeitskreis des Städtenetzwerkes EXPO nach Jahren der Vorbereitung vorgeschlagen haben. Das ist aber bestimmt noch kein neuer Aufschlag und garantiert auch nicht, dass wir mit unserer Anmeldung bei der Bundesraumordnungskommission auch tatsächlich Erfolg haben werden. Das ist kein Selbstläufer, Herr Ministerpräsident.

Die Frage, ob wir neben den seit mehreren Jahren anerkannten europäischen Metropolregionen in der Republik mit der waghalsigen Konstruktion, die bisher getrennten Teilräume Braunschweig, Göttingen und Hannover als Metropolregion auszurufen, Erfolg haben werden, steht erst einmal in den Sternen. Da müssen wir noch eine Menge tun. Ursache dafür sind vor allem handwerkliche, aber auch substanzielle Unzulänglichkeiten des bisherigen niedersächsischen Konzeptes. Sie haben die gemeldete Metropolregion bisher als Städtebündnis ohne die Landkreise organisiert. Diese sind sowohl personell als auch organisatorisch überhaupt nicht einbezogen worden. Das ist ein Mangel. Damit können eine regionale Konkurrenz und ein Kompetenzflickenteppich nicht überwunden werden.

Die räumliche, fachliche und verwaltungsseitige Kooperation innerhalb der neuen Metropolregion ist überhaupt noch nicht entwickelt. Hier muss dringend nachgearbeitet werden. Mit der laufenden Entscheidung zur Verwaltungsreform dieser Landesregierung konterkarieren Sie sogar die Bildung

einer Metropolregion. Sie konterkarieren die stärkere Kooperation in einer Region.

(David McAllister [CDU]: Sie haben doch gerade das neue Gesetz be- schlossen!)

Das abgrenzende Ressortprinzip, Herr McAllister, wird mit der Auflösung der Bündelungsbehörde Bezirksregierung sogar gestärkt.

(David McAllister [CDU]: Was sind das denn für Töne?)

Die faktische Trennung in die derzeitigen Bezirksregierungen Braunschweig, Lüneburg und Hannover wird durch die Aufrechterhaltung der Regierungsbüros auch weiterhin in der Metropolregion aufrechterhalten.