Meine Damen und Herren, das Abbruchunternehmen hat drei Geschäftsfelder: erstens den Abbruch der solidarischen Krankenversicherung, zweitens das Planieren des deutschen Steuersystems und drittens den Abriss von Schutz- und Mitbestimmungsrechten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Meine Damen und Herren, die Menschen in Niedersachsen - wir sind im Niedersächsischen Landtag - werden für dieses Abbruchunternehmen mindestens 2,5 Milliarden Euro jährlich zahlen müssen. Herr Ministerpräsident, wir fragen Sie als neuen Prokuristen dieses Abbruchunternehmens: Wie wollen Sie das eigentlich bezahlen?
Meine Damen und Herren, mich würde mal interessieren: Wie wollen Sie denn in Zukunft in Braunschweig, Hannover und Göttingen drei Universitäten, die Fachhochschulen und den Forschungsflughafen weiter finanzieren und Biotechnologieunternehmen ansiedeln? Sie haben ja eben versucht, Erinnerungslücken bei uns bezüglich dessen, wer für was bei der EXPO verantwortlich ist, klar zu machen. Sie haben sich sogar gegen Herrn Schmalstieg gewehrt. Ich will Ihnen nur sagen: Das, was Sie jetzt als Metropolregion entwickeln, ist innerhalb von 13 Jahren entstanden, als wir Geld im Land hatten, um 1 800 Arbeitsplätze, z. B. am Forschungsflughafen in Braunschweig, zu installieren.
Wie machen Sie das eigentlich weiter? - Fangen wir mal mit dem ersten Geschäftsfeld an. Sie wollen die solidarische Krankenversicherung abbrechen und stattdessen Ihr Kopfgeld durchsetzen zulasten des Steuerzahlers. Ihre eigenen Buchhalter aus Bayern haben Ihnen vorgerechnet, dass das, was Sie da vorschlagen und was mit Ihrer Unterstützung zustande gekommen ist, 37 Milliarden Euro Steuerausfälle produziert.
Meine Damen und Herren, 37 Milliarden Euro Steuerausfälle sind 1,5 bis 2 Milliarden Euro nur für Niedersachsen. Wie viele Ganztagsschulen, Altenheime, Behinderteneinrichtungen und Universitäten wollen Sie eigentlich noch schließen, um diesen Betrag erwirtschaften zu können?
- Sie schütteln Ihre Köpfe. Das sind Ihre Zahlen, nicht unsere. Wenn es Ihnen peinlich ist, dass wir Herrn Seehofer und Herrn Stoiber zitieren, dann können wir nichts dafür.
Aber damit nicht genug. Wie erklären Sie, Frau Ministerin von der Leyen - Sie kommt gerade herein -, eigentlich den Menschen, dass dieses Kopfgeldmodell nach den unwidersprochenen Berech
nungen des Verbandes der Ersatzkassen in Niedersachsen eine Familie mit zwei Kindern bei einem Jahreseinkommen von 30 000 Euro immerhin 1 196 Euro mehr kostet, während ein Ehepaar ohne Kinder mit einem Jahreseinkommen von 100 000 Euro 3 925 Euro geschenkt bekommt?
Sie sind doch diejenige, die sich für Familien stark machen wollte, aber produzieren ein solches Gesetz. Wir haben im Steuersystem das gleiche Beispiel. Bei Ihrem Modell muss dann ein Ehepaar, das bei der Volksbank arbeitet, in Zukunft den gleichen Steuersatz zahlen wie Herr Ackermann als Chef der Deutschen Bank. Damit die Steuerausfälle nicht so riesig werden, dürfen Nachtkrankenschwestern und Polizeibeamte ihre Nachtschichtzuschläge versteuern, damit Sie damit die Tarifabsenkung bezahlen können.
Meine Damen und Herren, wie sollen das eigentlich die Gewerkschaften wettmachen, denen Sie den Auftrag geben, in den nächsten Jahren höhere Bruttolöhne durchsetzen, zumal Sie gleichzeitig fordern, die Gewerkschaften zu entmachten, Tarifverträge aufzugeben und Betriebsräte abzuschaffen? Wie soll das eigentlich funktionieren, meine Damen und Herren?
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Das steht ja schon alles in der HAZ, was Sie da vortragen!)
- Herr Althusmann, da Sie dazwischenrufen: Bei solch einer gespaltenen Zunge müssten Sie eigentlich langsam Sprachschwierigkeiten bekommen. Sie erzählen doch den Menschen immer das Gegenteil dessen, was Sie wollen.
(Bernd Althusmann [CDU]: Gegen wen demonstrieren die denn in Berlin, gegen die Grünen oder gegen uns?)
Gegenüber der Steuerreform von SPD und Grünen verliert ein verheirateter Facharbeiter mit zwei Kindern rund 500 Euro, eine Krankenschwester fast 300 Euro. Dafür bekommen der leitende Angestellte ohne Kinder 4 000 Euro und der verheiratete Manager über 6 000 Euro mehr. Meine Damen
und Herren, damit der Chefarzt morgens freundlicher in die Börsenkurse guckt, muss die Nachtschwester höhere Steuern zahlen. Das ist die Steuerpolitik von CDU und FDP.
Frau von der Leyen, noch einmal zu Ihnen. Ich habe gelesen, Sie wollen Niedersachsen zu einem Land der Ehrenamtlichen machen. Wie erklären Sie dann den Leuten bei den Freiwilligen Feuerwehren und bei den Sportvereinen, dass Sie vorhaben, die ohnehin geringen Aufwandsentschädigungen in Zukunft der Besteuerung zu unterwerfen? Wieso nennen Sie das eigentlich „Steuervereinfachung“? Ich sage Ihnen, was das ist: Das, was Sie hier vorhaben, ist Steuerbetrug an den Familien, an den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und nichts anderes.
hieß einmal, dass Menschen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf Augenhöhe miteinander verhandeln sollen. Davon kann wirklich nicht mehr die Rede sein. Sie haben ja diejenigen, die das bei Ihnen noch vertreten haben, inzwischen für dement und altersstarrsinnig erklärt, z. B. Frau Süßmuth, Herrn Geißler oder Herrn Blüm. Ich meine, dass am Ende nur noch das gilt, was Hubertus Schmoldt von der IG BCE zu Recht zu Ihren Plänen gesagt hat: Sie sind wirklich von allen guten Geistern verlassen, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Lage in Deutschland ist sehr ernst, Herr Kollege Gabriel. Deutschland befindet sich in seiner schwersten strukturellen Wirtschaftskrise seit Ende des Krieges. Das ist auch das Ergebnis von fünf Jahren schwerer Fehler und dilettantischer Politik von Rot-Grün in Berlin.
Lieber Herr Kollege Gabriel, das, was Sie hier heute vorgetragen haben, konnten wir heute Morgen schon in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung lesen. Da fordern Sie, dass die SPD sich nicht Details der Unionsvorschläge anschauen solle, sondern das Gesamtbild. Genau das, was Sie Ihrer Partei empfehlen, machen Sie jetzt nicht. Sie picken jetzt einzelne Beispiele heraus. Das Beispiel mit der Familie mit zwei Kindern und einem Erwerbstätigen, die bei 30 000 Euro Jahresgehalt angeblich 1 196,50 Euro mehr zahlen soll, ist eine Milchmädchenrechnung. Sie vergessen völlig die Entlastungen. Kinder sind beitragsfrei mitversichert. Sie betrachten die Krankenversicherung völlig isoliert. Andere Entlastungen, z. B. bei der Rentenversicherung, lassen Sie auch außen vor. Herr Gabriel, Sie müssten auch auf die Steuerreform und auf die Freibeträge eingehen usw. Wir lassen es hier nicht zu, dass Sie einzelne Beispiele herausgreifen und uns unterstellen, wir würden uns nicht für Familien einsetzen. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Die Lage in Deutschland ist ernst. Die HAZ hat neulich zu Recht kommentiert, dass auch die Stimmung in den Parteizentralen ernst sei. Sie ist es bei uns, und sie ist es auch bei Ihnen, bei den Sozialdemokraten. Diese schwierige Wirtschaftskrise wenige Wochen vor der EU-Osterweiterung ist eine besondere Belastung für Deutschland. Bei allen Indikatoren stehen wir schlecht da. Wir liegen bei der Wirtschaftsleistung pro Kopf in Europa an viertletzter Stelle. Hinter uns liegen nur noch Griechenland, Portugal und Spanien. Die strukturelle Arbeitslosigkeit in diesem Land hat sich verfestigt. Seit August 2002 sind 730 000 Arbeitsplätze in Deutschland weggefallen. Auch dafür tragen Sie in Berlin die politische Verantwortung.
4,6 Millionen Arbeitslose haben wir in Deutschland, und beim Wachstum ist Deutschland Schlusslicht in Europa. Auch 2004 liegen wir am Ende der Tabelle. Drei Jahre hintereinander Nullwachstum in Deutschland - so etwas hat es seit dem Zweiten Weltkrieg noch nicht gegeben. Das ist Ihre Bilanz von den Sozialdemokraten und den Grünen.
Diese Bundesregierung macht unvorstellbarerweise genau da weiter, wo sie 2003 aufgehört hat. Sie schlingert immer weiter: Ausbildungsplatzabgabe, gesetzliche Festlegung eines Mindestlohns, Erbschaftsteuer, Vermögensteuer. Wie man in dieser Zeit auf noch mehr Staat, auf noch mehr Bürokratie und auf noch mehr Belastung setzen kann, kann mir keiner erklären.