Bei allem Respekt, den wir vor den Verfassungsorganen Bundeskanzler und Bundesregierung haben, fällt uns dies zunehmend schwerer. Deshalb macht sich bei uns diese Stimmung breit: Jeder Tag, den diese Bundesregierung früher abtreten würde, wäre ein Segen für Deutschland.
Ich glaube, einige tun das sogar vorsätzlich, wenn man sich ansieht, was sie vor 30 Jahren skandiert haben. Aber das ist ein anderes Thema.
(Zuruf von der SPD: Unverschämtheit! - Weitere Zurufe von der SPD - Unru- he - Glocke des Präsidenten)
Sie fahren den Karren gegen die Wand. Sie haben ihn schon vollständig gegen die Wand gefahren. Trotzdem sind wir bereit, Ihnen in den entscheidenden Fragen nach wie vor zu helfen. Das haben wir im Jahr 2003 gemacht, indem wir uns im Ver
mittlungsausschuss entschieden haben, Ihre winzig kleinen Schritte in die richtige Richtung bei den Reformen in den Bereichen Arbeitsrecht, Steuern und Gesundheit mitzutragen.
Diesen Weg werden wir im Jahr 2004 weitergehen. Alles, was Wettbewerb, Eigenverantwortung, weniger Bürokratie und mehr Wachstum dient, werden wir politisch unterstützen.
Zur Oppositionsarbeit gehört es aber auch, sich programmatisch auf die Regierungsübernahme spätestens 2006 vorzubereiten.
Eines ist klar: Wir alle müssen auch Mut zu unpopulären Entscheidungen haben. Herr Gabriel, in dieser für unser Deutschland existenziellen Situation darf es gerade keine Denkverbote geben. Das ist der Unterschied!
Alle internationalen Gutachter sagen uns, wir hätten in Deutschland vor allem zwei Probleme: Unser Arbeits- und Tarifrecht sei viel zu unflexibel und zu starr, unsere Steuersätze seien zu hoch, vor allem sei das Steuerrecht viel zu kompliziert und wir hätten viel zu viel staatliche Bürokratie in diesem Land. Diesen Diskussionen stellen wir uns.
Es ist eine schwierige innerparteiliche Diskussion gewesen. Wir hatten einen erfolgreichen Parteitag in Leipzig mit den Beschlüssen zur HerzogKommission und zu den Plänen von Friedrich Merz.
(Zuruf von der SPD - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Sie können sich ja mal an Bochum erinnern!)
Wir haben jetzt unsere CDU-Position mit der der CSU zu einer einheitlichen Position zusammengeführt. Selbstverständlich gab es in dem ursprünglichen Entwurf für die Präsidiumssitzung einige Ausreißer, die mit unserem Verständnis von sozialer Marktwirtschaft als Volkspartei nicht vereinbar sind. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass unser Ministerpräsident als stellvertretender Bundesvorsitzender - Christian Wulff ist ein Mann von Maß und Mitte - dafür Sorge getragen hat, dass die CDU eine Partei von Maß und Mitte bleibt.
Unsere Positionen sind ganz klar: Der Arbeitsmarkt muss flexibilisiert werden, Betriebsräte und Unternehmensleitungen sollen freier entscheiden können. Wir müssen dafür sorgen, dass jemand, der arbeitet, mehr hat, als wenn er nicht arbeitet. Die Kosten für die sozialen Versicherungssysteme müssen vom Faktor Arbeit abgekoppelt werden. Wir brauchen in Deutschland ein neues Steuersystem. Die Steuern müssen einfach und niedrig sein. Das alles tun wir nicht aus Gründen des Selbstzwecks, sondern weil wir wissen, dass alles dem übergeordneten Ziel Wachstum dient. Nur mit Wachstum können wir unseren Wohlstand sichern, nur mit Wachstum werden wir die Arbeitslosigkeit dauerhaft senken können, und nur mit Wachstum werden wir in Europa in zehn Jahren wieder an der Spitze der drei Länder stehen. Allerdings geht das nur mit Union und FDP - Sie haben versagt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gabriel, als Sie eben das Beispiel Unternehmen bemüht haben, habe ich mir gedacht: Sie waren Vorstandsvorsitzender der AG Niedersachsen, sind am 2. Februar von der Hauptversammlung abgewählt worden, weil Sie dieses Unternehmen an den Rand der Insolvenz geführt haben,
und die Hauptversammlung hat einen neuen Vorstand eingesetzt, der tatkräftig und sofort mit den Sanierungsbemühungen angefangen hat. Ihr Chef in Berlin, der sich ja gerne als Vorstand der Deutschland AG bezeichnet, sollte eigentlich eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, damit dort endlich ein Gleiches geschieht. Aber ich fürchte, wir werden bis zum September 2006 warten müssen.
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass es der wirtschaftlichen Situation Deutschlands, unseres Landes, angemessen ist, wenn wir uns gegenseitig bezichtigen, die soziale Marktwirtschaft schwächen zu wollen. Ich bin mir sicher - Herr McAllister hat es eben ausgeführt -, dass die CDU dies nicht vorhat, im Gegenteil: Sie setzt sich für den Erhalt des Wettbewerbs und für die Sicherung der sozialen Systeme ein. Die FDP unterstützt sie dabei. Ein Beispiel, wie so etwas gehen kann: Die Jugendarbeitslosigkeit ist in den Jahren 2002 bis 2003 um 1,3 % gesunken, während sie im Bundesdurchschnitt um 6,7 % gestiegen ist. Das ist das Ergebnis der von mir eben skizzierten tatkräftigen Handlungsweise.
Meine Damen und Herren, wir sollten aufhören, Tony Blair oder Maggie Thatcher zu bemühen. Vielmehr sollten wir uns auf den Ursprung des Systems soziale Marktwirtschaft besinnen. Ich sage deutlich, dass die Pläne der CDU ebenso wie die Agenda 2010 die Richtung vorgeben. Aber ich fürchte, es wird nicht ausreichen. Wir verlieren täglich Hunderte von Arbeitsplätzen in der gewerblichen Wirtschaft, in der Produktion. Standorten wie Stadthagen oder Strückhausen droht das Aus. Es ist wahrlich nicht sozial, tatenlos zuzuschauen, wie immer mehr Menschen ihren Job verlieren und arbeitslos werden. Auch hierzu eine Zahl: In der Zeit von 1991 bis 2002 ist die Zahl der Arbeitslosen in Niedersachsen um 117 357 Menschen gestiegen.
Nein, wir müssen alles tun, damit Arbeit in diesem Land wieder bezahlbar wird, damit die sozialen Sicherungssysteme wieder finanzierbar werden und damit die Menschen wieder sichere Rahmenbedingungen haben, um für ihre Zukunft zu planen. Diese Planungssicherheit erreichen wir nicht mit Schlagzeilen wie z. B. heute in der FAZ nachzulesen: „Beschwichtigungsformeln im Rentenstreit der SPD“, sondern wir müssen den Menschen Antworten geben. Das erwarten sie von uns. Gegenseitige Beschimpfungen führen nicht zum Ziel. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zuruf von der SPD: Weiter so! Mehr Freiheit für die Liberalen! - Weiterer Zuruf von der SPD: Enno, halt drauf!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege McAllister, Ihr Beitrag war ein gutes Beispiel dafür, wie die Entzauberung der Union langsam auch auf Bundesebene voranschreitet.
Ihr Versuch, mit holzschnittartigen Vorwürfen die Bundesregierung für alle Probleme verantwortlich zu machen und die Fehler und Lasten der Wiedervereinigung, die im Augenblick immer noch unser Wirtschaftssystem im Verhältnis zu allen anderen europäischen Industrienationen am stärksten belasten, wegzudrängen, war wieder wunderbar. Ihre Kompetenz haben Sie deutlich gemacht, als Sie auf das von Herrn Gabriel genannte Beispiel der Steuern als Replik gebracht haben, dass er doch bitte die Kopfpauschalen dagegenrechnen möge. Ich meine, beim Arbeiter ist die Kopfpauschale genauso hoch wie beim Manager. Dass sich das Beispiel von Herrn Gabriel dann noch einmal entsprechend deutlicher in Richtung Ungerechtigkeit verstärken würde, haben Sie dabei völlig verdrängt.
Sie sollten Ihre eigenen Konzepte doch einmal genauer lesen und auch einmal versuchen, darunter einen Strich zu machen, und den Leuten reinen Wein einschenken.
Trotz Ihres taktischen Zurückruderns am Wochenende hat das Schauspiel durchaus deutlich gemacht, wohin denn diese Republik käme, wenn die CDU im Bund tatsächlich wieder ans Ruder käme.
Der Ausverkauf der Marktwirtschaft ist bei Ihnen Programm. Selbst mit dem vorerst abgespeckten Reformpaket höhlen Sie den Arbeitnehmerschutz schon kräftig aus, ohne dabei auch nur einen einzigen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu sichern. Tatsache ist, dass die Unionsparteien den Arbeitsschutz für vier Jahre nach einer Einstellung außer Kraft setzen wollen. Dabei ist es egal, ob der Kündigungsschutz ausgesetzt wird oder ob befristete Arbeitsverhältnisse für diese Dauer von vier Jahren zugelassen werden sollen. Der Arbeitnehmer lebt so oder so vier Jahre lang in Unsicherheit, Herr
Nach Ansicht aller Analysten ist im Augenblick unser Hauptproblem in der Binnenkonjunktur, dass wir wieder Motivation und Konsumfreude brauchen. Mit Reden Ihrer Art werden die sicherlich nicht entstehen.
Ähnlich verhält es sich mit der Stigmatisierung der über 50-Jährigen. In einer Gesellschaft, die verstärkt auf Jugend setzt, haben es ältere Arbeitnehmer ohnehin schwer, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Union will ihnen jetzt auch noch den letzten Rest an Anerkennung und Sicherheit nehmen. Ob Aufhebung des Kündigungsschutzes oder Abfindungsregelungen - Unternehmen würden es bei der CDU leichter haben, ihre älteren Arbeitnehmer wieder auf die Straße zu setzen.
Und wozu dient diese Nachtaktion, der Frontalangriff auf Arbeitnehmerrechte vom vergangenen Wochenende? Zum Abbau von Arbeitslosigkeit, wie Sie glauben machen wollen, Herr McAllister, wohl kaum. Vor acht Jahren wurde das Rezept schon einmal von Herrn Blüm angewandt. Er versprach der Republik für einen entsprechend aufgeweichten Kündigungsschutz 300 000 zusätzliche Arbeitsplätze. Noch heute warten wir auf diese Arbeitsplätze.
Die vergangene Woche hat doch gerade in Niedersachsen gezeigt, dass Arbeitsplatzsicherung oder gar -schaffung nun wirklich keine Frage des großen Arbeitnehmerrechts in unserem Land ist. OTIS und Continental machen hier Produktionsstätten dicht und drohen mit Abwanderung, weil sie sich unglaubliche Profitzahlen in den Kopf gesetzt haben, aber nicht weil die Arbeitnehmerrechte hier so streng sind.